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Mährisches Tagblatt. Nr. 40, Olmütz, 18.02.1889.

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Das
"Mährische Tagblatt
mit der illustr. alle 14 Tage
1 Bogen stark erscheinende
"Illustrirt. Sonntagsbeil."
erscheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
Ausgabe 2 Uhr Nachmittags
im Administrations-Locale
Niederring Nr. 41 neu
ober den Fleischbänken.

Abonnoment für Olmütz:
Ganzjährig fl. 10.--
Halbjährig fl. 5.--
Bierteljährig fl. 2 50
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lich 10 Kreuzer.

Auswärts durch die Post:
Ganzjährig fl. 14.--
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Einzelne Nummer 5 Kreuzer


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Mährisches
Tagblatt.

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Insertionsgebühren
nach. aufliegendem Tarif.




Außerhalb Olmütz überneh-
men Inse ons-Aufträge
Heinrich Schalek, Annon-
cen Exped. in Wien, I. Woll-
zeile Nr. 11, Haasenstein &
Vogler
in Wien, Prag, Buda-
pest, Berlin, F[ra]nkfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin M. Dukes, Wien I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes




Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.




Nr. 40. Olmütz, Montag den 18. Februar 1889. 10. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Der Protest-Amzug in Budapest.
(Orig.-Telegramme des "Mähr. Tablattes.")


Die gestern von den oppositionellen Abgeord-
neten unter Mitwirkung der studirenden Jugend
veranstaltete Kundgebung wurde von einem pracht-
vollen Wetter begünstigt. Aus allen Stadttheilen
zog die Bevölkerung nach dem als Versammlungs-
punkt bestimmten Calvinplatze, welcher um 2 Uhr,
dem officiellen Beginn der Manifestation, bereits
von einer vieltausendköpfigen Menge besetzt war,
welche sich fortwährend vergrößerte. Am Balkon
des Clublocals der gemäßigten Opposition hatten
sich 20 bis 25 Mitglieder der Partei versammelt.

Jurist Pandy hielt an dieselben eine An-
sprache, in welcher er für die Unterstützung der
Interessen der Jugend den Dank aussprach. --
Abg. Achaz Beöthy hierauf entgegnend, versicherte,
die Partei werde die Jugend auch fernerhin unter-
stützen, und sprach die Bitte aus, es möge jeder
Einzelne dazu beitragen, daß die Manifestation
eine würdige bleibe; denn in diesem Falle werde
sie der Freiheit, im anderen Falle aber der
Knechtschaft dienen. Beöthy schloß seine Rede
mit dem Rufe: "Es lebe der König!",
in welchen die Menge entblößten Hauptes mit
Begeisterung einstimmte. Hierauf setzte sich der
Zug in Bewegung. Denselben führten einige
berittene Polizisten und, im Wagen stehend, der
Abg. Graf Karolyi. Diesem folgten die Träger
nationaler Banner, welche die Aufschriften tru-
gen: "Es lebe der König!", "Nieder
mit Tisza!", "Weg mit dem Para-
graph
25!" und "Es lebe die unga-
rische Nation!"


[Spaltenumbruch]

Den eigentlichen Zug eröffneten so-
dann die der Unabhängigkeitspartei
angehörenden Reichstags-Abgeordne-
ten,
welche Arm in Arm in drei Reihen ein-
herschritten. Diesen folgte die Universitäts-
jugend
mit ihren Abzeichen und eine unab-
sehbare, allen Schichten der hauptstädtischen Be-
völkerung augehörende Menge, darunter sehr zahl-
reiche, mit nationalfärbigen Cocarden und Bän-
dern geschmückte Damen. Zu beiden Seiten des
unabsehbaren Zuges bildeten die als Ordner fun-
girenden, mit entsprechenden Abzeichen versehenen
Universitätshörer Hand in Hand einen Cor-
don, innerhalb dessen der Zug sich unge-
stört fortbewegte. Derselbe nahm den Weg über
den Museumring und die Kerepeserstraße. Dort,
vor dem Club der Unabhängigkeits Partei ange-
langt, richtete der Jurist Polacsek namens der
Jugend eine dankende Ansprache an die Partei,
in deren Namen Coloman Thaly unter brausen-
den Elj[e]nrufen erwiderte.

Unter Eljenrufen auf Seine Majestät be-
wegte sich der Zug weiter über die Kereveser-
straße, bog in die Elisabeth- und Theresien-Ring-
straße ein und langte sodann über die Andrassy-
straße und die Badgasse am Franz Josefs-Platze
vor dem Club der liberalen Partei an. Ueberall
entlang des ganzen Weges bildete die Menge zu
beiden Seiten der Straße Spalier. Von den
Fenstern und Balconen einzelner Häuser wurden
die Manifestanten mit Tücherschwenken aufgemun-
tert. Die von denselben ausgebrachten Rufe: "Es
lebe der König!" fanden tausendstimmigen Wider-
hall, ihnen folgten die Abzugsrufe gegen Tisza.
Unter fortwährenden Acclamationen und unter
Absingung patriotischer Lieder langte der Zug
[Spaltenumbruch] vor dem Club der liberalen Parte
an, wo die Menge in stürmischen Rufe: "Nie-
der mit Tisza!"
ausbrach.

Von hier bog der Zug auf den Donau-
quai
ein und nahm gegenüber der Ofner
königlichen Burg
Aufstellung. Ohne besondere
Aufforderung brach die Menge in die Rufe aus:
"Es lebe der König", schwenkte die
Hüte und senkte die Fahnen, enthielt
sich aber jeder anderweitigen Demon-
stration oder irgend welcher Aus-
rufe.

Von hier kehrte der Zug zu dem Ausgangs-
punkte zurück. Vor dem Palais des Baron Bela
Aczel, woselbst sich nebst dem Grafen Stefan
Karolyi auch mehrere Magnaten am Balcon be-
fanden, richtete Jurist Bezsille eine Ansprache an
dieselben, in welcher er sagte, daß die Magnaten
stets Hüter der Verfassung waren und es auch
jetzt sein werden.

Vor der Statue Petösi's wurde das "Szozat"
intonirt, worauf die Menge allmälig auf den
Calvin-Platz zurückkehrte. Hier wurde die Num-
mer des "Nemzet", und des humoristischen
Blattes "Borszem Janko" verbrannt, worauf
Pazmandy und Kalrolyi die Menge aufforderten
sich ruhig zu zerstreuen.

Das Auseinandergehen der Menge vollzog
sich in bester Ordnung. Die Demonstration war
um halb 5 Uhr zu Ende. Die Zahl der
Theilnehmer wird auf
70.000 Per-
sonen geschätzt.

Bis 6 Uhr Abends wogte auf den Straßen
überall eine riesige Menschenmenge. Die Ordnung
und Ruhe wurde aber nicht gestört.


[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Die Gefängnißerinnerungen der
Herzogin von Duras.

Während die französische Republik die hun-
dertjährige Feier des Ausbruches der großen Re-
volution durch eine Weltausstellung zu krönen
gedenkt, um die segensreichen, wenn auch mittel-
baren Folgen derselben allen Völkern vor Augen
zu führen, öffnen die vornehmen Familien des
Landes ihre Archive, um die Aufzeichnungen ihrer
Vorfahren aus jener denkwürdigen Zeit der
Oeffentlichkeit zu übergeben und durch dieselben
die Zeugnisse von dem blutigen und grauenvollen
Character jener gewaltigen staatlichen Umwäl-
zung zu vermehren.

In der Reihe dieser Veröffentlichungen wird
man einem Buche, das vor Kurzem unter dem Titel
"Journal des prisons de mon pe e de ma
mere et des miens, par la Duchesse de
Duras"
in Paris bei Plon erschienen ist, eine
hervorragenve Stelle zuweisen dürfen. Wir müssen
jedoch hinzufügen, daß der Titel insofern einen
falschen Begriff von dem Inhalte des We[r]kes
gibt, als die Denkwürdigkeiten aus dem Gefäng-
nißleben der Angehörigen der Verfasserin einen
weit geringeren Theil desselben ausfüllen, als
ihre Aufzeichnungen über ihre eigene Gefängniß-
zeit. Mit den letzteren wollen wir uns in Fol-
gendem auch allein beschäftigen.


[Spaltenumbruch]

Die Herzogin von Duras war die Tochter
des Grafen von Noailles, Marschalls von
Frankreich, der beim Ausbruch der Revolution
bereits nahe vor seinem achtzigsten Lebensjahre
stand und sich vielleicht aus diesem Grunde nicht
den Auswanderern anschloß. Um ihre hochbetagten
Eltern in den Stürmen der Revolution nicht
allein zu lassen, beschloß die Herzogin, im Gegen-
satz zu ihren Brüdern, bei ihnen auszuharren
und begleitete sie im September des Jahres 1792
auf das Stammschloß im Departement Oise.
Wenn jedoch die gräfliche Familie gehofft hatte,
sich durch ein zurückgezogenes Leben in der Pro-
vinz den Blicken der Schreckensmänner zu ent-
ziehen, so sah sie sich nach dieser Richtung bitter ent-
täuscht; denn im October des folgenden Jahres
wurde die Herzogin verhaftet, und zwar aus
keinem anderen Grunde, als um durch ihren
hohen Rang dem Gefängniß von Chantilly einen
gewissen Glanz zu verleihen.

In dem dortigen Schlosse schmachteten zu
jener Zeit in banger Erwartung des ihnen be-
vorstehenden Schicksals über 600 Personen aus
allen Ständen und vom Kindes- bis zum hohen
Greisenalter. Die Herzogin wurde insofern be-
vorzugt, als sie ein kleines Gemach für sich er-
hielt, während die übrigen Gefangenen ohne
Unterschied des Geschlechts in den großen Schloß-
räumen zusammeng[e]pfercht waren. Sie schreibt
darüber: Die Zimmer, die in dem alten Um-
fange erhalten waren, enthielten bis zu fünf-
undzwanzig Personen. Die Jasassen des einen
[Spaltenumbruch] derselben, in dem die Betten so nahe bei ein-
ander standen, daß man sie am Tage, um Raum
zur Bewegung zu haben, über einander stellen
mußte, habe ich mir gemerkt. Sie bestanden aus
einem republikanischen General mit seiner Frau,
einem Geistlichen aus Noyon im Alter von
siebenundzwanzig Jahren, mehreren jungen Leuten
und zwei tugendhaften Familienmüttern mit fünf
oder sechs Töchtern im Alter von vierzehn bis
zwanzig Jahren." -- Die Mahlzeiten wurden
von den Gefangenen zu je zweihundert in der
Galerie des Schlosses eingenommen, aber die
Speisen, die man ihnen vorsetzte, waren derart,
daß selbst der schärfste Hunger den Ekel, d:n
sie erregten, kaum zu überwinden vermochte.
Trotzdem aber erschien eine solche Beköstigungs-
art den republicanischen Machthabern noch nicht
schlecht genug, und eines Tages machte ein von
ihnen abgesandter Commissär dem Kerkermeister
in Gegenwart der Gefangenen bittere Vorwürfe
darüber, daß von diesen zu wenige mit dem Tode
abgingen.

Zu solchen Entbehrungen und Widerwärtig-
keiten, welche die zum weitaus größten Theil
völlig unschuldigen Opfer revolutionärer Rach-
sucht über sich ergehen lassen mußten, trat noch
die beständige Furcht vor der Guillotine. Fast
täglich wurde eine größere Anzahl von ihnen
nach Paris befördert, um die Lücken, die das
Henkerbeil in den dortigen Gefängnissen verur-
sachte, wieder anzufüllen, und nach halbjähriger
Kerkerhaft in Chantilly kam auch die Reihe an


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt
mit der illuſtr. alle 14 Tage
1 Bogen ſtark erſcheinende
„Illuſtrirt. Sonntagsbeil.“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
Ausgabe 2 Uhr Nachmittags
im Adminiſtrations-Locale
Niederring Nr. 41 neu
ober den Fleiſchbänken.

Abonnoment für Olmütz:
Ganzjährig fl. 10.—
Halbjährig fl. 5.—
Bierteljährig fl. 2 50
Monatlich fl. —.90

Zuſtellung ins Haus monat-
lich 10 Kreuzer.

Auswärts durch die Poſt:
Ganzjährig fl. 14.—
Halbjährig „ 7.—
Vierteljährig „ 3.50

Einzelne Nummer 5 Kreuzer


[Spaltenumbruch]
Mähriſches
Tagblatt.

[Spaltenumbruch]

Inſertionsgebühren
nach. aufliegendem Tarif.




Außerhalb Olmütz überneh-
men Inſe ons-Aufträge
Heinrich Schalek, Annon-
cen Exped. in Wien, I. Woll-
zeile Nr. 11, Haasenstein &
Vogler
in Wien, Prag, Buda-
peſt, Berlin, F[ra]nkfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin M. Dukes, Wien I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes




Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.




Nr. 40. Olmütz, Montag den 18. Februar 1889. 10. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Der Proteſt-Amzug in Budapeſt.
(Orig.-Telegramme des „Mähr. Tablattes.“)


Die geſtern von den oppoſitionellen Abgeord-
neten unter Mitwirkung der ſtudirenden Jugend
veranſtaltete Kundgebung wurde von einem pracht-
vollen Wetter begünſtigt. Aus allen Stadttheilen
zog die Bevölkerung nach dem als Verſammlungs-
punkt beſtimmten Calvinplatze, welcher um 2 Uhr,
dem officiellen Beginn der Manifeſtation, bereits
von einer vieltauſendköpfigen Menge beſetzt war,
welche ſich fortwährend vergrößerte. Am Balkon
des Clublocals der gemäßigten Oppoſition hatten
ſich 20 bis 25 Mitglieder der Partei verſammelt.

Juriſt Pandy hielt an dieſelben eine An-
ſprache, in welcher er für die Unterſtützung der
Intereſſen der Jugend den Dank ausſprach. —
Abg. Achaz Beöthy hierauf entgegnend, verſicherte,
die Partei werde die Jugend auch fernerhin unter-
ſtützen, und ſprach die Bitte aus, es möge jeder
Einzelne dazu beitragen, daß die Manifeſtation
eine würdige bleibe; denn in dieſem Falle werde
ſie der Freiheit, im anderen Falle aber der
Knechtſchaft dienen. Beöthy ſchloß ſeine Rede
mit dem Rufe: „Es lebe der König!“,
in welchen die Menge entblößten Hauptes mit
Begeiſterung einſtimmte. Hierauf ſetzte ſich der
Zug in Bewegung. Denſelben führten einige
berittene Poliziſten und, im Wagen ſtehend, der
Abg. Graf Karolyi. Dieſem folgten die Träger
nationaler Banner, welche die Aufſchriften tru-
gen: „Es lebe der König!“, „Nieder
mit Tisza!“, „Weg mit dem Para-
graph
25!“ und „Es lebe die unga-
riſche Nation!“


[Spaltenumbruch]

Den eigentlichen Zug eröffneten ſo-
dann die der Unabhängigkeitspartei
angehörenden Reichstags-Abgeordne-
ten,
welche Arm in Arm in drei Reihen ein-
herſchritten. Dieſen folgte die Univerſitäts-
jugend
mit ihren Abzeichen und eine unab-
ſehbare, allen Schichten der hauptſtädtiſchen Be-
völkerung augehörende Menge, darunter ſehr zahl-
reiche, mit nationalfärbigen Cocarden und Bän-
dern geſchmückte Damen. Zu beiden Seiten des
unabſehbaren Zuges bildeten die als Ordner fun-
girenden, mit entſprechenden Abzeichen verſehenen
Univerſitätshörer Hand in Hand einen Cor-
don, innerhalb deſſen der Zug ſich unge-
ſtört fortbewegte. Derſelbe nahm den Weg über
den Muſeumring und die Kerepeſerſtraße. Dort,
vor dem Club der Unabhängigkeits Partei ange-
langt, richtete der Juriſt Polacsek namens der
Jugend eine dankende Anſprache an die Partei,
in deren Namen Coloman Thaly unter brauſen-
den Elj[e]nrufen erwiderte.

Unter Eljenrufen auf Seine Majeſtät be-
wegte ſich der Zug weiter über die Kereveſer-
ſtraße, bog in die Eliſabeth- und Thereſien-Ring-
ſtraße ein und langte ſodann über die Andraſſy-
ſtraße und die Badgaſſe am Franz Joſefs-Platze
vor dem Club der liberalen Partei an. Ueberall
entlang des ganzen Weges bildete die Menge zu
beiden Seiten der Straße Spalier. Von den
Fenſtern und Balconen einzelner Häuſer wurden
die Manifeſtanten mit Tücherſchwenken aufgemun-
tert. Die von denſelben ausgebrachten Rufe: „Es
lebe der König!“ fanden tauſendſtimmigen Wider-
hall, ihnen folgten die Abzugsrufe gegen Tisza.
Unter fortwährenden Acclamationen und unter
Abſingung patriotiſcher Lieder langte der Zug
[Spaltenumbruch] vor dem Club der liberalen Parte
an, wo die Menge in ſtürmiſchen Rufe: „Nie-
der mit Tisza!“
ausbrach.

Von hier bog der Zug auf den Donau-
quai
ein und nahm gegenüber der Ofner
königlichen Burg
Aufſtellung. Ohne beſondere
Aufforderung brach die Menge in die Rufe aus:
„Es lebe der König“, ſchwenkte die
Hüte und ſenkte die Fahnen, enthielt
ſich aber jeder anderweitigen Demon-
ſtration oder irgend welcher Aus-
rufe.

Von hier kehrte der Zug zu dem Ausgangs-
punkte zurück. Vor dem Palais des Baron Bela
Aczel, woſelbſt ſich nebſt dem Grafen Stefan
Karolyi auch mehrere Magnaten am Balcon be-
fanden, richtete Juriſt Bezsille eine Anſprache an
dieſelben, in welcher er ſagte, daß die Magnaten
ſtets Hüter der Verfaſſung waren und es auch
jetzt ſein werden.

Vor der Statue Petöſi’s wurde das „Szozat“
intonirt, worauf die Menge allmälig auf den
Calvin-Platz zurückkehrte. Hier wurde die Num-
mer des „Nemzet“, und des humoriſtiſchen
Blattes „Borszem Janko“ verbrannt, worauf
Pazmandy und Kalrolyi die Menge aufforderten
ſich ruhig zu zerſtreuen.

Das Auseinandergehen der Menge vollzog
ſich in beſter Ordnung. Die Demonſtration war
um halb 5 Uhr zu Ende. Die Zahl der
Theilnehmer wird auf
70.000 Per-
ſonen geſchätzt.

Bis 6 Uhr Abends wogte auf den Straßen
überall eine rieſige Menſchenmenge. Die Ordnung
und Ruhe wurde aber nicht geſtört.


[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Die Gefängnißerinnerungen der
Herzogin von Duras.

Während die franzöſiſche Republik die hun-
dertjährige Feier des Ausbruches der großen Re-
volution durch eine Weltausſtellung zu krönen
gedenkt, um die ſegensreichen, wenn auch mittel-
baren Folgen derſelben allen Völkern vor Augen
zu führen, öffnen die vornehmen Familien des
Landes ihre Archive, um die Aufzeichnungen ihrer
Vorfahren aus jener denkwürdigen Zeit der
Oeffentlichkeit zu übergeben und durch dieſelben
die Zeugniſſe von dem blutigen und grauenvollen
Character jener gewaltigen ſtaatlichen Umwäl-
zung zu vermehren.

In der Reihe dieſer Veröffentlichungen wird
man einem Buche, das vor Kurzem unter dem Titel
„Journal des prisons de mon pé e de ma
mére et des miens, par la Duchesse de
Duras“
in Paris bei Plon erſchienen iſt, eine
hervorragenve Stelle zuweiſen dürfen. Wir müſſen
jedoch hinzufügen, daß der Titel inſofern einen
falſchen Begriff von dem Inhalte des We[r]kes
gibt, als die Denkwürdigkeiten aus dem Gefäng-
nißleben der Angehörigen der Verfaſſerin einen
weit geringeren Theil desſelben ausfüllen, als
ihre Aufzeichnungen über ihre eigene Gefängniß-
zeit. Mit den letzteren wollen wir uns in Fol-
gendem auch allein beſchäftigen.


[Spaltenumbruch]

Die Herzogin von Duras war die Tochter
des Grafen von Noailles, Marſchalls von
Frankreich, der beim Ausbruch der Revolution
bereits nahe vor ſeinem achtzigſten Lebensjahre
ſtand und ſich vielleicht aus dieſem Grunde nicht
den Auswanderern anſchloß. Um ihre hochbetagten
Eltern in den Stürmen der Revolution nicht
allein zu laſſen, beſchloß die Herzogin, im Gegen-
ſatz zu ihren Brüdern, bei ihnen auszuharren
und begleitete ſie im September des Jahres 1792
auf das Stammſchloß im Departement Oiſe.
Wenn jedoch die gräfliche Familie gehofft hatte,
ſich durch ein zurückgezogenes Leben in der Pro-
vinz den Blicken der Schreckensmänner zu ent-
ziehen, ſo ſah ſie ſich nach dieſer Richtung bitter ent-
täuſcht; denn im October des folgenden Jahres
wurde die Herzogin verhaftet, und zwar aus
keinem anderen Grunde, als um durch ihren
hohen Rang dem Gefängniß von Chantilly einen
gewiſſen Glanz zu verleihen.

In dem dortigen Schloſſe ſchmachteten zu
jener Zeit in banger Erwartung des ihnen be-
vorſtehenden Schickſals über 600 Perſonen aus
allen Ständen und vom Kindes- bis zum hohen
Greiſenalter. Die Herzogin wurde inſofern be-
vorzugt, als ſie ein kleines Gemach für ſich er-
hielt, während die übrigen Gefangenen ohne
Unterſchied des Geſchlechts in den großen Schloß-
räumen zuſammeng[e]pfercht waren. Sie ſchreibt
darüber: Die Zimmer, die in dem alten Um-
fange erhalten waren, enthielten bis zu fünf-
undzwanzig Perſonen. Die Jaſaſſen des einen
[Spaltenumbruch] derſelben, in dem die Betten ſo nahe bei ein-
ander ſtanden, daß man ſie am Tage, um Raum
zur Bewegung zu haben, über einander ſtellen
mußte, habe ich mir gemerkt. Sie beſtanden aus
einem republikaniſchen General mit ſeiner Frau,
einem Geiſtlichen aus Noyon im Alter von
ſiebenundzwanzig Jahren, mehreren jungen Leuten
und zwei tugendhaften Familienmüttern mit fünf
oder ſechs Töchtern im Alter von vierzehn bis
zwanzig Jahren.“ — Die Mahlzeiten wurden
von den Gefangenen zu je zweihundert in der
Galerie des Schloſſes eingenommen, aber die
Speiſen, die man ihnen vorſetzte, waren derart,
daß ſelbſt der ſchärfſte Hunger den Ekel, d:n
ſie erregten, kaum zu überwinden vermochte.
Trotzdem aber erſchien eine ſolche Beköſtigungs-
art den republicaniſchen Machthabern noch nicht
ſchlecht genug, und eines Tages machte ein von
ihnen abgeſandter Commiſſär dem Kerkermeiſter
in Gegenwart der Gefangenen bittere Vorwürfe
darüber, daß von dieſen zu wenige mit dem Tode
abgingen.

Zu ſolchen Entbehrungen und Widerwärtig-
keiten, welche die zum weitaus größten Theil
völlig unſchuldigen Opfer revolutionärer Rach-
ſucht über ſich ergehen laſſen mußten, trat noch
die beſtändige Furcht vor der Guillotine. Faſt
täglich wurde eine größere Anzahl von ihnen
nach Paris befördert, um die Lücken, die das
Henkerbeil in den dortigen Gefängniſſen verur-
ſachte, wieder anzufüllen, und nach halbjähriger
Kerkerhaft in Chantilly kam auch die Reihe an


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt mit der illuſtr. alle 14 Tage 1 Bogen ſtark erſcheinende „Illuſtrirt. Sonntagsbeil.“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnoment für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig fl. 5.— Bierteljährig fl. 2 50 Monatlich fl. —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren nach. aufliegendem Tarif. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſe ons-Aufträge Heinrich Schalek, Annon- cen Exped. in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin M. Dukes, Wien I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube u. Co. Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions Bu- reaus des In- u. Auslandes Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Nr. 40. Olmütz, Montag den 18. Februar 1889. 10. Jahrgang. Der Proteſt-Amzug in Budapeſt. (Orig.-Telegramme des „Mähr. Tablattes.“) Budapeſt 18. Februar. Die geſtern von den oppoſitionellen Abgeord- neten unter Mitwirkung der ſtudirenden Jugend veranſtaltete Kundgebung wurde von einem pracht- vollen Wetter begünſtigt. Aus allen Stadttheilen zog die Bevölkerung nach dem als Verſammlungs- punkt beſtimmten Calvinplatze, welcher um 2 Uhr, dem officiellen Beginn der Manifeſtation, bereits von einer vieltauſendköpfigen Menge beſetzt war, welche ſich fortwährend vergrößerte. Am Balkon des Clublocals der gemäßigten Oppoſition hatten ſich 20 bis 25 Mitglieder der Partei verſammelt. Juriſt Pandy hielt an dieſelben eine An- ſprache, in welcher er für die Unterſtützung der Intereſſen der Jugend den Dank ausſprach. — Abg. Achaz Beöthy hierauf entgegnend, verſicherte, die Partei werde die Jugend auch fernerhin unter- ſtützen, und ſprach die Bitte aus, es möge jeder Einzelne dazu beitragen, daß die Manifeſtation eine würdige bleibe; denn in dieſem Falle werde ſie der Freiheit, im anderen Falle aber der Knechtſchaft dienen. Beöthy ſchloß ſeine Rede mit dem Rufe: „Es lebe der König!“, in welchen die Menge entblößten Hauptes mit Begeiſterung einſtimmte. Hierauf ſetzte ſich der Zug in Bewegung. Denſelben führten einige berittene Poliziſten und, im Wagen ſtehend, der Abg. Graf Karolyi. Dieſem folgten die Träger nationaler Banner, welche die Aufſchriften tru- gen: „Es lebe der König!“, „Nieder mit Tisza!“, „Weg mit dem Para- graph 25!“ und „Es lebe die unga- riſche Nation!“ Den eigentlichen Zug eröffneten ſo- dann die der Unabhängigkeitspartei angehörenden Reichstags-Abgeordne- ten, welche Arm in Arm in drei Reihen ein- herſchritten. Dieſen folgte die Univerſitäts- jugend mit ihren Abzeichen und eine unab- ſehbare, allen Schichten der hauptſtädtiſchen Be- völkerung augehörende Menge, darunter ſehr zahl- reiche, mit nationalfärbigen Cocarden und Bän- dern geſchmückte Damen. Zu beiden Seiten des unabſehbaren Zuges bildeten die als Ordner fun- girenden, mit entſprechenden Abzeichen verſehenen Univerſitätshörer Hand in Hand einen Cor- don, innerhalb deſſen der Zug ſich unge- ſtört fortbewegte. Derſelbe nahm den Weg über den Muſeumring und die Kerepeſerſtraße. Dort, vor dem Club der Unabhängigkeits Partei ange- langt, richtete der Juriſt Polacsek namens der Jugend eine dankende Anſprache an die Partei, in deren Namen Coloman Thaly unter brauſen- den Eljenrufen erwiderte. Unter Eljenrufen auf Seine Majeſtät be- wegte ſich der Zug weiter über die Kereveſer- ſtraße, bog in die Eliſabeth- und Thereſien-Ring- ſtraße ein und langte ſodann über die Andraſſy- ſtraße und die Badgaſſe am Franz Joſefs-Platze vor dem Club der liberalen Partei an. Ueberall entlang des ganzen Weges bildete die Menge zu beiden Seiten der Straße Spalier. Von den Fenſtern und Balconen einzelner Häuſer wurden die Manifeſtanten mit Tücherſchwenken aufgemun- tert. Die von denſelben ausgebrachten Rufe: „Es lebe der König!“ fanden tauſendſtimmigen Wider- hall, ihnen folgten die Abzugsrufe gegen Tisza. Unter fortwährenden Acclamationen und unter Abſingung patriotiſcher Lieder langte der Zug vor dem Club der liberalen Parte an, wo die Menge in ſtürmiſchen Rufe: „Nie- der mit Tisza!“ ausbrach. Von hier bog der Zug auf den Donau- quai ein und nahm gegenüber der Ofner königlichen Burg Aufſtellung. 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Die Zahl der Theilnehmer wird auf 70.000 Per- ſonen geſchätzt. Bis 6 Uhr Abends wogte auf den Straßen überall eine rieſige Menſchenmenge. Die Ordnung und Ruhe wurde aber nicht geſtört. Feuilleton. Die Gefängnißerinnerungen der Herzogin von Duras. Von Carl Witte. Während die franzöſiſche Republik die hun- dertjährige Feier des Ausbruches der großen Re- volution durch eine Weltausſtellung zu krönen gedenkt, um die ſegensreichen, wenn auch mittel- baren Folgen derſelben allen Völkern vor Augen zu führen, öffnen die vornehmen Familien des Landes ihre Archive, um die Aufzeichnungen ihrer Vorfahren aus jener denkwürdigen Zeit der Oeffentlichkeit zu übergeben und durch dieſelben die Zeugniſſe von dem blutigen und grauenvollen Character jener gewaltigen ſtaatlichen Umwäl- zung zu vermehren. In der Reihe dieſer Veröffentlichungen wird man einem Buche, das vor Kurzem unter dem Titel „Journal des prisons de mon pé e de ma mére et des miens, par la Duchesse de Duras“ in Paris bei Plon erſchienen iſt, eine hervorragenve Stelle zuweiſen dürfen. Wir müſſen jedoch hinzufügen, daß der Titel inſofern einen falſchen Begriff von dem Inhalte des Werkes gibt, als die Denkwürdigkeiten aus dem Gefäng- nißleben der Angehörigen der Verfaſſerin einen weit geringeren Theil desſelben ausfüllen, als ihre Aufzeichnungen über ihre eigene Gefängniß- zeit. Mit den letzteren wollen wir uns in Fol- gendem auch allein beſchäftigen. Die Herzogin von Duras war die Tochter des Grafen von Noailles, Marſchalls von Frankreich, der beim Ausbruch der Revolution bereits nahe vor ſeinem achtzigſten Lebensjahre ſtand und ſich vielleicht aus dieſem Grunde nicht den Auswanderern anſchloß. Um ihre hochbetagten Eltern in den Stürmen der Revolution nicht allein zu laſſen, beſchloß die Herzogin, im Gegen- ſatz zu ihren Brüdern, bei ihnen auszuharren und begleitete ſie im September des Jahres 1792 auf das Stammſchloß im Departement Oiſe. Wenn jedoch die gräfliche Familie gehofft hatte, ſich durch ein zurückgezogenes Leben in der Pro- vinz den Blicken der Schreckensmänner zu ent- ziehen, ſo ſah ſie ſich nach dieſer Richtung bitter ent- täuſcht; denn im October des folgenden Jahres wurde die Herzogin verhaftet, und zwar aus keinem anderen Grunde, als um durch ihren hohen Rang dem Gefängniß von Chantilly einen gewiſſen Glanz zu verleihen. In dem dortigen Schloſſe ſchmachteten zu jener Zeit in banger Erwartung des ihnen be- vorſtehenden Schickſals über 600 Perſonen aus allen Ständen und vom Kindes- bis zum hohen Greiſenalter. 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Sie beſtanden aus einem republikaniſchen General mit ſeiner Frau, einem Geiſtlichen aus Noyon im Alter von ſiebenundzwanzig Jahren, mehreren jungen Leuten und zwei tugendhaften Familienmüttern mit fünf oder ſechs Töchtern im Alter von vierzehn bis zwanzig Jahren.“ — Die Mahlzeiten wurden von den Gefangenen zu je zweihundert in der Galerie des Schloſſes eingenommen, aber die Speiſen, die man ihnen vorſetzte, waren derart, daß ſelbſt der ſchärfſte Hunger den Ekel, d:n ſie erregten, kaum zu überwinden vermochte. Trotzdem aber erſchien eine ſolche Beköſtigungs- art den republicaniſchen Machthabern noch nicht ſchlecht genug, und eines Tages machte ein von ihnen abgeſandter Commiſſär dem Kerkermeiſter in Gegenwart der Gefangenen bittere Vorwürfe darüber, daß von dieſen zu wenige mit dem Tode abgingen. Zu ſolchen Entbehrungen und Widerwärtig- keiten, welche die zum weitaus größten Theil völlig unſchuldigen Opfer revolutionärer Rach- ſucht über ſich ergehen laſſen mußten, trat noch die beſtändige Furcht vor der Guillotine. Faſt täglich wurde eine größere Anzahl von ihnen nach Paris befördert, um die Lücken, die das Henkerbeil in den dortigen Gefängniſſen verur- ſachte, wieder anzufüllen, und nach halbjähriger Kerkerhaft in Chantilly kam auch die Reihe an

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 40, Olmütz, 18.02.1889, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches40_1889/1>, abgerufen am 29.03.2024.