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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Welche Zweifel man auch, trotz der gerechten Verehrung die dem großen La Place
gebührt, gegen die numerische Gewißheit seiner Rechnung erheben kann, so steht
eine so merkwürdige und fast allgemein anerkannte Thatsache doch unstreitig mit
dem in Verbindung, was die vulkanischen Erscheinungen uns lehren. Es scheint
mir nämlich wahrscheinlich, daß dieselben aus einer sehr einfachen Ursache, aus
einer steten oder vorübergehenden Verbindung zwischen dem Innern und Aeu-
ßern unseres Planeten entstehen. Diese Beobachtungen lehren zugleich, wie,
unabhängig von der Schiefe der Ekliptik im frühesten, gleichsam jugendlichen
Zustande der Erde, Tropen-Temperatur und Tropen-Vegetation unter jeglicher
Zone entstehen, und so lange fortdauern konnten, bis durch Wärme-Strahlung
aus der erhärteten Erdrinde, und durch allmälige Ausfüllung der Gangklüfte
mit heterogenen Gestein-Massen, sich ein Zustand bildete, in welchem, (wie
Fourier in einem tiefsinnigen Werke gezeigt hat) die Wärme der Oberfläche
und des Luftkreises nur von der Stellung des Planeten gegen einen Central-
Körper, die Sonne, abhangt. (Nach Fourier kann sich die Temperatur in
30,000 Jahren nicht um 1° vermindern).

4te Vorlesung [(3. Januar 1828)]

Die Untersuchungen über die Beschaffenheit des festen Erdkörpers,
über die geognostische Construction der Erde, haben von jeher die gebildeten
Menschen beschäftigt. Doch ist erst in neueren Zeiten durch gesichtetere Beobach-
tungen eine mehr mythische Behandlung verdrängt worden. Man kann sagen
Keppler habe die Gesetze erkannt und Newton sie erwiesen. Im Allgemeinen
ist angenommen, daß der Erdball, bevor seine Oberfläche ihre jetzige Gestalt
gewann, sehr verbreitete Revolutionen erlitten habe, welche die Ordnung der

Dinge

Welche Zweifel man auch, trotz der gerechten Verehrung die dem großen La Place
gebührt, gegen die numerische Gewißheit seiner Rechnung erheben kann, so steht
eine so merkwürdige und fast allgemein anerkannte Thatsache doch unstreitig mit
dem in Verbindung, was die vulkanischen Erscheinungen uns lehren. Es scheint
mir nämlich wahrscheinlich, daß dieselben aus einer sehr einfachen Ursache, aus
einer steten oder vorübergehenden Verbindung zwischen dem Innern und Aeu-
ßern unseres Planeten entstehen. Diese Beobachtungen lehren zugleich, wie,
unabhängig von der Schiefe der Ekliptik im frühesten, gleichsam jugendlichen
Zustande der Erde, Tropen-Temperatur und Tropen-Vegetation unter jeglicher
Zone entstehen, und so lange fortdauern konnten, bis durch Wärme-Strahlung
aus der erhärteten Erdrinde, und durch allmälige Ausfüllung der Gangklüfte
mit heterogenen Gestein-Massen, sich ein Zustand bildete, in welchem, (wie
Fourier in einem tiefsinnigen Werke gezeigt hat) die Wärme der Oberfläche
und des Luftkreises nur von der Stellung des Planeten gegen einen Central-
Körper, die Sonne, abhangt. (Nach Fourier kann sich die Temperatur in
30,000 Jahren nicht um 1° vermindern).

4te Vorlesung [(3. Januar 1828)]

Die Untersuchungen über die Beschaffenheit des festen Erdkörpers,
über die geognostische Construction der Erde, haben von jeher die gebildeten
Menschen beschäftigt. Doch ist erst in neueren Zeiten durch gesichtetere Beobach-
tungen eine mehr mythische Behandlung verdrängt worden. Man kann sagen
Keppler habe die Gesetze erkannt und Newton sie erwiesen. Im Allgemeinen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

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  • langes s (ſ): als s transkribiert



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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 13r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/29>, abgerufen am 28.03.2024.