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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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trägt, und sich um die Wurzeln der Cissus-Arten schlingt. Sie prangt mit demr
schönsten rothen Farbe, und hat einen wunderbar auffallenden Geruch nach
gekochtem Rindfleisch. - An den schattigen Ufern des Magdalenenflusses
habe ich eine rankende Aristolochia gefunden, deren Blume von 4 Fuß Um-
fang sich die kleinen Indianer bei ihren Spielen über die Scheitel ziehen.

Die Zahl der auf dem Erdboden verbreiteten Pflanzen ist natürlich
unbekannt. Murray's Ausgabe des Linneschen Systems enthält, die Crypto-
gamen mitgerechnet nur 10,000 Species. Willdenow hat bereits die Zahl von
20,000 Arten angegeben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, wie tief
diese Schätzung der beschriebenen, und in den Herbarien aufbewahrten
Arten unter der Wahrheit zurückgeblieben ist. - Das größte Herbarium
auf der Welt hat Herr Lambert in England zusammengebracht, der
35,000 Species besitzt; unter diesen 30,000 Phanerogamen.

De Candolle findet, daß man in den Schriften der Botaniker und in euro-
päischen Herbarien, zusammen über 60,000 Pflanzenarten antreffen
würde. Wenn man bedenkt, daß allein in den botanischen Gärten (unter
denen der Hiesige, der Stolz unserer Hauptstadt, von allen in Europa
der reichste ist) zusammen gewiß über 16,000 Phanerogamen cultivirt
werden, so ist man geneigt Herrn Decandolle's Angabe noch für zu ge-
ring zu halten. Von meiner Reise allein habe ich über 3000 neue Species zu-
rückgebracht. Wie bedeutend ist dies Ergebnis im Vergleich mit den überhaupt be-
kannten 60,000 Arten! - Bei unserer völligen Unbekanntschaft mit dem Innern
von Südamerika, (Matto Grosso, Paraguay, Buenos Ayres, aller Länder, zwischen

dem

trägt, und sich um die Wurzeln der Cissus-Arten schlingt. Sie prangt mit demr
schönsten rothen Farbe, und hat einen wunderbar auffallenden Geruch nach
gekochtem Rindfleisch. – An den schattigen Ufern des Magdalenenflusses
habe ich eine rankende Aristolochia gefunden, deren Blume von 4 Fuß Um-
fang sich die kleinen Indianer bei ihren Spielen über die Scheitel ziehen.

Die Zahl der auf dem Erdboden verbreiteten Pflanzen ist natürlich
unbekannt. Murray’s Ausgabe des Linnéschen Systems enthält, die Crypto-
gamen mitgerechnet nur 10,000 Species. Willdenow hat bereits die Zahl von
20,000 Arten angegeben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, wie tief
diese Schätzung der beschriebenen, und in den Herbarien aufbewahrten
Arten unter der Wahrheit zurückgeblieben ist. – Das größte Herbarium
auf der Welt hat Herr Lambert in England zusammengebracht, der
35,000 Species besitzt; unter diesen 30,000 Phanerogamen.

De Candolle findet, daß man in den Schriften der Botaniker und in euro-
päischen Herbarien, zusammen über 60,000 Pflanzenarten antreffen
würde. Wenn man bedenkt, daß allein in den botanischen Gärten (unter
denen der Hiesige, der Stolz unserer Hauptstadt, von allen in Europa
der reichste ist) zusammen gewiß über 16,000 Phanerogamen cultivirt
werden, so ist man geneigt Herrn Decandolle’s Angabe noch für zu ge-
ring zu halten. Von meiner Reise allein habe ich über 3000 neue Species zu-
rückgebracht. Wie bedeutend ist dies Ergebnis im Vergleich mit den überhaupt be-
kannten 60,000 Arten! – Bei unserer völligen Unbekanntschaft mit dem Innern
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[36v/0076] trägt, und sich um die Wurzeln der Cissus Arten schlingt. Sie prangt mit demr schönsten rothen Farbe, und hat einen wunderbar auffallenden Geruch nach gekochtem Rindfleisch. – An den schattigen Ufern des Magdalenenflusses habe ich eine rankende Aristolochia gefunden, deren Blume von 4 Fuß Um- fang sich die kleinen Indianer bei ihren Spielen über die Scheitel ziehen. Die Zahl der auf dem Erdboden verbreiteten Pflanzen ist natürlich unbekannt. Murray’s Ausgabe des Linnéschen Systems enthält, die Crypto- gamen mitgerechnet nur 10,000 Species. Willdenow hat bereits die Zahl von 20,000 Arten angegeben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, wie tief diese Schätzung der beschriebenen, und in den Herbarien aufbewahrten Arten unter der Wahrheit zurückgeblieben ist. – Das größte Herbarium auf der Welt hat Herr Lambert in England zusammengebracht, der 35,000 Species besitzt; unter diesen 30,000 Phanerogamen. De Candolle findet, daß man in den Schriften der Botaniker und in euro- päischen Herbarien, zusammen über 60,000 Pflanzenarten antreffen würde. Wenn man bedenkt, daß allein in den botanischen Gärten (unter denen der Hiesige, der Stolz unserer Hauptstadt, von allen in Europa der reichste ist) zusammen gewiß über 16,000 Phanerogamen cultivirt werden, so ist man geneigt Herrn Decandolle’s Angabe noch für zu ge- ring zu halten. Von meiner Reise allein habe ich über 3000 neue Species zu- rückgebracht. Wie bedeutend ist dies Ergebnis im Vergleich mit den überhaupt be- kannten 60,000 Arten! – Bei unserer völligen Unbekanntschaft mit dem Innern von Südamerika, (Matto Grosso, Paraguay, Buenos Ayres, aller Länder, zwischen dem

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 36v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/76>, abgerufen am 25.04.2024.