Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

nie beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insekt, gegen die elephantenar-
tigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallendste Unter-
schied, und wenn wir keine microscopischen Fische kennen, so ist doch die Differenz
bedeutend zwischen dem in der Ost- und Nordsee gemeinen 11/2 Zoll langen
Stichling, (Gasterosteus pungitius) und dem 30-40 Fuß langen Riesenhay, nicht
dem gefräßigen und gefährlichen Squalus Carcharias, sondern dem gutmüthigen,
sich von Seetang und Würmern nährenden Squalus maximus. - Noch auffallen-
der ist der Contrast wenn man die kleinsten Nagethiere, gegen die Säugethiere
des Oceans stellt. - Es herrscht zwar über die eigentliche Größe der Wallfische noch
immer Unsicherheit, und wenn Lacepede ihnen eine Länge von 280-300 Fuß bei-
legt, und dem Fluge seiner Einbildungskraft folgend, sie mit den höchsten Thürmen
vergleicht, so möchte nach neueren, verificirten Angaben diese Größe wohl auf den
dritten Theil zu reduciren seyn. Die sichersten Nachrichten danken wir dem, um
die Naturkunde vielfach verdienten Herrn Scoresby, der mehrjährig seinem Berufe
als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat. Unter
mehr als 300 Wallfischen, welche von seinen Leuten getödtet worden, haben die
größeren nie das Maaß von 60-70 Fuß überschritten, und Scoresby ist der Mei-
nung daß sich schwerlich Thiere von größerem Umfange vorfinden mögten.

Die Annahme, daß die Wallfische in früherer Zeit, weniger verfolgt, größer
geworden wären, scheint ebenfalls nicht gegründet. Wenigstens ergeben die
Nachrichten von der Zahl der Fässer, welche mit dem Thran der erlegten Thiere
gefüllt worden, und die bis ins 15-16te Jahrhundert hinauf reichen, ein Ver-
hältniß wonach die jetzt gefangenen fast noch einen reichern Ertrag liefern.

nie beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insekt, gegen die elephantenar-
tigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallendste Unter-
schied, und wenn wir keine microscopischen Fische kennen, so ist doch die Differenz
bedeutend zwischen dem in der Ost- und Nordsee gemeinen 1½ Zoll langen
Stichling, (Gasterosteus pungitius) und dem 30–40 Fuß langen Riesenhay, nicht
dem gefräßigen und gefährlichen Squalus Carcharias, sondern dem gutmüthigen,
sich von Seetang und Würmern nährenden Squalus maximus. – Noch auffallen-
der ist der Contrast wenn man die kleinsten Nagethiere, gegen die Säugethiere
des Oceans stellt. – Es herrscht zwar über die eigentliche Größe der Wallfische noch
immer Unsicherheit, und wenn Lacepède ihnen eine Länge von 280–300 Fuß bei-
legt, und dem Fluge seiner Einbildungskraft folgend, sie mit den höchsten Thürmen
vergleicht, so möchte nach neueren, verificirten Angaben diese Größe wohl auf den
dritten Theil zu reduciren seyn. Die sichersten Nachrichten danken wir dem, um
die Naturkunde vielfach verdienten Herrn Scoresby, der mehrjährig seinem Berufe
als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat. Unter
mehr als 300 Wallfischen, welche von seinen Leuten getödtet worden, haben die
größeren nie das Maaß von 60–70 Fuß überschritten, und Scoresby ist der Mei-
nung daß sich schwerlich Thiere von größerem Umfange vorfinden mögten.

Die Annahme, daß die Wallfische in früherer Zeit, weniger verfolgt, größer
geworden wären, scheint ebenfalls nicht gegründet. Wenigstens ergeben die
Nachrichten von der Zahl der Fässer, welche mit dem Thran der erlegten Thiere
gefüllt worden, und die bis ins 15–16te Jahrhundert hinauf reichen, ein Ver-
hältniß wonach die jetzt gefangenen fast noch einen reichern Ertrag liefern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="9">
        <p><pb facs="#f0086" n="41v"/>
nie beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insekt,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 124: Komma fehlt.</note> gegen die elephantenar-<lb/>
tigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallendste Unter-<lb/>
schied, und wenn wir keine <choice><orig>microscopische</orig><reg resp="#CT">microscopischen</reg></choice> Fische kennen, so ist doch die Differenz<lb/>
bedeutend zwischen dem in der <choice><orig>Ost</orig><reg resp="#CT">Ost-</reg></choice> und Nordsee gemeinen 1½ Zoll langen<lb/>
Stichling, (<hi rendition="#aq">Gasterosteus pungitius</hi>) und dem 30&#x2013;40 Fuß langen Riesenhay, nicht<lb/>
dem gefräßigen und gefährlichen <hi rendition="#aq">Squalus Carcharias<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 125: "Carcharius".</note></hi>, sondern dem gutmüthigen,<lb/>
sich von Seetang und Würmern nährenden<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 125: "ernährenden".</note> <hi rendition="#aq">Squalus maximus</hi>. &#x2013; Noch auffallen-<lb/>
der ist der Contrast wenn man die kleinsten Nagethiere, gegen die Säugethiere<lb/>
des Oceans stellt. &#x2013; Es herrscht zwar über die eigentliche Größe der Wallfische noch<lb/>
immer Unsicherheit, und wenn <hi rendition="#aq"><persName resp="#CT" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11909813X http://d-nb.info/gnd/11909813X">Lacepède</persName><note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 125: "Lacépède".</note></hi> ihnen eine Länge von 280&#x2013;300 Fuß bei-<lb/>
legt, und dem Fluge seiner Einbildungskraft folgend, sie mit den höchsten Thürmen<lb/>
vergleicht, so möchte nach neueren, verificirten Angaben diese Größe wohl auf den<lb/>
dritten Theil zu reduciren seyn. Die sichersten Nachrichten danken wir dem, um<lb/>
die Naturkunde vielfach verdienten <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117654167 http://d-nb.info/gnd/117654167">Scoresby</persName></hi>, der mehrjährig seinem Berufe<lb/>
als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat. Unter<lb/>
mehr als 300 Wallfischen, welche von seinen Leuten getödtet worden, haben die<lb/>
größeren nie das Maaß von 60&#x2013;70 Fuß überschritten, und <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117654167 http://d-nb.info/gnd/117654167">Scoresby</persName></hi> ist der Mei-<lb/>
nung daß sich schwerlich Thiere von größerem Umfange vorfinden mögten.</p><lb/>
        <p>Die Annahme, daß die Wallfische in früherer Zeit, weniger verfolgt, größer<lb/>
geworden wären, scheint ebenfalls nicht gegründet. Wenigstens ergeben die<lb/>
Nachrichten von der Zahl der Fässer, welche mit dem Thran der erlegten Thiere<lb/>
gefüllt worden, und die bis ins 15&#x2013;16<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT"><hi rendition="#sup #u">te</hi></expan></choice> Jahrhundert hinauf reichen, ein Ver-<lb/>
hältniß wonach die jetzt gefangenen fast noch einen reichern Ertrag liefern.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41v/0086] nie beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insekt, gegen die elephantenar- tigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallendste Unter- schied, und wenn wir keine microscopische Fische kennen, so ist doch die Differenz bedeutend zwischen dem in der Ost und Nordsee gemeinen 1½ Zoll langen Stichling, (Gasterosteus pungitius) und dem 30–40 Fuß langen Riesenhay, nicht dem gefräßigen und gefährlichen Squalus Carcharias, sondern dem gutmüthigen, sich von Seetang und Würmern nährenden Squalus maximus. – Noch auffallen- der ist der Contrast wenn man die kleinsten Nagethiere, gegen die Säugethiere des Oceans stellt. – Es herrscht zwar über die eigentliche Größe der Wallfische noch immer Unsicherheit, und wenn Lacepède ihnen eine Länge von 280–300 Fuß bei- legt, und dem Fluge seiner Einbildungskraft folgend, sie mit den höchsten Thürmen vergleicht, so möchte nach neueren, verificirten Angaben diese Größe wohl auf den dritten Theil zu reduciren seyn. Die sichersten Nachrichten danken wir dem, um die Naturkunde vielfach verdienten H. Scoresby, der mehrjährig seinem Berufe als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat. Unter mehr als 300 Wallfischen, welche von seinen Leuten getödtet worden, haben die größeren nie das Maaß von 60–70 Fuß überschritten, und Scoresby ist der Mei- nung daß sich schwerlich Thiere von größerem Umfange vorfinden mögten. Die Annahme, daß die Wallfische in früherer Zeit, weniger verfolgt, größer geworden wären, scheint ebenfalls nicht gegründet. Wenigstens ergeben die Nachrichten von der Zahl der Fässer, welche mit dem Thran der erlegten Thiere gefüllt worden, und die bis ins 15–16 Jahrhundert hinauf reichen, ein Ver- hältniß wonach die jetzt gefangenen fast noch einen reichern Ertrag liefern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/86
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 41v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/86>, abgerufen am 16.04.2024.