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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Nachdem Copernicus System bekannt wurde, beobachteteS. 110

man sehr häufig die Fixsterne um eine Veränderung in
ihrer Gruppirung zu bemerken; allein weder diese noch
also eine Verrückung konnte wahrgenommen werden.
Endlich fand Bradley 1728, daß alle Sterne, wenn sie
bei Tage erscheinen nach Süden rücken, wenn bei Nacht
nach Norden, daß also der scheinbare Ort der Sterne sich nach
der Gegend hinbewegt, wohin die Erde geht. Jeder Stern
durchläuft eine Ellipse von 40 Secunden großer Axe, wel-
che an Werth einem Bogen entsprechen, den die Erde auf ihrer
Bahn in 16 Zeitsekunden durchläuft. Nun fand Bessel die
höchstmerkwürdige Uebereinstimmung, daß das Licht grade
16 Secunden braucht um die Erdbahn zu durchschneiden: es
ist also nichts wahrscheinlicher, als daß 40 Bogen-Secunden (große
Axe der Sternellypsen) von den 16 Zeitsecunden hervorge-
bracht werden, welche das Licht zur Zurücklegung der Erdbahn
braucht; wir sehen also die Sterne an verschiedenen Stellen,
je nachdem wir uns an dem einen oder dem andern Endpunkte
der Axe der Erdbahn befinden. Die Bewegung des Lichts ist
10,000 mal schneller als die der Erde und wir sehen die
Sterne nicht an ihrem wahren Orte, sondern in der Richtung
der Diagonale des Parallelograms dieser zusammengesetz-
ten Bewegung. Eben so, wenn man auf ein schnellse-
gelndes Schiff eine Kanonenkugel abfeuert, so werden die
beiden Löcher in der Vorder- und Hinterwand des Schiffes
nicht genau in der graden Linie liegen, welche man in
der Richtung der Kanone bis zu dem Loche in der Vorder-

Nachdem Copernicus Sÿstem bekannt wurde, beobachteteS. 110

man sehr häufig die Fixsterne um eine Veränderung in
ihrer Gruppirung zu bemerken; allein weder diese noch
also eine Verrückung konnte wahrgenommen werden.
Endlich fand Bradleÿ 1728, daß alle Sterne, wenn sie
bei Tage erscheinen nach Süden rücken, wenn bei Nacht
nach Norden, daß also der scheinbare Ort der Sterne sich nach
der Gegend hinbewegt, wohin die Erde geht. Jeder Stern
durchläuft eine Ellipse von 40 Secunden großer Axe, wel-
che an Werth einem Bogen entsprechen, den die Erde auf ihrer
Bahn in 16 Zeitsekunden durchläuft. Nun fand Bessel die
höchstmerkwürdige Uebereinstimmung, daß das Licht grade
16 Secunden braucht um die Erdbahn zu durchschneiden: es
ist also nichts wahrscheinlicher, als daß 40 Bogen-Secunden (große
Axe der Sternellÿpsen) von den 16 Zeitsecunden hervorge-
bracht werden, welche das Licht zur Zurücklegung der Erdbahn
braucht; wir sehen also die Sterne an verschiedenen Stellen,
je nachdem wir uns an dem einen oder dem andern Endpunkte
der Axe der Erdbahn befinden. Die Bewegung des Lichts ist
10,000 mal schneller als die der Erde und wir sehen die
Sterne nicht an ihrem wahren Orte, sondern in der Richtung
der Diagonale des Parallelograms dieser zusammengesetz-
ten Bewegung. Eben so, wenn man auf ein schnellse-
gelndes Schiff eine Kanonenkugel abfeuert, so werden die
beiden Löcher in der Vorder- und Hinterwand des Schiffes
nicht genau in der graden Linie liegen, welche man in
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[[97]/0103] Nachdem Copernicus Sÿstem bekannt wurde, beobachtete man sehr häufig die Fixsterne um eine Veränderung in ihrer Gruppirung zu bemerken; allein weder diese noch also eine Verrückung konnte wahrgenommen werden. Endlich fand Bradleÿ 1728, daß alle Sterne, wenn sie bei Tage erscheinen nach Süden rücken, wenn bei Nacht nach Norden, daß also der scheinbare Ort der Sterne sich nach der Gegend hinbewegt, wohin die Erde geht. Jeder Stern durchläuft eine Ellipse von 40 Secunden großer Axe, wel- che an Werth einem Bogen entsprechen, den die Erde auf ihrer Bahn in 16 Zeitsekunden durchläuft. Nun fand Bessel die höchstmerkwürdige Uebereinstimmung, daß das Licht grade 16 Secunden braucht um die Erdbahn zu durchschneiden: es ist also nichts wahrscheinlicher, als daß 40 Bogen-Secunden (große Axe der Sternellÿpsen) von den 16 Zeitsecunden hervorge- bracht werden, welche das Licht zur Zurücklegung der Erdbahn braucht; wir sehen also die Sterne an verschiedenen Stellen, je nachdem wir uns an dem einen oder dem andern Endpunkte der Axe der Erdbahn befinden. Die Bewegung des Lichts ist 10,000 mal schneller als die der Erde und wir sehen die Sterne nicht an ihrem wahren Orte, sondern in der Richtung der Diagonale des Parallelograms dieser zusammengesetz- ten Bewegung. Eben so, wenn man auf ein schnellse- gelndes Schiff eine Kanonenkugel abfeuert, so werden die beiden Löcher in der Vorder- und Hinterwand des Schiffes nicht genau in der graden Linie liegen, welche man in der Richtung der Kanone bis zu dem Loche in der Vorder- S. 110

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/103>, abgerufen am 25.04.2024.