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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 42. Köln, 12. Juli 1848.

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Minister; 5) allgemeines aktives Wahlrecht; 6) Erklärung der zahlreichen und sehr reichen Klöstergüter und aller übrigen Kirchendotation als Nationaleigenthum; 7) Beschränkung der Dauer der Regentschaft auf 5 Jahre, mit andern Worten alle 5 Jahre Fürstenwahl; 8) die Minister nicht nur, sondern der Fürst selbst ebenfalls verantwortlich; 9) Errichtung einer Nationalgarde; 10) Aufhebung jedes Rangunterschieds, mit einem Wort: Gleichheit vor dem Gesetz. Daß die Stadt, die gestern früh menschenleer schien, jetzt wimmelt und in freudige Aufregung versetzt ist, braucht kaum erwähnt zu werden. Ungeheure trikolore Kokarden prangen auf jedem Rock. Folgendes sind die neuen Minister: Inneres, Nikolaus Golesco; Finanzen, Majero; Justiz, Stephan Golesco; Polizei, Konstantin Rossetti; Kultus und öffentlicher Unterricht, Eliade; Militärangelegenheiten, Major Tell (der Oberst Odobesko behält den Befehl der Truppen); Aeußeres, Konstantin Baltschesko. Alle diese Männer sind als wacker bekannt und gehören nicht den reichen Familien an. Eliade ist noch nicht von der vor wenigen Tagen unternommenen Flucht zurück; seine Ankunft wird ein neuer Triumph für die Jugend sein, die ihn als Schriftsteller und frühern Inspektor der Unterrichtsanstalten verehrt. Daß die Großbajaren einen Umsturz versuchen werden, ist kaum zu glauben da sie keine Sympathien im Lande haben; ob aber die privatliche Aeußerung des russischen Konsuls, daß in vier Tagen 20,000 Russen hier sein werden, in Erfüllung gehen wird, muß die nahe Zukunft lehren! Viele glauben, daß in Jassy der Fürst wahrscheinlich in Folge des gestrigen Tags verjagt werden und die Moldau sich zu dem diesseitigen Fürstenthum schlagen würde.

(A. A. Z.)
Italien.
* Aus Oberitalien, 4. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Mailand, 2. Juli.

Nach einem in Peschiera gefaßten Kriegsrathsbeschlusse soll eine allgemeine vorwärts gehende Bewegung stattfinden. Der linke Flügel der italiänischen Armee wird einen Einfall in das venetianische Gebiet machen, während der rechte Flügel gegen Mantua und hauptsächlich gegen Legnago operiren wird. Das Hauptquartier kommt nach Roverbella. Unter dem Oberbefehl des durch seine Fähigkeiten und Klugheit ausgezeichneten General Sonnaz wird ein Armeekorps Verona abschließen. General Chioda ist mit der Belagerung dieses Platzes beauftragt. In Peschiera werden hölzerne, mit Eisen befestigte mobile Barrikaden verfertigt, um bei der Bewegung gegen Verona gegen die feindliche Artillerie zu dienen.

* Rom, 30. Juni.

Der Pabst hat auf die Vorstellungen der ganz mit der Reaktion des In- und Auslandes einverstandenen Kardinäle das beabsichtigte Konsistorium auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Zeit gewonnen, Alles gewonnen denken die Herren. Sie benutzen die Zeit, um einen Theil des Volkes, der aus Unwissenheit fanatisch und leicht bestechlich ist, zu bearbeiten, damit anscheinend vom Volke aus der Sturm gegen das liberale Ministerium Mamiani's losbreche. Es handelt sich für die reaktionäre Partei um Sein oder Nichtsein. So ein ganzes Ministerium mit Laien zu besetzen, das ist nicht blos unverschämt, sondern bringt Lücken und Risse in den Geldsack. Und nun sprechen die Deputirten gar von Säkularisation der geistlichen Güter, mindestens von einer Anleihe gegen Verhypothezirung derselben und von ähnlichen teuflischen Ideen. Damit hat natürlich die Gottlosigkeit den höchsten Grad und die Wuth der himmlischen Männer, deren Geldbeutel nebst Ansehen und Einfluß so in der Nähe bedroht ist, den höchsten Grad erreicht. Drum der Ruf: "hilf Samiel" Metternich und du wackerer Nikolaus.

Französische Republik.
Paris, 9. Juli.

Der "Moniteur" schreibt heute einen neuen Konkurs von 150 Pensionäre für die Zulassung in die von der provisorischen Regierung gegründete Verwaltungsschule des College de France aus.

- Die erste Verwaltungsschule (Ecole administrative) wurde gestern früh 9 Uhr im College de France vom neuen Unterrichtsminister in Person eröffnet. Er hielt dabei eine Rede, in welcher folgende Phrase vorkommt: ". . . . Die Nationalversammlung wird in ihrer Souverainität über das definitive Schicksal der Verwaltungsschulen zu entscheiden haben. Ich zweifle nicht, daß Ihr erstes Auftreten sie bestimme, diese Verwirklichung eines ächt demokratischen Gedankens zu bestätigen." Bei der Wuth, Alles niederzureißen, was die provis. Regierung schuf, wäre es leicht möglich, daß man auch diese Pflanzschulen nicht schonte.

- Dem Baron v. Friddain, Geschäftsträger Siziliens, und dem Dr. Furnari, erstem Legationssekretär, ist das Recht ertheilt worden, mit den Behörden der Republik amtlich zu verkehren. Erste Anerkennung Siziliens.

- Abbe Sibour, Bischof von Digne und Bruder des Repräsentanten gleiches Namens, geb. 1792, wird als Nachfolger des Erzbischofs von Paris bezeichnet. Der Moniteur wird dieser Tage die Ernennung bringen.

- Der Moniteur sieht sich heute genöthigt, zu erklären, daß die Haussuchungen in den Wohnungen der Exkönigin Christine und beim spanischen Generalkonsul aus Versehen geschehen seien und zu keinem Resultat geführt hätten.

- Lage der Bank am 7. Juli Abends. Die Baar-und Barrenvorräthe stiegen auf 82,618,028 Frs. 80 Cent. in Paris und auf 73,158,028 Frs. in den Departements. Die leidenden Papiere fielen von 26,611,329 Francs 92 Cent. auf 26,508,636 Frs. 13 Cent. und auf 12,286,572 Frs. 59 Cent. in den Departements. Der Staatskasse blieb von den geliehenen 50 Millionen nur noch ein Restchen von 4,889,986 Fr. 66 Cts.

- General Duvivier, der am 23., 24. und 25. Juni die Mobilgarde befehligte, ist an seiner Fußwunde gestorben. Duvivier ist der sechste General, der gestorben.

- In der Bank herrscht Schrecken. Es wurden ihr in den letzten Tagen eine solche Menge falscher Billets präsentirt, daß sie heute im Moniteur und den übrigen Blättern eine vollständige Beschreibung dieser Contrebande zur Warnung bekannt macht.

- Während der Junitage wurden zwei Millionen Kartuschen und 3000 Kanonenkugeln aus den Staatszeughäusern gegen die Insurgenten verschossen.

- Die innerhalb Paris liegende Garnison beträgt achtzigtausend Mann. Außerhalb der Stadt kampiren noch 50,000 Mann. Trotzdem kann der Constitutionnel noch nicht ruhig schlafen. Er trägt heute auf Anlage isolirter Kasernen an, die außerhalb der Schußweite aller Privatfenster und Dächer lägen. Die alten Kasernen will er der leichtsinnigen Mobilgarde einräumen. Auch einige Kavalerie soll ihr beigegeben werden.

- Aus der Tiefe seines Gefängnisses hat ein Insurgent an den Repräsentanten Antony Thouret ein Brief gerichtet, in welchem er erklärt, daß er ihm das Geheimniß der Junirevolution enthüllen wolle, wenn er ihn in Freiheit setze. Thouret hat statt aller Antwort diesen geheimnißvollen Brief der Untersuchungs-Kommission übergeben - soviel die Patrie versichert.

- Diesen Morgen (erzählt ein Abendblatt) glaubten wir uns Alle in die Luft gesprengt. Am Bastillenplatz fingen nämlich die im Schrank eines Wachtpostens befindlichen 600 Kartuschen Feuer und verursachten eine starke Explosion. Der Offizier und einige Mann des 34. Regiments, unter andern auch ein Dachdecker, wurden beschädigt, jedoch Niemand getödtet. Die Mauern wurden stark erschüttert.

- Unter dem Titel "Le Conciliateur" ist ein neues reaktionäres Blatt erschienen.

- Die Pariser Bäckergesellen warnen alle ihre Kameraden von auswärts, nicht nach Paris zu kommen. Es sei Ueberfluß an Arbeitern; 1500 lägen auf dem Pflaster.

- Wie man hört, sollen die schon früher einmal durch Kriminalgerichte bestraften Insurgenten nach der Cayenne, die reinen Patrioten aber nach Algier gebracht werden.

- Aus den Untersuchungsakten geht hervor, daß General Brea deßhalb so fürchterlich gemeuchelt wurde, weil man der Barrikadenmannschaft in die Ohren geflüstert hatte: "Er sei der General Cavaignac, auf dessen Befehl ihre gefangenen Kameraden ohne Weiteres erschossen worden seien." Thatsache ist, daß Cavaignac und Lamoriciere beim Volke allgemein jetzt als Menschenschlächter gelten.

- Wir bitten unsere Leser um Verzeihung, aber es ist noch einmal Herr Thiers, um den es sich handelt. Man muß wohl auf ihn eingeh'n, er ist da. Wir haben diesen großen Mann nicht aufgesucht, und wenn er heute eine beliebige Rolle spielt, so ist es sicher nicht unsere Schuld. Wer zweifelt daran? Hr. Thiers schwamm oben auf in dem friedfertigen Februarschiffbruch, der so viele Sachen obenauf ließ. Die Reaktion führt ihn im Triumph zurück und das Journal des Debats, kürzlich noch sein Feind, verbindet sich mit dem Siecle und dem Constitutionnel, seinen alten Schleppenträgern. Herr Thiers präsidirt eins der 15 Büreaus, wo unsre künftige Konstitution in diesem Augenblick debattirt wird. Eine Konstitution, an die Thiers Hand angelegt hat, ist im Voraus beurtheilt. Auch sind wir völlig vorbereitet, auf dies neue Abtreiben einer vielversprechenden Revolution. Und von vorn herein will Herr Thiers das Recht zur Arbeit nicht anerkennen, weil er sich übermäßig zu verpflichten fürchtet, und es einfacher findet den verzweifelten Hunger mit Flintenschüssen zu besänftigen. Denn verlangt er zwei Kammern, um in der Regierung jene Theilung zu verewigen, welche die Demokratie in den Massen zu ersticken glaubte und um ein vor dem alles nivellirenden allgemeinen Stimmrecht unmöglich Aristokratie wieder aufzuführen.

Hr. Thiers ist der Mann aller möglichen Prätendenten, vom göttlichen Recht an bis zur Regentschaft, bis zum Kaiserreich im Nothfall. In den letzten Wahlen verpflichtete er sich gegen alle Welt; selbst den Bischöfen küßte er den Pantoffel. Der ausschließliche Vertheidiger der Universitäten, hat sich durch den Klerus absolviren lassen, dem er im Nothfall den gesammten Unterricht, mit Einschluß der Universität, überliefert hätte. Er hätte alles versprochen selbst der Republik, wenn die Republik ihn nicht abgewiesen hätte. Hr. Thiers wird sich aller Meinungen bedienen, unter dem Vorbehalt sie später zu prellen. Zum Ziel muß er gelangen, gleichgültig um welchen Preiß!

(La Reforme.)

- Die Rede, welche Hr. Thiers im Büreau der National-Versammlung gehalten hat, lautet im Wesentlichen wie folgt:

In meiner Eigenschaft als Republikaner ersuche ich Sie für die Einführung von zwei Kammern zu stimmen. Ich bin, sie wissen es, kein Republikaner von gestern (vor der Revolution). Aber die Republik ist gegenwärtig die gesetzliche Staatsform in Frankreich und ich wünsche deren sichere und dauerhafte Einrichtung. Von der Konstitution ist Alles abhängig; diese aber beruht fast gänzlich in der wichtigen Frage über das Kammersystem.

Die Gründe, welche für eine einzige Kammer angeführt worden sind, fassen sich in folgendem zusammen: die Existenz zweier Kammern veranlaßt einen mißlichen, ja gefährlichen Widerstreit, der begreiflich unter der Monarchie ist, wo man der königlichen Macht die Volksmacht entgegenstellen will, um der einen durch die andere das Gegengewicht zu halten, aber unzulässig in der Republik, wo nur ein einziger Wille, der der Nation in Anschlag kommen, vertreten und befolgt werden darf; ein Widerstreit, wozu es in Frankreich keine Elemente mehr giebt; denn thatsächlich existirt keine Aristokratie mehr, und gäbe es eine solche, so dürfte man rechtlich sie nicht anerkennen; ein Widerstreit endlich, der weder das Königthum der ältern noch der jüngern Linie erhalten hat, noch das Kaiserreich noch das Direktorium; diese Regierungen sind alle zu Grunde gegangen, obgleich sie zwei Kammern hatten. Eine einzige Kammer ist in einem Lande, wo es nur einen einzigen Willen giebt und geben darf, das einfachste, naturgemäßeste, der Zeit und den Verhältnissen entsprechendste.

Ich werde diesen Einwürfen gegen das Zweikammersystem mit wenigen und wie ich hoffe entscheidenden Worten begegnen.

Ich gebe zu daß das Einkammersystem das einfachste von allen ist. Aber wissen Sie was von allen Staatsformen die einfachste ist? Es ist der Despotismus. Ein Herr gebietet, man gehorcht, das ist Alles.

Die Einfachheit ist in der Mechanik die Barbarei. Die politische Mechanik wird wie die physikalische im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zusammengesetzt, aber damit zugleich wissenschaftlicher und was mehr ist als dieser eitle Vortheil, ihre Aktion wird sicherer, einfacher und weniger mühsam. Eine republikanische Regierung mit einer Kammer wird ganz die Härte und Rauhheit einer despotischen haben. Bald wird, unter einem schwachen Präsidenten, der furchtbarste aller Despotismen eintreten, der einer einzigen Versammlung. Bald werdet ihr, unter einem energischen, der Volksgunst sichern Präsidenten, den Despotismus eines Günstlings der Menge haben, und wenn keine von beiden Mächten gelaunt ist nachzugeben, so entspinnt sich ein tödlicher Kampf zwischen dem Präsidenten und der einzigen Versammlung, ohne einen Vermittler der den Kampf mäßige, den Gegenstoß neutralisire. Um diesem Uebelstande zu begegnen bedarf es eines Zwischengliedes, das sich in die Mitte stellt und selber den Widerstreit auf sich nimmt, um seine Folgen zu mildern. Es bedarf mit einem Worte einer zweiten Versammlung, welche die Meinungen der ersten diskutirt, ihnen zuweilen entgegentritt und ihnen nur in einem gewissen Maaße beitritt. Mag dieser Aelagonismus sein Verdienstliches haben, aber er ist die Freiheit selber, nämlich die Prüfung, die Ueberlegung, die Erörterung.

Der Redner weist nun auf die gegenwärtige autokratische Stellung der Nationalversammlung hin, auf die Art wie Dekrete erlassen werden ohne Prüfung, ohne Debatte, gleich dem Willen eines absoluten Herrn. Soll, fragt er, diese Einfachheit des Verfahrens den vernünftigen, dauernden Zustand einer großen Gesellschaft bilden? Freilich lieben alle herrschenden Gewalten das Einfache, d. h. sie wollen keine Hindernisse, keinen Widerstand. Und so seid auch ihr Republikaner von gestern, die ihr in eurem guten Glauben, in der Naivetät eurer Leidenschaften keine zwei Kammern wollt, ohne es zu wissen, die Volksgewalt, die als Sieger keinen Widerstand, kein Hinderniß will, die unter dem Titel von Dringlichkeitsdekreten ihre Wünsche unmittelbar befriedigen will, ohne an eine zweite Versammlung gebunden zu sein.

Alle Regierungen sind zu Grunde gegangen, wißt ihr weßhalb? Nicht weil sie verhindert wurden zu thun was sie wollten, sondern weil sie keinen Widerspruch fanden, der mächtig und achtunggebietend genug war. Wenn man der maßlosen Vermögenheit Napoleons, dem reaktionären Sinne Karls X. der übermäßigen Klugheit Louis Philipp's, der aus Furcht, sei es vor dem Liberalismus im Innern, sei es vor gewagten Unternehmungen nach Aussen, ein Land zusammendrücken wollte, das endlich in seinen Händen auseinander sprang wie allzusehr zusammengepreßte Luft - Einhalt gethan hätte, Keiner von ihnen hätte mit einer Katastrophe geendigt.

In der Monarchie, sagt Ihr, bedarf es eines Widerstreits der Gewalten, in der Republik nicht. Und warum denn? Sind die Völker stets verständig? Oeffnet doch das große Buch der Geschichte. Werden denn die Völker nicht eben so getadelt, der Thorheit beschuldigt wie die Könige? Ich citire das geistreichste Volk, die Athener, das größte, die Römer. Man muß also warnen, zurückhalten, zum Nachdenken auffordern, die Völker ebensowohl wie die Könige. Die absolute Gewalt steigt zu Kopfe und bewältigt die stärksten Intelligenzen. Vereinigen wir uns um eine gute Republik zu machen, in welcher der Volkswille, indem er auf Hindernisse und Zögerungen stößt, weniger rasch, überlegter und verständiger sein kann.

Ihr sagt, zwei Kammern haben weder Louis Philipp, noch Carl X., noch Napoleon bewahrt. Das ist richtig, beweist aber nichts. Eine doppelte Kammer ist ein Mittel, nicht das einzige, aber das hauptsächlichste, eine Regierung zu verhindern, daß sie ihren Neigungen allzusehr folge. Hat sie das gethan und zwar in einem Grade, daß eine Katastrophe unvermeidlich ist, so kann die Organisation der Gewalten eine solche nicht beschwören. Aber die Krise wäre nicht unvermeidlich geworden, wenn der Widerstand gegen die schlechten Tendenzen der Regierung mächtiger gewesen wäre. Hätte unter dem Kaiserreich der Senat sich Napoleon widersetzt, wäre die Pairskammer unter Louis Philipp nicht so entnervt gewesen, vielleicht wäre Vieles nicht eingetroffen, was sich ereignet hat.

Die Einrede die man mir entgegenstellt gleicht der eines Kranken, der nachdem er den Arzt und seine Heilmittel verschmäht hat, sich beklagt daß die Medizin im letzten Augenblicke nichts mehr vermag. Im Todeskampfe hilft die Medizin nicht; ebenso ist es mit den Institutionen.

Man sagt es fehlten in Frankreich die Elemente zu zwei Kammern; das ist ein Irrthum. Es giebt in jedem Lande junge Menschen und alte, ruhige und hitzige; besonnene, erprobte und Neulinge die ihre Karriere zu machen haben; Männer die regiert haben und Würde mit Muße zu verbinden wünschen, und Männer die kaum in die Geschäfte eingetreten, sie mit der Ungeduld der Jugend und des Ehrgeizes zu führen denken; Männer die vom Alter abgesehen, Vorzüge des Geistes und Charakters besitzen, die einen der alten, die andern der neuen Ideen willen, bejahrte Männer die Neuerungen lieben, junge Leute die am bestehenden festhalten; endlich solche die abgesehen von ihrer Individualität diesen verschiedenen Bestrebungen durch ihr Vermögen, ihre Stellung, ihre Verbindungen oder persönlichen Neigungen zugeführt werden. Das hat sich in allen Republiken gezeigt, das zeigt sich in den Vereinigten Staaten, in der demokratischsten Gesellschaft der Erde.

Laßt es also den Wählern frei, von zwei Kandidaten, die sich ihnen vorstellen, zu sagen: dieser ist gemacht für die Repräsentantenkammer, jener für den Senat. Sie werden den einen zu den Jungen schicken, den andern zu den Alten, den einen zu den Unternehmenden, den andern zu den Vorsichtigen. Es bedarf hierzu keiner besonders weisen Wahlkombinationen. Laßt an demselben Tage von denselben Wählern die Mitglieder der beiden Versammlungen wählen und sie werden die Scheidung um die es sich handelt mit ebenso viel Scharfsinn machen wie ein einziger Erleuchteter und Allmächtiger. Uebrigens bleiben Euch tausend Mittel die Wahlart, die Erneuerungsweise und die Dauer verschiedentlich zu bestimmen.

Es ist also ein leerer, nichtiger Vorwand, von der Schwierigkeit der Zusammensetzung einer doppelten Kammer zu sprechen. Was man in den Vereinigten Staaten verstanden hat, sollte man in Frankreich nicht vermögen?

Ich zähle mehrere Freunde unter den hervorragenden Bürgern der Verein. Staaten. Alle diejenigen, welche sich augenblicklich in Europa befinden, haben mir anempfohlen Euch zu sagen, mit der größten Wärme zu sagen, daß Ihr durch Annahme des Einkammersystems den schwersten Fehler begehen würdet. So heiß sie wünschen, daß die republikanischen Institutionen in Frankreich Erfolg haben möchten, ebenso lebhaft ist ihr Wunsch, ihr möchtet jenes Zweikammersystem annehmen, zu dem sie nach harten Erfahrungen gelangt sind.

Doch muß ich, die ihr mich anklagt ein Reaktionär zu sein, was ich nicht bin, wenigstens nicht in Eurem Sinne, denn ich will nur eine einzige Reaktion, die der Ordnung gegen die Unordnung, muß ich vor Euch für die Dauer und Festigkeit der Republik sprechen? Muß ich, der Republikaner des folgenden Tages Euch, die alten Republikaner auffordern, eine feste, dauerhafte Republik zu gründen? Soll es denn dahin gekommen sein, daß ich auch von der Republik eben so wenig gehört werde wie von der Monarchie, wenn ich für Vernunft, Geist und Weisheit spreche? Ach, unter der einen wie unter der andern führe ich die Sache des gesunden Sinnes vor den Richterstuhl der Leidenschaften. Dennoch verzweifle ich nicht Gehör zu finden und diese Hoffnung ist eine Huldigung, keine Beleidigung, die ich an die junge Republik richte, vor der zu sprechen ich berufen bin.

Belgien.
*

Den Anklageakt über die Affaire "Risquons Tout" werden unsere Leser morgen erhalten, nebst Randglossen.

Großbritannien.
* London, 9. Juli.

Die eben veröffentlichten offiziellen Listen und Tabellen über Ein- und Ausfuhr und Konsumtion der wichtigsten Artikel in Großbritannien und Irland enthalten viel interessante und lehrreiche Angaben. Wir begnügen uns folgende mitzutheilen:

Eingeführt und verzollt vom 5. Jan. bis 5. Juni.

1846.1847.1848.
CacaoPfd.1,392,6111,589,3101,342,700
KaffeePfd.15,073,75716,804,61416,169,878

Spirituosen:

RumGallonen1,054,0821,297,2371,189,785
BrandyGallonen466,842603,297610,972
GenievreGallonen14,37914,0349,865
ZuckerCtnr.2,057,5312,473,1552,455,979
SyrupCtnr.250,494240,956293,167
TheePfd.19,218,04719,441,85920,232,545
TabakPfd.11,279,35111,315,69611,157,197
WeinGallon.2,841,0962,764,9372,605,939

Ausgeführt vom 5. Jan. bis 5. Juni.

1847.1848.
Baumwollenzeugefür7,726,107für6,895,963Pfd.St.
Baumwollengarnefür2,094,665für1,836,467Pfd.St.
Linnenfabrikatefür1,229,310für1,180,507Pfd.St.
Linnengarnefür266,326für193,775Pfd.St.
Seidenfabrikatefür404,502für212,823Pfd.St.
Wollenfabrikatefür2,767,719für2,021,826Pfd.St.
Wollengarnefür342,849für250,816Pfd.St.
Ausf. obig. Art. insges.für14,831,478für12,592,186Pfd.St.

Die Gesammtausfuhr vom 5. Jan. bis 5. Juni betrug
1847 20,815,372 Pfd. St.
1848 17,946,426 Pfd. St.

Und blos in den letzten 3 Monaten dieses Jahres betrug die Ausfuhr, mit der im nämlichen Zeitraum von 1847 verglichen, jeden Monat 1 Mill. Pfd. Sterl. weniger.

Doch die Engländer trösten sich. Die Berichte von den asiatischen Märkten lauten wieder günstiger; die Rohstoffe sind billig, der Arbeitslohn niedriger als je und so hoffen die englischen Fabrikanten, durch eine noch wohlfeilere Produktion als bisher den eben gedachten Ausfall im Export sehr bald ersetzen zu können.

Minister; 5) allgemeines aktives Wahlrecht; 6) Erklärung der zahlreichen und sehr reichen Klöstergüter und aller übrigen Kirchendotation als Nationaleigenthum; 7) Beschränkung der Dauer der Regentschaft auf 5 Jahre, mit andern Worten alle 5 Jahre Fürstenwahl; 8) die Minister nicht nur, sondern der Fürst selbst ebenfalls verantwortlich; 9) Errichtung einer Nationalgarde; 10) Aufhebung jedes Rangunterschieds, mit einem Wort: Gleichheit vor dem Gesetz. Daß die Stadt, die gestern früh menschenleer schien, jetzt wimmelt und in freudige Aufregung versetzt ist, braucht kaum erwähnt zu werden. Ungeheure trikolore Kokarden prangen auf jedem Rock. Folgendes sind die neuen Minister: Inneres, Nikolaus Golesco; Finanzen, Majero; Justiz, Stephan Golesco; Polizei, Konstantin Rossetti; Kultus und öffentlicher Unterricht, Eliade; Militärangelegenheiten, Major Tell (der Oberst Odobesko behält den Befehl der Truppen); Aeußeres, Konstantin Baltschesko. Alle diese Männer sind als wacker bekannt und gehören nicht den reichen Familien an. Eliade ist noch nicht von der vor wenigen Tagen unternommenen Flucht zurück; seine Ankunft wird ein neuer Triumph für die Jugend sein, die ihn als Schriftsteller und frühern Inspektor der Unterrichtsanstalten verehrt. Daß die Großbajaren einen Umsturz versuchen werden, ist kaum zu glauben da sie keine Sympathien im Lande haben; ob aber die privatliche Aeußerung des russischen Konsuls, daß in vier Tagen 20,000 Russen hier sein werden, in Erfüllung gehen wird, muß die nahe Zukunft lehren! Viele glauben, daß in Jassy der Fürst wahrscheinlich in Folge des gestrigen Tags verjagt werden und die Moldau sich zu dem diesseitigen Fürstenthum schlagen würde.

(A. A. Z.)
Italien.
* Aus Oberitalien, 4. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Mailand, 2. Juli.

Nach einem in Peschiera gefaßten Kriegsrathsbeschlusse soll eine allgemeine vorwärts gehende Bewegung stattfinden. Der linke Flügel der italiänischen Armee wird einen Einfall in das venetianische Gebiet machen, während der rechte Flügel gegen Mantua und hauptsächlich gegen Legnago operiren wird. Das Hauptquartier kommt nach Roverbella. Unter dem Oberbefehl des durch seine Fähigkeiten und Klugheit ausgezeichneten General Sonnaz wird ein Armeekorps Verona abschließen. General Chioda ist mit der Belagerung dieses Platzes beauftragt. In Peschiera werden hölzerne, mit Eisen befestigte mobile Barrikaden verfertigt, um bei der Bewegung gegen Verona gegen die feindliche Artillerie zu dienen.

* Rom, 30. Juni.

Der Pabst hat auf die Vorstellungen der ganz mit der Reaktion des In- und Auslandes einverstandenen Kardinäle das beabsichtigte Konsistorium auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Zeit gewonnen, Alles gewonnen denken die Herren. Sie benutzen die Zeit, um einen Theil des Volkes, der aus Unwissenheit fanatisch und leicht bestechlich ist, zu bearbeiten, damit anscheinend vom Volke aus der Sturm gegen das liberale Ministerium Mamiani's losbreche. Es handelt sich für die reaktionäre Partei um Sein oder Nichtsein. So ein ganzes Ministerium mit Laien zu besetzen, das ist nicht blos unverschämt, sondern bringt Lücken und Risse in den Geldsack. Und nun sprechen die Deputirten gar von Säkularisation der geistlichen Güter, mindestens von einer Anleihe gegen Verhypothezirung derselben und von ähnlichen teuflischen Ideen. Damit hat natürlich die Gottlosigkeit den höchsten Grad und die Wuth der himmlischen Männer, deren Geldbeutel nebst Ansehen und Einfluß so in der Nähe bedroht ist, den höchsten Grad erreicht. Drum der Ruf: „hilf Samiel“ Metternich und du wackerer Nikolaus.

Französische Republik.
Paris, 9. Juli.

Der „Moniteur“ schreibt heute einen neuen Konkurs von 150 Pensionäre für die Zulassung in die von der provisorischen Regierung gegründete Verwaltungsschule des College de France aus.

‒ Die erste Verwaltungsschule (Ecole administrative) wurde gestern früh 9 Uhr im College de France vom neuen Unterrichtsminister in Person eröffnet. Er hielt dabei eine Rede, in welcher folgende Phrase vorkommt: „. . . . Die Nationalversammlung wird in ihrer Souverainität über das definitive Schicksal der Verwaltungsschulen zu entscheiden haben. Ich zweifle nicht, daß Ihr erstes Auftreten sie bestimme, diese Verwirklichung eines ächt demokratischen Gedankens zu bestätigen.“ Bei der Wuth, Alles niederzureißen, was die provis. Regierung schuf, wäre es leicht möglich, daß man auch diese Pflanzschulen nicht schonte.

‒ Dem Baron v. Friddain, Geschäftsträger Siziliens, und dem Dr. Furnari, erstem Legationssekretär, ist das Recht ertheilt worden, mit den Behörden der Republik amtlich zu verkehren. Erste Anerkennung Siziliens.

‒ Abbé Sibour, Bischof von Digne und Bruder des Repräsentanten gleiches Namens, geb. 1792, wird als Nachfolger des Erzbischofs von Paris bezeichnet. Der Moniteur wird dieser Tage die Ernennung bringen.

‒ Der Moniteur sieht sich heute genöthigt, zu erklären, daß die Haussuchungen in den Wohnungen der Exkönigin Christine und beim spanischen Generalkonsul aus Versehen geschehen seien und zu keinem Resultat geführt hätten.

Lage der Bank am 7. Juli Abends. Die Baar-und Barrenvorräthe stiegen auf 82,618,028 Frs. 80 Cent. in Paris und auf 73,158,028 Frs. in den Departements. Die leidenden Papiere fielen von 26,611,329 Francs 92 Cent. auf 26,508,636 Frs. 13 Cent. und auf 12,286,572 Frs. 59 Cent. in den Departements. Der Staatskasse blieb von den geliehenen 50 Millionen nur noch ein Restchen von 4,889,986 Fr. 66 Cts.

‒ General Duvivier, der am 23., 24. und 25. Juni die Mobilgarde befehligte, ist an seiner Fußwunde gestorben. Duvivier ist der sechste General, der gestorben.

‒ In der Bank herrscht Schrecken. Es wurden ihr in den letzten Tagen eine solche Menge falscher Billets präsentirt, daß sie heute im Moniteur und den übrigen Blättern eine vollständige Beschreibung dieser Contrebande zur Warnung bekannt macht.

‒ Während der Junitage wurden zwei Millionen Kartuschen und 3000 Kanonenkugeln aus den Staatszeughäusern gegen die Insurgenten verschossen.

‒ Die innerhalb Paris liegende Garnison beträgt achtzigtausend Mann. Außerhalb der Stadt kampiren noch 50,000 Mann. Trotzdem kann der Constitutionnel noch nicht ruhig schlafen. Er trägt heute auf Anlage isolirter Kasernen an, die außerhalb der Schußweite aller Privatfenster und Dächer lägen. Die alten Kasernen will er der leichtsinnigen Mobilgarde einräumen. Auch einige Kavalerie soll ihr beigegeben werden.

‒ Aus der Tiefe seines Gefängnisses hat ein Insurgent an den Repräsentanten Antony Thouret ein Brief gerichtet, in welchem er erklärt, daß er ihm das Geheimniß der Junirevolution enthüllen wolle, wenn er ihn in Freiheit setze. Thouret hat statt aller Antwort diesen geheimnißvollen Brief der Untersuchungs-Kommission übergeben ‒ soviel die Patrie versichert.

‒ Diesen Morgen (erzählt ein Abendblatt) glaubten wir uns Alle in die Luft gesprengt. Am Bastillenplatz fingen nämlich die im Schrank eines Wachtpostens befindlichen 600 Kartuschen Feuer und verursachten eine starke Explosion. Der Offizier und einige Mann des 34. Regiments, unter andern auch ein Dachdecker, wurden beschädigt, jedoch Niemand getödtet. Die Mauern wurden stark erschüttert.

‒ Unter dem Titel „Le Conciliateur“ ist ein neues reaktionäres Blatt erschienen.

‒ Die Pariser Bäckergesellen warnen alle ihre Kameraden von auswärts, nicht nach Paris zu kommen. Es sei Ueberfluß an Arbeitern; 1500 lägen auf dem Pflaster.

‒ Wie man hört, sollen die schon früher einmal durch Kriminalgerichte bestraften Insurgenten nach der Cayenne, die reinen Patrioten aber nach Algier gebracht werden.

‒ Aus den Untersuchungsakten geht hervor, daß General Brea deßhalb so fürchterlich gemeuchelt wurde, weil man der Barrikadenmannschaft in die Ohren geflüstert hatte: „Er sei der General Cavaignac, auf dessen Befehl ihre gefangenen Kameraden ohne Weiteres erschossen worden seien.“ Thatsache ist, daß Cavaignac und Lamoriciére beim Volke allgemein jetzt als Menschenschlächter gelten.

‒ Wir bitten unsere Leser um Verzeihung, aber es ist noch einmal Herr Thiers, um den es sich handelt. Man muß wohl auf ihn eingeh'n, er ist da. Wir haben diesen großen Mann nicht aufgesucht, und wenn er heute eine beliebige Rolle spielt, so ist es sicher nicht unsere Schuld. Wer zweifelt daran? Hr. Thiers schwamm oben auf in dem friedfertigen Februarschiffbruch, der so viele Sachen obenauf ließ. Die Reaktion führt ihn im Triumph zurück und das Journal des Debats, kürzlich noch sein Feind, verbindet sich mit dem Siècle und dem Constitutionnel, seinen alten Schleppenträgern. Herr Thiers präsidirt eins der 15 Büreaus, wo unsre künftige Konstitution in diesem Augenblick debattirt wird. Eine Konstitution, an die Thiers Hand angelegt hat, ist im Voraus beurtheilt. Auch sind wir völlig vorbereitet, auf dies neue Abtreiben einer vielversprechenden Revolution. Und von vorn herein will Herr Thiers das Recht zur Arbeit nicht anerkennen, weil er sich übermäßig zu verpflichten fürchtet, und es einfacher findet den verzweifelten Hunger mit Flintenschüssen zu besänftigen. Denn verlangt er zwei Kammern, um in der Regierung jene Theilung zu verewigen, welche die Demokratie in den Massen zu ersticken glaubte und um ein vor dem alles nivellirenden allgemeinen Stimmrecht unmöglich Aristokratie wieder aufzuführen.

Hr. Thiers ist der Mann aller möglichen Prätendenten, vom göttlichen Recht an bis zur Regentschaft, bis zum Kaiserreich im Nothfall. In den letzten Wahlen verpflichtete er sich gegen alle Welt; selbst den Bischöfen küßte er den Pantoffel. Der ausschließliche Vertheidiger der Universitäten, hat sich durch den Klerus absolviren lassen, dem er im Nothfall den gesammten Unterricht, mit Einschluß der Universität, überliefert hätte. Er hätte alles versprochen selbst der Republik, wenn die Republik ihn nicht abgewiesen hätte. Hr. Thiers wird sich aller Meinungen bedienen, unter dem Vorbehalt sie später zu prellen. Zum Ziel muß er gelangen, gleichgültig um welchen Preiß!

(La Reforme.)

‒ Die Rede, welche Hr. Thiers im Büreau der National-Versammlung gehalten hat, lautet im Wesentlichen wie folgt:

In meiner Eigenschaft als Republikaner ersuche ich Sie für die Einführung von zwei Kammern zu stimmen. Ich bin, sie wissen es, kein Republikaner von gestern (vor der Revolution). Aber die Republik ist gegenwärtig die gesetzliche Staatsform in Frankreich und ich wünsche deren sichere und dauerhafte Einrichtung. Von der Konstitution ist Alles abhängig; diese aber beruht fast gänzlich in der wichtigen Frage über das Kammersystem.

Die Gründe, welche für eine einzige Kammer angeführt worden sind, fassen sich in folgendem zusammen: die Existenz zweier Kammern veranlaßt einen mißlichen, ja gefährlichen Widerstreit, der begreiflich unter der Monarchie ist, wo man der königlichen Macht die Volksmacht entgegenstellen will, um der einen durch die andere das Gegengewicht zu halten, aber unzulässig in der Republik, wo nur ein einziger Wille, der der Nation in Anschlag kommen, vertreten und befolgt werden darf; ein Widerstreit, wozu es in Frankreich keine Elemente mehr giebt; denn thatsächlich existirt keine Aristokratie mehr, und gäbe es eine solche, so dürfte man rechtlich sie nicht anerkennen; ein Widerstreit endlich, der weder das Königthum der ältern noch der jüngern Linie erhalten hat, noch das Kaiserreich noch das Direktorium; diese Regierungen sind alle zu Grunde gegangen, obgleich sie zwei Kammern hatten. Eine einzige Kammer ist in einem Lande, wo es nur einen einzigen Willen giebt und geben darf, das einfachste, naturgemäßeste, der Zeit und den Verhältnissen entsprechendste.

Ich werde diesen Einwürfen gegen das Zweikammersystem mit wenigen und wie ich hoffe entscheidenden Worten begegnen.

Ich gebe zu daß das Einkammersystem das einfachste von allen ist. Aber wissen Sie was von allen Staatsformen die einfachste ist? Es ist der Despotismus. Ein Herr gebietet, man gehorcht, das ist Alles.

Die Einfachheit ist in der Mechanik die Barbarei. Die politische Mechanik wird wie die physikalische im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zusammengesetzt, aber damit zugleich wissenschaftlicher und was mehr ist als dieser eitle Vortheil, ihre Aktion wird sicherer, einfacher und weniger mühsam. Eine republikanische Regierung mit einer Kammer wird ganz die Härte und Rauhheit einer despotischen haben. Bald wird, unter einem schwachen Präsidenten, der furchtbarste aller Despotismen eintreten, der einer einzigen Versammlung. Bald werdet ihr, unter einem energischen, der Volksgunst sichern Präsidenten, den Despotismus eines Günstlings der Menge haben, und wenn keine von beiden Mächten gelaunt ist nachzugeben, so entspinnt sich ein tödlicher Kampf zwischen dem Präsidenten und der einzigen Versammlung, ohne einen Vermittler der den Kampf mäßige, den Gegenstoß neutralisire. Um diesem Uebelstande zu begegnen bedarf es eines Zwischengliedes, das sich in die Mitte stellt und selber den Widerstreit auf sich nimmt, um seine Folgen zu mildern. Es bedarf mit einem Worte einer zweiten Versammlung, welche die Meinungen der ersten diskutirt, ihnen zuweilen entgegentritt und ihnen nur in einem gewissen Maaße beitritt. Mag dieser Aelagonismus sein Verdienstliches haben, aber er ist die Freiheit selber, nämlich die Prüfung, die Ueberlegung, die Erörterung.

Der Redner weist nun auf die gegenwärtige autokratische Stellung der Nationalversammlung hin, auf die Art wie Dekrete erlassen werden ohne Prüfung, ohne Debatte, gleich dem Willen eines absoluten Herrn. Soll, fragt er, diese Einfachheit des Verfahrens den vernünftigen, dauernden Zustand einer großen Gesellschaft bilden? Freilich lieben alle herrschenden Gewalten das Einfache, d. h. sie wollen keine Hindernisse, keinen Widerstand. Und so seid auch ihr Republikaner von gestern, die ihr in eurem guten Glauben, in der Naivetät eurer Leidenschaften keine zwei Kammern wollt, ohne es zu wissen, die Volksgewalt, die als Sieger keinen Widerstand, kein Hinderniß will, die unter dem Titel von Dringlichkeitsdekreten ihre Wünsche unmittelbar befriedigen will, ohne an eine zweite Versammlung gebunden zu sein.

Alle Regierungen sind zu Grunde gegangen, wißt ihr weßhalb? Nicht weil sie verhindert wurden zu thun was sie wollten, sondern weil sie keinen Widerspruch fanden, der mächtig und achtunggebietend genug war. Wenn man der maßlosen Vermögenheit Napoleons, dem reaktionären Sinne Karls X. der übermäßigen Klugheit Louis Philipp's, der aus Furcht, sei es vor dem Liberalismus im Innern, sei es vor gewagten Unternehmungen nach Aussen, ein Land zusammendrücken wollte, das endlich in seinen Händen auseinander sprang wie allzusehr zusammengepreßte Luft ‒ Einhalt gethan hätte, Keiner von ihnen hätte mit einer Katastrophe geendigt.

In der Monarchie, sagt Ihr, bedarf es eines Widerstreits der Gewalten, in der Republik nicht. Und warum denn? Sind die Völker stets verständig? Oeffnet doch das große Buch der Geschichte. Werden denn die Völker nicht eben so getadelt, der Thorheit beschuldigt wie die Könige? Ich citire das geistreichste Volk, die Athener, das größte, die Römer. Man muß also warnen, zurückhalten, zum Nachdenken auffordern, die Völker ebensowohl wie die Könige. Die absolute Gewalt steigt zu Kopfe und bewältigt die stärksten Intelligenzen. Vereinigen wir uns um eine gute Republik zu machen, in welcher der Volkswille, indem er auf Hindernisse und Zögerungen stößt, weniger rasch, überlegter und verständiger sein kann.

Ihr sagt, zwei Kammern haben weder Louis Philipp, noch Carl X., noch Napoleon bewahrt. Das ist richtig, beweist aber nichts. Eine doppelte Kammer ist ein Mittel, nicht das einzige, aber das hauptsächlichste, eine Regierung zu verhindern, daß sie ihren Neigungen allzusehr folge. Hat sie das gethan und zwar in einem Grade, daß eine Katastrophe unvermeidlich ist, so kann die Organisation der Gewalten eine solche nicht beschwören. Aber die Krise wäre nicht unvermeidlich geworden, wenn der Widerstand gegen die schlechten Tendenzen der Regierung mächtiger gewesen wäre. Hätte unter dem Kaiserreich der Senat sich Napoleon widersetzt, wäre die Pairskammer unter Louis Philipp nicht so entnervt gewesen, vielleicht wäre Vieles nicht eingetroffen, was sich ereignet hat.

Die Einrede die man mir entgegenstellt gleicht der eines Kranken, der nachdem er den Arzt und seine Heilmittel verschmäht hat, sich beklagt daß die Medizin im letzten Augenblicke nichts mehr vermag. Im Todeskampfe hilft die Medizin nicht; ebenso ist es mit den Institutionen.

Man sagt es fehlten in Frankreich die Elemente zu zwei Kammern; das ist ein Irrthum. Es giebt in jedem Lande junge Menschen und alte, ruhige und hitzige; besonnene, erprobte und Neulinge die ihre Karriere zu machen haben; Männer die regiert haben und Würde mit Muße zu verbinden wünschen, und Männer die kaum in die Geschäfte eingetreten, sie mit der Ungeduld der Jugend und des Ehrgeizes zu führen denken; Männer die vom Alter abgesehen, Vorzüge des Geistes und Charakters besitzen, die einen der alten, die andern der neuen Ideen willen, bejahrte Männer die Neuerungen lieben, junge Leute die am bestehenden festhalten; endlich solche die abgesehen von ihrer Individualität diesen verschiedenen Bestrebungen durch ihr Vermögen, ihre Stellung, ihre Verbindungen oder persönlichen Neigungen zugeführt werden. Das hat sich in allen Republiken gezeigt, das zeigt sich in den Vereinigten Staaten, in der demokratischsten Gesellschaft der Erde.

Laßt es also den Wählern frei, von zwei Kandidaten, die sich ihnen vorstellen, zu sagen: dieser ist gemacht für die Repräsentantenkammer, jener für den Senat. Sie werden den einen zu den Jungen schicken, den andern zu den Alten, den einen zu den Unternehmenden, den andern zu den Vorsichtigen. Es bedarf hierzu keiner besonders weisen Wahlkombinationen. Laßt an demselben Tage von denselben Wählern die Mitglieder der beiden Versammlungen wählen und sie werden die Scheidung um die es sich handelt mit ebenso viel Scharfsinn machen wie ein einziger Erleuchteter und Allmächtiger. Uebrigens bleiben Euch tausend Mittel die Wahlart, die Erneuerungsweise und die Dauer verschiedentlich zu bestimmen.

Es ist also ein leerer, nichtiger Vorwand, von der Schwierigkeit der Zusammensetzung einer doppelten Kammer zu sprechen. Was man in den Vereinigten Staaten verstanden hat, sollte man in Frankreich nicht vermögen?

Ich zähle mehrere Freunde unter den hervorragenden Bürgern der Verein. Staaten. Alle diejenigen, welche sich augenblicklich in Europa befinden, haben mir anempfohlen Euch zu sagen, mit der größten Wärme zu sagen, daß Ihr durch Annahme des Einkammersystems den schwersten Fehler begehen würdet. So heiß sie wünschen, daß die republikanischen Institutionen in Frankreich Erfolg haben möchten, ebenso lebhaft ist ihr Wunsch, ihr möchtet jenes Zweikammersystem annehmen, zu dem sie nach harten Erfahrungen gelangt sind.

Doch muß ich, die ihr mich anklagt ein Reaktionär zu sein, was ich nicht bin, wenigstens nicht in Eurem Sinne, denn ich will nur eine einzige Reaktion, die der Ordnung gegen die Unordnung, muß ich vor Euch für die Dauer und Festigkeit der Republik sprechen? Muß ich, der Republikaner des folgenden Tages Euch, die alten Republikaner auffordern, eine feste, dauerhafte Republik zu gründen? Soll es denn dahin gekommen sein, daß ich auch von der Republik eben so wenig gehört werde wie von der Monarchie, wenn ich für Vernunft, Geist und Weisheit spreche? Ach, unter der einen wie unter der andern führe ich die Sache des gesunden Sinnes vor den Richterstuhl der Leidenschaften. Dennoch verzweifle ich nicht Gehör zu finden und diese Hoffnung ist eine Huldigung, keine Beleidigung, die ich an die junge Republik richte, vor der zu sprechen ich berufen bin.

Belgien.
*

Den Anklageakt über die Affaire „Risquons Tout“ werden unsere Leser morgen erhalten, nebst Randglossen.

Großbritannien.
* London, 9. Juli.

Die eben veröffentlichten offiziellen Listen und Tabellen über Ein- und Ausfuhr und Konsumtion der wichtigsten Artikel in Großbritannien und Irland enthalten viel interessante und lehrreiche Angaben. Wir begnügen uns folgende mitzutheilen:

Eingeführt und verzollt vom 5. Jan. bis 5. Juni.

1846.1847.1848.
CacaoPfd.1,392,6111,589,3101,342,700
KaffeePfd.15,073,75716,804,61416,169,878

Spirituosen:

RumGallonen1,054,0821,297,2371,189,785
BrandyGallonen466,842603,297610,972
GenièvreGallonen14,37914,0349,865
ZuckerCtnr.2,057,5312,473,1552,455,979
SyrupCtnr.250,494240,956293,167
TheePfd.19,218,04719,441,85920,232,545
TabakPfd.11,279,35111,315,69611,157,197
WeinGallon.2,841,0962,764,9372,605,939

Ausgeführt vom 5. Jan. bis 5. Juni.

1847.1848.
Baumwollenzeugefür7,726,107für6,895,963Pfd.St.
Baumwollengarnefür2,094,665für1,836,467Pfd.St.
Linnenfabrikatefür1,229,310für1,180,507Pfd.St.
Linnengarnefür266,326für193,775Pfd.St.
Seidenfabrikatefür404,502für212,823Pfd.St.
Wollenfabrikatefür2,767,719für2,021,826Pfd.St.
Wollengarnefür342,849für250,816Pfd.St.
Ausf. obig. Art. insges.für14,831,478für12,592,186Pfd.St.

Die Gesammtausfuhr vom 5. Jan. bis 5. Juni betrug
1847 20,815,372 Pfd. St.
1848 17,946,426 Pfd. St.

Und blos in den letzten 3 Monaten dieses Jahres betrug die Ausfuhr, mit der im nämlichen Zeitraum von 1847 verglichen, jeden Monat 1 Mill. Pfd. Sterl. weniger.

Doch die Engländer trösten sich. Die Berichte von den asiatischen Märkten lauten wieder günstiger; die Rohstoffe sind billig, der Arbeitslohn niedriger als je und so hoffen die englischen Fabrikanten, durch eine noch wohlfeilere Produktion als bisher den eben gedachten Ausfall im Export sehr bald ersetzen zu können.

<TEI>
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          <p><pb facs="#f0003" n="0209"/>
Minister; 5) allgemeines aktives Wahlrecht; 6)                         Erklärung der zahlreichen und sehr reichen Klöstergüter und aller übrigen                         Kirchendotation als Nationaleigenthum; 7) Beschränkung der Dauer der                         Regentschaft auf 5 Jahre, mit andern Worten alle 5 Jahre Fürstenwahl; 8) die                         Minister nicht nur, sondern der Fürst selbst ebenfalls verantwortlich; 9)                         Errichtung einer Nationalgarde; 10) Aufhebung jedes Rangunterschieds, mit                         einem Wort: Gleichheit vor dem Gesetz. Daß die Stadt, die gestern früh                         menschenleer schien, jetzt wimmelt und in freudige Aufregung versetzt ist,                         braucht kaum erwähnt zu werden. Ungeheure trikolore Kokarden prangen auf                         jedem Rock. Folgendes sind die neuen Minister: Inneres, Nikolaus Golesco;                         Finanzen, Majero; Justiz, Stephan Golesco; Polizei, Konstantin Rossetti;                         Kultus und öffentlicher Unterricht, Eliade; Militärangelegenheiten, Major                         Tell (der Oberst Odobesko behält den Befehl der Truppen); Aeußeres,                         Konstantin Baltschesko. Alle diese Männer sind als wacker bekannt und                         gehören nicht den reichen Familien an. Eliade ist noch nicht von der vor                         wenigen Tagen unternommenen Flucht zurück; seine Ankunft wird ein neuer                         Triumph für die Jugend sein, die ihn als Schriftsteller und frühern                         Inspektor der Unterrichtsanstalten verehrt. Daß die Großbajaren einen                         Umsturz versuchen werden, ist kaum zu glauben da sie keine Sympathien im                         Lande haben; ob aber die privatliche Aeußerung des russischen Konsuls, daß                         in vier Tagen 20,000 Russen hier sein werden, in Erfüllung gehen wird, muß                         die nahe Zukunft lehren! Viele glauben, daß in Jassy der Fürst                         wahrscheinlich in Folge des gestrigen Tags verjagt werden und die Moldau                         sich zu dem diesseitigen Fürstenthum schlagen würde.</p>
          <bibl>(A. A. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar042_015_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Weldens Bericht über die Operationen gegen Venedig. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 314.</bibl></note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Aus Oberitalien, 4. Juli.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar042_016" type="jArticle">
          <head>Mailand, 2. Juli.</head>
          <p>Nach einem in Peschiera gefaßten Kriegsrathsbeschlusse soll eine allgemeine                         vorwärts gehende Bewegung stattfinden. Der linke Flügel der italiänischen                         Armee wird einen Einfall in das venetianische Gebiet machen, während der                         rechte Flügel gegen Mantua und hauptsächlich gegen Legnago operiren wird.                         Das Hauptquartier kommt nach Roverbella. Unter dem Oberbefehl des durch                         seine Fähigkeiten und Klugheit ausgezeichneten General Sonnaz wird ein                         Armeekorps Verona abschließen. General Chioda ist mit der Belagerung dieses                         Platzes beauftragt. In Peschiera werden hölzerne, mit Eisen befestigte                         mobile Barrikaden verfertigt, um bei der Bewegung gegen Verona gegen die                         feindliche Artillerie zu dienen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar042_017" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom, 30. Juni.</head>
          <p>Der Pabst hat auf die Vorstellungen der ganz mit der Reaktion des In- und                         Auslandes einverstandenen Kardinäle das beabsichtigte Konsistorium auf                         unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Zeit gewonnen, Alles gewonnen denken die                         Herren. Sie benutzen die Zeit, um einen Theil des Volkes, der aus                         Unwissenheit fanatisch und leicht bestechlich ist, zu bearbeiten, damit                         anscheinend vom Volke aus der Sturm gegen das liberale Ministerium Mamiani's                         losbreche. Es handelt sich für die reaktionäre Partei um Sein oder                         Nichtsein. So ein ganzes Ministerium mit Laien zu besetzen, das ist nicht                         blos unverschämt, sondern bringt Lücken und Risse in den Geldsack. Und nun                         sprechen die Deputirten gar von Säkularisation der geistlichen Güter,                         mindestens von einer Anleihe gegen Verhypothezirung derselben und von                         ähnlichen teuflischen Ideen. Damit hat natürlich die Gottlosigkeit den                         höchsten Grad und die Wuth der himmlischen Männer, deren Geldbeutel nebst                         Ansehen und Einfluß so in der Nähe bedroht ist, den höchsten Grad erreicht.                         Drum der Ruf: &#x201E;hilf Samiel&#x201C; Metternich und du wackerer Nikolaus.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar042_018" type="jArticle">
          <head>Paris, 9. Juli.</head>
          <p>Der &#x201E;Moniteur&#x201C; schreibt heute einen neuen Konkurs von 150 Pensionäre für die                         Zulassung in die von der provisorischen Regierung gegründete <hi rendition="#g">Verwaltungsschule</hi> des College de France aus.</p>
          <p>&#x2012; Die erste Verwaltungsschule (Ecole administrative) wurde gestern früh 9 Uhr                         im College de France vom neuen Unterrichtsminister in Person eröffnet. Er                         hielt dabei eine Rede, in welcher folgende Phrase vorkommt: &#x201E;. . . . Die                         Nationalversammlung wird in ihrer Souverainität über das definitive                         Schicksal der Verwaltungsschulen zu entscheiden haben. Ich zweifle nicht,                         daß Ihr erstes Auftreten sie bestimme, diese Verwirklichung eines ächt                         demokratischen Gedankens zu bestätigen.&#x201C; Bei der Wuth, Alles niederzureißen,                         was die provis. Regierung schuf, wäre es leicht möglich, daß man auch diese                         Pflanzschulen nicht schonte.</p>
          <p>&#x2012; Dem Baron v. Friddain, Geschäftsträger Siziliens, und dem Dr. Furnari,                         erstem Legationssekretär, ist das Recht ertheilt worden, mit den Behörden                         der Republik amtlich zu verkehren. Erste Anerkennung Siziliens.</p>
          <p>&#x2012; Abbé Sibour, Bischof von Digne und Bruder des Repräsentanten gleiches                         Namens, geb. 1792, wird als Nachfolger des Erzbischofs von Paris bezeichnet.                         Der Moniteur wird dieser Tage die Ernennung bringen.</p>
          <p>&#x2012; Der Moniteur sieht sich heute genöthigt, zu erklären, daß die Haussuchungen                         in den Wohnungen der Exkönigin Christine und beim spanischen Generalkonsul                         aus <hi rendition="#g">Versehen</hi> geschehen seien und zu keinem Resultat                         geführt hätten.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Lage der Bank am 7. Juli Abends.</hi> Die Baar-und                         Barrenvorräthe <hi rendition="#g">stiegen</hi> auf 82,618,028 Frs. 80 Cent.                         in Paris und auf 73,158,028 Frs. in den Departements. Die leidenden Papiere <hi rendition="#g">fielen</hi> von 26,611,329 Francs 92 Cent. auf                         26,508,636 Frs. 13 Cent. und auf 12,286,572 Frs. 59 Cent. in den                         Departements. Der Staatskasse blieb von den geliehenen 50 Millionen nur noch                         ein Restchen von 4,889,986 Fr. 66 Cts.</p>
          <p>&#x2012; General Duvivier, der am 23., 24. und 25. Juni die Mobilgarde befehligte,                         ist an seiner Fußwunde gestorben. Duvivier ist der sechste General, der                         gestorben.</p>
          <p>&#x2012; In der Bank herrscht Schrecken. Es wurden ihr in den letzten Tagen eine                         solche Menge <hi rendition="#g">falscher</hi> Billets präsentirt, daß sie                         heute im Moniteur und den übrigen Blättern eine vollständige Beschreibung                         dieser Contrebande zur Warnung bekannt macht.</p>
          <p>&#x2012; Während der Junitage wurden zwei Millionen Kartuschen und 3000                         Kanonenkugeln aus den Staatszeughäusern gegen die Insurgenten                         verschossen.</p>
          <p>&#x2012; Die <hi rendition="#g">innerhalb</hi> Paris liegende Garnison beträgt <hi rendition="#g">achtzigtausend</hi> Mann. Außerhalb der Stadt kampiren                         noch 50,000 Mann. Trotzdem kann der Constitutionnel noch nicht ruhig                         schlafen. Er trägt heute auf Anlage <hi rendition="#g">isolirter</hi> Kasernen an, die außerhalb der Schußweite aller Privatfenster und Dächer                         lägen. Die alten Kasernen will er der leichtsinnigen Mobilgarde einräumen.                         Auch einige Kavalerie soll ihr beigegeben werden.</p>
          <p>&#x2012; Aus der Tiefe seines Gefängnisses hat ein Insurgent an den Repräsentanten                         Antony Thouret ein Brief gerichtet, in welchem er erklärt, daß er ihm das                         Geheimniß der Junirevolution enthüllen wolle, wenn er ihn in Freiheit setze.                         Thouret hat statt aller Antwort diesen geheimnißvollen Brief der                         Untersuchungs-Kommission übergeben &#x2012; soviel die Patrie versichert.</p>
          <p>&#x2012; Diesen Morgen (erzählt ein Abendblatt) glaubten wir uns Alle in die Luft                         gesprengt. Am Bastillenplatz fingen nämlich die im Schrank eines                         Wachtpostens befindlichen 600 Kartuschen Feuer und verursachten eine starke                         Explosion. Der Offizier und einige Mann des 34. Regiments, unter andern auch                         ein Dachdecker, wurden beschädigt, jedoch Niemand getödtet. Die Mauern                         wurden stark erschüttert.</p>
          <p>&#x2012; Unter dem Titel &#x201E;Le Conciliateur&#x201C; ist ein neues reaktionäres Blatt                         erschienen.</p>
          <p>&#x2012; Die Pariser Bäckergesellen warnen alle ihre Kameraden von auswärts, nicht                         nach Paris zu kommen. Es sei Ueberfluß an Arbeitern; 1500 lägen auf dem                         Pflaster.</p>
          <p>&#x2012; Wie man hört, sollen die schon früher einmal durch Kriminalgerichte                         bestraften Insurgenten nach der Cayenne, die reinen Patrioten aber nach                         Algier gebracht werden.</p>
          <p>&#x2012; Aus den Untersuchungsakten geht hervor, daß General Brea deßhalb so                         fürchterlich gemeuchelt wurde, weil man der Barrikadenmannschaft in die                         Ohren geflüstert hatte: &#x201E;Er sei der General Cavaignac, auf dessen Befehl                         ihre gefangenen Kameraden ohne Weiteres erschossen worden seien.&#x201C; Thatsache                         ist, daß Cavaignac und Lamoriciére beim Volke allgemein jetzt als                         Menschenschlächter gelten.</p>
          <p>&#x2012; Wir bitten unsere Leser um Verzeihung, aber es ist noch einmal Herr Thiers,                         um den es sich handelt. Man muß wohl auf ihn eingeh'n, er ist da. Wir haben                         diesen großen Mann nicht aufgesucht, und wenn er heute eine beliebige Rolle                         spielt, so ist es sicher nicht unsere Schuld. Wer zweifelt daran? Hr. Thiers                         schwamm oben auf in dem friedfertigen Februarschiffbruch, der so viele                         Sachen obenauf ließ. Die Reaktion führt ihn im Triumph zurück und das <hi rendition="#g">Journal des Debats,</hi> kürzlich noch sein Feind,                         verbindet sich mit dem <hi rendition="#g">Siècle</hi> und dem <hi rendition="#g">Constitutionnel,</hi> seinen alten Schleppenträgern. Herr                         Thiers präsidirt eins der 15 Büreaus, wo unsre künftige Konstitution in                         diesem Augenblick debattirt wird. Eine Konstitution, an die Thiers Hand                         angelegt hat, ist im Voraus beurtheilt. Auch sind wir völlig vorbereitet,                         auf dies neue Abtreiben einer vielversprechenden Revolution. Und von vorn                         herein will Herr Thiers das Recht zur Arbeit nicht anerkennen, weil er sich                         übermäßig zu verpflichten fürchtet, und es einfacher findet den                         verzweifelten Hunger mit Flintenschüssen zu besänftigen. Denn verlangt er                         zwei Kammern, um in der Regierung jene Theilung zu verewigen, welche die                         Demokratie in den Massen zu ersticken glaubte und um ein vor dem alles                         nivellirenden allgemeinen Stimmrecht unmöglich Aristokratie wieder                         aufzuführen.</p>
          <p>Hr. Thiers ist der Mann aller möglichen Prätendenten, vom göttlichen Recht an                         bis zur Regentschaft, bis zum Kaiserreich im Nothfall. In den letzten Wahlen                         verpflichtete er sich gegen alle Welt; selbst den Bischöfen küßte er den                         Pantoffel. Der ausschließliche Vertheidiger der Universitäten, hat sich                         durch den Klerus absolviren lassen, dem er im Nothfall den gesammten                         Unterricht, mit Einschluß der Universität, überliefert hätte. Er hätte alles                         versprochen selbst der Republik, wenn die Republik ihn nicht abgewiesen                         hätte. Hr. Thiers wird sich aller Meinungen bedienen, unter dem Vorbehalt                         sie später zu prellen. Zum Ziel muß er gelangen, gleichgültig um welchen                         Preiß!</p>
          <bibl>(La Reforme.)</bibl>
          <p>&#x2012; Die Rede, welche Hr. Thiers im Büreau der National-Versammlung gehalten                         hat, lautet im Wesentlichen wie folgt:</p>
          <p>In meiner Eigenschaft als Republikaner ersuche ich Sie für die Einführung von                         zwei Kammern zu stimmen. Ich bin, sie wissen es, kein Republikaner von                         gestern (vor der Revolution). Aber die Republik ist gegenwärtig die                         gesetzliche Staatsform in Frankreich und ich wünsche deren sichere und                         dauerhafte Einrichtung. Von der Konstitution ist Alles abhängig; diese aber                         beruht fast gänzlich in der wichtigen Frage über das Kammersystem.</p>
          <p>Die Gründe, welche für eine einzige Kammer angeführt worden sind, fassen sich                         in folgendem zusammen: die Existenz zweier Kammern veranlaßt einen                         mißlichen, ja gefährlichen Widerstreit, der begreiflich unter der Monarchie                         ist, wo man der königlichen Macht die Volksmacht entgegenstellen will, um                         der einen durch die andere das Gegengewicht zu halten, aber unzulässig in                         der Republik, wo nur ein einziger Wille, der der Nation in Anschlag kommen,                         vertreten und befolgt werden darf; ein Widerstreit, wozu es in Frankreich                         keine Elemente mehr giebt; denn thatsächlich existirt keine Aristokratie                         mehr, und gäbe es eine solche, so dürfte man rechtlich sie nicht anerkennen;                         ein Widerstreit endlich, der weder das Königthum der ältern noch der jüngern                         Linie erhalten hat, noch das Kaiserreich noch das Direktorium; diese                         Regierungen sind alle zu Grunde gegangen, obgleich sie zwei Kammern hatten.                         Eine einzige Kammer ist in einem Lande, wo es nur einen einzigen Willen                         giebt und geben darf, das einfachste, naturgemäßeste, der Zeit und den                         Verhältnissen entsprechendste.</p>
          <p>Ich werde diesen Einwürfen gegen das Zweikammersystem mit wenigen und wie ich                         hoffe entscheidenden Worten begegnen.</p>
          <p>Ich gebe zu daß das Einkammersystem das einfachste von allen ist. Aber wissen                         Sie was von allen Staatsformen die einfachste ist? Es ist der Despotismus.                         Ein Herr gebietet, man gehorcht, das ist Alles.</p>
          <p>Die Einfachheit ist in der Mechanik die Barbarei. Die politische Mechanik                         wird wie die physikalische im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr                         zusammengesetzt, aber damit zugleich wissenschaftlicher und was mehr ist als                         dieser eitle Vortheil, ihre Aktion wird sicherer, einfacher und weniger                         mühsam. Eine republikanische Regierung mit einer Kammer wird ganz die Härte                         und Rauhheit einer despotischen haben. Bald wird, unter einem schwachen                         Präsidenten, der furchtbarste aller Despotismen eintreten, der einer                         einzigen Versammlung. Bald werdet ihr, unter einem energischen, der                         Volksgunst sichern Präsidenten, den Despotismus eines Günstlings der Menge                         haben, und wenn keine von beiden Mächten gelaunt ist nachzugeben, so                         entspinnt sich ein tödlicher Kampf zwischen dem Präsidenten und der einzigen                         Versammlung, ohne einen Vermittler der den Kampf mäßige, den Gegenstoß                         neutralisire. Um diesem Uebelstande zu begegnen bedarf es eines                         Zwischengliedes, das sich in die Mitte stellt und selber den Widerstreit auf                         sich nimmt, um seine Folgen zu mildern. Es bedarf mit einem Worte einer                         zweiten Versammlung, welche die Meinungen der ersten diskutirt, ihnen                         zuweilen entgegentritt und ihnen nur in einem gewissen Maaße beitritt. Mag                         dieser Aelagonismus sein Verdienstliches haben, aber er ist die Freiheit                         selber, nämlich die Prüfung, die Ueberlegung, die Erörterung.</p>
          <p>Der Redner weist nun auf die gegenwärtige autokratische Stellung der                         Nationalversammlung hin, auf die Art wie Dekrete erlassen werden ohne                         Prüfung, ohne Debatte, gleich dem Willen eines absoluten Herrn. Soll, fragt                         er, diese Einfachheit des Verfahrens den vernünftigen, dauernden Zustand                         einer großen Gesellschaft bilden? Freilich lieben alle herrschenden Gewalten                         das Einfache, d. h. sie wollen keine Hindernisse, keinen Widerstand. Und so                         seid auch ihr Republikaner von gestern, die ihr in eurem guten Glauben, in                         der Naivetät eurer Leidenschaften keine zwei Kammern wollt, ohne es zu                         wissen, die Volksgewalt, die als Sieger keinen Widerstand, kein Hinderniß                         will, die unter dem Titel von Dringlichkeitsdekreten ihre Wünsche                         unmittelbar befriedigen will, ohne an eine zweite Versammlung gebunden zu                         sein.</p>
          <p>Alle Regierungen sind zu Grunde gegangen, wißt ihr weßhalb? Nicht weil sie                         verhindert wurden zu thun was sie wollten, sondern weil sie keinen                         Widerspruch fanden, der mächtig und achtunggebietend genug war. Wenn man der                         maßlosen Vermögenheit Napoleons, dem reaktionären Sinne Karls X. der                         übermäßigen Klugheit Louis Philipp's, der aus Furcht, sei es vor dem                         Liberalismus im Innern, sei es vor gewagten Unternehmungen nach Aussen, ein                         Land zusammendrücken wollte, das endlich in seinen Händen auseinander sprang                         wie allzusehr zusammengepreßte Luft &#x2012; Einhalt gethan hätte, Keiner von ihnen                         hätte mit einer Katastrophe geendigt.</p>
          <p>In der Monarchie, sagt Ihr, bedarf es eines Widerstreits der Gewalten, in der                         Republik nicht. Und warum denn? Sind die Völker stets verständig? Oeffnet                         doch das große Buch der Geschichte. Werden denn die Völker nicht eben so                         getadelt, der Thorheit beschuldigt wie die Könige? Ich citire das                         geistreichste Volk, die Athener, das größte, die Römer. Man muß also warnen,                         zurückhalten, zum Nachdenken auffordern, die Völker ebensowohl wie die                         Könige. Die absolute Gewalt steigt zu Kopfe und bewältigt die stärksten                         Intelligenzen. Vereinigen wir uns um eine gute Republik zu machen, in                         welcher der Volkswille, indem er auf Hindernisse und Zögerungen stößt,                         weniger rasch, überlegter und verständiger sein kann.</p>
          <p>Ihr sagt, zwei Kammern haben weder Louis Philipp, noch Carl X., noch Napoleon                         bewahrt. Das ist richtig, beweist aber nichts. Eine doppelte Kammer ist ein                         Mittel, nicht das einzige, aber das hauptsächlichste, eine Regierung zu                         verhindern, daß sie ihren Neigungen allzusehr folge. Hat sie das gethan und                         zwar in einem Grade, daß eine Katastrophe unvermeidlich ist, so kann die                         Organisation der Gewalten eine solche nicht beschwören. Aber die Krise wäre                         nicht unvermeidlich geworden, wenn der Widerstand gegen die schlechten                         Tendenzen der Regierung mächtiger gewesen wäre. Hätte unter dem Kaiserreich                         der Senat sich Napoleon widersetzt, wäre die Pairskammer unter Louis Philipp                         nicht so entnervt gewesen, vielleicht wäre Vieles nicht eingetroffen, was                         sich ereignet hat.</p>
          <p>Die Einrede die man mir entgegenstellt gleicht der eines Kranken, der nachdem                         er den Arzt und seine Heilmittel verschmäht hat, sich beklagt daß die                         Medizin im letzten Augenblicke nichts mehr vermag. Im Todeskampfe hilft die                         Medizin nicht; ebenso ist es mit den Institutionen.</p>
          <p>Man sagt es fehlten in Frankreich die Elemente zu zwei Kammern; das ist ein                         Irrthum. Es giebt in jedem Lande junge Menschen und alte, ruhige und                         hitzige; besonnene, erprobte und Neulinge die ihre Karriere zu machen haben;                         Männer die regiert haben und Würde mit Muße zu verbinden wünschen, und                         Männer die kaum in die Geschäfte eingetreten, sie mit der Ungeduld der                         Jugend und des Ehrgeizes zu führen denken; Männer die vom Alter abgesehen,                         Vorzüge des Geistes und Charakters besitzen, die einen der alten, die andern                         der neuen Ideen willen, bejahrte Männer die Neuerungen lieben, junge Leute                         die am bestehenden festhalten; endlich solche die abgesehen von ihrer                         Individualität diesen verschiedenen Bestrebungen durch ihr Vermögen, ihre                         Stellung, ihre Verbindungen oder persönlichen Neigungen zugeführt werden.                         Das hat sich in allen Republiken gezeigt, das zeigt sich in den Vereinigten                         Staaten, in der demokratischsten Gesellschaft der Erde.</p>
          <p>Laßt es also den Wählern frei, von zwei Kandidaten, die sich ihnen                         vorstellen, zu sagen: dieser ist gemacht für die Repräsentantenkammer, jener                         für den Senat. Sie werden den einen zu den Jungen schicken, den andern zu                         den Alten, den einen zu den Unternehmenden, den andern zu den Vorsichtigen.                         Es bedarf hierzu keiner besonders weisen Wahlkombinationen. Laßt an                         demselben Tage von denselben Wählern die Mitglieder der beiden Versammlungen                         wählen und sie werden die Scheidung um die es sich handelt mit ebenso viel                         Scharfsinn machen wie ein einziger Erleuchteter und Allmächtiger. Uebrigens                         bleiben Euch tausend Mittel die Wahlart, die Erneuerungsweise und die Dauer                         verschiedentlich zu bestimmen.</p>
          <p>Es ist also ein leerer, nichtiger Vorwand, von der Schwierigkeit der                         Zusammensetzung einer doppelten Kammer zu sprechen. Was man in den                         Vereinigten Staaten verstanden hat, sollte man in Frankreich nicht                         vermögen?</p>
          <p>Ich zähle mehrere Freunde unter den hervorragenden Bürgern der Verein.                         Staaten. Alle diejenigen, welche sich augenblicklich in Europa befinden,                         haben mir anempfohlen Euch zu sagen, mit der größten Wärme zu sagen, daß Ihr                         durch Annahme des Einkammersystems den schwersten Fehler begehen würdet. So                         heiß sie wünschen, daß die republikanischen Institutionen in Frankreich                         Erfolg haben möchten, ebenso lebhaft ist ihr Wunsch, ihr möchtet jenes                         Zweikammersystem annehmen, zu dem sie nach harten Erfahrungen gelangt                         sind.</p>
          <p>Doch muß ich, die ihr mich anklagt ein Reaktionär zu sein, was ich nicht bin,                         wenigstens nicht in Eurem Sinne, denn ich will nur eine einzige Reaktion,                         die der Ordnung gegen die Unordnung, muß ich vor Euch für die Dauer und                         Festigkeit der Republik sprechen? Muß ich, der Republikaner des folgenden                         Tages Euch, die alten Republikaner auffordern, eine feste, dauerhafte                         Republik zu gründen? Soll es denn dahin gekommen sein, daß ich auch von der                         Republik eben so wenig gehört werde wie von der Monarchie, wenn ich für                         Vernunft, Geist und Weisheit spreche? Ach, unter der einen wie unter der                         andern führe ich die Sache des gesunden Sinnes vor den Richterstuhl der                         Leidenschaften. Dennoch verzweifle ich nicht Gehör zu finden und diese                         Hoffnung ist eine Huldigung, keine Beleidigung, die ich an die junge                         Republik richte, vor der zu sprechen ich berufen bin.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Belgien.</head>
        <div xml:id="ar042_019" type="jArticle">
          <head>
            <bibl>
              <author>*</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>Den Anklageakt über die Affaire &#x201E;Risquons Tout&#x201C; werden unsere Leser morgen                         erhalten, nebst Randglossen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar042_020" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 9. Juli.</head>
          <p>Die eben veröffentlichten offiziellen Listen und Tabellen über Ein- und                         Ausfuhr und Konsumtion der wichtigsten Artikel in Großbritannien und Irland                         enthalten viel interessante und lehrreiche Angaben. Wir begnügen uns                         folgende mitzutheilen:</p>
          <p>Eingeführt und verzollt vom 5. Jan. bis 5. Juni.</p>
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          <p>Spirituosen:</p>
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          <p>Ausgeführt vom 5. Jan. bis 5. Juni.</p>
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          <p rendition="#et">Die Gesammtausfuhr vom 5. Jan. bis 5. Juni betrug<lb/>
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1848 17,946,426 Pfd. St.</p>
          <p>Und blos in den letzten 3 Monaten dieses Jahres betrug die Ausfuhr, mit der                         im nämlichen Zeitraum von 1847 verglichen, jeden Monat 1 Mill. Pfd. Sterl.                         weniger.</p>
          <p>Doch die Engländer trösten sich. Die Berichte von den asiatischen Märkten                         lauten wieder günstiger; die Rohstoffe sind billig, der Arbeitslohn                         niedriger als je und so hoffen die englischen Fabrikanten, durch eine noch                         wohlfeilere Produktion als bisher den eben gedachten Ausfall im Export sehr                         bald ersetzen zu können.</p>
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</TEI>
[0209/0003] Minister; 5) allgemeines aktives Wahlrecht; 6) Erklärung der zahlreichen und sehr reichen Klöstergüter und aller übrigen Kirchendotation als Nationaleigenthum; 7) Beschränkung der Dauer der Regentschaft auf 5 Jahre, mit andern Worten alle 5 Jahre Fürstenwahl; 8) die Minister nicht nur, sondern der Fürst selbst ebenfalls verantwortlich; 9) Errichtung einer Nationalgarde; 10) Aufhebung jedes Rangunterschieds, mit einem Wort: Gleichheit vor dem Gesetz. Daß die Stadt, die gestern früh menschenleer schien, jetzt wimmelt und in freudige Aufregung versetzt ist, braucht kaum erwähnt zu werden. Ungeheure trikolore Kokarden prangen auf jedem Rock. Folgendes sind die neuen Minister: Inneres, Nikolaus Golesco; Finanzen, Majero; Justiz, Stephan Golesco; Polizei, Konstantin Rossetti; Kultus und öffentlicher Unterricht, Eliade; Militärangelegenheiten, Major Tell (der Oberst Odobesko behält den Befehl der Truppen); Aeußeres, Konstantin Baltschesko. Alle diese Männer sind als wacker bekannt und gehören nicht den reichen Familien an. Eliade ist noch nicht von der vor wenigen Tagen unternommenen Flucht zurück; seine Ankunft wird ein neuer Triumph für die Jugend sein, die ihn als Schriftsteller und frühern Inspektor der Unterrichtsanstalten verehrt. Daß die Großbajaren einen Umsturz versuchen werden, ist kaum zu glauben da sie keine Sympathien im Lande haben; ob aber die privatliche Aeußerung des russischen Konsuls, daß in vier Tagen 20,000 Russen hier sein werden, in Erfüllung gehen wird, muß die nahe Zukunft lehren! Viele glauben, daß in Jassy der Fürst wahrscheinlich in Folge des gestrigen Tags verjagt werden und die Moldau sich zu dem diesseitigen Fürstenthum schlagen würde. (A. A. Z.) Italien. * Aus Oberitalien, 4. Juli. _ Mailand, 2. Juli. Nach einem in Peschiera gefaßten Kriegsrathsbeschlusse soll eine allgemeine vorwärts gehende Bewegung stattfinden. Der linke Flügel der italiänischen Armee wird einen Einfall in das venetianische Gebiet machen, während der rechte Flügel gegen Mantua und hauptsächlich gegen Legnago operiren wird. Das Hauptquartier kommt nach Roverbella. Unter dem Oberbefehl des durch seine Fähigkeiten und Klugheit ausgezeichneten General Sonnaz wird ein Armeekorps Verona abschließen. General Chioda ist mit der Belagerung dieses Platzes beauftragt. In Peschiera werden hölzerne, mit Eisen befestigte mobile Barrikaden verfertigt, um bei der Bewegung gegen Verona gegen die feindliche Artillerie zu dienen. * Rom, 30. Juni. Der Pabst hat auf die Vorstellungen der ganz mit der Reaktion des In- und Auslandes einverstandenen Kardinäle das beabsichtigte Konsistorium auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Zeit gewonnen, Alles gewonnen denken die Herren. Sie benutzen die Zeit, um einen Theil des Volkes, der aus Unwissenheit fanatisch und leicht bestechlich ist, zu bearbeiten, damit anscheinend vom Volke aus der Sturm gegen das liberale Ministerium Mamiani's losbreche. Es handelt sich für die reaktionäre Partei um Sein oder Nichtsein. So ein ganzes Ministerium mit Laien zu besetzen, das ist nicht blos unverschämt, sondern bringt Lücken und Risse in den Geldsack. Und nun sprechen die Deputirten gar von Säkularisation der geistlichen Güter, mindestens von einer Anleihe gegen Verhypothezirung derselben und von ähnlichen teuflischen Ideen. Damit hat natürlich die Gottlosigkeit den höchsten Grad und die Wuth der himmlischen Männer, deren Geldbeutel nebst Ansehen und Einfluß so in der Nähe bedroht ist, den höchsten Grad erreicht. Drum der Ruf: „hilf Samiel“ Metternich und du wackerer Nikolaus. Französische Republik. Paris, 9. Juli. Der „Moniteur“ schreibt heute einen neuen Konkurs von 150 Pensionäre für die Zulassung in die von der provisorischen Regierung gegründete Verwaltungsschule des College de France aus. ‒ Die erste Verwaltungsschule (Ecole administrative) wurde gestern früh 9 Uhr im College de France vom neuen Unterrichtsminister in Person eröffnet. Er hielt dabei eine Rede, in welcher folgende Phrase vorkommt: „. . . . Die Nationalversammlung wird in ihrer Souverainität über das definitive Schicksal der Verwaltungsschulen zu entscheiden haben. Ich zweifle nicht, daß Ihr erstes Auftreten sie bestimme, diese Verwirklichung eines ächt demokratischen Gedankens zu bestätigen.“ Bei der Wuth, Alles niederzureißen, was die provis. Regierung schuf, wäre es leicht möglich, daß man auch diese Pflanzschulen nicht schonte. ‒ Dem Baron v. Friddain, Geschäftsträger Siziliens, und dem Dr. Furnari, erstem Legationssekretär, ist das Recht ertheilt worden, mit den Behörden der Republik amtlich zu verkehren. Erste Anerkennung Siziliens. ‒ Abbé Sibour, Bischof von Digne und Bruder des Repräsentanten gleiches Namens, geb. 1792, wird als Nachfolger des Erzbischofs von Paris bezeichnet. Der Moniteur wird dieser Tage die Ernennung bringen. ‒ Der Moniteur sieht sich heute genöthigt, zu erklären, daß die Haussuchungen in den Wohnungen der Exkönigin Christine und beim spanischen Generalkonsul aus Versehen geschehen seien und zu keinem Resultat geführt hätten. ‒ Lage der Bank am 7. Juli Abends. Die Baar-und Barrenvorräthe stiegen auf 82,618,028 Frs. 80 Cent. in Paris und auf 73,158,028 Frs. in den Departements. Die leidenden Papiere fielen von 26,611,329 Francs 92 Cent. auf 26,508,636 Frs. 13 Cent. und auf 12,286,572 Frs. 59 Cent. in den Departements. Der Staatskasse blieb von den geliehenen 50 Millionen nur noch ein Restchen von 4,889,986 Fr. 66 Cts. ‒ General Duvivier, der am 23., 24. und 25. Juni die Mobilgarde befehligte, ist an seiner Fußwunde gestorben. Duvivier ist der sechste General, der gestorben. ‒ In der Bank herrscht Schrecken. Es wurden ihr in den letzten Tagen eine solche Menge falscher Billets präsentirt, daß sie heute im Moniteur und den übrigen Blättern eine vollständige Beschreibung dieser Contrebande zur Warnung bekannt macht. ‒ Während der Junitage wurden zwei Millionen Kartuschen und 3000 Kanonenkugeln aus den Staatszeughäusern gegen die Insurgenten verschossen. ‒ Die innerhalb Paris liegende Garnison beträgt achtzigtausend Mann. Außerhalb der Stadt kampiren noch 50,000 Mann. Trotzdem kann der Constitutionnel noch nicht ruhig schlafen. Er trägt heute auf Anlage isolirter Kasernen an, die außerhalb der Schußweite aller Privatfenster und Dächer lägen. Die alten Kasernen will er der leichtsinnigen Mobilgarde einräumen. Auch einige Kavalerie soll ihr beigegeben werden. ‒ Aus der Tiefe seines Gefängnisses hat ein Insurgent an den Repräsentanten Antony Thouret ein Brief gerichtet, in welchem er erklärt, daß er ihm das Geheimniß der Junirevolution enthüllen wolle, wenn er ihn in Freiheit setze. Thouret hat statt aller Antwort diesen geheimnißvollen Brief der Untersuchungs-Kommission übergeben ‒ soviel die Patrie versichert. ‒ Diesen Morgen (erzählt ein Abendblatt) glaubten wir uns Alle in die Luft gesprengt. Am Bastillenplatz fingen nämlich die im Schrank eines Wachtpostens befindlichen 600 Kartuschen Feuer und verursachten eine starke Explosion. Der Offizier und einige Mann des 34. Regiments, unter andern auch ein Dachdecker, wurden beschädigt, jedoch Niemand getödtet. Die Mauern wurden stark erschüttert. ‒ Unter dem Titel „Le Conciliateur“ ist ein neues reaktionäres Blatt erschienen. ‒ Die Pariser Bäckergesellen warnen alle ihre Kameraden von auswärts, nicht nach Paris zu kommen. Es sei Ueberfluß an Arbeitern; 1500 lägen auf dem Pflaster. ‒ Wie man hört, sollen die schon früher einmal durch Kriminalgerichte bestraften Insurgenten nach der Cayenne, die reinen Patrioten aber nach Algier gebracht werden. ‒ Aus den Untersuchungsakten geht hervor, daß General Brea deßhalb so fürchterlich gemeuchelt wurde, weil man der Barrikadenmannschaft in die Ohren geflüstert hatte: „Er sei der General Cavaignac, auf dessen Befehl ihre gefangenen Kameraden ohne Weiteres erschossen worden seien.“ Thatsache ist, daß Cavaignac und Lamoriciére beim Volke allgemein jetzt als Menschenschlächter gelten. ‒ Wir bitten unsere Leser um Verzeihung, aber es ist noch einmal Herr Thiers, um den es sich handelt. Man muß wohl auf ihn eingeh'n, er ist da. Wir haben diesen großen Mann nicht aufgesucht, und wenn er heute eine beliebige Rolle spielt, so ist es sicher nicht unsere Schuld. Wer zweifelt daran? Hr. Thiers schwamm oben auf in dem friedfertigen Februarschiffbruch, der so viele Sachen obenauf ließ. Die Reaktion führt ihn im Triumph zurück und das Journal des Debats, kürzlich noch sein Feind, verbindet sich mit dem Siècle und dem Constitutionnel, seinen alten Schleppenträgern. Herr Thiers präsidirt eins der 15 Büreaus, wo unsre künftige Konstitution in diesem Augenblick debattirt wird. Eine Konstitution, an die Thiers Hand angelegt hat, ist im Voraus beurtheilt. Auch sind wir völlig vorbereitet, auf dies neue Abtreiben einer vielversprechenden Revolution. Und von vorn herein will Herr Thiers das Recht zur Arbeit nicht anerkennen, weil er sich übermäßig zu verpflichten fürchtet, und es einfacher findet den verzweifelten Hunger mit Flintenschüssen zu besänftigen. Denn verlangt er zwei Kammern, um in der Regierung jene Theilung zu verewigen, welche die Demokratie in den Massen zu ersticken glaubte und um ein vor dem alles nivellirenden allgemeinen Stimmrecht unmöglich Aristokratie wieder aufzuführen. Hr. Thiers ist der Mann aller möglichen Prätendenten, vom göttlichen Recht an bis zur Regentschaft, bis zum Kaiserreich im Nothfall. In den letzten Wahlen verpflichtete er sich gegen alle Welt; selbst den Bischöfen küßte er den Pantoffel. Der ausschließliche Vertheidiger der Universitäten, hat sich durch den Klerus absolviren lassen, dem er im Nothfall den gesammten Unterricht, mit Einschluß der Universität, überliefert hätte. Er hätte alles versprochen selbst der Republik, wenn die Republik ihn nicht abgewiesen hätte. Hr. Thiers wird sich aller Meinungen bedienen, unter dem Vorbehalt sie später zu prellen. Zum Ziel muß er gelangen, gleichgültig um welchen Preiß! (La Reforme.) ‒ Die Rede, welche Hr. Thiers im Büreau der National-Versammlung gehalten hat, lautet im Wesentlichen wie folgt: In meiner Eigenschaft als Republikaner ersuche ich Sie für die Einführung von zwei Kammern zu stimmen. Ich bin, sie wissen es, kein Republikaner von gestern (vor der Revolution). Aber die Republik ist gegenwärtig die gesetzliche Staatsform in Frankreich und ich wünsche deren sichere und dauerhafte Einrichtung. Von der Konstitution ist Alles abhängig; diese aber beruht fast gänzlich in der wichtigen Frage über das Kammersystem. Die Gründe, welche für eine einzige Kammer angeführt worden sind, fassen sich in folgendem zusammen: die Existenz zweier Kammern veranlaßt einen mißlichen, ja gefährlichen Widerstreit, der begreiflich unter der Monarchie ist, wo man der königlichen Macht die Volksmacht entgegenstellen will, um der einen durch die andere das Gegengewicht zu halten, aber unzulässig in der Republik, wo nur ein einziger Wille, der der Nation in Anschlag kommen, vertreten und befolgt werden darf; ein Widerstreit, wozu es in Frankreich keine Elemente mehr giebt; denn thatsächlich existirt keine Aristokratie mehr, und gäbe es eine solche, so dürfte man rechtlich sie nicht anerkennen; ein Widerstreit endlich, der weder das Königthum der ältern noch der jüngern Linie erhalten hat, noch das Kaiserreich noch das Direktorium; diese Regierungen sind alle zu Grunde gegangen, obgleich sie zwei Kammern hatten. Eine einzige Kammer ist in einem Lande, wo es nur einen einzigen Willen giebt und geben darf, das einfachste, naturgemäßeste, der Zeit und den Verhältnissen entsprechendste. Ich werde diesen Einwürfen gegen das Zweikammersystem mit wenigen und wie ich hoffe entscheidenden Worten begegnen. Ich gebe zu daß das Einkammersystem das einfachste von allen ist. Aber wissen Sie was von allen Staatsformen die einfachste ist? Es ist der Despotismus. Ein Herr gebietet, man gehorcht, das ist Alles. Die Einfachheit ist in der Mechanik die Barbarei. Die politische Mechanik wird wie die physikalische im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zusammengesetzt, aber damit zugleich wissenschaftlicher und was mehr ist als dieser eitle Vortheil, ihre Aktion wird sicherer, einfacher und weniger mühsam. Eine republikanische Regierung mit einer Kammer wird ganz die Härte und Rauhheit einer despotischen haben. Bald wird, unter einem schwachen Präsidenten, der furchtbarste aller Despotismen eintreten, der einer einzigen Versammlung. Bald werdet ihr, unter einem energischen, der Volksgunst sichern Präsidenten, den Despotismus eines Günstlings der Menge haben, und wenn keine von beiden Mächten gelaunt ist nachzugeben, so entspinnt sich ein tödlicher Kampf zwischen dem Präsidenten und der einzigen Versammlung, ohne einen Vermittler der den Kampf mäßige, den Gegenstoß neutralisire. Um diesem Uebelstande zu begegnen bedarf es eines Zwischengliedes, das sich in die Mitte stellt und selber den Widerstreit auf sich nimmt, um seine Folgen zu mildern. Es bedarf mit einem Worte einer zweiten Versammlung, welche die Meinungen der ersten diskutirt, ihnen zuweilen entgegentritt und ihnen nur in einem gewissen Maaße beitritt. Mag dieser Aelagonismus sein Verdienstliches haben, aber er ist die Freiheit selber, nämlich die Prüfung, die Ueberlegung, die Erörterung. Der Redner weist nun auf die gegenwärtige autokratische Stellung der Nationalversammlung hin, auf die Art wie Dekrete erlassen werden ohne Prüfung, ohne Debatte, gleich dem Willen eines absoluten Herrn. Soll, fragt er, diese Einfachheit des Verfahrens den vernünftigen, dauernden Zustand einer großen Gesellschaft bilden? Freilich lieben alle herrschenden Gewalten das Einfache, d. h. sie wollen keine Hindernisse, keinen Widerstand. Und so seid auch ihr Republikaner von gestern, die ihr in eurem guten Glauben, in der Naivetät eurer Leidenschaften keine zwei Kammern wollt, ohne es zu wissen, die Volksgewalt, die als Sieger keinen Widerstand, kein Hinderniß will, die unter dem Titel von Dringlichkeitsdekreten ihre Wünsche unmittelbar befriedigen will, ohne an eine zweite Versammlung gebunden zu sein. Alle Regierungen sind zu Grunde gegangen, wißt ihr weßhalb? Nicht weil sie verhindert wurden zu thun was sie wollten, sondern weil sie keinen Widerspruch fanden, der mächtig und achtunggebietend genug war. Wenn man der maßlosen Vermögenheit Napoleons, dem reaktionären Sinne Karls X. der übermäßigen Klugheit Louis Philipp's, der aus Furcht, sei es vor dem Liberalismus im Innern, sei es vor gewagten Unternehmungen nach Aussen, ein Land zusammendrücken wollte, das endlich in seinen Händen auseinander sprang wie allzusehr zusammengepreßte Luft ‒ Einhalt gethan hätte, Keiner von ihnen hätte mit einer Katastrophe geendigt. In der Monarchie, sagt Ihr, bedarf es eines Widerstreits der Gewalten, in der Republik nicht. Und warum denn? Sind die Völker stets verständig? Oeffnet doch das große Buch der Geschichte. Werden denn die Völker nicht eben so getadelt, der Thorheit beschuldigt wie die Könige? Ich citire das geistreichste Volk, die Athener, das größte, die Römer. Man muß also warnen, zurückhalten, zum Nachdenken auffordern, die Völker ebensowohl wie die Könige. Die absolute Gewalt steigt zu Kopfe und bewältigt die stärksten Intelligenzen. Vereinigen wir uns um eine gute Republik zu machen, in welcher der Volkswille, indem er auf Hindernisse und Zögerungen stößt, weniger rasch, überlegter und verständiger sein kann. Ihr sagt, zwei Kammern haben weder Louis Philipp, noch Carl X., noch Napoleon bewahrt. Das ist richtig, beweist aber nichts. Eine doppelte Kammer ist ein Mittel, nicht das einzige, aber das hauptsächlichste, eine Regierung zu verhindern, daß sie ihren Neigungen allzusehr folge. Hat sie das gethan und zwar in einem Grade, daß eine Katastrophe unvermeidlich ist, so kann die Organisation der Gewalten eine solche nicht beschwören. Aber die Krise wäre nicht unvermeidlich geworden, wenn der Widerstand gegen die schlechten Tendenzen der Regierung mächtiger gewesen wäre. Hätte unter dem Kaiserreich der Senat sich Napoleon widersetzt, wäre die Pairskammer unter Louis Philipp nicht so entnervt gewesen, vielleicht wäre Vieles nicht eingetroffen, was sich ereignet hat. Die Einrede die man mir entgegenstellt gleicht der eines Kranken, der nachdem er den Arzt und seine Heilmittel verschmäht hat, sich beklagt daß die Medizin im letzten Augenblicke nichts mehr vermag. Im Todeskampfe hilft die Medizin nicht; ebenso ist es mit den Institutionen. Man sagt es fehlten in Frankreich die Elemente zu zwei Kammern; das ist ein Irrthum. Es giebt in jedem Lande junge Menschen und alte, ruhige und hitzige; besonnene, erprobte und Neulinge die ihre Karriere zu machen haben; Männer die regiert haben und Würde mit Muße zu verbinden wünschen, und Männer die kaum in die Geschäfte eingetreten, sie mit der Ungeduld der Jugend und des Ehrgeizes zu führen denken; Männer die vom Alter abgesehen, Vorzüge des Geistes und Charakters besitzen, die einen der alten, die andern der neuen Ideen willen, bejahrte Männer die Neuerungen lieben, junge Leute die am bestehenden festhalten; endlich solche die abgesehen von ihrer Individualität diesen verschiedenen Bestrebungen durch ihr Vermögen, ihre Stellung, ihre Verbindungen oder persönlichen Neigungen zugeführt werden. Das hat sich in allen Republiken gezeigt, das zeigt sich in den Vereinigten Staaten, in der demokratischsten Gesellschaft der Erde. Laßt es also den Wählern frei, von zwei Kandidaten, die sich ihnen vorstellen, zu sagen: dieser ist gemacht für die Repräsentantenkammer, jener für den Senat. Sie werden den einen zu den Jungen schicken, den andern zu den Alten, den einen zu den Unternehmenden, den andern zu den Vorsichtigen. Es bedarf hierzu keiner besonders weisen Wahlkombinationen. Laßt an demselben Tage von denselben Wählern die Mitglieder der beiden Versammlungen wählen und sie werden die Scheidung um die es sich handelt mit ebenso viel Scharfsinn machen wie ein einziger Erleuchteter und Allmächtiger. Uebrigens bleiben Euch tausend Mittel die Wahlart, die Erneuerungsweise und die Dauer verschiedentlich zu bestimmen. Es ist also ein leerer, nichtiger Vorwand, von der Schwierigkeit der Zusammensetzung einer doppelten Kammer zu sprechen. Was man in den Vereinigten Staaten verstanden hat, sollte man in Frankreich nicht vermögen? Ich zähle mehrere Freunde unter den hervorragenden Bürgern der Verein. Staaten. Alle diejenigen, welche sich augenblicklich in Europa befinden, haben mir anempfohlen Euch zu sagen, mit der größten Wärme zu sagen, daß Ihr durch Annahme des Einkammersystems den schwersten Fehler begehen würdet. So heiß sie wünschen, daß die republikanischen Institutionen in Frankreich Erfolg haben möchten, ebenso lebhaft ist ihr Wunsch, ihr möchtet jenes Zweikammersystem annehmen, zu dem sie nach harten Erfahrungen gelangt sind. Doch muß ich, die ihr mich anklagt ein Reaktionär zu sein, was ich nicht bin, wenigstens nicht in Eurem Sinne, denn ich will nur eine einzige Reaktion, die der Ordnung gegen die Unordnung, muß ich vor Euch für die Dauer und Festigkeit der Republik sprechen? Muß ich, der Republikaner des folgenden Tages Euch, die alten Republikaner auffordern, eine feste, dauerhafte Republik zu gründen? Soll es denn dahin gekommen sein, daß ich auch von der Republik eben so wenig gehört werde wie von der Monarchie, wenn ich für Vernunft, Geist und Weisheit spreche? Ach, unter der einen wie unter der andern führe ich die Sache des gesunden Sinnes vor den Richterstuhl der Leidenschaften. Dennoch verzweifle ich nicht Gehör zu finden und diese Hoffnung ist eine Huldigung, keine Beleidigung, die ich an die junge Republik richte, vor der zu sprechen ich berufen bin. Belgien. * Den Anklageakt über die Affaire „Risquons Tout“ werden unsere Leser morgen erhalten, nebst Randglossen. Großbritannien. * London, 9. Juli. Die eben veröffentlichten offiziellen Listen und Tabellen über Ein- und Ausfuhr und Konsumtion der wichtigsten Artikel in Großbritannien und Irland enthalten viel interessante und lehrreiche Angaben. Wir begnügen uns folgende mitzutheilen: Eingeführt und verzollt vom 5. Jan. bis 5. Juni. 1846. 1847. 1848. Cacao Pfd. 1,392,611 1,589,310 1,342,700 Kaffee Pfd. 15,073,757 16,804,614 16,169,878 Spirituosen: Rum Gallonen 1,054,082 1,297,237 1,189,785 Brandy Gallonen 466,842 603,297 610,972 Genièvre Gallonen 14,379 14,034 9,865 Zucker Ctnr. 2,057,531 2,473,155 2,455,979 Syrup Ctnr. 250,494 240,956 293,167 Thee Pfd. 19,218,047 19,441,859 20,232,545 Tabak Pfd. 11,279,351 11,315,696 11,157,197 Wein Gallon. 2,841,096 2,764,937 2,605,939 Ausgeführt vom 5. Jan. bis 5. Juni. 1847. 1848. Baumwollenzeuge für 7,726,107 für 6,895,963 Pfd. St. Baumwollengarne für 2,094,665 für 1,836,467 Pfd. St. Linnenfabrikate für 1,229,310 für 1,180,507 Pfd. St. Linnengarne für 266,326 für 193,775 Pfd. St. Seidenfabrikate für 404,502 für 212,823 Pfd. St. Wollenfabrikate für 2,767,719 für 2,021,826 Pfd. St. Wollengarne für 342,849 für 250,816 Pfd. St. Ausf. obig. Art. insges. für 14,831,478 für 12,592,186 Pfd. St. Die Gesammtausfuhr vom 5. Jan. bis 5. Juni betrug 1847 20,815,372 Pfd. St. 1848 17,946,426 Pfd. St. Und blos in den letzten 3 Monaten dieses Jahres betrug die Ausfuhr, mit der im nämlichen Zeitraum von 1847 verglichen, jeden Monat 1 Mill. Pfd. Sterl. weniger. Doch die Engländer trösten sich. Die Berichte von den asiatischen Märkten lauten wieder günstiger; die Rohstoffe sind billig, der Arbeitslohn niedriger als je und so hoffen die englischen Fabrikanten, durch eine noch wohlfeilere Produktion als bisher den eben gedachten Ausfall im Export sehr bald ersetzen zu können.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 42. Köln, 12. Juli 1848, S. 0209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz042_1848/3>, abgerufen am 28.03.2024.