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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 82. Köln, 22. August 1848.

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neues Wahlgesetz auf den oben angeführten Grundlagen. Die kurhessische Ritterschaft zitterte. Der Präsident v. Brumbach ging mit hochherzigem Beispiel voran, indem er sich bereit erklärte seinen Vorrechten zu entsagen. Aber die andern Herrn "zagen und zaudern"; der eine Kammerherr hält die Kammer für inkompetent, der andere Ritter will noch warten. Der Universitätsvertreter Professor Bengk (der Philolog) und der Dep. König (der Dichter) sind ähnlicher ritterlicher Meinung. Endlich wird der Antrag Henkels zur "Erwägung gezogen" und an die Regierung verwiesen. - Meinen Wunder, was sie gethan haben! Einstimmigkeit wäre nöthig nach der Verfassungs-Urkunde wenn das neue Gesetz durchgehen soll. Es fehlt noch Viel daran. Aber ich prophezeihe den Landständen kein sanftes Ruhekissen, die ihr Veto einlegen. Auch das Ministerium Eberhardt wird sich nicht auf lange halten können, wenn es sich gegen ein solches Gesetz erklärt.

München, 14. Aug.

Eine nicht unbedeutende Ruhestörung verursachten gestern Nacht 30-40 Soldaten verschiedener Waffengattungen bei einem Wirth in der Löwenstraße. Nachdem dieselben ein gehöriges Quantum Bier zu sich genommen hatten, demolirten sie das Wirthslokal und alles in demselben Befindliche auf jämmerliche Weise, ohne daß die Polizei oder Militairbehörde dagegen einschreiten ließ, obwohl das strafwürdige Verfahren volle drei Viertelstunden dauerte. Ein anwesender Feldwebel von der Garnisonscompagnie, der abwehren wollte, wurde von der tobenden Schaar verwundet, zwei in der Nachbarschaft wohnende Bürger, die das Gleiche beabsichtigten, bis in ihre Wohnungen verfolgt. Die Veranlassung zu diesem, wie es scheint, verabredeten Krawall soll der Umstand gegeben haben, daß der Wirth vor einigen Tagen einem sein Bier nicht zahlenden Unteroffizier den Säbel abnahm, nach andern Angaben verschiedene Aeußerungen des Wirthes über das Militair

(N. C.)
Stuttgart, 17. August.

In Cannstadt kam es gestern in Folge einer Weigerung des Oberamtmanns, einen als Polizeispion verhaßten Schriftsetzer, Namens Benz, der um elenden Sündenlohn mehrere Bürger und Arbeiter fälschlich denunzirt hatte, zur Bestrafung an das Oberamtsgericht herauszugeben, der seine Anwesenheit auf dem Oberamt sogar dem Stadtschultheißen von Cannstadt verläugnete, zu unruhigen Auftritten, wobei sich indeß sowohl die Bürger als die Bürgerwehr sehr besonnen benahm, indem sie zwar auf die Auslieferung des verätherischen Schurken bestand und ihn an das Oberamtsgericht ablieferte, aber ihn auch auf dem Wege dahin, sowie bei seiner gleich darauf erfolgten Ablieferung an das Criminalamt Stuttgart vor der Volkswuth schützte, indem er sonst massacrirt worden wäre.

(F. J.)
Stuttgart, 18. Aug.

Sicherem Vernehmen nach ist die Untersuchung gegen die bis jetzt von der großherzogl. badischen Regierung ausgelieferten, bei dem bewaffneten Einfall in Baden betheiligten Würtemberger - 31 an der Zahl - durch höchste Entschließung niedergeschlagen worden.

Gestern fielen in Kannstatt unruhige Auftritte wegen eines verdächtigen Subjektes, Schriftsetzer Benz von Ulm vor. Derselbe trieb sich schon längere Zeit arbeitslos herum, spielte den überspannten Freiheitsmann und Anhänger Hecker's, soll aber dabei die Leute ausgeholt und verathen haben, weßwegen schon seit einiger Zeit Mißstimmungen gegen die Behörde herrschte, die sein Treiben gewähren ließ. Derselbe wurde nun verhaftet und gestern hierher abgeführt, wobei ein kleiner Auflauf vorfiel. Nachts gingen Patrouillen des hier liegenden 4. Reiterregiments in der Richtung nach Kannstatt; weiter fand keine militärische Einschreitung statt. Ein Bürger soll verhaftet, jedoch bald wieder frei gegeben worden sein. Die Ordnung ist nicht weiter [unleserliches Material - 1 Wort fehlt] worden.

(Schw. M.)
** Hamburg, 18. August.

Endlich ist auch in Hamburg die Volkssouveränetät anerkannt. Die democratischen Vereine haben dem Senate den Beschluß abgenöthigt daß er eine konstituirende Versammlung beruft, die ohne Rath- und Bürgerschaft allein über die künftige Verfassung Hamburgs entscheide. Senator Haller theilt heute der Deputation der demokr. Vereinsversammlung den Bescheid des Senates mit, derselbe lautet:

"Nach sorgfältiger Erwägung der eingegangenen verschiedenen Petitionen ist der Senat Seinerseits der Ansicht, daß die Feststellung der künftigen Verfassung abseiten der zu diesem Zwecke zu berufenden konstituirenden Versammlung unabhängig von Rath und Bürgerschaft zu beschaffen sein werde, und wird Er daher Seinen Antrag an Erbges. Bürgerschaft hierauf richten."

61 Wien, 16. August.

Das von früheren Spionen Metternichs redigirte Hofblatt "die Presse" zeigt sich heute sehr ungehalten darüber, daß der Reichstag in seiner Sitzung vom 14. den Antrag des Abg. Selinger auf Anerkennung der Armee-Verdienste um's Vaterland so gänzlich hat abfahren lassen. Sie sagt: "Einen wahrhaft betrübenden Eindruck mußte die Stimmung der Kammer bei Gelegenheit des Antrags des Abg. Selinger auf diejenigen hervorbringen, welche die Ehre und die Größe des Landes höher stellen, als Ansichten und Theorien der Parteien. Herr Selinger hatte von der Kammer die Anerkennung des Ruhmes verlangt, welchen die österreichische Armee durch Aufopferung und glänzende Waffenthaten in Italien verdient hat. Ein solcher Antrag hätte der Begründung nicht bedurft. Die Stimme des Parlamentes mußte ihn unterstützen, sowie die Stimme des Volkes. Wir wissen es, es gibt in unserer Versammlung eine Partei, welche Neues aufzubauen strebt mit gänzlichem Absehen von dem Alten und Bestehenden. Sie ist eine Minorität, (?) aber sie ist gestern insoweit durchgedrungen, als sie einen Beschluß unmöglich machte, dem Einstimmigkeit allein Werth und Würde geben konnte. Glauben wohl die Herrn der Linken, sie hätten den Ansprüchen des Auslandes gegenüber Oesterreich (?) gekräftigt? Wird man nicht die öffentliche Meinung in Oesterreich selbst anrufen, um gebetenden Ansprüchen mehr Geltung zu verschaffen? Wir wären durchaus nicht erstaunt, wenn die französischen Journale und die französischen Minister den Vorgang in der Versammlung vom 14. als gefährliche Waffe gegen uns wenden sollten. Das Centrum, dem diese Ideen nicht ganz ferne gelegen zu sein scheinen, hätte durch kräftiges Auftreten das offene Wiederstreben der Linken und die berechnende Gleichgültigkeit der Rechten überwinden müssen."

Soviel ist gewiß, der Hof hat sich im Reichstag geirrt, die öffentliche Meinung hat ihn für unmöglich gehalten; er scheint beiden zu trotzen. Graf Stadion glaubte die 80 und mehr galizischen Bauern, welche im Reichstag sitzen und kein deutsch verstehen, wie ein Leithammel führen, und nach seinen Zwecken benutzen zu können; Pillersdorf hoffte auf eine ähnliche Umscharung durch deutsche Bauern. Doch, in den Sprachen verschieden, haben all diese Leute ein gemeinsames Gefühl, ein gemeinsames Wollen aus der Heimath mitgebracht, und dies ist ihre gemeinschaftliche Sprache. Sie alle reden die Sprache der Demokratie und lernen sie täglich, je mehr sie ihre Leithämmel erkennen, besser reden. Anfangs stimmte der Bauer nach dem Wink der Pillersdorfs und Stadions, jetzt besucht er die Klubs und unterrichtet sich in den Abendzusammenkünften der, obwohl national gemischten, doch nur die eine Sprache der Demokratie redenden Linken, so wunderbar rasch, daß er selbstständige Anträge zu stellen und, wenn auch mit ungeübter Zunge, a la Popiel, zu reden beginnt.

Mit Ungarn scheints zum ernstlichen Zwiste zu kommen. Finanzminister Kossuth hat den öffentlichen Kassen Ungarns verboten, die österreichischen 1 und 2 Guldenzettel anzunehmen. Zugleich hat er die Ausfuhr des Silbergeldes nach nichtöstereichischen Ländern gänzlich verboten, nach Oesterreich aber darf Niemand über 500 fl. Silbergeld führen. Für das mit Beschlagnahme aufgegriffene Geld erhält der Eigenthümer ebensoviel in österreichischen Banknoten und das Silber wird an die öffentlichen Kassen abgegeben. Diese Verordnungen sind Repressalien gegen ähnliche Verordnungen des Wiener Finanzministeriums. Die Krämerwelt Wiens ist vor Wuth über Kossuth außer sich. Man nennt in öffentlichen Blättern Kossuth einen Dieb, den Erzherzog Stephan einen Verräther, weil große aus der Türkei durch Ungarn geführte Silbersendungen nach dieser Verordnung in die ungarischen Kassen spaziert sind und die Adressaten in Wien nur östreichische Banknoten dafür erhalten haben. Der Kamarilla ist nichts erwünschter, als diese Stimmung Wiens; sie kann die Ungarn dann von allen Seiten packen. Ihre Blätter bieten Alles auf, das Verfahren Kossuths im März, wo er den Schrecken des östreichischen Absolutismus benutzt habe, das separatistische Bestreben Ungarns durchzusetzen, als eine niederträchtige Perfidie darzustellen; auch zu der List hat sie gegriffen, die Ungarn als politische Reaktionäre darzustellen und Jellachich ist, um dies zu beweisen, sogar so weit gegangen, unter dem Vorbehalt der kaiserl. Genehmigung, den Gränzern ganz besondere Rechte einzuräumen. Ich sende Ihnen die deshalb von ihm erlassene Verordnung beifolgend mit. Sie lautet:

Agram, 12. August.

Der Ban verordnet in Berücksichtigung der ganzen Monarchie, für deren Integrität das Grenzvolk die meisten Opfer leistet; in Erwägung der kritischen Verhältnisse diesesLandes, auf dessen Demoralisation man von so vielen Seiten einzuwirken nicht ansteht; in Erwägung der gedrückten Lage der Militärgränze überhaupt, wo schon die Möglichkeit eines anarchischen Zustandes um jeden Preis vermieden werden muß, auf Grundlage der gefaßten und Sr. Majestät dem Kaiser zur allerhöchsten Bestätigung vorgelegten Landtagsbeschlüsse und mit Rückblick auf die ertheilte Konstitution für die Gesammtmonarchie, - zur Erleichterung des Grenzvolkes in Anhoffnung der allerh. Bestätigung der eingesendeten Gesetzvorlagen unter anderen folgende Begünstigungen und Zugeständnisse in Wirksamkeit treten zu lassen, und zwar:

Das unbewegliche Vermögen des Grenzvolkes ist dessen wahres Eigenthum.

Die Gemeindehutweiden sind ein Eigenthum der Gemeinden.

Aus den Aerarial-Waldungen sind den Grenzhäusern alle Bedürfnisse auf die möglichst leichte Art zu erfolgen.

Jeder Grundvertrag kann schriftlich vor der Compagnie-Session rechtsgiltig unter Beobachtung der bevorstehenden Normen abgeschlossen und ohne weitere Umstände durch die Compagnie mit Hinterlegung eines Pare in den Akten im Grundbuch behandelt werden.

Die Grenzjugend hat ohne Ausnahme das Recht niedere und höhere Schulen zu besuchen, und Handwerke zu erlernen.

Die Familientheilungen sind unter erleichterten Bedingungen anstandlos zu gestatten:

Jeder Grenzer kann aus einem Hause in ein anderes Grenzhaus mit Einwilligung der beiderseitigen Familien und der Kompagnie Session übertreten, wenn seine Militärpflicht dadurch nicht umgegangen wird.

Die bisherige Aerarial-Arbeit wird ganz aufgehoben.

Die bisher gegen Aerarial-Arbeit beigestellte Vorspann ist künftig auf kriegskommissariatisch angewiesene Marsch-Routen gegen Bezahlung in conto aerarii beizustellen, wobei jedoch alle Mißbräuche streng hintanzuhalten sind.

Vom Salzhandel wird keine Steuer gezahlt.

Die Preise des Meersalzes sind herabgesetzt.

Auf den Waldblößen ebenso als in den offenen Waldungen ist die Waldweide unentgeldlich gestattet.

Die Grenzer können auf eigenen Grundstücken auch Waldanlagen machen.

Die Heirathslicenzen sind dem Grenzvolke bei der Compagnie-Session zu erfolgen.

Zwangsweise Kommandirungen gegen Bezahlung, mit Ausnahme der Vorspann auf Marsch-Routen, dürfen nicht stattfinden.

Das Recht der freien Holzung, Viehweide und Mastung zum häuslichen Bedarf steht allen Grenzbewohnern zu.

Die im Dienste erkrankten Grenzer haben auch fernerhin ab aerario die Medikamente zu erhalten

Mit Ausnahme der Grundstücke kann jeder Grenzer ein eigenes Vermögen besitzen.

Der letzte Sprosse einer Haus-Kommunion kann auch über Grundstücke testiren.

Da alle grundbesitzenden Grenzbewohner gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben, so ist der unbeschränkte Grunderwerb auch allen Offizieren, Beamten, Geistlichen, Grenz-Handels- und Gewerbsleuten, welche in der Grenze beständigen Wohnsitz haben, gestattet.

Die Worte: "in Anhoffnung allerhöchster Bestätigung" werden dabei wol der Rückhalt zum spätern Wiederabnehmen.

Das Schwarzgelbthum [unleserliches Material - 1 Wort fehlt] ist entzückt über die französische Regierung; ihre Verweigerung Karl Albert zu Hülfe zu eilen, hat es außer sich gebracht. Die Presse bringt in dieser Beziehung seinem ganzen Inhalte nach einen Aufsatz der Estaffette, worin unter Anderem gesagt ist: "Die sardinische Regierung hat es für nöthig erachtet, die französische Intervention anzusuchen, was gestern durch Marquis Rieci geschehen ist. - Ohne eben in die Details der Konferenz einzugehen, können wir versichern, daß die französische Regierung dem sardinischen Könige ihr aufrichtiges Bedauern ausgedrückt hat, daß sie ihm den materiellen Beistand heute nicht mehr zusichern könne, den sie ihm vor zwei Monaten angeboten habe. Bei den ungeheuren Veränderungen, welche seit der Zeit in Europa stattgefunden haben, (der Schacher-Kalkul und seine Fußschemel, die Throne, sind wieder Herr geworden) könnte Frankreich nicht interveniren, ohne einen allgemeinen europäischen Krieg herbei zu führen. Frankreich werde übrigens aus Sympathie (Schacherhohn) für die italienische Unabhängigkeit sich mit dem englischen Kabinette in Einvernehmen setzen u. s. w.

61 Wien, 16. Aug.

Unter dem Vorwande der Beeinträchtigung der Kommunikation haben Sicherheitsbeamte der Stadthauptmannschaft (gegenwärtiger Name der Polizei) gestern den Versuch gemacht, die fliegenden Buchhändler mit ihren fahrenden Magazinen, Trompeten und sonstigen Ausrufungsinstrumenten vom Michaeler- und Stephansplatz zu vertreiben. Die neue Industrie leistete indessen kräftig Widerstand und behauptet heute wieder ihre Posten. Wenn Sie uns keine rheinländischen Schacher- und Konstabler-Genies hieher schicken, gehen wir wahrhaftig in der Anarchie, diesem steten Freiheitsprügel des Philisterthums, unter. In Hietzing soll es am Sonntag zwischen Studenten und zurückgekehrtem schwarzgelbem Junkerthum zu Händeln gekommen sein. Die Studenten hatten den Ort, eine Sommersprosse Schönbrunns, welches nebenan liegt, auf gewisse, Ihnen mitgetheilte Gerüchte hin, rekognoszirt, sich dann bei dem Aristokratenwirth Dommayr niedergelassen und auf diese Weise die Kamarilla und ihre Trabanten in Angst und Besorgniß versetzt.

61 Wien, 16. Aug.

(21. Sitzung des Reichstags vom 14. Aug. Vorsitz: Strobach; Tagesordnung, Berathung über den Antrag Kudlichs auf Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse).

Nachdem schon in der Sitzung vom 13. die Berathung in Folge der erschöpften Amendements mit einer langen, unerquicklichen Rede des Abgeordneten Jonak ihren Anfang genommen ward dieselbe in einem Vortrage Trogans fortgesetzt, dessen wesentlichen Inhalt ich bereits gestern referirt habe. Hierauf interpellirte der Abg. Smolka den Minister Dobblhof, indem er einen amtlichen Erlaß des Kreisamtes zu Zolkiem vorwies, wonach dieses auf eine Verfügung des Landesguberniums vom 29. Juni erklärt, daß es den Nationalgarden nicht erlaubt sei, außer ihrem Orte Waffen und Uniformen zu tragen, und daß ferner die Ausweiskarten der Kommandanten nicht als Legitimationsdokumente gelten sollen. Zuwiderhandelnde sollen angehalten und vom Kreisamte unter Eskorte oder gebunden an das Lemberger Nationalgardenkommando abgesendet werden. Daraus könne man entnehmen, wie das Landespräsidium in Galizien durch die Kreisämter regiren lasse und wie es komme, daß das Landvolk gegen das Institut der Nationalgarde mißtrauisch sei. (Soll die metternich'sche Banditenpolitik nun vielleicht auch gegen den polnischen Bürgerstand ausgeführt werden?) Er frage daher das Ministerium, ob jene Verfügung in Folge eines Ministerialerlasses geschehen, ob dasselbe davon Kunde habe, und was es zu thun gedenke, um den inkonstitutionellen Akt rückgängig zu machen?

Dobblhof: (a l'ordinaire) der Vorgang sei dem Ministerium nicht bekannt und stimme nicht mit den Grundsätzen überein, die das Ministerium bezüglich des Instituts der Nationalgarde eingehalten wissen will. Er könne den Vorgang nicht billigen, sei dem Interpellanten für dessen Mittheilung verbunden und werde das Nöthige sogleich veranlassen.

Meimershoffer: Der Amtmann in Wisowitz habe in Lippa die Ablieferung der Waffen verlangt und, weil er sie nicht erhalten, vom Kreisamte Dragoner requirirt, Haussuchungen gehalten und die Waffen weggenommen; ob jene Verletzung des Hausrechts nicht auf höhern Befehl geschehen sei? (Man befürchtet hier eine Erhebung Galiziens).

Dobblhof: So lange die Sache nicht amtlich konstatirt sei, könne er nichts vornehmen. (?!)

Demel interpellirt wegen Verletzung des Briefgeheimnisses, indem er einen erbrochenen Brief, den er an seine Kommittenten gesendet, vorzeigt. Dobblhoff weist jede Zumuthung, als ob das Ministerium das Briefgeheimniß nicht achte, zurück. Die Verletzung sei bei Briefen, die spät kommen und schnell eingepackt werden müssen, oft eine Folge der Manipulation, (gar zu naiv, weil sehr wahr).

Finanzminister Kraus: Die Sache gehe ihn an; er habe Befehl gegeben, das Briefgeheimniß zu achten. Auch vor einigen Tagen sei ihm ein solcher Fall mitgetheilt worden; er erbittet sich den Brief, nimmt ihn mit und verspricht Untersuchung. Löhner interpellirt 1) wider das Abhalten von Provinziallandtagen, 2) wegen der bewaffneten Sonderkorps (Swornost) die sich in Prag gebildet, und ob dieselben der Nationalgarde gegenüber bestehen könnten? - Dobblhof ad 1) der Interpellant werde wohl einsehen, daß einige Zeit erforderlich sei, so viele Fragen zu beantworten; er werde dies in der nächsten Sitzung thun; ad 2) verspricht er ein Nationalgardegesetz bald vorlegen zu können. Was aber die Swornost anbetreffe, so könne das Ministerium über einen Gegenstand, der in Verhandlung begriffen ist, nie sagen, was es thun werde.

Der Kriegsminister theilt den von Radetzky mit Karl Albert abgeschlossenen 6wöchentlichen Waffenstillstand mit.

Schon nach den ersten Siegesberichten im Juli hatte der Abg. Selinger den Antrag gestellt, der Reichstag möge erklären, die Armee Italiens habe sich um das Vaterland verdient gemacht, allein dieser Antrag wurde Kudlich's Antrag, weil dieser dringlicher sei, von Anfang an hintangesetzt.

Präsident: erhält der Antrag des Abg. Selinger Unterstützung?

Wird unterstützt. (Ruf von mehren Seiten! Tagesordnung! Tagesordnung!)

Präsident stellt die Frage, ob die Versammlung zur Tagesordnung übergehen wolle; sie bleibt in der Minorität. Bielinski: Man hätte diese Frage gar nicht stellen sollen.

Präsident: Ueber jeden Antrag muß angefragt werden. Er stelle jetzt die Frage, ob man dem Abg. Selinger 10 Minuten zur Begründung seines Antrags gewähren wolle. (Angenommen).

Selinger will die Tribüne besteigen, findet aber den für den Kudlichischen Antrag eingeschriebenen Redner Schneider schon dort, weßhalb ihn der Präsident ersucht, von seinem Sitze aus zu sprechen. (Ruf von mehren Seiten: Auf die Tribüne. - Schneider verläßt dieselbe).

Selinger: (Auf der Tribüne). Die Armee habe neue Blumen in den alten Siegeskranz Oesterreichs gewunden; ein Reich, welches auf solche Siege hinweisen könne, sei kein Reich des Verfalls, sondern ein Reich des Emporblühens, dem eine glänzende Zukunft winke. Es liege den Nationen die Pflicht der Dankbarkeit ob, wenn ihre Krieger ihnen materielle Vortheile erkämpfen. Ob es etwa ein Kampf gewesen sei, der Millionen hätte knechten und ihrer Freiheit berauben sollen? Man habe die Zusicherung des freisinnigen (?) Ministeriums, man habe das Wort, das vom Throne herab geklungen, daß nicht Unterdrückung Zweck des Kriegs gewesen u. s. w. Er trage daher darauf an, daß man sich jeder Debatte entschlagen (nein! nein!) und erklären solle, die Armee habe sich durch ihre Tugenden um das Vaterland verdient gemacht, die Völker zollen daher ihrer Tapferkeit die verdiente Anerkennung. Er fordere den Präsidenten auf, ob man sich jeder Debatte enthalten und diesen Entschluß annehmen wolle? (Nein! nein! ja, ja!)

Borokowski: Er habe sich früher für diese Frage bereits einschreiben lassen.

Präsident: Der Beschluß der Versammlung, daß der Abgeordnete seinen Antrag begründen solle, sei bereits erfüllt; es müßte ein neuer Beschluß gefaßt werden, ob jener Beschluß zur Abstimmung kommen solle, was unthunlich sei.

Selinger: Sein Antrag sei mit Akklamation angenommen worden. (Von allen Seiten: Nein, nein!)

Präsident: Nach dem Stand der Debatte hat der Abg. Schneider das Wort:

Schneider aus Schlesien: Ich will Sie nicht durch Deklamationen ermüden, meine Absicht ist blos, einen Strahl des Lichts in die Nacht eines Gebietes hineinzubringen, das nahe liegt. Wenn ich für den Abgeordneten Kudlich das Wort ergreife, so drängt mich dazu die Menschlichkeit und offenliegende Gerechtigkeit, die Nothwendigkeit und Dringlichkeit des Gegenstandes. Soll die Verfassung volksthümlich sein, so darf kein Stand einen wichtigern Platz darin einnehmen, als der wackere Bauernstand. Ich will nicht wie die Katze um den Brei gehen, ich will entschieden sprechen, ich will, daß der Landmann von der Unterthänigkeit frei sei; daß er nicht abhängig sei von Gesetzen, durch welche Willkühr, Laune und Gewalt ihn ausbeuten. Warum so viele Klagen, die hier zusammenströmen, daß der Tisch des Hauses darunter zusammenzubrechen droht? Wenn wir beim Durchlesen des Registers der Giebigkeiten und Arbeiten schon bei den bloßen Namen kaum zu Athem kommen können, wie viel mehr ist es unmöglich, das zu bezeichnen, was den Menschen niederdrückt. Ein Abgeordneter aus Tirols Alpenland, vielleicht aus Sympathie für ein anderes Alpenbrüdervolk, hat das Auge der Versammlung hingerichtet auf das Volk in den Sudeten, auf ein Land des Elends. Dies Land heißt: Schlesien. Darauf schildert der Redner das Elend Schlesiens und dankt mit einem Gott lohn' es euch! für den Beistand Wiens. (Anhaltender Beifall). Was der Himmel schickt, das wendet er, aber was der Mensch dem Menschen zufügt, weicht schwer, ist schwer zu ertragen. (Beifall). Schwer trägt der Schlesier, er scheut die Arbeit nicht, will sie aber nicht leisten, wie der Sklave, der nur der Geißel des Drängers folgt. Er will nicht blos mit sauerm Schweiße den Boden allein düngen, er will ihn Eigenthum nennen, will frei sein. Die neue Zeit der Freiheit hat das Rechtsgefühl in seiner Brust geweckt, und er fragt, warum geht der Ruf, der andern ertönt, mich nicht an? Warum bin ich allein auserkoren, die Wege zu machen und die Straßen zu bauen? warum ergeht an mich allein der Ruf: "Bauer spann' an!" während die Pferde der Herrschaften sich an der Krippe mästen? Sehen Sie in das schlesische Gebirge, da finden Sie einzelne Hütten zerstreut, der Rauch durchzieht sie, armselige Menschen bewohnen sie, deren einzige Nahrung Haferbrod ist. Dort gibt es Dominikalklagen, welche zeigen, wie die Obrigkeit ihre Verträge hält. Dort muß noch Miethzins und Steuer bezahlt werden. Dort lastet noch die Robot auf dem Häusler, obwohl sie in der reichern Provinz Mähren bereits abgeschafft. Dort gab es Fälle, wo das Laudemium dreimal nacheinander gefordert wurde. Mir blutet das Herz, wenn ich an Schlesien denke, aber ich spreche gleiches Recht an für alle Landleute. Das Volk verdiene es, es legt den Kern, der den Boden abgeben soll für die neuen Institutionen. Das Herz wird mir weit, wenn ich bedenke, wie die Leute heranreifen werden unter der Sonne der Freiheit. Es gibt große Schwierigkeiten, den Knäul zu lösen, aber mit Muth, mit Eifer, mit Fleiß, wird man ihn lösen können. Ich will, daß wir alle beitragen, um auf die Linie zu kommen, wohin wir streben, auf das Feld der Demokratie! (Rauschender Beifall) wo alle sich die Hände reichen, daß das Wort in Erfüllung gehe: "Liebe und Friede werden einander küssen." In ihrer Erfahrung und in ihrem geprüften Leben haben die Landleute ein corpus juris und natürliche Pandekten in ihrer Brust, die nicht leicht irre leiten. Wenn die Arbeiterklasse im Momente großer Aufregung die wildtobenden Leidenschaften zurückdrängen konnte, wie können wir zweifeln, daß dem Landvolke ein solcher gesunder sittlicher Sinn fehle? Armes Volk, wir wollen uns deiner annehmen. Die Kammer darf keinem Terrorismus weichen, weder dem der Bajonnette, noch dem der Keulen. Aber die Verzweiflung tritt ein, wenn der Hoffnungsstern erbleicht.

Popiel, Grundbesitzer und Abgeordneter aus Starasol in Galizien, in gebrochener Mundart. Es gebe nur ein Recht, und dieses Recht kenne keine Bedingung, keine Ausnahme. Sobald man aber die Frage, ob das Unttrthänigkeitsverhältniß ungerecht sei, in's Klare gekommen, dann sei es auch an dem Reichstage, ohne alle Bedingung die Lasten desselben aufzuheben. Das historische Recht spricht für die Dinge wie sie sind, das natürliche wie sie sein sollen. Nach ersterem wäre es zu gewagt, behaupten zu wollen, das Unterthänigkeitsverhältniß sei darum gerecht, weil Deutschland ursprünglich nur von Baronen, Freiherren und Grafen besetzt worden sei, so wie das Land der Slaven von Starosten und Wojwoden, das anzunehmen, wäre wohl zu gewagt! (Allgemeine Heiterkeit.) Es ist ferner wohl richtig bemerkt worden, daß den Grund und Boden des Landmannes der Grundherr besessen, und ihm unter Bedingung verkauft habe, ich frage aber, kann irgend wer mehr Recht verkaufen, als er je besessen? Glaubt das ein Grundherr, so appellire er an die Geister seiner hohen Ahnen. (Stürmischer Beifall.) Das historische Recht ist nicht von gestern, das kann uns nicht binden - das wahre historische Recht dringt auf unbedingte Auflösung des Unterthänigkeitsverhältnisses. Nach dem Rechte der Natur? hätte dann der höher Geborene etwa mehr Recht als der Geringe? (Beifall.) Man hat sich sogar diese Tage auf die Bestätigung der Robot durch Kaiser und Fürsten berufen, wollten wir hier alle die (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

Der Gerant, Korff.
Druck von Wilhelm Clouth in Köln.

(Hierzu eine Beilage.)

neues Wahlgesetz auf den oben angeführten Grundlagen. Die kurhessische Ritterschaft zitterte. Der Präsident v. Brumbach ging mit hochherzigem Beispiel voran, indem er sich bereit erklärte seinen Vorrechten zu entsagen. Aber die andern Herrn „zagen und zaudern“; der eine Kammerherr hält die Kammer für inkompetent, der andere Ritter will noch warten. Der Universitätsvertreter Professor Bengk (der Philolog) und der Dep. König (der Dichter) sind ähnlicher ritterlicher Meinung. Endlich wird der Antrag Henkels zur „Erwägung gezogen“ und an die Regierung verwiesen. ‒ Meinen Wunder, was sie gethan haben! Einstimmigkeit wäre nöthig nach der Verfassungs-Urkunde wenn das neue Gesetz durchgehen soll. Es fehlt noch Viel daran. Aber ich prophezeihe den Landständen kein sanftes Ruhekissen, die ihr Veto einlegen. Auch das Ministerium Eberhardt wird sich nicht auf lange halten können, wenn es sich gegen ein solches Gesetz erklärt.

München, 14. Aug.

Eine nicht unbedeutende Ruhestörung verursachten gestern Nacht 30-40 Soldaten verschiedener Waffengattungen bei einem Wirth in der Löwenstraße. Nachdem dieselben ein gehöriges Quantum Bier zu sich genommen hatten, demolirten sie das Wirthslokal und alles in demselben Befindliche auf jämmerliche Weise, ohne daß die Polizei oder Militairbehörde dagegen einschreiten ließ, obwohl das strafwürdige Verfahren volle drei Viertelstunden dauerte. Ein anwesender Feldwebel von der Garnisonscompagnie, der abwehren wollte, wurde von der tobenden Schaar verwundet, zwei in der Nachbarschaft wohnende Bürger, die das Gleiche beabsichtigten, bis in ihre Wohnungen verfolgt. Die Veranlassung zu diesem, wie es scheint, verabredeten Krawall soll der Umstand gegeben haben, daß der Wirth vor einigen Tagen einem sein Bier nicht zahlenden Unteroffizier den Säbel abnahm, nach andern Angaben verschiedene Aeußerungen des Wirthes über das Militair

(N. C.)
Stuttgart, 17. August.

In Cannstadt kam es gestern in Folge einer Weigerung des Oberamtmanns, einen als Polizeispion verhaßten Schriftsetzer, Namens Benz, der um elenden Sündenlohn mehrere Bürger und Arbeiter fälschlich denunzirt hatte, zur Bestrafung an das Oberamtsgericht herauszugeben, der seine Anwesenheit auf dem Oberamt sogar dem Stadtschultheißen von Cannstadt verläugnete, zu unruhigen Auftritten, wobei sich indeß sowohl die Bürger als die Bürgerwehr sehr besonnen benahm, indem sie zwar auf die Auslieferung des verätherischen Schurken bestand und ihn an das Oberamtsgericht ablieferte, aber ihn auch auf dem Wege dahin, sowie bei seiner gleich darauf erfolgten Ablieferung an das Criminalamt Stuttgart vor der Volkswuth schützte, indem er sonst massacrirt worden wäre.

(F. J.)
Stuttgart, 18. Aug.

Sicherem Vernehmen nach ist die Untersuchung gegen die bis jetzt von der großherzogl. badischen Regierung ausgelieferten, bei dem bewaffneten Einfall in Baden betheiligten Würtemberger ‒ 31 an der Zahl ‒ durch höchste Entschließung niedergeschlagen worden.

Gestern fielen in Kannstatt unruhige Auftritte wegen eines verdächtigen Subjektes, Schriftsetzer Benz von Ulm vor. Derselbe trieb sich schon längere Zeit arbeitslos herum, spielte den überspannten Freiheitsmann und Anhänger Hecker's, soll aber dabei die Leute ausgeholt und verathen haben, weßwegen schon seit einiger Zeit Mißstimmungen gegen die Behörde herrschte, die sein Treiben gewähren ließ. Derselbe wurde nun verhaftet und gestern hierher abgeführt, wobei ein kleiner Auflauf vorfiel. Nachts gingen Patrouillen des hier liegenden 4. Reiterregiments in der Richtung nach Kannstatt; weiter fand keine militärische Einschreitung statt. Ein Bürger soll verhaftet, jedoch bald wieder frei gegeben worden sein. Die Ordnung ist nicht weiter [unleserliches Material – 1 Wort fehlt] worden.

(Schw. M.)
** Hamburg, 18. August.

Endlich ist auch in Hamburg die Volkssouveränetät anerkannt. Die democratischen Vereine haben dem Senate den Beschluß abgenöthigt daß er eine konstituirende Versammlung beruft, die ohne Rath- und Bürgerschaft allein über die künftige Verfassung Hamburgs entscheide. Senator Haller theilt heute der Deputation der demokr. Vereinsversammlung den Bescheid des Senates mit, derselbe lautet:

„Nach sorgfältiger Erwägung der eingegangenen verschiedenen Petitionen ist der Senat Seinerseits der Ansicht, daß die Feststellung der künftigen Verfassung abseiten der zu diesem Zwecke zu berufenden konstituirenden Versammlung unabhängig von Rath und Bürgerschaft zu beschaffen sein werde, und wird Er daher Seinen Antrag an Erbges. Bürgerschaft hierauf richten.“

61 Wien, 16. August.

Das von früheren Spionen Metternichs redigirte Hofblatt „die Presse“ zeigt sich heute sehr ungehalten darüber, daß der Reichstag in seiner Sitzung vom 14. den Antrag des Abg. Selinger auf Anerkennung der Armee-Verdienste um's Vaterland so gänzlich hat abfahren lassen. Sie sagt: „Einen wahrhaft betrübenden Eindruck mußte die Stimmung der Kammer bei Gelegenheit des Antrags des Abg. Selinger auf diejenigen hervorbringen, welche die Ehre und die Größe des Landes höher stellen, als Ansichten und Theorien der Parteien. Herr Selinger hatte von der Kammer die Anerkennung des Ruhmes verlangt, welchen die österreichische Armee durch Aufopferung und glänzende Waffenthaten in Italien verdient hat. Ein solcher Antrag hätte der Begründung nicht bedurft. Die Stimme des Parlamentes mußte ihn unterstützen, sowie die Stimme des Volkes. Wir wissen es, es gibt in unserer Versammlung eine Partei, welche Neues aufzubauen strebt mit gänzlichem Absehen von dem Alten und Bestehenden. Sie ist eine Minorität, (?) aber sie ist gestern insoweit durchgedrungen, als sie einen Beschluß unmöglich machte, dem Einstimmigkeit allein Werth und Würde geben konnte. Glauben wohl die Herrn der Linken, sie hätten den Ansprüchen des Auslandes gegenüber Oesterreich (?) gekräftigt? Wird man nicht die öffentliche Meinung in Oesterreich selbst anrufen, um gebetenden Ansprüchen mehr Geltung zu verschaffen? Wir wären durchaus nicht erstaunt, wenn die französischen Journale und die französischen Minister den Vorgang in der Versammlung vom 14. als gefährliche Waffe gegen uns wenden sollten. Das Centrum, dem diese Ideen nicht ganz ferne gelegen zu sein scheinen, hätte durch kräftiges Auftreten das offene Wiederstreben der Linken und die berechnende Gleichgültigkeit der Rechten überwinden müssen.“

Soviel ist gewiß, der Hof hat sich im Reichstag geirrt, die öffentliche Meinung hat ihn für unmöglich gehalten; er scheint beiden zu trotzen. Graf Stadion glaubte die 80 und mehr galizischen Bauern, welche im Reichstag sitzen und kein deutsch verstehen, wie ein Leithammel führen, und nach seinen Zwecken benutzen zu können; Pillersdorf hoffte auf eine ähnliche Umscharung durch deutsche Bauern. Doch, in den Sprachen verschieden, haben all diese Leute ein gemeinsames Gefühl, ein gemeinsames Wollen aus der Heimath mitgebracht, und dies ist ihre gemeinschaftliche Sprache. Sie alle reden die Sprache der Demokratie und lernen sie täglich, je mehr sie ihre Leithämmel erkennen, besser reden. Anfangs stimmte der Bauer nach dem Wink der Pillersdorfs und Stadions, jetzt besucht er die Klubs und unterrichtet sich in den Abendzusammenkünften der, obwohl national gemischten, doch nur die eine Sprache der Demokratie redenden Linken, so wunderbar rasch, daß er selbstständige Anträge zu stellen und, wenn auch mit ungeübter Zunge, à la Popiel, zu reden beginnt.

Mit Ungarn scheints zum ernstlichen Zwiste zu kommen. Finanzminister Kossuth hat den öffentlichen Kassen Ungarns verboten, die österreichischen 1 und 2 Guldenzettel anzunehmen. Zugleich hat er die Ausfuhr des Silbergeldes nach nichtöstereichischen Ländern gänzlich verboten, nach Oesterreich aber darf Niemand über 500 fl. Silbergeld führen. Für das mit Beschlagnahme aufgegriffene Geld erhält der Eigenthümer ebensoviel in österreichischen Banknoten und das Silber wird an die öffentlichen Kassen abgegeben. Diese Verordnungen sind Repressalien gegen ähnliche Verordnungen des Wiener Finanzministeriums. Die Krämerwelt Wiens ist vor Wuth über Kossuth außer sich. Man nennt in öffentlichen Blättern Kossuth einen Dieb, den Erzherzog Stephan einen Verräther, weil große aus der Türkei durch Ungarn geführte Silbersendungen nach dieser Verordnung in die ungarischen Kassen spaziert sind und die Adressaten in Wien nur östreichische Banknoten dafür erhalten haben. Der Kamarilla ist nichts erwünschter, als diese Stimmung Wiens; sie kann die Ungarn dann von allen Seiten packen. Ihre Blätter bieten Alles auf, das Verfahren Kossuths im März, wo er den Schrecken des östreichischen Absolutismus benutzt habe, das separatistische Bestreben Ungarns durchzusetzen, als eine niederträchtige Perfidie darzustellen; auch zu der List hat sie gegriffen, die Ungarn als politische Reaktionäre darzustellen und Jellachich ist, um dies zu beweisen, sogar so weit gegangen, unter dem Vorbehalt der kaiserl. Genehmigung, den Gränzern ganz besondere Rechte einzuräumen. Ich sende Ihnen die deshalb von ihm erlassene Verordnung beifolgend mit. Sie lautet:

Agram, 12. August.

Der Ban verordnet in Berücksichtigung der ganzen Monarchie, für deren Integrität das Grenzvolk die meisten Opfer leistet; in Erwägung der kritischen Verhältnisse diesesLandes, auf dessen Demoralisation man von so vielen Seiten einzuwirken nicht ansteht; in Erwägung der gedrückten Lage der Militärgränze überhaupt, wo schon die Möglichkeit eines anarchischen Zustandes um jeden Preis vermieden werden muß, auf Grundlage der gefaßten und Sr. Majestät dem Kaiser zur allerhöchsten Bestätigung vorgelegten Landtagsbeschlüsse und mit Rückblick auf die ertheilte Konstitution für die Gesammtmonarchie, ‒ zur Erleichterung des Grenzvolkes in Anhoffnung der allerh. Bestätigung der eingesendeten Gesetzvorlagen unter anderen folgende Begünstigungen und Zugeständnisse in Wirksamkeit treten zu lassen, und zwar:

Das unbewegliche Vermögen des Grenzvolkes ist dessen wahres Eigenthum.

Die Gemeindehutweiden sind ein Eigenthum der Gemeinden.

Aus den Aerarial-Waldungen sind den Grenzhäusern alle Bedürfnisse auf die möglichst leichte Art zu erfolgen.

Jeder Grundvertrag kann schriftlich vor der Compagnie-Session rechtsgiltig unter Beobachtung der bevorstehenden Normen abgeschlossen und ohne weitere Umstände durch die Compagnie mit Hinterlegung eines Pare in den Akten im Grundbuch behandelt werden.

Die Grenzjugend hat ohne Ausnahme das Recht niedere und höhere Schulen zu besuchen, und Handwerke zu erlernen.

Die Familientheilungen sind unter erleichterten Bedingungen anstandlos zu gestatten:

Jeder Grenzer kann aus einem Hause in ein anderes Grenzhaus mit Einwilligung der beiderseitigen Familien und der Kompagnie Session übertreten, wenn seine Militärpflicht dadurch nicht umgegangen wird.

Die bisherige Aerarial-Arbeit wird ganz aufgehoben.

Die bisher gegen Aerarial-Arbeit beigestellte Vorspann ist künftig auf kriegskommissariatisch angewiesene Marsch-Routen gegen Bezahlung in conto aerarii beizustellen, wobei jedoch alle Mißbräuche streng hintanzuhalten sind.

Vom Salzhandel wird keine Steuer gezahlt.

Die Preise des Meersalzes sind herabgesetzt.

Auf den Waldblößen ebenso als in den offenen Waldungen ist die Waldweide unentgeldlich gestattet.

Die Grenzer können auf eigenen Grundstücken auch Waldanlagen machen.

Die Heirathslicenzen sind dem Grenzvolke bei der Compagnie-Session zu erfolgen.

Zwangsweise Kommandirungen gegen Bezahlung, mit Ausnahme der Vorspann auf Marsch-Routen, dürfen nicht stattfinden.

Das Recht der freien Holzung, Viehweide und Mastung zum häuslichen Bedarf steht allen Grenzbewohnern zu.

Die im Dienste erkrankten Grenzer haben auch fernerhin ab aerario die Medikamente zu erhalten

Mit Ausnahme der Grundstücke kann jeder Grenzer ein eigenes Vermögen besitzen.

Der letzte Sprosse einer Haus-Kommunion kann auch über Grundstücke testiren.

Da alle grundbesitzenden Grenzbewohner gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben, so ist der unbeschränkte Grunderwerb auch allen Offizieren, Beamten, Geistlichen, Grenz-Handels- und Gewerbsleuten, welche in der Grenze beständigen Wohnsitz haben, gestattet.

Die Worte: „in Anhoffnung allerhöchster Bestätigung“ werden dabei wol der Rückhalt zum spätern Wiederabnehmen.

Das Schwarzgelbthum [unleserliches Material – 1 Wort fehlt] ist entzückt über die französische Regierung; ihre Verweigerung Karl Albert zu Hülfe zu eilen, hat es außer sich gebracht. Die Presse bringt in dieser Beziehung seinem ganzen Inhalte nach einen Aufsatz der Estaffette, worin unter Anderem gesagt ist: „Die sardinische Regierung hat es für nöthig erachtet, die französische Intervention anzusuchen, was gestern durch Marquis Rieci geschehen ist. ‒ Ohne eben in die Details der Konferenz einzugehen, können wir versichern, daß die französische Regierung dem sardinischen Könige ihr aufrichtiges Bedauern ausgedrückt hat, daß sie ihm den materiellen Beistand heute nicht mehr zusichern könne, den sie ihm vor zwei Monaten angeboten habe. Bei den ungeheuren Veränderungen, welche seit der Zeit in Europa stattgefunden haben, (der Schacher-Kalkul und seine Fußschemel, die Throne, sind wieder Herr geworden) könnte Frankreich nicht interveniren, ohne einen allgemeinen europäischen Krieg herbei zu führen. Frankreich werde übrigens aus Sympathie (Schacherhohn) für die italienische Unabhängigkeit sich mit dem englischen Kabinette in Einvernehmen setzen u. s. w.

61 Wien, 16. Aug.

Unter dem Vorwande der Beeinträchtigung der Kommunikation haben Sicherheitsbeamte der Stadthauptmannschaft (gegenwärtiger Name der Polizei) gestern den Versuch gemacht, die fliegenden Buchhändler mit ihren fahrenden Magazinen, Trompeten und sonstigen Ausrufungsinstrumenten vom Michaeler- und Stephansplatz zu vertreiben. Die neue Industrie leistete indessen kräftig Widerstand und behauptet heute wieder ihre Posten. Wenn Sie uns keine rheinländischen Schacher- und Konstabler-Genies hieher schicken, gehen wir wahrhaftig in der Anarchie, diesem steten Freiheitsprügel des Philisterthums, unter. In Hietzing soll es am Sonntag zwischen Studenten und zurückgekehrtem schwarzgelbem Junkerthum zu Händeln gekommen sein. Die Studenten hatten den Ort, eine Sommersprosse Schönbrunns, welches nebenan liegt, auf gewisse, Ihnen mitgetheilte Gerüchte hin, rekognoszirt, sich dann bei dem Aristokratenwirth Dommayr niedergelassen und auf diese Weise die Kamarilla und ihre Trabanten in Angst und Besorgniß versetzt.

61 Wien, 16. Aug.

(21. Sitzung des Reichstags vom 14. Aug. Vorsitz: Strobach; Tagesordnung, Berathung über den Antrag Kudlichs auf Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse).

Nachdem schon in der Sitzung vom 13. die Berathung in Folge der erschöpften Amendements mit einer langen, unerquicklichen Rede des Abgeordneten Jonak ihren Anfang genommen ward dieselbe in einem Vortrage Trogans fortgesetzt, dessen wesentlichen Inhalt ich bereits gestern referirt habe. Hierauf interpellirte der Abg. Smolka den Minister Dobblhof, indem er einen amtlichen Erlaß des Kreisamtes zu Zolkiem vorwies, wonach dieses auf eine Verfügung des Landesguberniums vom 29. Juni erklärt, daß es den Nationalgarden nicht erlaubt sei, außer ihrem Orte Waffen und Uniformen zu tragen, und daß ferner die Ausweiskarten der Kommandanten nicht als Legitimationsdokumente gelten sollen. Zuwiderhandelnde sollen angehalten und vom Kreisamte unter Eskorte oder gebunden an das Lemberger Nationalgardenkommando abgesendet werden. Daraus könne man entnehmen, wie das Landespräsidium in Galizien durch die Kreisämter regiren lasse und wie es komme, daß das Landvolk gegen das Institut der Nationalgarde mißtrauisch sei. (Soll die metternich'sche Banditenpolitik nun vielleicht auch gegen den polnischen Bürgerstand ausgeführt werden?) Er frage daher das Ministerium, ob jene Verfügung in Folge eines Ministerialerlasses geschehen, ob dasselbe davon Kunde habe, und was es zu thun gedenke, um den inkonstitutionellen Akt rückgängig zu machen?

Dobblhof: (à l'ordinaire) der Vorgang sei dem Ministerium nicht bekannt und stimme nicht mit den Grundsätzen überein, die das Ministerium bezüglich des Instituts der Nationalgarde eingehalten wissen will. Er könne den Vorgang nicht billigen, sei dem Interpellanten für dessen Mittheilung verbunden und werde das Nöthige sogleich veranlassen.

Meimershoffer: Der Amtmann in Wisowitz habe in Lippa die Ablieferung der Waffen verlangt und, weil er sie nicht erhalten, vom Kreisamte Dragoner requirirt, Haussuchungen gehalten und die Waffen weggenommen; ob jene Verletzung des Hausrechts nicht auf höhern Befehl geschehen sei? (Man befürchtet hier eine Erhebung Galiziens).

Dobblhof: So lange die Sache nicht amtlich konstatirt sei, könne er nichts vornehmen. (?!)

Demel interpellirt wegen Verletzung des Briefgeheimnisses, indem er einen erbrochenen Brief, den er an seine Kommittenten gesendet, vorzeigt. Dobblhoff weist jede Zumuthung, als ob das Ministerium das Briefgeheimniß nicht achte, zurück. Die Verletzung sei bei Briefen, die spät kommen und schnell eingepackt werden müssen, oft eine Folge der Manipulation, (gar zu naiv, weil sehr wahr).

Finanzminister Kraus: Die Sache gehe ihn an; er habe Befehl gegeben, das Briefgeheimniß zu achten. Auch vor einigen Tagen sei ihm ein solcher Fall mitgetheilt worden; er erbittet sich den Brief, nimmt ihn mit und verspricht Untersuchung. Löhner interpellirt 1) wider das Abhalten von Provinziallandtagen, 2) wegen der bewaffneten Sonderkorps (Swornost) die sich in Prag gebildet, und ob dieselben der Nationalgarde gegenüber bestehen könnten? ‒ Dobblhof ad 1) der Interpellant werde wohl einsehen, daß einige Zeit erforderlich sei, so viele Fragen zu beantworten; er werde dies in der nächsten Sitzung thun; ad 2) verspricht er ein Nationalgardegesetz bald vorlegen zu können. Was aber die Swornost anbetreffe, so könne das Ministerium über einen Gegenstand, der in Verhandlung begriffen ist, nie sagen, was es thun werde.

Der Kriegsminister theilt den von Radetzky mit Karl Albert abgeschlossenen 6wöchentlichen Waffenstillstand mit.

Schon nach den ersten Siegesberichten im Juli hatte der Abg. Selinger den Antrag gestellt, der Reichstag möge erklären, die Armee Italiens habe sich um das Vaterland verdient gemacht, allein dieser Antrag wurde Kudlich's Antrag, weil dieser dringlicher sei, von Anfang an hintangesetzt.

Präsident: erhält der Antrag des Abg. Selinger Unterstützung?

Wird unterstützt. (Ruf von mehren Seiten! Tagesordnung! Tagesordnung!)

Präsident stellt die Frage, ob die Versammlung zur Tagesordnung übergehen wolle; sie bleibt in der Minorität. Bielinski: Man hätte diese Frage gar nicht stellen sollen.

Präsident: Ueber jeden Antrag muß angefragt werden. Er stelle jetzt die Frage, ob man dem Abg. Selinger 10 Minuten zur Begründung seines Antrags gewähren wolle. (Angenommen).

Selinger will die Tribüne besteigen, findet aber den für den Kudlichischen Antrag eingeschriebenen Redner Schneider schon dort, weßhalb ihn der Präsident ersucht, von seinem Sitze aus zu sprechen. (Ruf von mehren Seiten: Auf die Tribüne. ‒ Schneider verläßt dieselbe).

Selinger: (Auf der Tribüne). Die Armee habe neue Blumen in den alten Siegeskranz Oesterreichs gewunden; ein Reich, welches auf solche Siege hinweisen könne, sei kein Reich des Verfalls, sondern ein Reich des Emporblühens, dem eine glänzende Zukunft winke. Es liege den Nationen die Pflicht der Dankbarkeit ob, wenn ihre Krieger ihnen materielle Vortheile erkämpfen. Ob es etwa ein Kampf gewesen sei, der Millionen hätte knechten und ihrer Freiheit berauben sollen? Man habe die Zusicherung des freisinnigen (?) Ministeriums, man habe das Wort, das vom Throne herab geklungen, daß nicht Unterdrückung Zweck des Kriegs gewesen u. s. w. Er trage daher darauf an, daß man sich jeder Debatte entschlagen (nein! nein!) und erklären solle, die Armee habe sich durch ihre Tugenden um das Vaterland verdient gemacht, die Völker zollen daher ihrer Tapferkeit die verdiente Anerkennung. Er fordere den Präsidenten auf, ob man sich jeder Debatte enthalten und diesen Entschluß annehmen wolle? (Nein! nein! ja, ja!)

Borokowski: Er habe sich früher für diese Frage bereits einschreiben lassen.

Präsident: Der Beschluß der Versammlung, daß der Abgeordnete seinen Antrag begründen solle, sei bereits erfüllt; es müßte ein neuer Beschluß gefaßt werden, ob jener Beschluß zur Abstimmung kommen solle, was unthunlich sei.

Selinger: Sein Antrag sei mit Akklamation angenommen worden. (Von allen Seiten: Nein, nein!)

Präsident: Nach dem Stand der Debatte hat der Abg. Schneider das Wort:

Schneider aus Schlesien: Ich will Sie nicht durch Deklamationen ermüden, meine Absicht ist blos, einen Strahl des Lichts in die Nacht eines Gebietes hineinzubringen, das nahe liegt. Wenn ich für den Abgeordneten Kudlich das Wort ergreife, so drängt mich dazu die Menschlichkeit und offenliegende Gerechtigkeit, die Nothwendigkeit und Dringlichkeit des Gegenstandes. Soll die Verfassung volksthümlich sein, so darf kein Stand einen wichtigern Platz darin einnehmen, als der wackere Bauernstand. Ich will nicht wie die Katze um den Brei gehen, ich will entschieden sprechen, ich will, daß der Landmann von der Unterthänigkeit frei sei; daß er nicht abhängig sei von Gesetzen, durch welche Willkühr, Laune und Gewalt ihn ausbeuten. Warum so viele Klagen, die hier zusammenströmen, daß der Tisch des Hauses darunter zusammenzubrechen droht? Wenn wir beim Durchlesen des Registers der Giebigkeiten und Arbeiten schon bei den bloßen Namen kaum zu Athem kommen können, wie viel mehr ist es unmöglich, das zu bezeichnen, was den Menschen niederdrückt. Ein Abgeordneter aus Tirols Alpenland, vielleicht aus Sympathie für ein anderes Alpenbrüdervolk, hat das Auge der Versammlung hingerichtet auf das Volk in den Sudeten, auf ein Land des Elends. Dies Land heißt: Schlesien. Darauf schildert der Redner das Elend Schlesiens und dankt mit einem Gott lohn' es euch! für den Beistand Wiens. (Anhaltender Beifall). Was der Himmel schickt, das wendet er, aber was der Mensch dem Menschen zufügt, weicht schwer, ist schwer zu ertragen. (Beifall). Schwer trägt der Schlesier, er scheut die Arbeit nicht, will sie aber nicht leisten, wie der Sklave, der nur der Geißel des Drängers folgt. Er will nicht blos mit sauerm Schweiße den Boden allein düngen, er will ihn Eigenthum nennen, will frei sein. Die neue Zeit der Freiheit hat das Rechtsgefühl in seiner Brust geweckt, und er fragt, warum geht der Ruf, der andern ertönt, mich nicht an? Warum bin ich allein auserkoren, die Wege zu machen und die Straßen zu bauen? warum ergeht an mich allein der Ruf: „Bauer spann' an!“ während die Pferde der Herrschaften sich an der Krippe mästen? Sehen Sie in das schlesische Gebirge, da finden Sie einzelne Hütten zerstreut, der Rauch durchzieht sie, armselige Menschen bewohnen sie, deren einzige Nahrung Haferbrod ist. Dort gibt es Dominikalklagen, welche zeigen, wie die Obrigkeit ihre Verträge hält. Dort muß noch Miethzins und Steuer bezahlt werden. Dort lastet noch die Robot auf dem Häusler, obwohl sie in der reichern Provinz Mähren bereits abgeschafft. Dort gab es Fälle, wo das Laudemium dreimal nacheinander gefordert wurde. Mir blutet das Herz, wenn ich an Schlesien denke, aber ich spreche gleiches Recht an für alle Landleute. Das Volk verdiene es, es legt den Kern, der den Boden abgeben soll für die neuen Institutionen. Das Herz wird mir weit, wenn ich bedenke, wie die Leute heranreifen werden unter der Sonne der Freiheit. Es gibt große Schwierigkeiten, den Knäul zu lösen, aber mit Muth, mit Eifer, mit Fleiß, wird man ihn lösen können. Ich will, daß wir alle beitragen, um auf die Linie zu kommen, wohin wir streben, auf das Feld der Demokratie! (Rauschender Beifall) wo alle sich die Hände reichen, daß das Wort in Erfüllung gehe: „Liebe und Friede werden einander küssen.“ In ihrer Erfahrung und in ihrem geprüften Leben haben die Landleute ein corpus juris und natürliche Pandekten in ihrer Brust, die nicht leicht irre leiten. Wenn die Arbeiterklasse im Momente großer Aufregung die wildtobenden Leidenschaften zurückdrängen konnte, wie können wir zweifeln, daß dem Landvolke ein solcher gesunder sittlicher Sinn fehle? Armes Volk, wir wollen uns deiner annehmen. Die Kammer darf keinem Terrorismus weichen, weder dem der Bajonnette, noch dem der Keulen. Aber die Verzweiflung tritt ein, wenn der Hoffnungsstern erbleicht.

Popiel, Grundbesitzer und Abgeordneter aus Starasol in Galizien, in gebrochener Mundart. Es gebe nur ein Recht, und dieses Recht kenne keine Bedingung, keine Ausnahme. Sobald man aber die Frage, ob das Unttrthänigkeitsverhältniß ungerecht sei, in's Klare gekommen, dann sei es auch an dem Reichstage, ohne alle Bedingung die Lasten desselben aufzuheben. Das historische Recht spricht für die Dinge wie sie sind, das natürliche wie sie sein sollen. Nach ersterem wäre es zu gewagt, behaupten zu wollen, das Unterthänigkeitsverhältniß sei darum gerecht, weil Deutschland ursprünglich nur von Baronen, Freiherren und Grafen besetzt worden sei, so wie das Land der Slaven von Starosten und Wojwoden, das anzunehmen, wäre wohl zu gewagt! (Allgemeine Heiterkeit.) Es ist ferner wohl richtig bemerkt worden, daß den Grund und Boden des Landmannes der Grundherr besessen, und ihm unter Bedingung verkauft habe, ich frage aber, kann irgend wer mehr Recht verkaufen, als er je besessen? Glaubt das ein Grundherr, so appellire er an die Geister seiner hohen Ahnen. (Stürmischer Beifall.) Das historische Recht ist nicht von gestern, das kann uns nicht binden ‒ das wahre historische Recht dringt auf unbedingte Auflösung des Unterthänigkeitsverhältnisses. Nach dem Rechte der Natur? hätte dann der höher Geborene etwa mehr Recht als der Geringe? (Beifall.) Man hat sich sogar diese Tage auf die Bestätigung der Robot durch Kaiser und Fürsten berufen, wollten wir hier alle die (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

Der Gerant, Korff.
Druck von Wilhelm Clouth in Köln.

(Hierzu eine Beilage.)

<TEI>
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          <p><pb facs="#f0004" n="0416"/>
neues Wahlgesetz auf den oben                         angeführten Grundlagen. Die kurhessische Ritterschaft zitterte. Der                         Präsident v. Brumbach ging mit hochherzigem Beispiel voran, indem er sich                         bereit erklärte seinen Vorrechten zu entsagen. Aber die andern Herrn &#x201E;zagen                         und zaudern&#x201C;; der eine Kammerherr hält die Kammer für inkompetent, der                         andere Ritter will noch warten. Der Universitätsvertreter Professor <hi rendition="#g">Bengk</hi> (der Philolog) und der Dep. <hi rendition="#g">König</hi> (der Dichter) sind ähnlicher ritterlicher Meinung. Endlich                         wird der Antrag Henkels zur &#x201E;Erwägung gezogen&#x201C; und an die Regierung                         verwiesen. &#x2012; Meinen Wunder, was sie gethan haben! Einstimmigkeit wäre nöthig                         nach der Verfassungs-Urkunde wenn das neue Gesetz durchgehen soll. Es fehlt                         noch Viel daran. Aber ich prophezeihe den Landständen kein sanftes                         Ruhekissen, die ihr Veto einlegen. Auch das Ministerium Eberhardt wird sich                         nicht auf lange halten können, wenn es sich gegen ein solches Gesetz                         erklärt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_018" type="jArticle">
          <head>München, 14. Aug.</head>
          <p>Eine nicht unbedeutende <hi rendition="#g">Ruhestörung</hi> verursachten                         gestern Nacht 30-40 Soldaten verschiedener Waffengattungen bei einem Wirth                         in der Löwenstraße. Nachdem dieselben ein gehöriges Quantum Bier zu sich                         genommen hatten, demolirten sie das Wirthslokal und alles in demselben                         Befindliche auf jämmerliche Weise, ohne daß die Polizei oder Militairbehörde                         dagegen einschreiten ließ, obwohl das strafwürdige Verfahren volle drei                         Viertelstunden dauerte. Ein anwesender Feldwebel von der Garnisonscompagnie,                         der abwehren wollte, wurde von der tobenden Schaar verwundet, zwei in der                         Nachbarschaft wohnende Bürger, die das Gleiche beabsichtigten, bis in ihre                         Wohnungen verfolgt. Die Veranlassung zu diesem, wie es scheint, verabredeten                         Krawall soll der Umstand gegeben haben, daß der Wirth vor einigen Tagen                         einem sein Bier nicht zahlenden Unteroffizier den Säbel abnahm, nach andern                         Angaben verschiedene Aeußerungen des Wirthes über das Militair</p>
          <bibl>(N. C.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar082_019" type="jArticle">
          <head>Stuttgart, 17. August.</head>
          <p>In Cannstadt kam es gestern in Folge einer Weigerung des Oberamtmanns, einen                         als Polizeispion verhaßten Schriftsetzer, Namens <hi rendition="#g">Benz,</hi> der um elenden Sündenlohn mehrere Bürger und Arbeiter <hi rendition="#g">fälschlich</hi> denunzirt hatte, zur Bestrafung an das                         Oberamtsgericht herauszugeben, der seine Anwesenheit auf dem Oberamt sogar                         dem Stadtschultheißen von Cannstadt verläugnete, zu <hi rendition="#g">unruhigen Auftritten,</hi> wobei sich indeß sowohl die Bürger als die                         Bürgerwehr sehr besonnen benahm, indem sie zwar auf die Auslieferung des                         verätherischen Schurken bestand und ihn an das Oberamtsgericht ablieferte,                         aber ihn auch auf dem Wege dahin, sowie bei seiner gleich darauf erfolgten                         Ablieferung an das Criminalamt Stuttgart vor der Volkswuth schützte, indem                         er sonst massacrirt worden wäre.</p>
          <bibl>(F. J.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar082_020" type="jArticle">
          <head>Stuttgart, 18. Aug.</head>
          <p>Sicherem Vernehmen nach ist die Untersuchung gegen die bis jetzt von der                         großherzogl. badischen Regierung ausgelieferten, bei dem bewaffneten Einfall                         in Baden betheiligten Würtemberger &#x2012; 31 an der Zahl &#x2012; durch höchste                         Entschließung niedergeschlagen worden.</p>
          <p>Gestern fielen in <hi rendition="#g">Kannstatt</hi> unruhige Auftritte wegen                         eines verdächtigen Subjektes, Schriftsetzer Benz von Ulm vor. Derselbe trieb                         sich schon längere Zeit arbeitslos herum, spielte den überspannten                         Freiheitsmann und Anhänger Hecker's, soll aber dabei die Leute ausgeholt und                         verathen haben, weßwegen schon seit einiger Zeit Mißstimmungen gegen die                         Behörde herrschte, die sein Treiben gewähren ließ. Derselbe wurde nun                         verhaftet und gestern hierher abgeführt, wobei ein kleiner Auflauf vorfiel.                         Nachts gingen Patrouillen des hier liegenden 4. Reiterregiments in der                         Richtung nach <hi rendition="#g">Kannstatt;</hi> weiter fand keine                         militärische Einschreitung statt. Ein Bürger soll verhaftet, jedoch bald                         wieder frei gegeben worden sein. Die Ordnung ist nicht weiter                             <gap reason="illegible" unit="words" quantity="1"/> worden.</p>
          <bibl>(Schw. M.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar082_021" type="jArticle">
          <head><bibl><author>**</author></bibl> Hamburg, 18. August.</head>
          <p>Endlich ist auch in Hamburg die Volkssouveränetät anerkannt. Die                         democratischen Vereine haben dem Senate den Beschluß abgenöthigt daß er eine <hi rendition="#g">konstituirende Versammlung</hi> beruft, die ohne                         Rath- und Bürgerschaft allein über die künftige Verfassung Hamburgs                         entscheide. Senator Haller theilt heute der Deputation der demokr.                         Vereinsversammlung den Bescheid des Senates mit, derselbe lautet:</p>
          <p>&#x201E;Nach sorgfältiger Erwägung der eingegangenen verschiedenen Petitionen ist                         der Senat Seinerseits der Ansicht, daß die Feststellung der künftigen                         Verfassung abseiten der zu diesem Zwecke zu berufenden konstituirenden                         Versammlung unabhängig von Rath und Bürgerschaft zu beschaffen sein werde,                         und wird Er daher Seinen Antrag an Erbges. Bürgerschaft hierauf                         richten.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_022" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 16. August.</head>
          <p>Das von früheren Spionen Metternichs redigirte Hofblatt &#x201E;die Presse&#x201C; zeigt                         sich heute sehr ungehalten darüber, daß der Reichstag in seiner Sitzung vom                         14. den Antrag des Abg. Selinger auf Anerkennung der Armee-Verdienste um's                         Vaterland so gänzlich hat abfahren lassen. Sie sagt: &#x201E;Einen wahrhaft                         betrübenden Eindruck mußte die Stimmung der Kammer bei Gelegenheit des                         Antrags des Abg. Selinger auf diejenigen hervorbringen, welche die Ehre und                         die Größe des Landes höher stellen, als Ansichten und Theorien der Parteien.                         Herr Selinger hatte von der Kammer die Anerkennung des Ruhmes verlangt,                         welchen die österreichische Armee durch Aufopferung und glänzende                         Waffenthaten in Italien verdient hat. Ein solcher Antrag hätte der                         Begründung nicht bedurft. Die Stimme des Parlamentes mußte ihn unterstützen,                         sowie die Stimme des Volkes. Wir wissen es, es gibt in unserer Versammlung                         eine Partei, welche Neues aufzubauen strebt mit gänzlichem Absehen von dem                         Alten und Bestehenden. Sie ist eine Minorität, (?) aber sie ist gestern                         insoweit durchgedrungen, als sie einen Beschluß unmöglich machte, dem                         Einstimmigkeit allein Werth und Würde geben konnte. Glauben wohl die Herrn                         der Linken, sie hätten den Ansprüchen des Auslandes gegenüber Oesterreich                         (?) gekräftigt? Wird man nicht die öffentliche Meinung in Oesterreich selbst                         anrufen, um gebetenden Ansprüchen mehr Geltung zu verschaffen? Wir wären                         durchaus nicht erstaunt, wenn die französischen Journale und die                         französischen Minister den Vorgang in der Versammlung vom 14. als                         gefährliche Waffe gegen uns wenden sollten. Das Centrum, dem diese Ideen                         nicht ganz ferne gelegen zu sein scheinen, hätte durch kräftiges Auftreten                         das offene Wiederstreben der Linken und die berechnende Gleichgültigkeit der                         Rechten überwinden müssen.&#x201C;</p>
          <p>Soviel ist gewiß, der Hof hat sich im Reichstag geirrt, die öffentliche                         Meinung hat ihn für unmöglich gehalten; er scheint beiden zu trotzen. Graf                         Stadion glaubte die 80 und mehr galizischen Bauern, welche im Reichstag                         sitzen und kein deutsch verstehen, wie ein Leithammel führen, und nach                         seinen Zwecken benutzen zu können; Pillersdorf hoffte auf eine ähnliche                         Umscharung durch deutsche Bauern. Doch, in den Sprachen verschieden, haben                         all diese Leute ein gemeinsames Gefühl, ein gemeinsames Wollen aus der                         Heimath mitgebracht, und dies ist ihre gemeinschaftliche Sprache. Sie alle                         reden die Sprache der Demokratie und lernen sie täglich, je mehr sie ihre                         Leithämmel erkennen, besser reden. Anfangs stimmte der Bauer nach dem Wink                         der Pillersdorfs und Stadions, jetzt besucht er die Klubs und unterrichtet                         sich in den Abendzusammenkünften der, obwohl national gemischten, doch nur                         die eine Sprache der Demokratie redenden Linken, so wunderbar rasch, daß er                         selbstständige Anträge zu stellen und, wenn auch mit ungeübter Zunge, à la                         Popiel, zu reden beginnt.</p>
          <p>Mit Ungarn scheints zum ernstlichen Zwiste zu kommen. Finanzminister Kossuth                         hat den öffentlichen Kassen Ungarns verboten, die österreichischen 1 und 2                         Guldenzettel anzunehmen. Zugleich hat er die Ausfuhr des Silbergeldes nach                         nichtöstereichischen Ländern gänzlich verboten, nach Oesterreich aber darf                         Niemand über 500 fl. Silbergeld führen. Für das mit Beschlagnahme                         aufgegriffene Geld erhält der Eigenthümer ebensoviel in österreichischen                         Banknoten und das Silber wird an die öffentlichen Kassen abgegeben. Diese                         Verordnungen sind Repressalien gegen ähnliche Verordnungen des Wiener                         Finanzministeriums. Die Krämerwelt Wiens ist vor Wuth über Kossuth außer                         sich. Man nennt in öffentlichen Blättern Kossuth einen Dieb, den Erzherzog                         Stephan einen Verräther, weil große aus der Türkei durch Ungarn geführte                         Silbersendungen nach dieser Verordnung in die ungarischen Kassen spaziert                         sind und die Adressaten in Wien nur östreichische Banknoten dafür erhalten                         haben. Der Kamarilla ist nichts erwünschter, als diese Stimmung Wiens; sie                         kann die Ungarn dann von allen Seiten packen. Ihre Blätter bieten Alles auf,                         das Verfahren Kossuths im März, wo er den Schrecken des östreichischen                         Absolutismus benutzt habe, das separatistische Bestreben Ungarns                         durchzusetzen, als eine niederträchtige Perfidie darzustellen; auch zu der                         List hat sie gegriffen, die Ungarn als politische Reaktionäre darzustellen                         und Jellachich ist, um dies zu beweisen, sogar so weit gegangen, unter dem                         Vorbehalt der kaiserl. Genehmigung, den Gränzern ganz besondere Rechte                         einzuräumen. Ich sende Ihnen die deshalb von ihm erlassene Verordnung                         beifolgend mit. Sie lautet:</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_022a" type="jArticle">
          <head>Agram, 12. August.</head>
          <p>Der Ban verordnet in Berücksichtigung der ganzen                         Monarchie, für deren <hi rendition="#g">Integrität das Grenzvolk die meisten                             Opfer leistet;</hi> in Erwägung der kritischen Verhältnisse                         diesesLandes, auf dessen <hi rendition="#g">Demoralisation man von so vielen                             Seiten einzuwirken nicht ansteht;</hi> in Erwägung der gedrückten Lage                         der Militärgränze überhaupt, wo schon die Möglichkeit eines anarchischen                         Zustandes um jeden Preis vermieden werden muß, auf Grundlage der gefaßten                         und Sr. Majestät dem Kaiser zur allerhöchsten Bestätigung vorgelegten                         Landtagsbeschlüsse und mit Rückblick auf die ertheilte <hi rendition="#g">Konstitution für die Gesammtmonarchie,</hi> &#x2012; zur Erleichterung des                         Grenzvolkes <hi rendition="#g">in Anhoffnung der allerh. Bestätigung</hi> der eingesendeten Gesetzvorlagen unter anderen folgende Begünstigungen und                         Zugeständnisse in Wirksamkeit treten zu lassen, und zwar:</p>
          <p>Das unbewegliche Vermögen des Grenzvolkes ist dessen wahres Eigenthum.</p>
          <p>Die Gemeindehutweiden sind ein Eigenthum der Gemeinden.</p>
          <p>Aus den Aerarial-Waldungen sind den Grenzhäusern alle Bedürfnisse auf die                         möglichst leichte Art zu erfolgen.</p>
          <p>Jeder Grundvertrag kann schriftlich vor der Compagnie-Session rechtsgiltig                         unter Beobachtung der bevorstehenden Normen abgeschlossen und ohne weitere                         Umstände durch die Compagnie mit Hinterlegung eines Pare in den Akten im                         Grundbuch behandelt werden.</p>
          <p>Die Grenzjugend hat ohne Ausnahme das Recht niedere und höhere Schulen zu                         besuchen, und Handwerke zu erlernen.</p>
          <p>Die Familientheilungen sind unter erleichterten Bedingungen anstandlos zu                         gestatten:</p>
          <p>Jeder Grenzer kann aus einem Hause in ein anderes Grenzhaus mit Einwilligung                         der beiderseitigen Familien und der Kompagnie Session übertreten, wenn seine                         Militärpflicht dadurch nicht umgegangen wird.</p>
          <p>Die bisherige Aerarial-Arbeit wird ganz aufgehoben.</p>
          <p>Die bisher gegen Aerarial-Arbeit beigestellte Vorspann ist künftig auf                         kriegskommissariatisch angewiesene Marsch-Routen gegen Bezahlung in conto                         aerarii beizustellen, wobei jedoch alle Mißbräuche streng hintanzuhalten                         sind.</p>
          <p>Vom Salzhandel wird keine Steuer gezahlt.</p>
          <p>Die Preise des Meersalzes sind herabgesetzt.</p>
          <p>Auf den Waldblößen ebenso als in den offenen Waldungen ist die Waldweide                         unentgeldlich gestattet.</p>
          <p>Die Grenzer können auf eigenen Grundstücken auch Waldanlagen machen.</p>
          <p>Die Heirathslicenzen sind dem Grenzvolke bei der Compagnie-Session zu                         erfolgen.</p>
          <p>Zwangsweise Kommandirungen gegen Bezahlung, mit Ausnahme der Vorspann auf                         Marsch-Routen, dürfen nicht stattfinden.</p>
          <p>Das Recht der freien Holzung, Viehweide und Mastung zum häuslichen Bedarf                         steht allen Grenzbewohnern zu.</p>
          <p>Die im Dienste erkrankten Grenzer haben auch fernerhin ab aerario die                         Medikamente zu erhalten</p>
          <p>Mit Ausnahme der Grundstücke kann jeder Grenzer ein eigenes Vermögen                         besitzen.</p>
          <p>Der letzte Sprosse einer Haus-Kommunion kann auch über Grundstücke                         testiren.</p>
          <p>Da alle grundbesitzenden Grenzbewohner gleiche Rechte und gleiche Pflichten                         haben, so ist der unbeschränkte Grunderwerb auch allen Offizieren, Beamten,                         Geistlichen, Grenz-Handels- und Gewerbsleuten, welche in der Grenze                         beständigen Wohnsitz haben, gestattet.</p>
          <p>Die Worte: &#x201E;in Anhoffnung allerhöchster Bestätigung&#x201C; werden dabei wol der                         Rückhalt zum spätern Wiederabnehmen.</p>
          <p>Das Schwarzgelbthum <gap reason="illegible" unit="words" quantity="1"/> ist entzückt über die                         französische Regierung; ihre Verweigerung Karl Albert zu Hülfe zu eilen, hat                         es außer sich gebracht. Die <hi rendition="#g">Presse</hi> bringt in dieser                         Beziehung seinem ganzen Inhalte nach einen Aufsatz der Estaffette, worin                         unter Anderem gesagt ist: &#x201E;Die sardinische Regierung hat es für nöthig                         erachtet, die französische Intervention anzusuchen, was gestern durch                         Marquis Rieci geschehen ist. &#x2012; Ohne eben in die Details der Konferenz                         einzugehen, können wir versichern, daß die französische Regierung dem                         sardinischen Könige ihr <hi rendition="#g">aufrichtiges</hi> Bedauern                         ausgedrückt hat, daß sie ihm den <hi rendition="#g">materiellen</hi> Beistand heute nicht mehr zusichern könne, den sie ihm vor zwei Monaten                         angeboten habe. Bei den ungeheuren Veränderungen, welche seit der Zeit in                         Europa stattgefunden haben, (der Schacher-Kalkul und seine Fußschemel, die                         Throne, sind wieder Herr geworden) könnte Frankreich nicht interveniren,                         ohne einen allgemeinen europäischen Krieg herbei zu führen. Frankreich werde                         übrigens aus <hi rendition="#g">Sympathie</hi> (Schacherhohn) <hi rendition="#g">für die italienische Unabhängigkeit</hi> sich mit dem                         englischen Kabinette in Einvernehmen setzen u. s. w.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_023" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 16. Aug.</head>
          <p>Unter dem Vorwande der Beeinträchtigung der Kommunikation haben                         Sicherheitsbeamte der Stadthauptmannschaft (gegenwärtiger Name der Polizei)                         gestern den Versuch gemacht, die fliegenden Buchhändler mit ihren fahrenden                         Magazinen, Trompeten und sonstigen Ausrufungsinstrumenten vom Michaeler- und                         Stephansplatz zu vertreiben. Die neue Industrie leistete indessen kräftig                         Widerstand und behauptet heute wieder ihre Posten. Wenn Sie uns keine                         rheinländischen Schacher- und Konstabler-Genies hieher schicken, gehen wir                         wahrhaftig in der Anarchie, diesem steten Freiheitsprügel des                         Philisterthums, unter. In Hietzing soll es am Sonntag zwischen Studenten und                         zurückgekehrtem schwarzgelbem Junkerthum zu Händeln gekommen sein. Die                         Studenten hatten den Ort, eine Sommersprosse Schönbrunns, welches nebenan                         liegt, auf gewisse, Ihnen mitgetheilte Gerüchte hin, rekognoszirt, sich dann                         bei dem Aristokratenwirth Dommayr niedergelassen und auf diese Weise die                         Kamarilla und ihre Trabanten in Angst und Besorgniß versetzt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_024" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 16. Aug.</head>
          <p>(21. Sitzung des Reichstags vom 14. Aug. Vorsitz: Strobach; Tagesordnung,                         Berathung über den Antrag Kudlichs auf Aufhebung der                         Unterthänigkeitsverhältnisse).</p>
          <p>Nachdem schon in der Sitzung vom 13. die Berathung in Folge der erschöpften                         Amendements mit einer langen, unerquicklichen Rede des Abgeordneten <hi rendition="#g">Jonak</hi> ihren Anfang genommen ward dieselbe in einem                         Vortrage <hi rendition="#g">Trogans</hi> fortgesetzt, dessen wesentlichen                         Inhalt ich bereits gestern referirt habe. Hierauf interpellirte der Abg. <hi rendition="#g">Smolka</hi> den Minister Dobblhof, indem er einen                         amtlichen Erlaß des Kreisamtes zu Zolkiem vorwies, wonach dieses auf eine                         Verfügung des Landesguberniums vom 29. Juni erklärt, daß es den                         Nationalgarden nicht erlaubt sei, außer ihrem Orte Waffen und Uniformen zu                         tragen, und daß ferner die Ausweiskarten der Kommandanten nicht als                         Legitimationsdokumente gelten sollen. Zuwiderhandelnde sollen angehalten und                         vom Kreisamte unter Eskorte oder gebunden an das Lemberger                         Nationalgardenkommando abgesendet werden. Daraus könne man entnehmen, wie                         das Landespräsidium in Galizien durch die Kreisämter regiren lasse und wie                         es komme, daß das Landvolk gegen das Institut der Nationalgarde mißtrauisch                         sei. (Soll die metternich'sche Banditenpolitik nun vielleicht auch gegen den                         polnischen Bürgerstand ausgeführt werden?) Er frage daher das Ministerium,                         ob jene Verfügung in Folge eines Ministerialerlasses geschehen, ob dasselbe                         davon Kunde habe, und was es zu thun gedenke, um den inkonstitutionellen Akt                         rückgängig zu machen?</p>
          <p><hi rendition="#g">Dobblhof:</hi> (à l'ordinaire) der Vorgang sei dem                         Ministerium nicht bekannt und stimme nicht mit den Grundsätzen überein, die                         das Ministerium bezüglich des Instituts der Nationalgarde eingehalten wissen                         will. Er könne den Vorgang nicht billigen, sei dem Interpellanten für dessen                         Mittheilung verbunden und werde das Nöthige sogleich veranlassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Meimershoffer:</hi> Der Amtmann in Wisowitz habe in Lippa                         die Ablieferung der Waffen verlangt und, weil er sie nicht erhalten, vom                         Kreisamte Dragoner requirirt, Haussuchungen gehalten und die Waffen                         weggenommen; ob jene Verletzung des Hausrechts nicht auf höhern Befehl                         geschehen sei? (Man befürchtet hier eine Erhebung Galiziens).</p>
          <p><hi rendition="#g">Dobblhof:</hi> So lange die Sache nicht amtlich konstatirt                         sei, könne er nichts vornehmen. (?!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Demel</hi> interpellirt wegen Verletzung des                         Briefgeheimnisses, indem er einen erbrochenen Brief, den er an seine                         Kommittenten gesendet, vorzeigt. <hi rendition="#g">Dobblhoff</hi> weist                         jede Zumuthung, als ob das Ministerium das Briefgeheimniß nicht achte,                         zurück. Die Verletzung sei bei Briefen, die spät kommen und schnell                         eingepackt werden müssen, oft eine Folge der Manipulation, (gar zu naiv,                         weil sehr wahr).</p>
          <p>Finanzminister <hi rendition="#g">Kraus:</hi> Die Sache gehe ihn an; er habe                         Befehl gegeben, das Briefgeheimniß zu achten. Auch vor einigen Tagen sei ihm                         ein solcher Fall mitgetheilt worden; er erbittet sich den Brief, nimmt ihn                         mit und verspricht Untersuchung. <hi rendition="#g">Löhner</hi> interpellirt                         1) wider das Abhalten von Provinziallandtagen, 2) wegen der bewaffneten                         Sonderkorps (Swornost) die sich in Prag gebildet, und ob dieselben der                         Nationalgarde gegenüber bestehen könnten? &#x2012; <hi rendition="#g">Dobblhof</hi> ad 1) der Interpellant werde wohl einsehen, daß einige Zeit erforderlich                         sei, so viele Fragen zu beantworten; er werde dies in der nächsten Sitzung                         thun; ad 2) verspricht er ein Nationalgardegesetz bald vorlegen zu können.                         Was aber die Swornost anbetreffe, so könne das Ministerium über einen                         Gegenstand, der in Verhandlung begriffen ist, nie sagen, was es thun                         werde.</p>
          <p>Der Kriegsminister theilt den von Radetzky mit Karl Albert abgeschlossenen                         6wöchentlichen Waffenstillstand mit.</p>
          <p>Schon nach den ersten Siegesberichten im Juli hatte der Abg. <hi rendition="#g">Selinger</hi> den Antrag gestellt, der Reichstag möge                         erklären, die Armee Italiens habe sich um das Vaterland verdient gemacht,                         allein dieser Antrag wurde Kudlich's Antrag, weil dieser dringlicher sei,                         von Anfang an hintangesetzt.</p>
          <p>Präsident: erhält der Antrag des Abg. Selinger Unterstützung?</p>
          <p>Wird unterstützt. (Ruf von mehren Seiten! Tagesordnung! Tagesordnung!)</p>
          <p>Präsident stellt die Frage, ob die Versammlung zur Tagesordnung übergehen                         wolle; sie bleibt in der Minorität. <hi rendition="#g">Bielinski:</hi> Man                         hätte diese Frage gar nicht stellen sollen.</p>
          <p>Präsident: Ueber jeden Antrag muß angefragt werden. Er stelle jetzt die                         Frage, ob man dem Abg. <hi rendition="#g">Selinger</hi> 10 Minuten zur                         Begründung seines Antrags gewähren wolle. (Angenommen).</p>
          <p><hi rendition="#g">Selinger</hi> will die Tribüne besteigen, findet aber den                         für den Kudlichischen Antrag eingeschriebenen Redner Schneider schon dort,                         weßhalb ihn der Präsident ersucht, von seinem Sitze aus zu sprechen. (Ruf                         von mehren Seiten: Auf die Tribüne. &#x2012; Schneider verläßt dieselbe).</p>
          <p><hi rendition="#g">Selinger:</hi> (Auf der Tribüne). Die Armee habe neue                         Blumen in den alten Siegeskranz Oesterreichs gewunden; ein Reich, welches                         auf solche Siege hinweisen könne, sei kein Reich des Verfalls, sondern ein                         Reich des Emporblühens, dem eine glänzende Zukunft winke. Es liege den                         Nationen die Pflicht der Dankbarkeit ob, wenn ihre Krieger ihnen materielle                         Vortheile erkämpfen. Ob es etwa ein Kampf gewesen sei, der Millionen hätte                         knechten und ihrer Freiheit berauben sollen? Man habe die Zusicherung des                         freisinnigen (?) Ministeriums, man habe das Wort, das vom Throne herab                         geklungen, daß nicht Unterdrückung Zweck des Kriegs gewesen u. s. w. Er                         trage daher darauf an, daß man sich jeder Debatte entschlagen (nein! nein!)                         und erklären solle, die Armee habe sich durch ihre Tugenden um das Vaterland                         verdient gemacht, die Völker zollen daher ihrer Tapferkeit die verdiente                         Anerkennung. Er fordere den Präsidenten auf, ob man sich jeder Debatte                         enthalten und diesen Entschluß annehmen wolle? (Nein! nein! ja, ja!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Borokowski:</hi> Er habe sich früher für diese Frage                         bereits einschreiben lassen.</p>
          <p>Präsident: Der Beschluß der Versammlung, daß der Abgeordnete seinen Antrag                         begründen solle, sei bereits erfüllt; es müßte ein neuer Beschluß gefaßt                         werden, ob jener Beschluß zur Abstimmung kommen solle, was unthunlich                         sei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Selinger:</hi> Sein Antrag sei mit Akklamation angenommen                         worden. (Von allen Seiten: Nein, nein!)</p>
          <p>Präsident: Nach dem Stand der Debatte hat der Abg. Schneider das Wort:</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider</hi> aus Schlesien: Ich will Sie nicht durch                         Deklamationen ermüden, meine Absicht ist blos, einen Strahl des Lichts in                         die Nacht eines Gebietes hineinzubringen, das nahe liegt. Wenn ich für den                         Abgeordneten <hi rendition="#g">Kudlich</hi> das Wort ergreife, so drängt                         mich dazu die Menschlichkeit und offenliegende Gerechtigkeit, die                         Nothwendigkeit und Dringlichkeit des Gegenstandes. Soll die Verfassung                         volksthümlich sein, so darf kein Stand einen wichtigern Platz darin                         einnehmen, als der wackere Bauernstand. Ich will nicht wie die Katze um den                         Brei gehen, ich will entschieden sprechen, ich will, daß der Landmann von                         der Unterthänigkeit frei sei; daß er nicht abhängig sei von Gesetzen, durch                         welche Willkühr, Laune und Gewalt ihn ausbeuten. Warum so viele Klagen, die                         hier zusammenströmen, daß der Tisch des Hauses darunter zusammenzubrechen                         droht? Wenn wir beim Durchlesen des Registers der Giebigkeiten und Arbeiten                         schon bei den bloßen Namen kaum zu Athem kommen können, wie viel mehr ist es                         unmöglich, das zu bezeichnen, was den Menschen niederdrückt. Ein                         Abgeordneter aus Tirols Alpenland, vielleicht aus Sympathie für ein anderes                         Alpenbrüdervolk, hat das Auge der Versammlung hingerichtet auf das Volk in                         den Sudeten, auf ein Land des Elends. Dies Land heißt: Schlesien. Darauf                         schildert der Redner das Elend Schlesiens und dankt mit einem Gott lohn' es                         euch! für den Beistand Wiens. (Anhaltender Beifall). Was der Himmel schickt,                         das wendet er, aber was der Mensch dem Menschen zufügt, weicht schwer, ist                         schwer zu ertragen. (Beifall). Schwer trägt der Schlesier, er scheut die                         Arbeit nicht, will sie aber nicht leisten, wie der Sklave, der nur der                         Geißel des Drängers folgt. Er will nicht blos mit sauerm Schweiße den Boden                         allein düngen, er will ihn Eigenthum nennen, will frei sein. Die neue Zeit                         der Freiheit hat das Rechtsgefühl in seiner Brust geweckt, und er fragt,                         warum geht der Ruf, der andern ertönt, mich nicht an? Warum bin ich allein                         auserkoren, die Wege zu machen und die Straßen zu bauen? warum ergeht an                         mich allein der Ruf: &#x201E;Bauer spann' an!&#x201C; während die Pferde der Herrschaften                         sich an der Krippe mästen? Sehen Sie in das schlesische Gebirge, da finden                         Sie einzelne Hütten zerstreut, der Rauch durchzieht sie, armselige Menschen                         bewohnen sie, deren einzige Nahrung Haferbrod ist. Dort gibt es                         Dominikalklagen, welche zeigen, wie die Obrigkeit ihre Verträge hält. Dort                         muß noch Miethzins und Steuer bezahlt werden. Dort lastet noch die Robot auf                         dem Häusler, obwohl sie in der reichern Provinz Mähren bereits abgeschafft.                         Dort gab es Fälle, wo das Laudemium dreimal nacheinander gefordert wurde.                         Mir blutet das Herz, wenn ich an Schlesien denke, aber ich spreche gleiches                         Recht an für alle Landleute. Das Volk verdiene es, es legt den Kern, der den                         Boden abgeben soll für die neuen Institutionen. Das Herz wird mir weit, wenn                         ich bedenke, wie die Leute heranreifen werden unter der Sonne der Freiheit.                         Es gibt große Schwierigkeiten, den Knäul zu lösen, aber mit Muth, mit Eifer,                         mit Fleiß, wird man ihn lösen können. Ich will, daß wir alle beitragen, um                         auf die Linie zu kommen, wohin wir streben, auf das Feld der Demokratie!                         (Rauschender Beifall) wo alle sich die Hände reichen, daß das Wort in                         Erfüllung gehe: &#x201E;Liebe und Friede werden einander küssen.&#x201C; In ihrer                         Erfahrung und in ihrem geprüften Leben haben die Landleute ein corpus juris                         und natürliche Pandekten in ihrer Brust, die nicht leicht irre leiten. Wenn                         die Arbeiterklasse im Momente großer Aufregung die wildtobenden                         Leidenschaften zurückdrängen konnte, wie können wir zweifeln, daß dem                         Landvolke ein solcher gesunder sittlicher Sinn fehle? Armes Volk, wir wollen                         uns deiner annehmen. Die Kammer darf keinem Terrorismus weichen, weder dem                         der Bajonnette, noch dem der Keulen. Aber die Verzweiflung tritt ein, wenn                         der Hoffnungsstern erbleicht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Popiel,</hi> Grundbesitzer und Abgeordneter aus Starasol                         in Galizien, in gebrochener Mundart. Es gebe nur ein Recht, und dieses Recht                         kenne keine Bedingung, keine Ausnahme. Sobald man aber die Frage, ob das                         Unttrthänigkeitsverhältniß ungerecht sei, in's Klare gekommen, dann sei es                         auch an dem Reichstage, ohne alle Bedingung die Lasten desselben aufzuheben.                         Das historische Recht spricht für die Dinge wie sie sind, das natürliche wie                         sie sein sollen. Nach ersterem wäre es zu gewagt, behaupten zu wollen, das                         Unterthänigkeitsverhältniß sei darum gerecht, weil Deutschland ursprünglich                         nur von Baronen, Freiherren und Grafen besetzt worden sei, so wie das Land                         der Slaven von Starosten und Wojwoden, das anzunehmen, wäre wohl zu gewagt!                         (Allgemeine Heiterkeit.) Es ist ferner wohl richtig bemerkt worden, daß den                         Grund und Boden des Landmannes der Grundherr besessen, und ihm unter                         Bedingung verkauft habe, ich frage aber, kann irgend wer mehr Recht                         verkaufen, als er je besessen? Glaubt das ein Grundherr, so appellire er an                         die Geister seiner hohen Ahnen. (Stürmischer Beifall.) Das historische Recht                         ist nicht von gestern, das kann uns nicht binden &#x2012; das wahre historische                         Recht dringt auf unbedingte Auflösung des Unterthänigkeitsverhältnisses.                         Nach dem Rechte der Natur? hätte dann der höher Geborene etwa mehr Recht als                         der Geringe? (Beifall.) Man hat sich sogar diese Tage auf die Bestätigung                         der Robot durch Kaiser und Fürsten berufen, wollten wir hier alle die <ref type="link">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</ref>                     </p>
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        <p>Der Gerant, <hi rendition="#g">Korff.</hi><lb/>
Druck von Wilhelm Clouth in                     Köln.</p>
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          <ref type="link">(Hierzu eine Beilage.)</ref>
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</TEI>
[0416/0004] neues Wahlgesetz auf den oben angeführten Grundlagen. Die kurhessische Ritterschaft zitterte. Der Präsident v. Brumbach ging mit hochherzigem Beispiel voran, indem er sich bereit erklärte seinen Vorrechten zu entsagen. Aber die andern Herrn „zagen und zaudern“; der eine Kammerherr hält die Kammer für inkompetent, der andere Ritter will noch warten. Der Universitätsvertreter Professor Bengk (der Philolog) und der Dep. König (der Dichter) sind ähnlicher ritterlicher Meinung. Endlich wird der Antrag Henkels zur „Erwägung gezogen“ und an die Regierung verwiesen. ‒ Meinen Wunder, was sie gethan haben! Einstimmigkeit wäre nöthig nach der Verfassungs-Urkunde wenn das neue Gesetz durchgehen soll. Es fehlt noch Viel daran. Aber ich prophezeihe den Landständen kein sanftes Ruhekissen, die ihr Veto einlegen. Auch das Ministerium Eberhardt wird sich nicht auf lange halten können, wenn es sich gegen ein solches Gesetz erklärt. München, 14. Aug. Eine nicht unbedeutende Ruhestörung verursachten gestern Nacht 30-40 Soldaten verschiedener Waffengattungen bei einem Wirth in der Löwenstraße. Nachdem dieselben ein gehöriges Quantum Bier zu sich genommen hatten, demolirten sie das Wirthslokal und alles in demselben Befindliche auf jämmerliche Weise, ohne daß die Polizei oder Militairbehörde dagegen einschreiten ließ, obwohl das strafwürdige Verfahren volle drei Viertelstunden dauerte. Ein anwesender Feldwebel von der Garnisonscompagnie, der abwehren wollte, wurde von der tobenden Schaar verwundet, zwei in der Nachbarschaft wohnende Bürger, die das Gleiche beabsichtigten, bis in ihre Wohnungen verfolgt. Die Veranlassung zu diesem, wie es scheint, verabredeten Krawall soll der Umstand gegeben haben, daß der Wirth vor einigen Tagen einem sein Bier nicht zahlenden Unteroffizier den Säbel abnahm, nach andern Angaben verschiedene Aeußerungen des Wirthes über das Militair (N. C.) Stuttgart, 17. August. In Cannstadt kam es gestern in Folge einer Weigerung des Oberamtmanns, einen als Polizeispion verhaßten Schriftsetzer, Namens Benz, der um elenden Sündenlohn mehrere Bürger und Arbeiter fälschlich denunzirt hatte, zur Bestrafung an das Oberamtsgericht herauszugeben, der seine Anwesenheit auf dem Oberamt sogar dem Stadtschultheißen von Cannstadt verläugnete, zu unruhigen Auftritten, wobei sich indeß sowohl die Bürger als die Bürgerwehr sehr besonnen benahm, indem sie zwar auf die Auslieferung des verätherischen Schurken bestand und ihn an das Oberamtsgericht ablieferte, aber ihn auch auf dem Wege dahin, sowie bei seiner gleich darauf erfolgten Ablieferung an das Criminalamt Stuttgart vor der Volkswuth schützte, indem er sonst massacrirt worden wäre. (F. J.) Stuttgart, 18. Aug. Sicherem Vernehmen nach ist die Untersuchung gegen die bis jetzt von der großherzogl. badischen Regierung ausgelieferten, bei dem bewaffneten Einfall in Baden betheiligten Würtemberger ‒ 31 an der Zahl ‒ durch höchste Entschließung niedergeschlagen worden. Gestern fielen in Kannstatt unruhige Auftritte wegen eines verdächtigen Subjektes, Schriftsetzer Benz von Ulm vor. Derselbe trieb sich schon längere Zeit arbeitslos herum, spielte den überspannten Freiheitsmann und Anhänger Hecker's, soll aber dabei die Leute ausgeholt und verathen haben, weßwegen schon seit einiger Zeit Mißstimmungen gegen die Behörde herrschte, die sein Treiben gewähren ließ. Derselbe wurde nun verhaftet und gestern hierher abgeführt, wobei ein kleiner Auflauf vorfiel. Nachts gingen Patrouillen des hier liegenden 4. Reiterregiments in der Richtung nach Kannstatt; weiter fand keine militärische Einschreitung statt. Ein Bürger soll verhaftet, jedoch bald wieder frei gegeben worden sein. Die Ordnung ist nicht weiter _ worden. (Schw. M.) ** Hamburg, 18. August. Endlich ist auch in Hamburg die Volkssouveränetät anerkannt. Die democratischen Vereine haben dem Senate den Beschluß abgenöthigt daß er eine konstituirende Versammlung beruft, die ohne Rath- und Bürgerschaft allein über die künftige Verfassung Hamburgs entscheide. Senator Haller theilt heute der Deputation der demokr. Vereinsversammlung den Bescheid des Senates mit, derselbe lautet: „Nach sorgfältiger Erwägung der eingegangenen verschiedenen Petitionen ist der Senat Seinerseits der Ansicht, daß die Feststellung der künftigen Verfassung abseiten der zu diesem Zwecke zu berufenden konstituirenden Versammlung unabhängig von Rath und Bürgerschaft zu beschaffen sein werde, und wird Er daher Seinen Antrag an Erbges. Bürgerschaft hierauf richten.“ 61 Wien, 16. August. Das von früheren Spionen Metternichs redigirte Hofblatt „die Presse“ zeigt sich heute sehr ungehalten darüber, daß der Reichstag in seiner Sitzung vom 14. den Antrag des Abg. Selinger auf Anerkennung der Armee-Verdienste um's Vaterland so gänzlich hat abfahren lassen. Sie sagt: „Einen wahrhaft betrübenden Eindruck mußte die Stimmung der Kammer bei Gelegenheit des Antrags des Abg. Selinger auf diejenigen hervorbringen, welche die Ehre und die Größe des Landes höher stellen, als Ansichten und Theorien der Parteien. Herr Selinger hatte von der Kammer die Anerkennung des Ruhmes verlangt, welchen die österreichische Armee durch Aufopferung und glänzende Waffenthaten in Italien verdient hat. Ein solcher Antrag hätte der Begründung nicht bedurft. Die Stimme des Parlamentes mußte ihn unterstützen, sowie die Stimme des Volkes. Wir wissen es, es gibt in unserer Versammlung eine Partei, welche Neues aufzubauen strebt mit gänzlichem Absehen von dem Alten und Bestehenden. Sie ist eine Minorität, (?) aber sie ist gestern insoweit durchgedrungen, als sie einen Beschluß unmöglich machte, dem Einstimmigkeit allein Werth und Würde geben konnte. Glauben wohl die Herrn der Linken, sie hätten den Ansprüchen des Auslandes gegenüber Oesterreich (?) gekräftigt? Wird man nicht die öffentliche Meinung in Oesterreich selbst anrufen, um gebetenden Ansprüchen mehr Geltung zu verschaffen? Wir wären durchaus nicht erstaunt, wenn die französischen Journale und die französischen Minister den Vorgang in der Versammlung vom 14. als gefährliche Waffe gegen uns wenden sollten. Das Centrum, dem diese Ideen nicht ganz ferne gelegen zu sein scheinen, hätte durch kräftiges Auftreten das offene Wiederstreben der Linken und die berechnende Gleichgültigkeit der Rechten überwinden müssen.“ Soviel ist gewiß, der Hof hat sich im Reichstag geirrt, die öffentliche Meinung hat ihn für unmöglich gehalten; er scheint beiden zu trotzen. Graf Stadion glaubte die 80 und mehr galizischen Bauern, welche im Reichstag sitzen und kein deutsch verstehen, wie ein Leithammel führen, und nach seinen Zwecken benutzen zu können; Pillersdorf hoffte auf eine ähnliche Umscharung durch deutsche Bauern. Doch, in den Sprachen verschieden, haben all diese Leute ein gemeinsames Gefühl, ein gemeinsames Wollen aus der Heimath mitgebracht, und dies ist ihre gemeinschaftliche Sprache. Sie alle reden die Sprache der Demokratie und lernen sie täglich, je mehr sie ihre Leithämmel erkennen, besser reden. Anfangs stimmte der Bauer nach dem Wink der Pillersdorfs und Stadions, jetzt besucht er die Klubs und unterrichtet sich in den Abendzusammenkünften der, obwohl national gemischten, doch nur die eine Sprache der Demokratie redenden Linken, so wunderbar rasch, daß er selbstständige Anträge zu stellen und, wenn auch mit ungeübter Zunge, à la Popiel, zu reden beginnt. Mit Ungarn scheints zum ernstlichen Zwiste zu kommen. Finanzminister Kossuth hat den öffentlichen Kassen Ungarns verboten, die österreichischen 1 und 2 Guldenzettel anzunehmen. Zugleich hat er die Ausfuhr des Silbergeldes nach nichtöstereichischen Ländern gänzlich verboten, nach Oesterreich aber darf Niemand über 500 fl. Silbergeld führen. Für das mit Beschlagnahme aufgegriffene Geld erhält der Eigenthümer ebensoviel in österreichischen Banknoten und das Silber wird an die öffentlichen Kassen abgegeben. Diese Verordnungen sind Repressalien gegen ähnliche Verordnungen des Wiener Finanzministeriums. Die Krämerwelt Wiens ist vor Wuth über Kossuth außer sich. Man nennt in öffentlichen Blättern Kossuth einen Dieb, den Erzherzog Stephan einen Verräther, weil große aus der Türkei durch Ungarn geführte Silbersendungen nach dieser Verordnung in die ungarischen Kassen spaziert sind und die Adressaten in Wien nur östreichische Banknoten dafür erhalten haben. Der Kamarilla ist nichts erwünschter, als diese Stimmung Wiens; sie kann die Ungarn dann von allen Seiten packen. Ihre Blätter bieten Alles auf, das Verfahren Kossuths im März, wo er den Schrecken des östreichischen Absolutismus benutzt habe, das separatistische Bestreben Ungarns durchzusetzen, als eine niederträchtige Perfidie darzustellen; auch zu der List hat sie gegriffen, die Ungarn als politische Reaktionäre darzustellen und Jellachich ist, um dies zu beweisen, sogar so weit gegangen, unter dem Vorbehalt der kaiserl. Genehmigung, den Gränzern ganz besondere Rechte einzuräumen. Ich sende Ihnen die deshalb von ihm erlassene Verordnung beifolgend mit. Sie lautet: Agram, 12. August. Der Ban verordnet in Berücksichtigung der ganzen Monarchie, für deren Integrität das Grenzvolk die meisten Opfer leistet; in Erwägung der kritischen Verhältnisse diesesLandes, auf dessen Demoralisation man von so vielen Seiten einzuwirken nicht ansteht; in Erwägung der gedrückten Lage der Militärgränze überhaupt, wo schon die Möglichkeit eines anarchischen Zustandes um jeden Preis vermieden werden muß, auf Grundlage der gefaßten und Sr. Majestät dem Kaiser zur allerhöchsten Bestätigung vorgelegten Landtagsbeschlüsse und mit Rückblick auf die ertheilte Konstitution für die Gesammtmonarchie, ‒ zur Erleichterung des Grenzvolkes in Anhoffnung der allerh. Bestätigung der eingesendeten Gesetzvorlagen unter anderen folgende Begünstigungen und Zugeständnisse in Wirksamkeit treten zu lassen, und zwar: Das unbewegliche Vermögen des Grenzvolkes ist dessen wahres Eigenthum. Die Gemeindehutweiden sind ein Eigenthum der Gemeinden. Aus den Aerarial-Waldungen sind den Grenzhäusern alle Bedürfnisse auf die möglichst leichte Art zu erfolgen. Jeder Grundvertrag kann schriftlich vor der Compagnie-Session rechtsgiltig unter Beobachtung der bevorstehenden Normen abgeschlossen und ohne weitere Umstände durch die Compagnie mit Hinterlegung eines Pare in den Akten im Grundbuch behandelt werden. Die Grenzjugend hat ohne Ausnahme das Recht niedere und höhere Schulen zu besuchen, und Handwerke zu erlernen. Die Familientheilungen sind unter erleichterten Bedingungen anstandlos zu gestatten: Jeder Grenzer kann aus einem Hause in ein anderes Grenzhaus mit Einwilligung der beiderseitigen Familien und der Kompagnie Session übertreten, wenn seine Militärpflicht dadurch nicht umgegangen wird. Die bisherige Aerarial-Arbeit wird ganz aufgehoben. Die bisher gegen Aerarial-Arbeit beigestellte Vorspann ist künftig auf kriegskommissariatisch angewiesene Marsch-Routen gegen Bezahlung in conto aerarii beizustellen, wobei jedoch alle Mißbräuche streng hintanzuhalten sind. Vom Salzhandel wird keine Steuer gezahlt. Die Preise des Meersalzes sind herabgesetzt. Auf den Waldblößen ebenso als in den offenen Waldungen ist die Waldweide unentgeldlich gestattet. Die Grenzer können auf eigenen Grundstücken auch Waldanlagen machen. Die Heirathslicenzen sind dem Grenzvolke bei der Compagnie-Session zu erfolgen. Zwangsweise Kommandirungen gegen Bezahlung, mit Ausnahme der Vorspann auf Marsch-Routen, dürfen nicht stattfinden. Das Recht der freien Holzung, Viehweide und Mastung zum häuslichen Bedarf steht allen Grenzbewohnern zu. Die im Dienste erkrankten Grenzer haben auch fernerhin ab aerario die Medikamente zu erhalten Mit Ausnahme der Grundstücke kann jeder Grenzer ein eigenes Vermögen besitzen. Der letzte Sprosse einer Haus-Kommunion kann auch über Grundstücke testiren. Da alle grundbesitzenden Grenzbewohner gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben, so ist der unbeschränkte Grunderwerb auch allen Offizieren, Beamten, Geistlichen, Grenz-Handels- und Gewerbsleuten, welche in der Grenze beständigen Wohnsitz haben, gestattet. Die Worte: „in Anhoffnung allerhöchster Bestätigung“ werden dabei wol der Rückhalt zum spätern Wiederabnehmen. Das Schwarzgelbthum _ ist entzückt über die französische Regierung; ihre Verweigerung Karl Albert zu Hülfe zu eilen, hat es außer sich gebracht. Die Presse bringt in dieser Beziehung seinem ganzen Inhalte nach einen Aufsatz der Estaffette, worin unter Anderem gesagt ist: „Die sardinische Regierung hat es für nöthig erachtet, die französische Intervention anzusuchen, was gestern durch Marquis Rieci geschehen ist. ‒ Ohne eben in die Details der Konferenz einzugehen, können wir versichern, daß die französische Regierung dem sardinischen Könige ihr aufrichtiges Bedauern ausgedrückt hat, daß sie ihm den materiellen Beistand heute nicht mehr zusichern könne, den sie ihm vor zwei Monaten angeboten habe. Bei den ungeheuren Veränderungen, welche seit der Zeit in Europa stattgefunden haben, (der Schacher-Kalkul und seine Fußschemel, die Throne, sind wieder Herr geworden) könnte Frankreich nicht interveniren, ohne einen allgemeinen europäischen Krieg herbei zu führen. Frankreich werde übrigens aus Sympathie (Schacherhohn) für die italienische Unabhängigkeit sich mit dem englischen Kabinette in Einvernehmen setzen u. s. w. 61 Wien, 16. Aug. Unter dem Vorwande der Beeinträchtigung der Kommunikation haben Sicherheitsbeamte der Stadthauptmannschaft (gegenwärtiger Name der Polizei) gestern den Versuch gemacht, die fliegenden Buchhändler mit ihren fahrenden Magazinen, Trompeten und sonstigen Ausrufungsinstrumenten vom Michaeler- und Stephansplatz zu vertreiben. Die neue Industrie leistete indessen kräftig Widerstand und behauptet heute wieder ihre Posten. Wenn Sie uns keine rheinländischen Schacher- und Konstabler-Genies hieher schicken, gehen wir wahrhaftig in der Anarchie, diesem steten Freiheitsprügel des Philisterthums, unter. In Hietzing soll es am Sonntag zwischen Studenten und zurückgekehrtem schwarzgelbem Junkerthum zu Händeln gekommen sein. Die Studenten hatten den Ort, eine Sommersprosse Schönbrunns, welches nebenan liegt, auf gewisse, Ihnen mitgetheilte Gerüchte hin, rekognoszirt, sich dann bei dem Aristokratenwirth Dommayr niedergelassen und auf diese Weise die Kamarilla und ihre Trabanten in Angst und Besorgniß versetzt. 61 Wien, 16. Aug. (21. Sitzung des Reichstags vom 14. Aug. Vorsitz: Strobach; Tagesordnung, Berathung über den Antrag Kudlichs auf Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse). Nachdem schon in der Sitzung vom 13. die Berathung in Folge der erschöpften Amendements mit einer langen, unerquicklichen Rede des Abgeordneten Jonak ihren Anfang genommen ward dieselbe in einem Vortrage Trogans fortgesetzt, dessen wesentlichen Inhalt ich bereits gestern referirt habe. Hierauf interpellirte der Abg. Smolka den Minister Dobblhof, indem er einen amtlichen Erlaß des Kreisamtes zu Zolkiem vorwies, wonach dieses auf eine Verfügung des Landesguberniums vom 29. Juni erklärt, daß es den Nationalgarden nicht erlaubt sei, außer ihrem Orte Waffen und Uniformen zu tragen, und daß ferner die Ausweiskarten der Kommandanten nicht als Legitimationsdokumente gelten sollen. Zuwiderhandelnde sollen angehalten und vom Kreisamte unter Eskorte oder gebunden an das Lemberger Nationalgardenkommando abgesendet werden. Daraus könne man entnehmen, wie das Landespräsidium in Galizien durch die Kreisämter regiren lasse und wie es komme, daß das Landvolk gegen das Institut der Nationalgarde mißtrauisch sei. (Soll die metternich'sche Banditenpolitik nun vielleicht auch gegen den polnischen Bürgerstand ausgeführt werden?) Er frage daher das Ministerium, ob jene Verfügung in Folge eines Ministerialerlasses geschehen, ob dasselbe davon Kunde habe, und was es zu thun gedenke, um den inkonstitutionellen Akt rückgängig zu machen? Dobblhof: (à l'ordinaire) der Vorgang sei dem Ministerium nicht bekannt und stimme nicht mit den Grundsätzen überein, die das Ministerium bezüglich des Instituts der Nationalgarde eingehalten wissen will. Er könne den Vorgang nicht billigen, sei dem Interpellanten für dessen Mittheilung verbunden und werde das Nöthige sogleich veranlassen. Meimershoffer: Der Amtmann in Wisowitz habe in Lippa die Ablieferung der Waffen verlangt und, weil er sie nicht erhalten, vom Kreisamte Dragoner requirirt, Haussuchungen gehalten und die Waffen weggenommen; ob jene Verletzung des Hausrechts nicht auf höhern Befehl geschehen sei? (Man befürchtet hier eine Erhebung Galiziens). Dobblhof: So lange die Sache nicht amtlich konstatirt sei, könne er nichts vornehmen. (?!) Demel interpellirt wegen Verletzung des Briefgeheimnisses, indem er einen erbrochenen Brief, den er an seine Kommittenten gesendet, vorzeigt. Dobblhoff weist jede Zumuthung, als ob das Ministerium das Briefgeheimniß nicht achte, zurück. Die Verletzung sei bei Briefen, die spät kommen und schnell eingepackt werden müssen, oft eine Folge der Manipulation, (gar zu naiv, weil sehr wahr). Finanzminister Kraus: Die Sache gehe ihn an; er habe Befehl gegeben, das Briefgeheimniß zu achten. Auch vor einigen Tagen sei ihm ein solcher Fall mitgetheilt worden; er erbittet sich den Brief, nimmt ihn mit und verspricht Untersuchung. Löhner interpellirt 1) wider das Abhalten von Provinziallandtagen, 2) wegen der bewaffneten Sonderkorps (Swornost) die sich in Prag gebildet, und ob dieselben der Nationalgarde gegenüber bestehen könnten? ‒ Dobblhof ad 1) der Interpellant werde wohl einsehen, daß einige Zeit erforderlich sei, so viele Fragen zu beantworten; er werde dies in der nächsten Sitzung thun; ad 2) verspricht er ein Nationalgardegesetz bald vorlegen zu können. Was aber die Swornost anbetreffe, so könne das Ministerium über einen Gegenstand, der in Verhandlung begriffen ist, nie sagen, was es thun werde. Der Kriegsminister theilt den von Radetzky mit Karl Albert abgeschlossenen 6wöchentlichen Waffenstillstand mit. Schon nach den ersten Siegesberichten im Juli hatte der Abg. Selinger den Antrag gestellt, der Reichstag möge erklären, die Armee Italiens habe sich um das Vaterland verdient gemacht, allein dieser Antrag wurde Kudlich's Antrag, weil dieser dringlicher sei, von Anfang an hintangesetzt. Präsident: erhält der Antrag des Abg. Selinger Unterstützung? Wird unterstützt. (Ruf von mehren Seiten! Tagesordnung! Tagesordnung!) Präsident stellt die Frage, ob die Versammlung zur Tagesordnung übergehen wolle; sie bleibt in der Minorität. Bielinski: Man hätte diese Frage gar nicht stellen sollen. Präsident: Ueber jeden Antrag muß angefragt werden. Er stelle jetzt die Frage, ob man dem Abg. Selinger 10 Minuten zur Begründung seines Antrags gewähren wolle. (Angenommen). Selinger will die Tribüne besteigen, findet aber den für den Kudlichischen Antrag eingeschriebenen Redner Schneider schon dort, weßhalb ihn der Präsident ersucht, von seinem Sitze aus zu sprechen. (Ruf von mehren Seiten: Auf die Tribüne. ‒ Schneider verläßt dieselbe). Selinger: (Auf der Tribüne). Die Armee habe neue Blumen in den alten Siegeskranz Oesterreichs gewunden; ein Reich, welches auf solche Siege hinweisen könne, sei kein Reich des Verfalls, sondern ein Reich des Emporblühens, dem eine glänzende Zukunft winke. Es liege den Nationen die Pflicht der Dankbarkeit ob, wenn ihre Krieger ihnen materielle Vortheile erkämpfen. Ob es etwa ein Kampf gewesen sei, der Millionen hätte knechten und ihrer Freiheit berauben sollen? Man habe die Zusicherung des freisinnigen (?) Ministeriums, man habe das Wort, das vom Throne herab geklungen, daß nicht Unterdrückung Zweck des Kriegs gewesen u. s. w. Er trage daher darauf an, daß man sich jeder Debatte entschlagen (nein! nein!) und erklären solle, die Armee habe sich durch ihre Tugenden um das Vaterland verdient gemacht, die Völker zollen daher ihrer Tapferkeit die verdiente Anerkennung. Er fordere den Präsidenten auf, ob man sich jeder Debatte enthalten und diesen Entschluß annehmen wolle? (Nein! nein! ja, ja!) Borokowski: Er habe sich früher für diese Frage bereits einschreiben lassen. Präsident: Der Beschluß der Versammlung, daß der Abgeordnete seinen Antrag begründen solle, sei bereits erfüllt; es müßte ein neuer Beschluß gefaßt werden, ob jener Beschluß zur Abstimmung kommen solle, was unthunlich sei. Selinger: Sein Antrag sei mit Akklamation angenommen worden. (Von allen Seiten: Nein, nein!) Präsident: Nach dem Stand der Debatte hat der Abg. Schneider das Wort: Schneider aus Schlesien: Ich will Sie nicht durch Deklamationen ermüden, meine Absicht ist blos, einen Strahl des Lichts in die Nacht eines Gebietes hineinzubringen, das nahe liegt. Wenn ich für den Abgeordneten Kudlich das Wort ergreife, so drängt mich dazu die Menschlichkeit und offenliegende Gerechtigkeit, die Nothwendigkeit und Dringlichkeit des Gegenstandes. Soll die Verfassung volksthümlich sein, so darf kein Stand einen wichtigern Platz darin einnehmen, als der wackere Bauernstand. Ich will nicht wie die Katze um den Brei gehen, ich will entschieden sprechen, ich will, daß der Landmann von der Unterthänigkeit frei sei; daß er nicht abhängig sei von Gesetzen, durch welche Willkühr, Laune und Gewalt ihn ausbeuten. Warum so viele Klagen, die hier zusammenströmen, daß der Tisch des Hauses darunter zusammenzubrechen droht? Wenn wir beim Durchlesen des Registers der Giebigkeiten und Arbeiten schon bei den bloßen Namen kaum zu Athem kommen können, wie viel mehr ist es unmöglich, das zu bezeichnen, was den Menschen niederdrückt. Ein Abgeordneter aus Tirols Alpenland, vielleicht aus Sympathie für ein anderes Alpenbrüdervolk, hat das Auge der Versammlung hingerichtet auf das Volk in den Sudeten, auf ein Land des Elends. Dies Land heißt: Schlesien. Darauf schildert der Redner das Elend Schlesiens und dankt mit einem Gott lohn' es euch! für den Beistand Wiens. (Anhaltender Beifall). Was der Himmel schickt, das wendet er, aber was der Mensch dem Menschen zufügt, weicht schwer, ist schwer zu ertragen. (Beifall). Schwer trägt der Schlesier, er scheut die Arbeit nicht, will sie aber nicht leisten, wie der Sklave, der nur der Geißel des Drängers folgt. Er will nicht blos mit sauerm Schweiße den Boden allein düngen, er will ihn Eigenthum nennen, will frei sein. Die neue Zeit der Freiheit hat das Rechtsgefühl in seiner Brust geweckt, und er fragt, warum geht der Ruf, der andern ertönt, mich nicht an? Warum bin ich allein auserkoren, die Wege zu machen und die Straßen zu bauen? warum ergeht an mich allein der Ruf: „Bauer spann' an!“ während die Pferde der Herrschaften sich an der Krippe mästen? Sehen Sie in das schlesische Gebirge, da finden Sie einzelne Hütten zerstreut, der Rauch durchzieht sie, armselige Menschen bewohnen sie, deren einzige Nahrung Haferbrod ist. Dort gibt es Dominikalklagen, welche zeigen, wie die Obrigkeit ihre Verträge hält. Dort muß noch Miethzins und Steuer bezahlt werden. Dort lastet noch die Robot auf dem Häusler, obwohl sie in der reichern Provinz Mähren bereits abgeschafft. Dort gab es Fälle, wo das Laudemium dreimal nacheinander gefordert wurde. Mir blutet das Herz, wenn ich an Schlesien denke, aber ich spreche gleiches Recht an für alle Landleute. Das Volk verdiene es, es legt den Kern, der den Boden abgeben soll für die neuen Institutionen. Das Herz wird mir weit, wenn ich bedenke, wie die Leute heranreifen werden unter der Sonne der Freiheit. Es gibt große Schwierigkeiten, den Knäul zu lösen, aber mit Muth, mit Eifer, mit Fleiß, wird man ihn lösen können. Ich will, daß wir alle beitragen, um auf die Linie zu kommen, wohin wir streben, auf das Feld der Demokratie! (Rauschender Beifall) wo alle sich die Hände reichen, daß das Wort in Erfüllung gehe: „Liebe und Friede werden einander küssen.“ In ihrer Erfahrung und in ihrem geprüften Leben haben die Landleute ein corpus juris und natürliche Pandekten in ihrer Brust, die nicht leicht irre leiten. Wenn die Arbeiterklasse im Momente großer Aufregung die wildtobenden Leidenschaften zurückdrängen konnte, wie können wir zweifeln, daß dem Landvolke ein solcher gesunder sittlicher Sinn fehle? Armes Volk, wir wollen uns deiner annehmen. Die Kammer darf keinem Terrorismus weichen, weder dem der Bajonnette, noch dem der Keulen. Aber die Verzweiflung tritt ein, wenn der Hoffnungsstern erbleicht. Popiel, Grundbesitzer und Abgeordneter aus Starasol in Galizien, in gebrochener Mundart. Es gebe nur ein Recht, und dieses Recht kenne keine Bedingung, keine Ausnahme. Sobald man aber die Frage, ob das Unttrthänigkeitsverhältniß ungerecht sei, in's Klare gekommen, dann sei es auch an dem Reichstage, ohne alle Bedingung die Lasten desselben aufzuheben. Das historische Recht spricht für die Dinge wie sie sind, das natürliche wie sie sein sollen. Nach ersterem wäre es zu gewagt, behaupten zu wollen, das Unterthänigkeitsverhältniß sei darum gerecht, weil Deutschland ursprünglich nur von Baronen, Freiherren und Grafen besetzt worden sei, so wie das Land der Slaven von Starosten und Wojwoden, das anzunehmen, wäre wohl zu gewagt! (Allgemeine Heiterkeit.) Es ist ferner wohl richtig bemerkt worden, daß den Grund und Boden des Landmannes der Grundherr besessen, und ihm unter Bedingung verkauft habe, ich frage aber, kann irgend wer mehr Recht verkaufen, als er je besessen? Glaubt das ein Grundherr, so appellire er an die Geister seiner hohen Ahnen. (Stürmischer Beifall.) Das historische Recht ist nicht von gestern, das kann uns nicht binden ‒ das wahre historische Recht dringt auf unbedingte Auflösung des Unterthänigkeitsverhältnisses. Nach dem Rechte der Natur? hätte dann der höher Geborene etwa mehr Recht als der Geringe? (Beifall.) Man hat sich sogar diese Tage auf die Bestätigung der Robot durch Kaiser und Fürsten berufen, wollten wir hier alle die (Siehe den Verfolg in der Beilage.) Der Gerant, Korff. Druck von Wilhelm Clouth in Köln. (Hierzu eine Beilage.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 82. Köln, 22. August 1848, S. 0416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz082_1848/4>, abgerufen am 25.04.2024.