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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 110. Köln, 23. September 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 110. Köln, Samstag den 23. September. 1848.

Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Das Ministerium der Kontrerevolution.) Frankfurt. (Säbelherrschaft. - Todte und Verwundete. - Gagern. - Standrecht. - Transport der Gefangenen. - Stand der Militärmacht. - Die Erstürmung des Hanauer Zeughauses. - Gefangene nach Mainz. National-Versammlung.) Berlin. (Spannung. - Wrangels Rede. - Pläne der Kontrerevolution. - Schwanken des Königs.) Wien. (Pläne gegen die Aula. - Prager und Pesther Deputation. - Komorn abgebrannt. - Die Dreifarbigen; die Zweifarbigen und die Einfarbigen.) Potsdam. (Die Soldaten-Excesse. - Militär in Volksversammlungen.) Provinz Posen. (Eine Hansemannsche Finanzmaßregel.) Mühlheim an d. Rh. (Volksversammlung.) Crefeld. (Attentat.) Koblenz. (Volksjustiz.) Aus Franken. (Justiz-Gefängnisse.)

Ungarn. Pesth. (Verrath. - Stimmung für Kossuth. - Vertheidigungsanstalten. - Kossuth wieder Redakteur.)

Italien. (Livorno ruhig. - Kriegslager in Pisa. - Pläne der Regierung. - Protest der lombard. Consulta. - Verfahren gegen Garibaldi.) Genua. (Die Spione. - Ankunft eines Theils der Algier Fremdenlegion. - Manin verlangt Geldhülfe.) Neapel. (Die Unruhen. - Ministerveränderungen. - Kampf zwischen Soldaten und Lazzaroni)

Franz. Republik. Paris. (Die Wahlen. - Nat. Versamml)

Großbritannien. Dublin (Die Staatsgefangenen nach Clonmel.)

Schweiz. Chiasso (Neue Rote Radetzky's.)

Donaufürstenthümer. Galacz. (Die Moldau faktisch russische Provinz.)

Amerika. (Gelbes Fieber auf Staten Island. - Steigen der Brodstoffpreise.)

Deutschland.
** Köln, 22. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Frankfurt, 19. Sept.,

6 Uhr Abends. So eben sind 30 und 40 Gefangene, Theilnehmer der gestrigen Ereignisse, unter scharfer Bedeckung zur Taunuseisenbahn gebracht worden, um auf derselben nach Mainz (Fort Hartenberg) transportirt zu werden.

Frankfurt, 19. Sept.

Bekanntmachung. In Folge der Erklärung ist ein ständiges Kriegsgericht niedergesetzt. Dasselbe hat in der Hauptwache seinen Sitz; es sind somit dahin alle etwaige Gefangene abzuliefern. Frankfurt, 19. September 1848. Das Reichsministerium der Justiz, R. Mohl.

Frankfurt, 20. Sept.,

Vormittags 11 Uhr. So eben trifft die Nachricht von Hanau hier ein, daß die Bürger das dortige Zeughaus gestürmt und alle Waffen genommen haben. Die Eisenbahn an der Mainkur soll aufgerissen sein. Folgendes soll die richtige Verlustliste des hiesigen Barrikadenkampfes sein:

Militär 72 Todte 145 Verwundete.

Bürger 35 Todte 72 Verwundete.

(M. Z.)
Frankfurt, 20. Sept.

In Folge des Belagerungszustandes und proklamirten Standrechts ist ein ständiges Kriegsgericht auf der Hauptwache eingesetzt, welchem die Gefangenen vorgeführt und alsobald abgeurtheilt werden. Schon sind mehrere Transporte der Verurtheilten nach Mainz abgeführt worden. Das Gerücht von der Gefangennehmung Metternich's hat sich nicht bestätigt. Die Zahl der Todten stellt sich größer heraus, als man glaubt, doch läßt sich Bestimmtes noch nicht angeben; gewiß sind 26 Todte auf Seite der Aufständischen; 40 Todte sollen die Truppen haben, darunter mehrere Offiziere. Die Zahl der Verwundeten auf beiden Seiten wird aber auf mehrere Hunderte geschätzt, da natürlich viele sich noch verborgen haben. Es geht das Gerücht, als wolle die Majorität der Nationalversammlung die Abgeordneten, welche am Sonntag bei der Volksversammlung gesprochen haben (Simon aus Trier, Schlöffel, Wesendonk, Zitz) in Anklagezustand versetzen. Gestern bot die Stadt das reine Bild eines Kriegslagers, wie ich es noch nicht gesehen habe. Die Zeile, der Roßmarkt und andere Straßen waren mit Stroh bedeckt, auf welchem die Soldaten lagerten, um von den nächtlichen Strapazen sich zu erholen. Hie und da brachte eine Patrouille einen Gefangenen vorüber, und dazwischen schwärmte eine bunte Menge Neugieriger jedes Alters, Standes, Geschlechtes, um den Kampfplatz, sowie die Lagerstätten sich zu besichtigen. Auf dem Roßmarkt und dem Götheplatze standen die Pferde dreier Schwadronen und wurden im Freien gefüttert.

- Von Truppen befinden sich bis jetzt hier:
Preußen: 4 Bataillone Infantrie und 2 Geschütze.
Oestereich: 3 Bat. Inf. und 2 Geschütze.
Würtemberg: 1 Reg. Kavallerie und 14 Geschütze.
Bayern: 2 Bat. Scharfschützen.
Kurhessen: 2 Bat. Inf.
Hessen-Darmstadt: 2 Schwadr. Kav., 1 Bat. Inf. und 8 Geschütze.

Der "edle Gagern," welcher jetzt so todesmuthig unter dem Schutz der Bajonnette die Linke tyrannisirt und zu neuen Septembergesetzen herausfordert, - der "edle Gagern" wagte sich am Abend des Kampfes nicht nach Hause, sondern hielt sich im Keller eines Gasthofes versteckt. - Auf der Hauptwache werden bereits standrechtliche Urtheile gefällt. - In Mainz ist am 19. ein Transport von etwa 60 gefangenen Insurgenten unter Bedeckung von 500 Soldaten eingebracht worden.

Frankfurt, 20. September.

1/2 10 Uhr. 82. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern.

Tagesordnung:

1. Vorlage von Anträgen.
2. Einsammlung der Wahlzettel über unvollständig gewordene Ausschüsse:
a. den volkswirtschaftlichen-
b. den Wehrverfassungs- und
c. den Geschäftsordnungs-Ausschuß betreffend.
3. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Volkes

Stavenhagen (preußischer Offizier) reklamirt gegen das Protokoll.

Präsident hätte nicht den Tod, sondern die nichtswürdige Ermordung des Lichnowsky und Auerswald angezeigt. So müßte es im Protokoll lauten.

Präsident: Wird verändert.

Austritt eines Abgeordneten und Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt.

Der Bericht wegen Erlaß der Reichsgesetze wird angezeigt.

Justizminister Mohl macht einen Gesetzvorschlag für die Sicherheit der Abgeordneten und der National-Versammlung:

1. Ein gewaltsamer Angriff auf die National-Versammlung wird als Hochverrath bestraft.
2. Die Theilnahme an einer Versammlung in der Nähe der National-Versammlung, welche verboten worden, wird an den Anstiftern mit 1 Jahr, an den Theilnehmern mit 3 Monate Gefängniß gestraft. (!)
3. Volksversammlungen unter freiem Himmel sind nur in einer Entfernung von 5 Meilen von der National-Versammlung gestattet. Uebertretungsfälle werden an den Theilnehmern mit 6 Monate Gefängniß (!!) bestraft.
4. Eindringen Einzelner in die National-Versammlung wird, wenn den Verboten der Exekutivbeamten der National-Versammlung nicht Gehorsam geleistet wird, mit 1 Jahr Gefängniß bestraft.
5. Angriffe auf einzelne Mitglieder der National-Versammlung mit 5 Jahre; Bedrohungen eines Abgeordneten mit 1 Jahr.

Stavenhagen: Nicht blos die leibliche Sicherheit, sondern auch die Verdächtigungen, Herabwürdigungen der National-Versammlung im deutschen Volk müssen unterdrückt werden. Verliest als Beispiel einen Artikel aus Rob. Blums Reichstagszeitung, eine Beurtheilung der Abstimmung über die Waffenstillstandsfrage, unter furchtbarer Entrüstung und Mißbilligung der Rechten und der Centren. Hierauf verlangt Hr. Stavenhagen, was man im gewöhnlichen Leben Unterdrückung der Preßfreiheit nennt. (Furchtbares Bravo rechts.) Gegen solche Angriffe der National-Versammlung, gegen solche Frechheiten muß man sich schützen. (Geschrei. Toben. Links: Verkauft an Dänemark!)

Schaffrath: Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung.... (Gelächter.) Nach rechts: Dies Lachen charakterisirt sie vollkommen! Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung ist es einem Mitgliede der Versammlung erlaubt, ins Materielle seiner Vorschläge einzugehen, ehe die Dringlichkeit erkannt ist. (Zur Sache!) Wir leben in einem Rechtsstaat, der die Preßvergehen straft (Unterbrechungen.)

Präsident: Die Unterbrechungen sind Sitte geworden, besonders von der Linken her

Zimmermann: Dagegen protestire ich.

Präsident: Protestiren Sie so viel Sie wollen!

Schaffrath: Wir brauchen keine Zeitungsartikel, keine Ausnahmegesetze, keinen Schutz gegen Sie (rechts) und Andere. Denunziren Sie, wenn Sie Lust haben, der gesetzlichen Macht. Uebrigens hat bei Gesetzen die Centralgewalt nicht die Initiative zu ergreifen.

Präsident hat nicht gewußt, daß Hr. Stavenhagen das sprechen würde, was er gesprochen hat.

Assessor Wichmann (Preußen): Das Ministerium hat die Initiative. Um solchen Zweifeln gegen die Initiative ein für allemal zu begegnen, soll die Versammlung darüber abstimmen. (Lärm.)

Präsident weist die Linke gehörig zurecht.

Widersprüche links. Werden vom Präsidenten unterdruckt.

Einer von Rechts: Wenn man dem Ministerium die Initiative nicht zugestehen will, so erlauben Sie einem Stockpreußen die Anträge des Ministers zu den seinigen zu machen.

Minister v. Mohl: Das Ministerium nimmt nicht in dem Maße konstitutioneller Staaten das Recht der Initiative in Anspruch, aber das Recht, Vorschläge zu machen, die es für nothwendig hält, werden Sie ihm nicht vorenthalten. Es steht Ihnen ja frei, dann mit den Vorschlägen zu machen, was Sie wollen. (Besonders jetzt!) Auf Stavenhagens Vorschläge ist jetzt nicht einzugehen.

Riesser im Allgemeinen gegen die ministerliche Initiative. Aber es sind Dinge vorgefallen, die solche Anträge dringlich machen. Deshalb schnellste Berichterstattung. (Furchtbares Bravo rechts).

Schluß der Debatte.

Die Versammlung überweist den Gesetzvorschlag des Justizministers zu schnellster Berichterstattung an den Ausschuß für Gesetzgebung.

Dahlmann protestirt gegen jede Belobung, die ihm aus so unreiner Quelle wie der Reichstagszeitung herkommt, feierlich und heilig. Hält eine rührende Rede dazu. (Rechts Bravo!)

Schaffrath erklärt es im Gegensatz zu Hrn. Dahlmann für die höchste Ehre, in einem Blatt, das von Hrn. Jürgens, Mitglied der Versammlung edirt wird, seine Person schmähend erwähnt worden zu sein.

Vogt bedauert, daß der Präsident in solchen Persönlichkeiten und Parteizwisten das Wort giebt, was sonst nie geschehen. Protestirt laut und feierlich gegen die ganze Art der Geschäftsverhandlung und Ordnung der heutigen Sitzung. (Bravo links und Gallerien).

Präsident findet die Bemerkungen und Protestationen Vogts gegründet, hat aber wieder nicht gewußt, was Dahlmann sprechen würde. Abgemacht. (So sagt man unter dem Schutz der. Bajonnette!)

Gravell beantragt einen neuen Ausschuß zur Ausarbeitung eines Aufruhrgesetzes zu wählen. Fällt durch!

Wiesner, Berger, Breuning und mehrere beantragen, in Erwägung der Aufhebung der Prügelstrafe, und mit Hinweisung auf das neueste Spießruthenlaufen in Mainz: "Aufhebung der Prügelstrafe für die Reichstruppen." Fällt durch.

Briegleb beantragt: die Nationalversammlung solle beschließen, eine Ansprache an das deutsche Volk im Hinblick auf die letzten (Frankfurter) Ereignisse.

Die Begründung der Dringlichkeit wird gestattet, und nachdem Briegleb die Dringlichkeit empfohlen, die sofortige Diskussion gleichfalls beschlossen. Nur die Linke erhebt sich nicht.

Briegleb empfiehlt seinen Antrag. Die Presse würde sonst die Ereignisse entstellen.

Eisenmann: Der Waffenstillstand war nicht die Ursache des Aufstandes. (Widerspruch!) Man wollte diese ganze Versammlung mit Ausnahme weniger Mitglieder prostituiren und die rothe Republik proklamiren. (Furchtbares Bravo. Gelächter.) Für Brieglebs Antrag, man müsse aber um das Vertrauen des Volkes wieder zu gewinnen, mehr thun! (Bravo.)

Zimmermann (aus Stuttgart): Ich hätte nichts gegen Brieglebs Antrag. Aber erst muß völlige Beruhigung eintreten. Jetzt würde der Aufruf der Ausdruck der Partei sein, eine neue Brandfackel in das Volk schleudern. Stavenhagens Anträge sind auch eine solche Brandfackel. (Tumult rechts.) Einheit und Friede in der Versammlung sind nöthig. (Rechts: Nein!)

Waiz spricht für den Briegleb'schen Antrag.

Benedey: Belehrung des Volkes über die letzten Ereignisse finden auch wir nöthig. Aber bedenken Sie (rechts), was Machiavell sagt: "Ein Aufstand bringt der fliegenden Partei große Gefahr." Bedenken Sie, daß Mitglieder von Links die ersten Schläge (am Abend des 17. in Westendhaus) bekommen haben. (Bravo.) Meine Herren, das sind Thatsachen, beide Parteien sind prostituirt. (Die Diäten in Gefahr! Welche Gefahr für Herrn Venedey, der schon in Paris die Arbeiter exploitirte!)

Goltz aus Brieg gegen Brieglebs Antrag.

Simson (Jude aus Königsberg) für Briegleb. Gegen die Uebergriffe der Presse.

Joseph (aus Sachsen): Es ist keine Art und Weise, in so ordinären Ausdrücken wie Simson (Jude aus Königsberg) sich auszusprechen. Der Terrorismus scheint eine berauschende Kraft zu haben. (Bravo links.) Die Preßfreiheit kommt auch bald an die Reihe, wie es scheint. (Rechts: Ja!) Ich bin gegen Brieglebs Anträge. Das Ministerium hätte den Aufruhr verhindern können. Durch das Drängen des Militärs um die Kirche ist der Einbruch in die Kirche hervorgerufen. (Unterbrechungen des Hohnes rechts). Man will, so scheint es, eine Pariser Komödie aufführen.

Rößler aus Oels. Wohin führt der Gang der Debatte? - (Zur Sache!) Es wird sich schwerlich für die Proklamation die man vor hat, die Einheit der Versammlung finden. - Und zu einer solchen Vertrauens-Ansprache ans deutsche Volk ist Einstimmigkeit nöthig, Majorität reicht hier nicht aus. - Den Aufstand betreffend, dieser war ein zweck- und zielloser. (Widerspruch.) Die Leiter jener Versammlung haben den Aufruhr nicht mitgemacht! (Sehr glaublich von diesen Verräthern!) Kaum 400 Menschen haben den Aufruhr gemacht. (Desto größere Ehre.) Kaum 150 Gewehre haben diese gehabt. (Widerspruch!) Die Wuth des Volks kam daher, daß ein alter Mann von den Preußen durch Bajonnetstiche verwundet ward. Dem Bau der Barrikaden hat man ruhig zugesehn. Zum Schluß ersuche ich Herrn Briegleb seinen Antrag zurückzuziehen. -

Merk aus Hamburg (mit komischen Pathos) beschreibt die Einbruchsscenen an der Kirchtür. (Geschrei! Tumult! Gelächter! Schluß!)

Schluß der Debatte.

Briegleb wiederholt seinen Antrag, einen Ausschuß zu wählen, der die Proklamation abfaßt. -

Der Antrag von Briegleb wird von der Versammlung angenommen. Die Linke und ein Theil des linken Centrums dagegen. Es wird bestimmt daß zur Ausführung des Brieglebschen Antrags nach der Sitzung jeder Ausschuß ein Mitglied wählt. Die Linke wird sich wahrscheinlich der Wahl enthalten. (Großer Muth!)

Plathner bringt einen dringlichen Antrag: den Gesetzgebungs-Ausschuß zu beauftragen, zu untersuchen, ob nicht ein Gesetz zu entwerfen, welches die Abgeordneten gegen Injurien schützt.

Der Antrag wird nicht als dringlich erkannt.

Man schreitet zu Punkt 2 der Tagesordnung. Ergänzungswahlen der Ausschüsse.

Der Schwätzer Vogt stellt den Antrag wegen der nöthigeren Beschäftigungen der Ausschüsse, die Sitzung zu vertagen. Der Antrag wird angenommen. -

Präs: Noch einige Mittheilungen:

1) Das Reichsministerium zeigt an, daß die Abgeordneten, welche Waffen haben, dieselben anzeigen müssen.

2) Herr Jahn ist, trotz der ausgestreuten Gerüchte, wieder wohlbehalten in Frankfurt eingetroffen. (Die Redaktion verweist auf die gest. No.)

3) Der Exminister Heckscher ist am Leben bedroht worden. In der Stadt Höchst hat man ihn mißhandelt. Er ist glücklich nach Mainz entflohen.

4) Morgen 9 Uhr Beerdigung der gefallenen Offiziere und Soldaten. Die Abgeordneten werden sich um 1/2 9 Uhr in der Paulskirche sammeln. Morgen also keine Sitzung. Nächste Sitzung: Freitag 9 Uhr.

Aus der heutigen Sitzung sehen Sie, daß auch Deutschland seine Septembergesetze haben wird Ich höre in Hanau ist Aufruhr, und Preußen von hier hin. Hier ist "Ruhe", der Belagerungszustand dauert fort.

103 Berlin, 20. Sept.

Daß die Sache jetzt zur Entscheidung kommen wird, ist gewiß, da man von Oben alle Vorbereitungen zur Contrerevolution trifft. General Wrangel hielt heute über die hiesige Garnison eine große Parade ab, und an deren Schluß eine Anrede an die Soldaten und das Volk, worin er von Anarchie sprach, die er unterdrücken werde; von einem kleinen Haufen Aufwiegler, die er ausrotten wolle, indem sonst der früher so blühende (!!) Zustand nicht wieder zurückkehren könne.

Man merkte aus dieser Rede, wie man Wrangel die alten Phrasen Kühlwetter's und Hansemann's sogleich in den Kopf ge-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 110. Köln, Samstag den 23. September. 1848.

Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Das Ministerium der Kontrerevolution.) Frankfurt. (Säbelherrschaft. ‒ Todte und Verwundete. ‒ Gagern. ‒ Standrecht. ‒ Transport der Gefangenen. ‒ Stand der Militärmacht. ‒ Die Erstürmung des Hanauer Zeughauses. ‒ Gefangene nach Mainz. National-Versammlung.) Berlin. (Spannung. ‒ Wrangels Rede. ‒ Pläne der Kontrerevolution. ‒ Schwanken des Königs.) Wien. (Pläne gegen die Aula. ‒ Prager und Pesther Deputation. ‒ Komorn abgebrannt. ‒ Die Dreifarbigen; die Zweifarbigen und die Einfarbigen.) Potsdam. (Die Soldaten-Excesse. ‒ Militär in Volksversammlungen.) Provinz Posen. (Eine Hansemannsche Finanzmaßregel.) Mühlheim an d. Rh. (Volksversammlung.) Crefeld. (Attentat.) Koblenz. (Volksjustiz.) Aus Franken. (Justiz-Gefängnisse.)

Ungarn. Pesth. (Verrath. ‒ Stimmung für Kossuth. ‒ Vertheidigungsanstalten. ‒ Kossuth wieder Redakteur.)

Italien. (Livorno ruhig. ‒ Kriegslager in Pisa. ‒ Pläne der Regierung. ‒ Protest der lombard. Consulta. ‒ Verfahren gegen Garibaldi.) Genua. (Die Spione. ‒ Ankunft eines Theils der Algier Fremdenlegion. ‒ Manin verlangt Geldhülfe.) Neapel. (Die Unruhen. ‒ Ministerveränderungen. ‒ Kampf zwischen Soldaten und Lazzaroni)

Franz. Republik. Paris. (Die Wahlen. ‒ Nat. Versamml)

Großbritannien. Dublin (Die Staatsgefangenen nach Clonmel.)

Schweiz. Chiasso (Neue Rote Radetzky's.)

Donaufürstenthümer. Galacz. (Die Moldau faktisch russische Provinz.)

Amerika. (Gelbes Fieber auf Staten Island. ‒ Steigen der Brodstoffpreise.)

Deutschland.
** Köln, 22. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Frankfurt, 19. Sept.,

6 Uhr Abends. So eben sind 30 und 40 Gefangene, Theilnehmer der gestrigen Ereignisse, unter scharfer Bedeckung zur Taunuseisenbahn gebracht worden, um auf derselben nach Mainz (Fort Hartenberg) transportirt zu werden.

Frankfurt, 19. Sept.

Bekanntmachung. In Folge der Erklärung ist ein ständiges Kriegsgericht niedergesetzt. Dasselbe hat in der Hauptwache seinen Sitz; es sind somit dahin alle etwaige Gefangene abzuliefern. Frankfurt, 19. September 1848. Das Reichsministerium der Justiz, R. Mohl.

Frankfurt, 20. Sept.,

Vormittags 11 Uhr. So eben trifft die Nachricht von Hanau hier ein, daß die Bürger das dortige Zeughaus gestürmt und alle Waffen genommen haben. Die Eisenbahn an der Mainkur soll aufgerissen sein. Folgendes soll die richtige Verlustliste des hiesigen Barrikadenkampfes sein:

Militär 72 Todte 145 Verwundete.

Bürger 35 Todte 72 Verwundete.

(M. Z.)
Frankfurt, 20. Sept.

In Folge des Belagerungszustandes und proklamirten Standrechts ist ein ständiges Kriegsgericht auf der Hauptwache eingesetzt, welchem die Gefangenen vorgeführt und alsobald abgeurtheilt werden. Schon sind mehrere Transporte der Verurtheilten nach Mainz abgeführt worden. Das Gerücht von der Gefangennehmung Metternich's hat sich nicht bestätigt. Die Zahl der Todten stellt sich größer heraus, als man glaubt, doch läßt sich Bestimmtes noch nicht angeben; gewiß sind 26 Todte auf Seite der Aufständischen; 40 Todte sollen die Truppen haben, darunter mehrere Offiziere. Die Zahl der Verwundeten auf beiden Seiten wird aber auf mehrere Hunderte geschätzt, da natürlich viele sich noch verborgen haben. Es geht das Gerücht, als wolle die Majorität der Nationalversammlung die Abgeordneten, welche am Sonntag bei der Volksversammlung gesprochen haben (Simon aus Trier, Schlöffel, Wesendonk, Zitz) in Anklagezustand versetzen. Gestern bot die Stadt das reine Bild eines Kriegslagers, wie ich es noch nicht gesehen habe. Die Zeile, der Roßmarkt und andere Straßen waren mit Stroh bedeckt, auf welchem die Soldaten lagerten, um von den nächtlichen Strapazen sich zu erholen. Hie und da brachte eine Patrouille einen Gefangenen vorüber, und dazwischen schwärmte eine bunte Menge Neugieriger jedes Alters, Standes, Geschlechtes, um den Kampfplatz, sowie die Lagerstätten sich zu besichtigen. Auf dem Roßmarkt und dem Götheplatze standen die Pferde dreier Schwadronen und wurden im Freien gefüttert.

‒ Von Truppen befinden sich bis jetzt hier:
Preußen: 4 Bataillone Infantrie und 2 Geschütze.
Oestereich: 3 Bat. Inf. und 2 Geschütze.
Würtemberg: 1 Reg. Kavallerie und 14 Geschütze.
Bayern: 2 Bat. Scharfschützen.
Kurhessen: 2 Bat. Inf.
Hessen-Darmstadt: 2 Schwadr. Kav., 1 Bat. Inf. und 8 Geschütze.

Der „edle Gagern,“ welcher jetzt so todesmuthig unter dem Schutz der Bajonnette die Linke tyrannisirt und zu neuen Septembergesetzen herausfordert, ‒ der „edle Gagern“ wagte sich am Abend des Kampfes nicht nach Hause, sondern hielt sich im Keller eines Gasthofes versteckt. ‒ Auf der Hauptwache werden bereits standrechtliche Urtheile gefällt. ‒ In Mainz ist am 19. ein Transport von etwa 60 gefangenen Insurgenten unter Bedeckung von 500 Soldaten eingebracht worden.

Frankfurt, 20. September.

1/2 10 Uhr. 82. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern.

Tagesordnung:

1. Vorlage von Anträgen.
2. Einsammlung der Wahlzettel über unvollständig gewordene Ausschüsse:
a. den volkswirtschaftlichen-
b. den Wehrverfassungs- und
c. den Geschäftsordnungs-Ausschuß betreffend.
3. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Volkes

Stavenhagen (preußischer Offizier) reklamirt gegen das Protokoll.

Präsident hätte nicht den Tod, sondern die nichtswürdige Ermordung des Lichnowsky und Auerswald angezeigt. So müßte es im Protokoll lauten.

Präsident: Wird verändert.

Austritt eines Abgeordneten und Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt.

Der Bericht wegen Erlaß der Reichsgesetze wird angezeigt.

Justizminister Mohl macht einen Gesetzvorschlag für die Sicherheit der Abgeordneten und der National-Versammlung:

1. Ein gewaltsamer Angriff auf die National-Versammlung wird als Hochverrath bestraft.
2. Die Theilnahme an einer Versammlung in der Nähe der National-Versammlung, welche verboten worden, wird an den Anstiftern mit 1 Jahr, an den Theilnehmern mit 3 Monate Gefängniß gestraft. (!)
3. Volksversammlungen unter freiem Himmel sind nur in einer Entfernung von 5 Meilen von der National-Versammlung gestattet. Uebertretungsfälle werden an den Theilnehmern mit 6 Monate Gefängniß (!!) bestraft.
4. Eindringen Einzelner in die National-Versammlung wird, wenn den Verboten der Exekutivbeamten der National-Versammlung nicht Gehorsam geleistet wird, mit 1 Jahr Gefängniß bestraft.
5. Angriffe auf einzelne Mitglieder der National-Versammlung mit 5 Jahre; Bedrohungen eines Abgeordneten mit 1 Jahr.

Stavenhagen: Nicht blos die leibliche Sicherheit, sondern auch die Verdächtigungen, Herabwürdigungen der National-Versammlung im deutschen Volk müssen unterdrückt werden. Verliest als Beispiel einen Artikel aus Rob. Blums Reichstagszeitung, eine Beurtheilung der Abstimmung über die Waffenstillstandsfrage, unter furchtbarer Entrüstung und Mißbilligung der Rechten und der Centren. Hierauf verlangt Hr. Stavenhagen, was man im gewöhnlichen Leben Unterdrückung der Preßfreiheit nennt. (Furchtbares Bravo rechts.) Gegen solche Angriffe der National-Versammlung, gegen solche Frechheiten muß man sich schützen. (Geschrei. Toben. Links: Verkauft an Dänemark!)

Schaffrath: Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung.... (Gelächter.) Nach rechts: Dies Lachen charakterisirt sie vollkommen! Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung ist es einem Mitgliede der Versammlung erlaubt, ins Materielle seiner Vorschläge einzugehen, ehe die Dringlichkeit erkannt ist. (Zur Sache!) Wir leben in einem Rechtsstaat, der die Preßvergehen straft (Unterbrechungen.)

Präsident: Die Unterbrechungen sind Sitte geworden, besonders von der Linken her

Zimmermann: Dagegen protestire ich.

Präsident: Protestiren Sie so viel Sie wollen!

Schaffrath: Wir brauchen keine Zeitungsartikel, keine Ausnahmegesetze, keinen Schutz gegen Sie (rechts) und Andere. Denunziren Sie, wenn Sie Lust haben, der gesetzlichen Macht. Uebrigens hat bei Gesetzen die Centralgewalt nicht die Initiative zu ergreifen.

Präsident hat nicht gewußt, daß Hr. Stavenhagen das sprechen würde, was er gesprochen hat.

Assessor Wichmann (Preußen): Das Ministerium hat die Initiative. Um solchen Zweifeln gegen die Initiative ein für allemal zu begegnen, soll die Versammlung darüber abstimmen. (Lärm.)

Präsident weist die Linke gehörig zurecht.

Widersprüche links. Werden vom Präsidenten unterdruckt.

Einer von Rechts: Wenn man dem Ministerium die Initiative nicht zugestehen will, so erlauben Sie einem Stockpreußen die Anträge des Ministers zu den seinigen zu machen.

Minister v. Mohl: Das Ministerium nimmt nicht in dem Maße konstitutioneller Staaten das Recht der Initiative in Anspruch, aber das Recht, Vorschläge zu machen, die es für nothwendig hält, werden Sie ihm nicht vorenthalten. Es steht Ihnen ja frei, dann mit den Vorschlägen zu machen, was Sie wollen. (Besonders jetzt!) Auf Stavenhagens Vorschläge ist jetzt nicht einzugehen.

Riesser im Allgemeinen gegen die ministerliche Initiative. Aber es sind Dinge vorgefallen, die solche Anträge dringlich machen. Deshalb schnellste Berichterstattung. (Furchtbares Bravo rechts).

Schluß der Debatte.

Die Versammlung überweist den Gesetzvorschlag des Justizministers zu schnellster Berichterstattung an den Ausschuß für Gesetzgebung.

Dahlmann protestirt gegen jede Belobung, die ihm aus so unreiner Quelle wie der Reichstagszeitung herkommt, feierlich und heilig. Hält eine rührende Rede dazu. (Rechts Bravo!)

Schaffrath erklärt es im Gegensatz zu Hrn. Dahlmann für die höchste Ehre, in einem Blatt, das von Hrn. Jürgens, Mitglied der Versammlung edirt wird, seine Person schmähend erwähnt worden zu sein.

Vogt bedauert, daß der Präsident in solchen Persönlichkeiten und Parteizwisten das Wort giebt, was sonst nie geschehen. Protestirt laut und feierlich gegen die ganze Art der Geschäftsverhandlung und Ordnung der heutigen Sitzung. (Bravo links und Gallerien).

Präsident findet die Bemerkungen und Protestationen Vogts gegründet, hat aber wieder nicht gewußt, was Dahlmann sprechen würde. Abgemacht. (So sagt man unter dem Schutz der. Bajonnette!)

Gravell beantragt einen neuen Ausschuß zur Ausarbeitung eines Aufruhrgesetzes zu wählen. Fällt durch!

Wiesner, Berger, Breuning und mehrere beantragen, in Erwägung der Aufhebung der Prügelstrafe, und mit Hinweisung auf das neueste Spießruthenlaufen in Mainz: „Aufhebung der Prügelstrafe für die Reichstruppen.“ Fällt durch.

Briegleb beantragt: die Nationalversammlung solle beschließen, eine Ansprache an das deutsche Volk im Hinblick auf die letzten (Frankfurter) Ereignisse.

Die Begründung der Dringlichkeit wird gestattet, und nachdem Briegleb die Dringlichkeit empfohlen, die sofortige Diskussion gleichfalls beschlossen. Nur die Linke erhebt sich nicht.

Briegleb empfiehlt seinen Antrag. Die Presse würde sonst die Ereignisse entstellen.

Eisenmann: Der Waffenstillstand war nicht die Ursache des Aufstandes. (Widerspruch!) Man wollte diese ganze Versammlung mit Ausnahme weniger Mitglieder prostituiren und die rothe Republik proklamiren. (Furchtbares Bravo. Gelächter.) Für Brieglebs Antrag, man müsse aber um das Vertrauen des Volkes wieder zu gewinnen, mehr thun! (Bravo.)

Zimmermann (aus Stuttgart): Ich hätte nichts gegen Brieglebs Antrag. Aber erst muß völlige Beruhigung eintreten. Jetzt würde der Aufruf der Ausdruck der Partei sein, eine neue Brandfackel in das Volk schleudern. Stavenhagens Anträge sind auch eine solche Brandfackel. (Tumult rechts.) Einheit und Friede in der Versammlung sind nöthig. (Rechts: Nein!)

Waiz spricht für den Briegleb'schen Antrag.

Benedey: Belehrung des Volkes über die letzten Ereignisse finden auch wir nöthig. Aber bedenken Sie (rechts), was Machiavell sagt: „Ein Aufstand bringt der fliegenden Partei große Gefahr.“ Bedenken Sie, daß Mitglieder von Links die ersten Schläge (am Abend des 17. in Westendhaus) bekommen haben. (Bravo.) Meine Herren, das sind Thatsachen, beide Parteien sind prostituirt. (Die Diäten in Gefahr! Welche Gefahr für Herrn Venedey, der schon in Paris die Arbeiter exploitirte!)

Goltz aus Brieg gegen Brieglebs Antrag.

Simson (Jude aus Königsberg) für Briegleb. Gegen die Uebergriffe der Presse.

Joseph (aus Sachsen): Es ist keine Art und Weise, in so ordinären Ausdrücken wie Simson (Jude aus Königsberg) sich auszusprechen. Der Terrorismus scheint eine berauschende Kraft zu haben. (Bravo links.) Die Preßfreiheit kommt auch bald an die Reihe, wie es scheint. (Rechts: Ja!) Ich bin gegen Brieglebs Anträge. Das Ministerium hätte den Aufruhr verhindern können. Durch das Drängen des Militärs um die Kirche ist der Einbruch in die Kirche hervorgerufen. (Unterbrechungen des Hohnes rechts). Man will, so scheint es, eine Pariser Komödie aufführen.

Rößler aus Oels. Wohin führt der Gang der Debatte? ‒ (Zur Sache!) Es wird sich schwerlich für die Proklamation die man vor hat, die Einheit der Versammlung finden. ‒ Und zu einer solchen Vertrauens-Ansprache ans deutsche Volk ist Einstimmigkeit nöthig, Majorität reicht hier nicht aus. ‒ Den Aufstand betreffend, dieser war ein zweck- und zielloser. (Widerspruch.) Die Leiter jener Versammlung haben den Aufruhr nicht mitgemacht! (Sehr glaublich von diesen Verräthern!) Kaum 400 Menschen haben den Aufruhr gemacht. (Desto größere Ehre.) Kaum 150 Gewehre haben diese gehabt. (Widerspruch!) Die Wuth des Volks kam daher, daß ein alter Mann von den Preußen durch Bajonnetstiche verwundet ward. Dem Bau der Barrikaden hat man ruhig zugesehn. Zum Schluß ersuche ich Herrn Briegleb seinen Antrag zurückzuziehen. ‒

Merk aus Hamburg (mit komischen Pathos) beschreibt die Einbruchsscenen an der Kirchtür. (Geschrei! Tumult! Gelächter! Schluß!)

Schluß der Debatte.

Briegleb wiederholt seinen Antrag, einen Ausschuß zu wählen, der die Proklamation abfaßt. ‒

Der Antrag von Briegleb wird von der Versammlung angenommen. Die Linke und ein Theil des linken Centrums dagegen. Es wird bestimmt daß zur Ausführung des Brieglebschen Antrags nach der Sitzung jeder Ausschuß ein Mitglied wählt. Die Linke wird sich wahrscheinlich der Wahl enthalten. (Großer Muth!)

Plathner bringt einen dringlichen Antrag: den Gesetzgebungs-Ausschuß zu beauftragen, zu untersuchen, ob nicht ein Gesetz zu entwerfen, welches die Abgeordneten gegen Injurien schützt.

Der Antrag wird nicht als dringlich erkannt.

Man schreitet zu Punkt 2 der Tagesordnung. Ergänzungswahlen der Ausschüsse.

Der Schwätzer Vogt stellt den Antrag wegen der nöthigeren Beschäftigungen der Ausschüsse, die Sitzung zu vertagen. Der Antrag wird angenommen. ‒

Präs: Noch einige Mittheilungen:

1) Das Reichsministerium zeigt an, daß die Abgeordneten, welche Waffen haben, dieselben anzeigen müssen.

2) Herr Jahn ist, trotz der ausgestreuten Gerüchte, wieder wohlbehalten in Frankfurt eingetroffen. (Die Redaktion verweist auf die gest. No.)

3) Der Exminister Heckscher ist am Leben bedroht worden. In der Stadt Höchst hat man ihn mißhandelt. Er ist glücklich nach Mainz entflohen.

4) Morgen 9 Uhr Beerdigung der gefallenen Offiziere und Soldaten. Die Abgeordneten werden sich um 1/2 9 Uhr in der Paulskirche sammeln. Morgen also keine Sitzung. Nächste Sitzung: Freitag 9 Uhr.

Aus der heutigen Sitzung sehen Sie, daß auch Deutschland seine Septembergesetze haben wird Ich höre in Hanau ist Aufruhr, und Preußen von hier hin. Hier ist „Ruhe“, der Belagerungszustand dauert fort.

103 Berlin, 20. Sept.

Daß die Sache jetzt zur Entscheidung kommen wird, ist gewiß, da man von Oben alle Vorbereitungen zur Contrerevolution trifft. General Wrangel hielt heute über die hiesige Garnison eine große Parade ab, und an deren Schluß eine Anrede an die Soldaten und das Volk, worin er von Anarchie sprach, die er unterdrücken werde; von einem kleinen Haufen Aufwiegler, die er ausrotten wolle, indem sonst der früher so blühende (!!) Zustand nicht wieder zurückkehren könne.

Man merkte aus dieser Rede, wie man Wrangel die alten Phrasen Kühlwetter's und Hansemann's sogleich in den Kopf ge-

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 110. Köln, Samstag den 23. September. 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Das Ministerium der Kontrerevolution.) Frankfurt.      (Säbelherrschaft. &#x2012; Todte und Verwundete. &#x2012; Gagern. &#x2012; Standrecht. &#x2012; Transport der Gefangenen. &#x2012;      Stand der Militärmacht. &#x2012; Die Erstürmung des Hanauer Zeughauses. &#x2012; Gefangene nach Mainz.      National-Versammlung.) Berlin. (Spannung. &#x2012; Wrangels Rede. &#x2012; Pläne der Kontrerevolution. &#x2012;      Schwanken des Königs.) Wien. (Pläne gegen die Aula. &#x2012; Prager und Pesther Deputation. &#x2012; Komorn      abgebrannt. &#x2012; Die Dreifarbigen; die Zweifarbigen und die Einfarbigen.) Potsdam. (Die      Soldaten-Excesse. &#x2012; Militär in Volksversammlungen.) Provinz Posen. (Eine Hansemannsche      Finanzmaßregel.) Mühlheim an d. Rh. (Volksversammlung.) Crefeld. (Attentat.) Koblenz.      (Volksjustiz.) Aus Franken. (Justiz-Gefängnisse.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth. (Verrath. &#x2012; Stimmung für Kossuth. &#x2012;      Vertheidigungsanstalten. &#x2012; Kossuth wieder Redakteur.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Livorno ruhig. &#x2012; Kriegslager in Pisa. &#x2012; Pläne der      Regierung. &#x2012; Protest der lombard. Consulta. &#x2012; Verfahren gegen Garibaldi.) Genua. (Die Spione. &#x2012;      Ankunft eines Theils der Algier Fremdenlegion. &#x2012; Manin verlangt Geldhülfe.) Neapel. (Die      Unruhen. &#x2012; Ministerveränderungen. &#x2012; Kampf zwischen Soldaten und Lazzaroni)</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Die Wahlen. &#x2012; Nat. Versamml)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> Dublin (Die Staatsgefangenen nach Clonmel.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz.</hi> Chiasso (Neue Rote Radetzky's.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Galacz. (Die Moldau faktisch russische      Provinz.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika.</hi> (Gelbes Fieber auf Staten Island. &#x2012; Steigen der      Brodstoffpreise.)</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Das Ministerium der Kontrerevolution. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 737.</bibl>                </note>
          <head><bibl><author>**</author></bibl> Köln, 22. Sept.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar110_002" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 19. Sept.,</head>
          <p>6 Uhr Abends. So eben sind 30 und 40 Gefangene, Theilnehmer der gestrigen Ereignisse, unter       scharfer Bedeckung zur Taunuseisenbahn gebracht worden, um auf derselben nach Mainz (Fort       Hartenberg) transportirt zu werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar110_003" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 19. Sept.</head>
          <p>Bekanntmachung. In Folge der Erklärung ist ein ständiges Kriegsgericht niedergesetzt.       Dasselbe hat in der Hauptwache seinen Sitz; es sind somit dahin alle etwaige Gefangene       abzuliefern. Frankfurt, 19. September 1848. Das Reichsministerium der Justiz, R. <hi rendition="#g">Mohl.</hi> </p>
        </div>
        <div xml:id="ar110_004" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 20. Sept.,</head>
          <p>Vormittags 11 Uhr. So eben trifft die Nachricht von Hanau hier ein, daß die Bürger das       dortige Zeughaus gestürmt und alle Waffen genommen haben. Die Eisenbahn an der Mainkur soll       aufgerissen sein. Folgendes soll die richtige Verlustliste des hiesigen Barrikadenkampfes       sein:</p>
          <p>Militär 72 Todte 145 Verwundete.</p>
          <p>Bürger 35 Todte 72 Verwundete.</p>
          <bibl>(M. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar110_005" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 20. Sept.</head>
          <p>In Folge des Belagerungszustandes und proklamirten Standrechts ist ein ständiges       Kriegsgericht auf der Hauptwache eingesetzt, welchem die Gefangenen vorgeführt und alsobald       abgeurtheilt werden. Schon sind mehrere Transporte der Verurtheilten nach Mainz abgeführt       worden. Das Gerücht von der Gefangennehmung Metternich's hat sich nicht bestätigt. Die Zahl       der Todten stellt sich größer heraus, als man glaubt, doch läßt sich Bestimmtes noch nicht       angeben; gewiß sind 26 Todte auf Seite der Aufständischen; 40 Todte sollen die Truppen haben,       darunter mehrere Offiziere. Die Zahl der Verwundeten auf beiden Seiten wird aber auf mehrere       Hunderte geschätzt, da natürlich viele sich noch verborgen haben. Es geht das Gerücht, als       wolle die Majorität der Nationalversammlung die Abgeordneten, welche am Sonntag bei der       Volksversammlung gesprochen haben (Simon aus Trier, Schlöffel, Wesendonk, Zitz) in       Anklagezustand versetzen. Gestern bot die Stadt das reine Bild eines Kriegslagers, wie ich es       noch nicht gesehen habe. Die Zeile, der Roßmarkt und andere Straßen waren mit Stroh bedeckt,       auf welchem die Soldaten lagerten, um von den nächtlichen Strapazen sich zu erholen. Hie und       da brachte eine Patrouille einen Gefangenen vorüber, und dazwischen schwärmte eine bunte Menge       Neugieriger jedes Alters, Standes, Geschlechtes, um den Kampfplatz, sowie die Lagerstätten       sich zu besichtigen. Auf dem Roßmarkt und dem Götheplatze standen die Pferde dreier       Schwadronen und wurden im Freien gefüttert.</p>
          <p>&#x2012; Von Truppen befinden sich bis jetzt hier:<lb/>
Preußen: 4 Bataillone Infantrie und 2       Geschütze.<lb/>
Oestereich: 3 Bat. Inf. und 2 Geschütze.<lb/>
Würtemberg: 1 Reg. Kavallerie       und 14 Geschütze.<lb/>
Bayern: 2 Bat. Scharfschützen.<lb/>
Kurhessen: 2 Bat. Inf.<lb/>
Hessen-Darmstadt: 2 Schwadr. Kav., 1 Bat. Inf. und 8 Geschütze.</p>
          <p>Der &#x201E;<hi rendition="#g">edle Gagern,</hi>&#x201C; welcher jetzt so todesmuthig unter dem Schutz der       Bajonnette die Linke tyrannisirt und zu neuen Septembergesetzen herausfordert, &#x2012; der &#x201E;<hi rendition="#g">edle Gagern</hi>&#x201C; wagte sich am Abend des Kampfes nicht nach Hause, sondern       hielt sich im Keller eines Gasthofes versteckt. &#x2012; Auf der Hauptwache werden bereits       standrechtliche Urtheile gefällt. &#x2012; In Mainz ist am 19. ein Transport von etwa 60 gefangenen       Insurgenten unter Bedeckung von 500 Soldaten eingebracht worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar110_006" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 20. September.</head>
          <p>1/2 10 Uhr. 82. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern.</p>
          <p>Tagesordnung:</p>
          <list>
            <item>1. Vorlage von Anträgen.</item>
            <item>2. Einsammlung der Wahlzettel über unvollständig gewordene Ausschüsse: <list><item>a. den       volkswirtschaftlichen-</item><item>b. den Wehrverfassungs- und</item><item>c. den Geschäftsordnungs-Ausschuß       betreffend.</item></list>                   </item>
            <item>3. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Volkes</item>
          </list>
          <p><hi rendition="#g">Stavenhagen</hi> (preußischer Offizier) reklamirt gegen das Protokoll.</p>
          <p>Präsident hätte nicht den Tod, sondern die nichtswürdige Ermordung des Lichnowsky und       Auerswald angezeigt. So müßte es im Protokoll lauten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Wird verändert.</p>
          <p>Austritt eines Abgeordneten und Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt.</p>
          <p>Der Bericht wegen Erlaß der Reichsgesetze wird angezeigt.</p>
          <p>Justizminister <hi rendition="#g">Mohl</hi> macht einen Gesetzvorschlag für die Sicherheit       der Abgeordneten und der National-Versammlung:</p>
          <list>
            <item>1. Ein gewaltsamer Angriff auf die National-Versammlung wird als Hochverrath bestraft.</item>
            <item>2. Die Theilnahme an einer Versammlung in der Nähe der National-Versammlung, welche verboten       worden, wird an den Anstiftern mit 1 Jahr, an den Theilnehmern mit 3 Monate Gefängniß       gestraft. (!)</item>
            <item>3. Volksversammlungen unter freiem Himmel sind nur in einer Entfernung von 5 Meilen von der       National-Versammlung gestattet. Uebertretungsfälle werden an den Theilnehmern mit 6 Monate       Gefängniß (!!) bestraft.</item>
            <item>4. Eindringen Einzelner in die National-Versammlung wird, wenn den Verboten der       Exekutivbeamten der National-Versammlung nicht Gehorsam geleistet wird, mit 1 Jahr Gefängniß       bestraft.</item>
            <item>5. Angriffe auf einzelne Mitglieder der National-Versammlung mit 5 Jahre; Bedrohungen eines       Abgeordneten mit 1 Jahr.</item>
          </list>
          <p><hi rendition="#g">Stavenhagen:</hi> Nicht blos die leibliche Sicherheit, sondern auch die       Verdächtigungen, Herabwürdigungen der National-Versammlung im deutschen Volk müssen       unterdrückt werden. Verliest als Beispiel einen Artikel aus Rob. Blums Reichstagszeitung, eine       Beurtheilung der Abstimmung über die Waffenstillstandsfrage, unter furchtbarer Entrüstung und       Mißbilligung der Rechten und der Centren. Hierauf verlangt Hr. Stavenhagen, was man im       gewöhnlichen Leben Unterdrückung der Preßfreiheit nennt. (Furchtbares Bravo rechts.) Gegen       solche Angriffe der National-Versammlung, gegen solche Frechheiten muß man sich schützen.       (Geschrei. Toben. Links: Verkauft an Dänemark!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath:</hi> Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung....       (Gelächter.) Nach rechts: Dies Lachen charakterisirt sie vollkommen! Nach welchem Paragraphen       der Geschäftsordnung ist es einem Mitgliede der Versammlung erlaubt, ins Materielle seiner       Vorschläge einzugehen, ehe die Dringlichkeit erkannt ist. (Zur Sache!) Wir leben in einem       Rechtsstaat, der die Preßvergehen straft (Unterbrechungen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Die Unterbrechungen sind Sitte geworden, besonders von       der Linken her</p>
          <p><hi rendition="#g">Zimmermann:</hi> Dagegen protestire ich.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Protestiren Sie so viel Sie wollen!</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath:</hi> Wir brauchen keine Zeitungsartikel, keine       Ausnahmegesetze, keinen Schutz gegen Sie (rechts) und Andere. Denunziren Sie, wenn Sie Lust       haben, der gesetzlichen Macht. Uebrigens hat bei Gesetzen die Centralgewalt nicht die       Initiative zu ergreifen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> hat nicht gewußt, daß Hr. Stavenhagen das sprechen würde,       was er gesprochen hat.</p>
          <p>Assessor <hi rendition="#g">Wichmann</hi> (Preußen): Das Ministerium hat die Initiative. Um       solchen Zweifeln gegen die Initiative ein für allemal zu begegnen, soll die Versammlung       darüber abstimmen. (Lärm.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> weist die Linke gehörig zurecht.</p>
          <p>Widersprüche links. Werden vom Präsidenten unterdruckt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Einer von Rechts:</hi> Wenn man dem Ministerium die Initiative nicht       zugestehen will, so erlauben Sie einem Stockpreußen die Anträge des Ministers zu den seinigen       zu machen.</p>
          <p>Minister v. <hi rendition="#g">Mohl:</hi> Das Ministerium nimmt nicht in dem Maße       konstitutioneller Staaten das Recht der Initiative in Anspruch, aber das Recht, Vorschläge zu       machen, die es für nothwendig hält, werden Sie ihm nicht vorenthalten. Es steht Ihnen ja frei,       dann mit den Vorschlägen zu machen, was Sie wollen. (Besonders jetzt!) Auf Stavenhagens       Vorschläge ist jetzt nicht einzugehen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Riesser</hi> im Allgemeinen gegen die ministerliche Initiative. Aber es       sind Dinge vorgefallen, die solche Anträge dringlich machen. Deshalb schnellste       Berichterstattung. (Furchtbares Bravo rechts).</p>
          <p>Schluß der Debatte.</p>
          <p>Die Versammlung überweist den Gesetzvorschlag des Justizministers zu schnellster       Berichterstattung an den Ausschuß für Gesetzgebung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dahlmann</hi> protestirt gegen jede Belobung, die ihm aus so unreiner       Quelle wie der Reichstagszeitung herkommt, feierlich und heilig. Hält eine rührende Rede dazu.       (Rechts Bravo!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> erklärt es im Gegensatz zu Hrn. Dahlmann für die höchste       Ehre, in einem Blatt, das von Hrn. Jürgens, Mitglied der Versammlung edirt wird, seine Person       schmähend erwähnt worden zu sein.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> bedauert, daß der Präsident in solchen Persönlichkeiten und       Parteizwisten das Wort giebt, was sonst nie geschehen. Protestirt laut und feierlich gegen die       ganze Art der Geschäftsverhandlung und Ordnung der heutigen Sitzung. (Bravo links und       Gallerien).</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> findet die Bemerkungen und Protestationen Vogts gegründet,       hat aber wieder nicht gewußt, was Dahlmann sprechen würde. Abgemacht. (So sagt man unter dem       Schutz der. Bajonnette!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Gravell</hi> beantragt einen neuen Ausschuß zur Ausarbeitung eines       Aufruhrgesetzes zu wählen. Fällt durch!</p>
          <p>Wiesner, Berger, Breuning und mehrere beantragen, in Erwägung der Aufhebung der       Prügelstrafe, und mit Hinweisung auf das neueste Spießruthenlaufen in Mainz: &#x201E;Aufhebung der       Prügelstrafe für die Reichstruppen.&#x201C; Fällt durch.</p>
          <p><hi rendition="#g">Briegleb</hi> beantragt: die Nationalversammlung solle beschließen, eine       Ansprache an das deutsche Volk im Hinblick auf die letzten (Frankfurter) Ereignisse.</p>
          <p>Die Begründung der Dringlichkeit wird gestattet, und nachdem Briegleb die Dringlichkeit       empfohlen, die sofortige Diskussion gleichfalls beschlossen. Nur die Linke erhebt sich       nicht.</p>
          <p>Briegleb empfiehlt seinen Antrag. Die Presse würde sonst die Ereignisse entstellen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenmann:</hi> Der Waffenstillstand war nicht die Ursache des       Aufstandes. (Widerspruch!) Man wollte diese ganze Versammlung mit Ausnahme weniger Mitglieder       prostituiren und die rothe Republik proklamiren. (Furchtbares Bravo. Gelächter.) Für Brieglebs       Antrag, man müsse aber um das Vertrauen des Volkes wieder zu gewinnen, mehr thun! (Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Zimmermann</hi> (aus Stuttgart): Ich hätte nichts gegen Brieglebs Antrag.       Aber erst muß völlige Beruhigung eintreten. Jetzt würde der Aufruf der Ausdruck der Partei       sein, eine neue Brandfackel in das Volk schleudern. Stavenhagens Anträge sind auch eine solche       Brandfackel. (Tumult rechts.) Einheit und Friede in der Versammlung sind nöthig. (Rechts:       Nein!)</p>
          <p>Waiz spricht für den Briegleb'schen Antrag.</p>
          <p><hi rendition="#g">Benedey:</hi> Belehrung des Volkes über die letzten Ereignisse finden       auch wir nöthig. Aber bedenken Sie (rechts), was Machiavell sagt: &#x201E;Ein Aufstand bringt der       fliegenden Partei große Gefahr.&#x201C; Bedenken Sie, daß Mitglieder von Links die ersten Schläge (am       Abend des 17. in Westendhaus) bekommen haben. (Bravo.) Meine Herren, das sind Thatsachen,       beide Parteien sind prostituirt. (Die Diäten in Gefahr! Welche Gefahr für Herrn Venedey, der       schon in Paris die Arbeiter exploitirte!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Goltz</hi> aus Brieg gegen Brieglebs Antrag.</p>
          <p><hi rendition="#g">Simson</hi> (Jude aus Königsberg) für Briegleb. Gegen die Uebergriffe der       Presse.</p>
          <p><hi rendition="#g">Joseph</hi> (aus Sachsen): Es ist keine Art und Weise, in so ordinären       Ausdrücken wie Simson (Jude aus Königsberg) sich auszusprechen. Der Terrorismus scheint eine       berauschende Kraft zu haben. (Bravo links.) Die Preßfreiheit kommt auch bald an die Reihe, wie       es scheint. (Rechts: Ja!) Ich bin gegen Brieglebs Anträge. Das Ministerium hätte den Aufruhr       verhindern können. Durch das Drängen des Militärs um die Kirche ist der Einbruch in die Kirche       hervorgerufen. (Unterbrechungen des Hohnes rechts). Man will, so scheint es, eine Pariser       Komödie aufführen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rößler</hi> aus Oels. Wohin führt der Gang der Debatte? &#x2012; (Zur Sache!) Es       wird sich schwerlich für die Proklamation die man vor hat, die Einheit der Versammlung finden.       &#x2012; Und zu einer solchen Vertrauens-Ansprache ans deutsche Volk ist Einstimmigkeit nöthig,       Majorität reicht hier nicht aus. &#x2012; Den Aufstand betreffend, dieser war ein zweck- und       zielloser. (Widerspruch.) Die Leiter jener Versammlung haben den Aufruhr nicht mitgemacht!       (Sehr glaublich von diesen Verräthern!) Kaum 400 Menschen haben den Aufruhr gemacht. (Desto       größere Ehre.) Kaum 150 Gewehre haben diese gehabt. (Widerspruch!) Die Wuth des Volks kam       daher, daß ein alter Mann von den Preußen durch Bajonnetstiche verwundet ward. Dem Bau der       Barrikaden hat man ruhig zugesehn. Zum Schluß ersuche ich Herrn Briegleb seinen Antrag       zurückzuziehen. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Merk</hi> aus Hamburg (mit komischen Pathos) beschreibt die       Einbruchsscenen an der Kirchtür. (Geschrei! Tumult! Gelächter! Schluß!)</p>
          <p>Schluß der Debatte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Briegleb</hi> wiederholt seinen Antrag, einen Ausschuß zu wählen, der die       Proklamation abfaßt. &#x2012;</p>
          <p>Der Antrag von Briegleb wird von der Versammlung angenommen. Die Linke und ein Theil des       linken Centrums dagegen. Es wird bestimmt daß zur Ausführung des Brieglebschen Antrags nach       der Sitzung jeder Ausschuß ein Mitglied wählt. Die Linke wird sich wahrscheinlich der Wahl       enthalten. (Großer Muth!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> bringt einen dringlichen Antrag: den Gesetzgebungs-Ausschuß       zu beauftragen, zu untersuchen, ob nicht ein Gesetz zu entwerfen, welches die Abgeordneten       gegen Injurien schützt.</p>
          <p>Der Antrag wird nicht als dringlich erkannt.</p>
          <p>Man schreitet zu Punkt 2 der Tagesordnung. Ergänzungswahlen der Ausschüsse.</p>
          <p>Der Schwätzer Vogt stellt den Antrag wegen der nöthigeren Beschäftigungen der Ausschüsse,       die Sitzung zu vertagen. Der Antrag wird angenommen. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Präs:</hi> Noch einige Mittheilungen:</p>
          <p>1) Das Reichsministerium zeigt an, daß die Abgeordneten, welche Waffen haben, dieselben       anzeigen müssen.</p>
          <p>2) Herr Jahn ist, trotz der ausgestreuten Gerüchte, wieder wohlbehalten in Frankfurt       eingetroffen. (Die Redaktion verweist auf die gest. No.)</p>
          <p>3) Der Exminister Heckscher ist am Leben bedroht worden. In der Stadt Höchst hat man ihn       mißhandelt. Er ist glücklich nach Mainz entflohen.</p>
          <p>4) Morgen 9 Uhr Beerdigung der gefallenen Offiziere und Soldaten. Die Abgeordneten werden       sich um 1/2 9 Uhr in der Paulskirche sammeln. Morgen also keine Sitzung. Nächste Sitzung:       Freitag 9 Uhr. </p>
          <p>Aus der heutigen Sitzung sehen Sie, daß auch Deutschland seine Septembergesetze haben wird       Ich höre in Hanau ist Aufruhr, und Preußen von hier hin. Hier ist &#x201E;Ruhe&#x201C;, der       Belagerungszustand dauert fort.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 20. Sept.</head>
          <p>Daß die Sache jetzt zur Entscheidung kommen wird, ist gewiß, da man von Oben alle       Vorbereitungen zur Contrerevolution trifft. General Wrangel hielt heute über die hiesige       Garnison eine große Parade ab, und an deren Schluß eine Anrede an die Soldaten und das Volk,       worin er von Anarchie sprach, die er unterdrücken werde; von einem kleinen Haufen Aufwiegler,       die er ausrotten wolle, indem sonst der früher so blühende (!!) Zustand nicht wieder       zurückkehren könne.</p>
          <p>Man merkte aus dieser Rede, wie man Wrangel die alten Phrasen Kühlwetter's und Hansemann's       sogleich in den Kopf ge-
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[0545/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 110. Köln, Samstag den 23. September. 1848. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Das Ministerium der Kontrerevolution.) Frankfurt. (Säbelherrschaft. ‒ Todte und Verwundete. ‒ Gagern. ‒ Standrecht. ‒ Transport der Gefangenen. ‒ Stand der Militärmacht. ‒ Die Erstürmung des Hanauer Zeughauses. ‒ Gefangene nach Mainz. National-Versammlung.) Berlin. (Spannung. ‒ Wrangels Rede. ‒ Pläne der Kontrerevolution. ‒ Schwanken des Königs.) Wien. (Pläne gegen die Aula. ‒ Prager und Pesther Deputation. ‒ Komorn abgebrannt. ‒ Die Dreifarbigen; die Zweifarbigen und die Einfarbigen.) Potsdam. (Die Soldaten-Excesse. ‒ Militär in Volksversammlungen.) Provinz Posen. (Eine Hansemannsche Finanzmaßregel.) Mühlheim an d. Rh. (Volksversammlung.) Crefeld. (Attentat.) Koblenz. (Volksjustiz.) Aus Franken. (Justiz-Gefängnisse.) Ungarn. Pesth. (Verrath. ‒ Stimmung für Kossuth. ‒ Vertheidigungsanstalten. ‒ Kossuth wieder Redakteur.) Italien. (Livorno ruhig. ‒ Kriegslager in Pisa. ‒ Pläne der Regierung. ‒ Protest der lombard. Consulta. ‒ Verfahren gegen Garibaldi.) Genua. (Die Spione. ‒ Ankunft eines Theils der Algier Fremdenlegion. ‒ Manin verlangt Geldhülfe.) Neapel. (Die Unruhen. ‒ Ministerveränderungen. ‒ Kampf zwischen Soldaten und Lazzaroni) Franz. Republik. Paris. (Die Wahlen. ‒ Nat. Versamml) Großbritannien. Dublin (Die Staatsgefangenen nach Clonmel.) Schweiz. Chiasso (Neue Rote Radetzky's.) Donaufürstenthümer. Galacz. (Die Moldau faktisch russische Provinz.) Amerika. (Gelbes Fieber auf Staten Island. ‒ Steigen der Brodstoffpreise.) Deutschland. ** Köln, 22. Sept. _ Frankfurt, 19. Sept., 6 Uhr Abends. So eben sind 30 und 40 Gefangene, Theilnehmer der gestrigen Ereignisse, unter scharfer Bedeckung zur Taunuseisenbahn gebracht worden, um auf derselben nach Mainz (Fort Hartenberg) transportirt zu werden. Frankfurt, 19. Sept. Bekanntmachung. In Folge der Erklärung ist ein ständiges Kriegsgericht niedergesetzt. Dasselbe hat in der Hauptwache seinen Sitz; es sind somit dahin alle etwaige Gefangene abzuliefern. Frankfurt, 19. September 1848. Das Reichsministerium der Justiz, R. Mohl. Frankfurt, 20. Sept., Vormittags 11 Uhr. So eben trifft die Nachricht von Hanau hier ein, daß die Bürger das dortige Zeughaus gestürmt und alle Waffen genommen haben. Die Eisenbahn an der Mainkur soll aufgerissen sein. Folgendes soll die richtige Verlustliste des hiesigen Barrikadenkampfes sein: Militär 72 Todte 145 Verwundete. Bürger 35 Todte 72 Verwundete. (M. Z.) Frankfurt, 20. Sept. In Folge des Belagerungszustandes und proklamirten Standrechts ist ein ständiges Kriegsgericht auf der Hauptwache eingesetzt, welchem die Gefangenen vorgeführt und alsobald abgeurtheilt werden. Schon sind mehrere Transporte der Verurtheilten nach Mainz abgeführt worden. Das Gerücht von der Gefangennehmung Metternich's hat sich nicht bestätigt. Die Zahl der Todten stellt sich größer heraus, als man glaubt, doch läßt sich Bestimmtes noch nicht angeben; gewiß sind 26 Todte auf Seite der Aufständischen; 40 Todte sollen die Truppen haben, darunter mehrere Offiziere. Die Zahl der Verwundeten auf beiden Seiten wird aber auf mehrere Hunderte geschätzt, da natürlich viele sich noch verborgen haben. Es geht das Gerücht, als wolle die Majorität der Nationalversammlung die Abgeordneten, welche am Sonntag bei der Volksversammlung gesprochen haben (Simon aus Trier, Schlöffel, Wesendonk, Zitz) in Anklagezustand versetzen. Gestern bot die Stadt das reine Bild eines Kriegslagers, wie ich es noch nicht gesehen habe. Die Zeile, der Roßmarkt und andere Straßen waren mit Stroh bedeckt, auf welchem die Soldaten lagerten, um von den nächtlichen Strapazen sich zu erholen. Hie und da brachte eine Patrouille einen Gefangenen vorüber, und dazwischen schwärmte eine bunte Menge Neugieriger jedes Alters, Standes, Geschlechtes, um den Kampfplatz, sowie die Lagerstätten sich zu besichtigen. Auf dem Roßmarkt und dem Götheplatze standen die Pferde dreier Schwadronen und wurden im Freien gefüttert. ‒ Von Truppen befinden sich bis jetzt hier: Preußen: 4 Bataillone Infantrie und 2 Geschütze. Oestereich: 3 Bat. Inf. und 2 Geschütze. Würtemberg: 1 Reg. Kavallerie und 14 Geschütze. Bayern: 2 Bat. Scharfschützen. Kurhessen: 2 Bat. Inf. Hessen-Darmstadt: 2 Schwadr. Kav., 1 Bat. Inf. und 8 Geschütze. Der „edle Gagern,“ welcher jetzt so todesmuthig unter dem Schutz der Bajonnette die Linke tyrannisirt und zu neuen Septembergesetzen herausfordert, ‒ der „edle Gagern“ wagte sich am Abend des Kampfes nicht nach Hause, sondern hielt sich im Keller eines Gasthofes versteckt. ‒ Auf der Hauptwache werden bereits standrechtliche Urtheile gefällt. ‒ In Mainz ist am 19. ein Transport von etwa 60 gefangenen Insurgenten unter Bedeckung von 500 Soldaten eingebracht worden. Frankfurt, 20. September. 1/2 10 Uhr. 82. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: 1. Vorlage von Anträgen. 2. Einsammlung der Wahlzettel über unvollständig gewordene Ausschüsse: a. den volkswirtschaftlichen- b. den Wehrverfassungs- und c. den Geschäftsordnungs-Ausschuß betreffend. 3. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Volkes Stavenhagen (preußischer Offizier) reklamirt gegen das Protokoll. Präsident hätte nicht den Tod, sondern die nichtswürdige Ermordung des Lichnowsky und Auerswald angezeigt. So müßte es im Protokoll lauten. Präsident: Wird verändert. Austritt eines Abgeordneten und Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt. Der Bericht wegen Erlaß der Reichsgesetze wird angezeigt. Justizminister Mohl macht einen Gesetzvorschlag für die Sicherheit der Abgeordneten und der National-Versammlung: 1. Ein gewaltsamer Angriff auf die National-Versammlung wird als Hochverrath bestraft. 2. Die Theilnahme an einer Versammlung in der Nähe der National-Versammlung, welche verboten worden, wird an den Anstiftern mit 1 Jahr, an den Theilnehmern mit 3 Monate Gefängniß gestraft. (!) 3. Volksversammlungen unter freiem Himmel sind nur in einer Entfernung von 5 Meilen von der National-Versammlung gestattet. Uebertretungsfälle werden an den Theilnehmern mit 6 Monate Gefängniß (!!) bestraft. 4. Eindringen Einzelner in die National-Versammlung wird, wenn den Verboten der Exekutivbeamten der National-Versammlung nicht Gehorsam geleistet wird, mit 1 Jahr Gefängniß bestraft. 5. Angriffe auf einzelne Mitglieder der National-Versammlung mit 5 Jahre; Bedrohungen eines Abgeordneten mit 1 Jahr. Stavenhagen: Nicht blos die leibliche Sicherheit, sondern auch die Verdächtigungen, Herabwürdigungen der National-Versammlung im deutschen Volk müssen unterdrückt werden. Verliest als Beispiel einen Artikel aus Rob. Blums Reichstagszeitung, eine Beurtheilung der Abstimmung über die Waffenstillstandsfrage, unter furchtbarer Entrüstung und Mißbilligung der Rechten und der Centren. Hierauf verlangt Hr. Stavenhagen, was man im gewöhnlichen Leben Unterdrückung der Preßfreiheit nennt. (Furchtbares Bravo rechts.) Gegen solche Angriffe der National-Versammlung, gegen solche Frechheiten muß man sich schützen. (Geschrei. Toben. Links: Verkauft an Dänemark!) Schaffrath: Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung.... (Gelächter.) Nach rechts: Dies Lachen charakterisirt sie vollkommen! Nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung ist es einem Mitgliede der Versammlung erlaubt, ins Materielle seiner Vorschläge einzugehen, ehe die Dringlichkeit erkannt ist. (Zur Sache!) Wir leben in einem Rechtsstaat, der die Preßvergehen straft (Unterbrechungen.) Präsident: Die Unterbrechungen sind Sitte geworden, besonders von der Linken her Zimmermann: Dagegen protestire ich. Präsident: Protestiren Sie so viel Sie wollen! Schaffrath: Wir brauchen keine Zeitungsartikel, keine Ausnahmegesetze, keinen Schutz gegen Sie (rechts) und Andere. Denunziren Sie, wenn Sie Lust haben, der gesetzlichen Macht. Uebrigens hat bei Gesetzen die Centralgewalt nicht die Initiative zu ergreifen. Präsident hat nicht gewußt, daß Hr. Stavenhagen das sprechen würde, was er gesprochen hat. Assessor Wichmann (Preußen): Das Ministerium hat die Initiative. Um solchen Zweifeln gegen die Initiative ein für allemal zu begegnen, soll die Versammlung darüber abstimmen. (Lärm.) Präsident weist die Linke gehörig zurecht. Widersprüche links. Werden vom Präsidenten unterdruckt. Einer von Rechts: Wenn man dem Ministerium die Initiative nicht zugestehen will, so erlauben Sie einem Stockpreußen die Anträge des Ministers zu den seinigen zu machen. Minister v. Mohl: Das Ministerium nimmt nicht in dem Maße konstitutioneller Staaten das Recht der Initiative in Anspruch, aber das Recht, Vorschläge zu machen, die es für nothwendig hält, werden Sie ihm nicht vorenthalten. Es steht Ihnen ja frei, dann mit den Vorschlägen zu machen, was Sie wollen. (Besonders jetzt!) Auf Stavenhagens Vorschläge ist jetzt nicht einzugehen. Riesser im Allgemeinen gegen die ministerliche Initiative. Aber es sind Dinge vorgefallen, die solche Anträge dringlich machen. Deshalb schnellste Berichterstattung. (Furchtbares Bravo rechts). Schluß der Debatte. Die Versammlung überweist den Gesetzvorschlag des Justizministers zu schnellster Berichterstattung an den Ausschuß für Gesetzgebung. Dahlmann protestirt gegen jede Belobung, die ihm aus so unreiner Quelle wie der Reichstagszeitung herkommt, feierlich und heilig. Hält eine rührende Rede dazu. (Rechts Bravo!) Schaffrath erklärt es im Gegensatz zu Hrn. Dahlmann für die höchste Ehre, in einem Blatt, das von Hrn. Jürgens, Mitglied der Versammlung edirt wird, seine Person schmähend erwähnt worden zu sein. Vogt bedauert, daß der Präsident in solchen Persönlichkeiten und Parteizwisten das Wort giebt, was sonst nie geschehen. Protestirt laut und feierlich gegen die ganze Art der Geschäftsverhandlung und Ordnung der heutigen Sitzung. (Bravo links und Gallerien). Präsident findet die Bemerkungen und Protestationen Vogts gegründet, hat aber wieder nicht gewußt, was Dahlmann sprechen würde. Abgemacht. (So sagt man unter dem Schutz der. Bajonnette!) Gravell beantragt einen neuen Ausschuß zur Ausarbeitung eines Aufruhrgesetzes zu wählen. Fällt durch! Wiesner, Berger, Breuning und mehrere beantragen, in Erwägung der Aufhebung der Prügelstrafe, und mit Hinweisung auf das neueste Spießruthenlaufen in Mainz: „Aufhebung der Prügelstrafe für die Reichstruppen.“ Fällt durch. Briegleb beantragt: die Nationalversammlung solle beschließen, eine Ansprache an das deutsche Volk im Hinblick auf die letzten (Frankfurter) Ereignisse. Die Begründung der Dringlichkeit wird gestattet, und nachdem Briegleb die Dringlichkeit empfohlen, die sofortige Diskussion gleichfalls beschlossen. Nur die Linke erhebt sich nicht. Briegleb empfiehlt seinen Antrag. Die Presse würde sonst die Ereignisse entstellen. Eisenmann: Der Waffenstillstand war nicht die Ursache des Aufstandes. (Widerspruch!) Man wollte diese ganze Versammlung mit Ausnahme weniger Mitglieder prostituiren und die rothe Republik proklamiren. (Furchtbares Bravo. Gelächter.) Für Brieglebs Antrag, man müsse aber um das Vertrauen des Volkes wieder zu gewinnen, mehr thun! (Bravo.) Zimmermann (aus Stuttgart): Ich hätte nichts gegen Brieglebs Antrag. Aber erst muß völlige Beruhigung eintreten. Jetzt würde der Aufruf der Ausdruck der Partei sein, eine neue Brandfackel in das Volk schleudern. Stavenhagens Anträge sind auch eine solche Brandfackel. (Tumult rechts.) Einheit und Friede in der Versammlung sind nöthig. (Rechts: Nein!) Waiz spricht für den Briegleb'schen Antrag. Benedey: Belehrung des Volkes über die letzten Ereignisse finden auch wir nöthig. Aber bedenken Sie (rechts), was Machiavell sagt: „Ein Aufstand bringt der fliegenden Partei große Gefahr.“ Bedenken Sie, daß Mitglieder von Links die ersten Schläge (am Abend des 17. in Westendhaus) bekommen haben. (Bravo.) Meine Herren, das sind Thatsachen, beide Parteien sind prostituirt. (Die Diäten in Gefahr! Welche Gefahr für Herrn Venedey, der schon in Paris die Arbeiter exploitirte!) Goltz aus Brieg gegen Brieglebs Antrag. Simson (Jude aus Königsberg) für Briegleb. Gegen die Uebergriffe der Presse. Joseph (aus Sachsen): Es ist keine Art und Weise, in so ordinären Ausdrücken wie Simson (Jude aus Königsberg) sich auszusprechen. Der Terrorismus scheint eine berauschende Kraft zu haben. (Bravo links.) Die Preßfreiheit kommt auch bald an die Reihe, wie es scheint. (Rechts: Ja!) Ich bin gegen Brieglebs Anträge. Das Ministerium hätte den Aufruhr verhindern können. Durch das Drängen des Militärs um die Kirche ist der Einbruch in die Kirche hervorgerufen. (Unterbrechungen des Hohnes rechts). Man will, so scheint es, eine Pariser Komödie aufführen. Rößler aus Oels. Wohin führt der Gang der Debatte? ‒ (Zur Sache!) Es wird sich schwerlich für die Proklamation die man vor hat, die Einheit der Versammlung finden. ‒ Und zu einer solchen Vertrauens-Ansprache ans deutsche Volk ist Einstimmigkeit nöthig, Majorität reicht hier nicht aus. ‒ Den Aufstand betreffend, dieser war ein zweck- und zielloser. (Widerspruch.) Die Leiter jener Versammlung haben den Aufruhr nicht mitgemacht! (Sehr glaublich von diesen Verräthern!) Kaum 400 Menschen haben den Aufruhr gemacht. (Desto größere Ehre.) Kaum 150 Gewehre haben diese gehabt. (Widerspruch!) Die Wuth des Volks kam daher, daß ein alter Mann von den Preußen durch Bajonnetstiche verwundet ward. Dem Bau der Barrikaden hat man ruhig zugesehn. Zum Schluß ersuche ich Herrn Briegleb seinen Antrag zurückzuziehen. ‒ Merk aus Hamburg (mit komischen Pathos) beschreibt die Einbruchsscenen an der Kirchtür. (Geschrei! Tumult! Gelächter! Schluß!) Schluß der Debatte. Briegleb wiederholt seinen Antrag, einen Ausschuß zu wählen, der die Proklamation abfaßt. ‒ Der Antrag von Briegleb wird von der Versammlung angenommen. Die Linke und ein Theil des linken Centrums dagegen. Es wird bestimmt daß zur Ausführung des Brieglebschen Antrags nach der Sitzung jeder Ausschuß ein Mitglied wählt. Die Linke wird sich wahrscheinlich der Wahl enthalten. (Großer Muth!) Plathner bringt einen dringlichen Antrag: den Gesetzgebungs-Ausschuß zu beauftragen, zu untersuchen, ob nicht ein Gesetz zu entwerfen, welches die Abgeordneten gegen Injurien schützt. Der Antrag wird nicht als dringlich erkannt. Man schreitet zu Punkt 2 der Tagesordnung. Ergänzungswahlen der Ausschüsse. Der Schwätzer Vogt stellt den Antrag wegen der nöthigeren Beschäftigungen der Ausschüsse, die Sitzung zu vertagen. Der Antrag wird angenommen. ‒ Präs: Noch einige Mittheilungen: 1) Das Reichsministerium zeigt an, daß die Abgeordneten, welche Waffen haben, dieselben anzeigen müssen. 2) Herr Jahn ist, trotz der ausgestreuten Gerüchte, wieder wohlbehalten in Frankfurt eingetroffen. (Die Redaktion verweist auf die gest. No.) 3) Der Exminister Heckscher ist am Leben bedroht worden. In der Stadt Höchst hat man ihn mißhandelt. Er ist glücklich nach Mainz entflohen. 4) Morgen 9 Uhr Beerdigung der gefallenen Offiziere und Soldaten. Die Abgeordneten werden sich um 1/2 9 Uhr in der Paulskirche sammeln. Morgen also keine Sitzung. Nächste Sitzung: Freitag 9 Uhr. Aus der heutigen Sitzung sehen Sie, daß auch Deutschland seine Septembergesetze haben wird Ich höre in Hanau ist Aufruhr, und Preußen von hier hin. Hier ist „Ruhe“, der Belagerungszustand dauert fort. 103 Berlin, 20. Sept. Daß die Sache jetzt zur Entscheidung kommen wird, ist gewiß, da man von Oben alle Vorbereitungen zur Contrerevolution trifft. General Wrangel hielt heute über die hiesige Garnison eine große Parade ab, und an deren Schluß eine Anrede an die Soldaten und das Volk, worin er von Anarchie sprach, die er unterdrücken werde; von einem kleinen Haufen Aufwiegler, die er ausrotten wolle, indem sonst der früher so blühende (!!) Zustand nicht wieder zurückkehren könne. Man merkte aus dieser Rede, wie man Wrangel die alten Phrasen Kühlwetter's und Hansemann's sogleich in den Kopf ge-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 110. Köln, 23. September 1848, S. 0545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz110_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.