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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 154. Köln, 28. November 1848. Beilage.

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Beilage zu Nr. 154 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Dienstag 28. November 1848.
Deutschland.
103 Berlin, 26. Nov.

Nachdem Grabow vorgestern mit allen Fractionen der Nationalversammlung unterhandelt und sich mit ihnen über die Bedingungen zur Ausgleichung des Conflicts mit der Krone verständigt hatte, begab er sich gestern nach Sanssouci zum Könige, wo er während der ganzen Nacht bis heute Morgen gearbeitet haben soll. Nach zuverlässigen Nachrichten soll es Grabow endlich gelungen sein, den König zu überzeugen, daß kein anderer Weg vorhanden sei, als die Ernennung eines neuen Ministeriums, welches die Verfassung mit der Nationalversammlung zu vereinbaren habe. Grabow machte dem König begreiflich, daß sich das ganze Land gegen eine octroyirte Verfassung erheben werde, daß auch das Frankfurter Parlament sich dagegen erklären müsse, deren Zuneigung er nicht verscherzen dürfe, wenn er deutscher Kaiser werden wolle. Dieser Grund soll gezogen, und den König bewogen haben auf den Vorschlag Grabows einzugehen und ein neues Ministerium zu ernennen. Man spricht von Camphausen, auch von Gagern, welcher heute Morgen als Reichs-Commissar hier angekommen ist. --

Stralsund Sonntag den 19,

früh am Vormittage, war die Landwehr des Stralsunder Regierungsbezirks zur Einkleidung dorthin berufen. Die Wehrmänner aus Stadt und Land hatten wohl sämmtlich sich eingefunden, verweigerten jedoch einstimmig die Einkleidung, eh' sie den Grund ihrer Einberufung wüßten, auf Grund der §§. des Gesetzes und brachten stürmische Hoch's aus auf die Nationalversammlung. Der Major erklärte seine Unbekanntschaft mit dem Zweck der Einberufung und suchte durch Zureden und Vorstellungen die Wehrmänner zu bereden, hielt es jedoch für gut, nachdem er auf dem Platze herumgedrängt worden war, schleunigst zu retiriren und erschien nicht wieder daselbst. Die Wehrmänner bewegten sich nun nach dem Zeughause, um einige sich darin befindende Cameraden herauszurufen, wurden, in Massen andrängend, von den Stammgefreiten und Wachmannschaften mit Bayonetten empfangen, drängten aber diese in eine höhere Etage hinauf. Bei diesen Scenen wurden die Schilderhäuser umgeworfen und zerschlagen; die Stücke schleuderte man gegen die Fenster des Zeughauses, wobei aus dem versammelten Volke Biele durch Steinwürfe secundirten. Unterdeß erschien ein Hauptmann der Reserveabtheilungen auf dem Platze und schien die aufmarschirte Bürgerwehr zum Einschreiten gegen die Wehrmänner aufzufordern, was von den Angeredeten energisch zurückgewiesen wurde. Auf allen Seiten von Wehrmännern umringt und umdrängt, zog er den Degen, um sich zur Retirade den Weg zu bahnen. Bei dieser Gelegenheit soll er durch Hiebe einige Bürgerwehrmänner verwundet haben, worauf man Schläge gegen ihn führte ihm die Spitze vom Helm schlug, und er schleunig in ein Hotel sich flüchten mußte. Die Bürgerwehr besetzte sofort das Zeughaus, als ein Artilleriemajor zu Pferde sich durch die Landmänner Bahn zu brechen suchte. Die Gequetschten und Verwundeten darüber empört, bedeckten sein Pferd mit Schlägen; der Offizier gab demselben sofort die Sporen und suchte freies Terrain zu gewinnen. Kurze Zeit hernach erschien Artillerie zu Pferde ohne Geschütz und rückte mit gezogener Waffe gegen die Wehrmänner an. Dieselbe wurde aber, und namentlich der Commandeur, der Befehl zum Einrücken ertheilte, dergestalt mit Würfen empfangen, daß er abschwenken ließ und abritt. Während nun die Wehrmänner in der aufgeregtesten Stimmung sich gruppirten, rückte eine Abtheilung Reserve mit gefälltem Bayonett im Schritt an, und wurde mit Hurrah empfangen. Die Landwehrmänner umringten sie drängten sich zwischen die Glieder und suchten auf diese Weise die Bayonette abzuwehren; dennoch schien von Seiten der Soldaten durchaus keine Neigung vorhanden, ernstlich anzugreifen, vielmehr sah sich das Militär genöthigt, sich wieder zurückzuziehen, besonders da die Bürgerwehr, zwischen Landwehr und Militair protestirend sich drängte. Die Wehrmänner einigten sich darauf, nach Hause zurückzukehren, jedoch sich Nachmittags zuvor noch auf dem Platze zu versammeln. Die Greifswalder, wenigstens ein Theil von ihnen, setzten noch erst den Feldwebel von ihrem Vorhaben in Kenntniß, was dieser zu notiren sich bereit erklärte. Die Bewohner der Stadt waren während dieser Scenen sehr aufgeregt, begrüßten und bewillkommten überall die Wehrmänner aufs Freundliche und bewirtheten sie aufs Beste. Nachmittags gegen 5 Uhr verließen sie darauf in Massen die Stadt, um nach allen Richtungen hin in ihre Heimath zurückzukehren.

Erfurt, 24. Nov.

Nachdem die aufwieglerische Rotte, welche der Dr. Stockmann in Bibra um sich gesammelt hatte, durch seine Verhaftung ihres Führers beraubt, mit leichter Mühe zersprengt worden war, versuchte die Umsturzpartei heute hier eine Schilderhebung, welche aber an dem vortrefflichen Geiste und an der unerschütterlichen Treue und Tapferkeit der Truppen vollständig gescheitert ist. Die Einkleidung von zwei Kompagnien des hiesigen Landwehrbataillons mußte da den Vorwand und die Veranlassung darbieten, obgleich die Landwehrleute sich dem erhaltenen Befehle gemäß gestellt hatten und zur Einkleidung ganz bereit waren. Sie haben sich daher auch bei dieser Schilderhebung in keiner Weise betheiligt. Dagegen hat leider ein Theil der hiesigen Bürgerwehr, nachdem auch ihre Führer sich außer Stande erklärt hatten, mit der Bürgerwehr die Ordnung wieder herzustellen und die Ruhe zu erhalten, bei dem ersten Einschreiten der Truppen auf dieselben wiederholt geschossen und sogleich mehrere Soldaten getödtet und verwundet. In dem hierauf entstandenen Kampfe, bei welchem auch eine Schaar mit geraden Sensen auf langen Stangen sich betheiligte, welche heute erst vertheilt worden sind, hat es auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben. Um 3 Uhr Nachmittags war indessen die vollständige Niederlage der Aufrührer schon entschieden. Es sind von denselben bis heute Abend 102 Individuen verhaftet, unter denen sich auch die Person befindet, welche die Sensen vertheilt hat. Die Festung und Stadt sind in Belagerungszustand erklärt und für morgen ist die Ablieferungs der Waffen angeordnet.

(Magdb. Z.)
* Magdeburg, 25. November.

In Herzberg an der Elster sollte vor einigen Tagen das 3te Bat. des 32. Landwehr-Regiments eingekleidet werden. Die Mannschaften weigerten sich aber unter Berufung auf das Gesetz über die Bestimmung der Landwehr entschieden, dem Befehl Folge zu leisten. Nach sehr stürmischen Auftritten gingen sämmtliche Landwehrmänner aus einander und nicht ein Einziger ließ sich einkleiden.

121 Wien, 24. Nov.

Gestern Morgen beim Tagesgrauen sind Dr. Becher und Dr. Jellinek, Redakteure des Radikalen, vor dem Neuthor standrechtlich erschossen worden.

In den Straßen und auf den Wällen, überall noch immer Militärhaufen; den ganzen Tag über Trommelgetön und Patrouillen.

Die Werbung a 10 Fl. Handgeld soll nicht den besten Erfolg haben, und es müssen mithin auf andere Weise Radetzky Truppen verschafft werden.

* Kremsier, 22. November.

Heute erste Sitzung des österreichischen Reichstags in unserm erzbischöflichen Palais. Smolka wurde wider Erwarten beim 2. Scrutinium abermals zum Präsidenten erwählt. Sein czechischer Rival, Strobach, hatte 7 Stimmen weniger. Meyer (a. Brünn) u. Losser (a. Salzburg) wurden Vicepräsidenten. Die Czechen fielen also mit ihren Kandidaten durch. Hierauf erzählte Schuselka die Erlebnisse des Reichstages in Wien seit dem 6. Oktober. Die nächste Sitzung wird auf den 25 dieses anberaumt.

Frankfurt, 24. Nov.

Der Fr. O.-P.-A.-Ztg. nach hat der Erzherzog-Reichsverweser die Entlassung des Unterstaatssekretärs, Hrn. Bassermann, nicht angenommen.

Frankfurt, 25. Nov.

Gestern Abend hat eine große Anzahl von Abgeordneten der vereinigten Klubs der Linken: Donnersberg, Deutscher Hof, Nürnberger Hof und Westend-Hall, sich zum Behuf kräftigen Zusammenwirkens für das Recht und die Freiheit des deutschen Volks als Verein unter dem Namen März-Verein konstituirt; die Abgeordneten Raveaux aus Köln, v. Trützschler aus Dresden und Eisenmann aus Nürnberg zu Vorsitzenden, Spatz aus Frankenthal zum Schatzmeister, Max Simon aus Breslau, Raus aus Mähren und Wesendonck aus Düsseldorf zu Schriftführern gewählt. Die Mitglieder des linken Centrums: Würtemberger Hof, sind ebenfalls zum Beitritt eingeladen.

Mainz, 24. Novbr.

Die Truppen vom 28. preußischen Infanterieregiment, welche heute nach der preußischen Rheinprovinz abgehen sollten, sind auf Gegenbefehl hier geblieben. Dagegen werden morgen früh 900 Mann Preußen, wie wir hören, von Bingen aus rheinabwärts gehen. -- Den Unteroffizieren und Soldaten der hiesigen preußischen Garnison soll heute das fernere Besuchen des demokratischen Vereins verboten worden sein.

(F. J.)
* Darmstadt, 24. Novbr.

Gestern Abend gab es viel zu sehen und zu hören. Die schönsten Nachtständchen und gräuliche Katzenmusiken wechselten mit einander. Die Konzertgeber waren lauter "vaterländisches" Militär, die in solcher Weise mehreren Offizieren ihre Ansichten über das politische Verhalten dieser Vorgesetzten kund zu geben beschlossen hatten. Es wäre damit wahrscheinlich Alles zu Ende gewesen, wenn die Soldaten, als sie von der in Gegenwart einiger Tausend Zuhörer abgehaltenen musikalischen Soiree, nicht die Kaserne verschlossen gefunden hätten. Dieser Umstand war Ursache, daß jetzt Fenster und Thüren zertrümmert wurden. Der Abend schloß mit der Befreiung eines verhafteten Soldaten durch seine Kameraden.

* Tilsit, 21. November.

Selbst hier, an der östlichsten Grenze Deutschlands, hat die von der Nationalversammlung in Berlin ausgesprochene Steuerverweigerung die bereitwilligste Zustimmung gefunden. Eine Kommission der hiesigen Kommunalbehörden hat sich nach Gumbinnen mit dem Auftrage begeben, von der dortigen Regierung bestimmte Antwort zu fordern, ob sie auf Seiten des hochverrätherischen Ministeriums Manteuffel-Brandenburg oder der Nationalversammlung zu stehen gesonnen ist. Im ersteren Falle wird die Stadt Tilsit die Ausführung der Steuerverweigerung selbst übernehmen.

Italien.
*

Die Mailänder Zeitung vom 15. Nov. bringt eine neue Liste von Personen, welche durch das Plünderungsdekret Radetzky's ausgezogen werden sollen. Montecuculi hatte inzwischen den Tribunalrath Pedersani von Verona nach Mailand kommen lassen, und dieser hatte dem Marschall offen erklärt, in den Annalen Oesterreichs sei ein so infames Gesetz noch nicht vorgekommen, und wenn Radetzky es nicht widerrufe, so werde er, Pedersani, nach Olmütz gehen, in der festen Gewißheit, daß der Kaiser den Schandbefehl des Marschalls umstoßen werde. Daraufhin glaubte man am 18. Nov., Radetzky habe das Dekret bereits zurückgezogen; doch hieß es, er wolle es ersetzen: 1) durch eine additionelle Steuer von 4 Centimes auf den Thaler; 2) durch eine Steuer auf das Kapital; 3) durch 4 Millionen auf den Handel; 4) durch eine andere Steuer, welche sich auf eine der Besteuerung der Emigrirten gleichkommende Grundlage stützen werde.

Radetzky hat eine neue Aushebung aller jungen Leute von 20 bis 25 Jahren befohlen. Die Meisten derselben irren in Italien oder in der Fremde herum, und um sie zur Rückkehr zu zwingen, bedroht der Marschall ihre Eltern und Verwandten mit Gefängniß und andern Strafen.

Auf den Herzog von Modena, der Radetzkys' Raubsystem in seinem Ländchen nachahmt, ist geschossen worden. Die Kugel hat übrigens ihr Ziel verfehlt, und nur den Begleiter den Herzogs, den Major Guerra, verwundet.

Zu Turin fanden am 19. Nov. Demonstrationen für den Krieg Statt. Zahllose Massen umstanden das Ministerium mit dem Rufe: Krieg! Krieg! Nieder mit dem Ministerium! Es lebe die Constituante!

Rom, 16. Nov. 9 Uhr Nachm.

Ein Aufstand fand Statt, der nach etwa dreistündigem Kampf 8 1/2 Uhr endete. Das Aeußere des päbstlichee Palastes ist von Kugeln durchlöchert; die Todten scheinen nicht sehr zahlreich zu sein; der Kampf scheint besonders zwischen den Schweizern und dem Volk, zu welch letzterem mindestens ein Theil der Linientruppen hielt, stattgefunden zu haben. Zu Ministern sind ernannt: Mamiani für das Aeußere, Galletti Inneres und Polizei, Lunati Finanzen, Sterbini Handel und öffentliche Arbeit, Campello Krieg, Rosmini Präsidentschaft und öffentlichen Unterricht, Sereni Gnaden und Gerechtigkeit. Wegen der Berufung der Constituante, Vollziehung der Kammerbeschlüsse über den Unabhängigkeitskrieg und andern Forderungen des Volks erklärte der Pabst, er stelle die Entscheidung hierüber ganz der Deputirtenkammer anheim. Um 6 Uhr war der Quirinal vollkommen belagert; 6000 Civici und Linientruppen standen vor ihm geschaart; die Kanonen waren auf sein Hauptthor gerichtet, das Volk stellte dem Pabst ein Ultimatum, das er binnen einer Stunde zu bewilligen habe, sonst werde der Pallast genommen und außer seiner Person Alles niedergemacht.

(A. Z.)
** Turin, 17. November.

Hr. Bianchi Giovini, Redakteur der Opinione, ist in Anklagestand versetzt und vor Gericht citirt wegen folgender Beschuldigungen: 1. Beleidigung der geheiligten Person des Königs, indem er ihr Eigenschaften zuschrieb, welche Verachtung und Mißvergnügen gegen sie zu erregen geeignet sind; 2. auf die geheiligte Person des Königs den Tadel und die Verantwortlichkeit für die Handlungen seiner Regierung übertragen zu haben; 3. die Lombarden und Venetianer aufgereizt zu haben, die durch die Gesetze vom 11. und 27. Juli errichtete Union zu brechen, sich von dem Königreich zu trennen, um einen andern Staat zu bilden und sich einer andern Regierung zu überliefern.

** Bologna, 18. November.

Die von Garibaldi für Venedig bestimmte Kolonne ist bereits in Faenza durchpassirt und muß den 16. in Ravenna eingetroffen sein.

Belgien.
* Brüssel, 26. Nov.

Die belgische Begnadigung ist über die Verurtheilten von Risquons-Tout ergangen. Die über Spilthorn, Mellinet, Tedesco, Bailliu, Guelton, Coopmans, Mathieu, Calonne und Perrin verhängte Todesstrafe oder lebenslängliche Verurtheilung ist in 20jährige Einsperrung in die Citadelle von Huy verwandelt worden; Delestre, Derudder, Carnel, Jouannin, Nouhel, Bacten, Bourgeois, Declerck sind von des Königs Gnade zu 15jähriger Einsperrung verurtheilt worden. So verfährt das Musterland Belgien.

Französische Republik.
19 Paris, 23. Nov.

Unter den vielerlei Karikaturen auf den "Prinzen" Napoleon ziehen besonders drei an allen Schaufenstern das pariser Volk an. Auf der einen sieht man einen "mit Reliquien bedeckten" Esel, vor ihm eine Menge Bauern, die voll Bewunderung die Nachtmützen abziehen, und darunter die Unterschrift: "Und dies ist das Volk, welches sich für das erste der Erde hält!" Die zweite zeigt abermals einen Esel mit dem dreieckigen Hut des Kaisers, hinter ihm das wohlwollende Antlitz des russischen Czaren, und zur Seite Herrn E. v. Girardin, der markschreierisch die "Presse" schwingt und ausruft: "Man kann ihn dreist fragen, er antwortet nicht." Angenehme Bescheidenheit, die ihn vortheilhaft vor dem Esel Bileams auszeichnet. Das dritte Bild läßt denselben Esel schauen, diesmal vor dem Präsidentenstuhl; Herr Thiers hat ihn bei den langen Ohren gefaßt, und sucht ihm nach dem Stuhl zu ziehen, wogegen ihn zwei andere Biedermänner beim Schwanz zurückzuziehen bemüht sind; diese beiden Gestalten gleichen zum Erstaunen dem General Cavaignac, dem unter der Anstrengung seine Mütze in den Nacken gerutscht ist, und dem Präsidenten der National-Versammlung, Armand Marrast, der in schwarzen Hosen und Tanzschuhen, mit einer Zopfperücke und Rittmeister-Schnurbart voll Eifer aus Mund und Nase schnauft; der Esel selbst hat mit schmerzvoller Geberde das Maul geöffnet und rechtfertigt vollkommen die Unterschrift dieser Darstellung Pauvre bete!

Der arme bete Napoleon der mit seinem "Namen" und mit Nichts als seinem "Namen" alle übrigen Bedürfnisse zu ersetzen glaubt, hat in der That schwer an den "Reliquien" zu tragen, mit denen er belastet ist. Weil sein Oheim dem Ager der Revolution die Siebenmeilenstiefel stahl, glaubt der "kleine Prinz mit dem großen Namen" etwa, es genüge für ihn, ein Zwerg zu sein, um ebenfalls in die Stiefel zu fahren? Aber der Kaiser hat der Welt noch eine andere "Reliquie" hinterlassen, als den "Namen" und die Stiefeln, auf deren Erbschaft der prätendirte Däumling Anspruch macht.

Indem der Kaiser in Frankreich die Revolution unterdrückte, trug er sie zugleich in das übrige Europa. Und der Londoner Constabler!

17 Paris, 23. Nov.

Die "Assemblee Nationale", vielleicht das frechste aller Reaktionsblätter, bewies in einem Leitartikel: "Robert Blum sei mit Fug und Recht, als ein unverbesserlicher Demagog, hingerichtet worden." Der "Constitutionnel" stimmt bei, und höhnt obendrein, Blum habe ja "auch" Contremarken an der Theaterthür zu Leipzig einst feil geboten; das "auch" bezieht sich auf Hebert, den Redakteur des Pere Duchene von 1793, mit dem Blum in den Augen des stets geistreichen, in Vergleichungen unübertrefflichen Thiersjournals Aehnlichkeit hat. Hierauf hat Dr. Handvogel gebührend erwidert: "Männer wie der deutsche Märtyrer stehen zu hoch, als daß der Constitutionnel an sie hinauf reichen könnte." Daß dies "Schmutzblatt in Folio", wie der unermüdliche Klubpräsident Bernard (von Carcassone) es öffentlich zu nennen pflegt, auf Deutschlands Demokratenpresse ergrimmt, ist wohl natürlich; der in "La Reforme" übergegangene Artikel der N. Rhein. Zeitung gegen Thiers den nationalökonomischen Schriftsteller, hat böses Blut gesetzt. Alle Pariser- und Provinzial-Thiersblätter poltern, Auch "La Corsaire" schäkert heute: "Die N. Rhein. Zeitung treibt Plagiat, sie schreibt Hrn. E. de Girardin ab, wenn sie keine Steuern mehr, als Motto wählt." Ungemein erheiternd ist das sauersüße Schmollen, womit der "Constitutionnel" und "La Patrie" heute den ihnen sonst so lieben "edeln" Radetzky behandeln; "er hat eine Zwangssteuer auf die mailändischen Reichen gelegt, wodurch er sie ruinirt, und wahrlich nicht zum wahren Vortheil Oestreichs;" mit tückischem Seitenblick fügen beide Reaktionsblätter hinzu: "wir begreifen jedoch keineswegs das Geschrei gewisser Journale darüber; denn was wollen unsere Herren Socialisten anders, als durch progressive Steuern, durch die Tausend-Millionen-Steuer, durch Cambon's System, ganz wie der alte Marschall es thut, die Besitzenden arm machen? Wir bitten diese Herren, etwas sich zu mäßigen in ihrem Gram und Grimm, es wäre schon im Interesse ihrer Doktrin, oder der Komödie, die sie aufführen. Kämen sie je an's Ruder, dann würden sie uns wie eine eroberte Provinz behandeln." Der "Corsaire" brachte neulich, wie er sagte, aus "bestunterrichteter deutscher Feder" ein langes angenehmes Feuilleton, worin ganz ernsthaft Jellachich mit Ritter Bayard "der Sophien's hohe Gunst genieße," Radetzky mit Nestor, Windischgrätz mit Achill verglichen wird; nichts übersteige des mailändischen Siegers Weisheit, des Bändigers von Prag Energie, des "genialen Banus" schnellkräftigen, poetischen Schwung. "La Presse" liefert wieder lehrreiche Vorträge von Herrn Alexander Weill (von Straßburg); z. B. heute erfährt Deutschland: "die Abstimmung der Steuerverweigerung ward durch die Linke erschlichen; sie stieß Geschrei aus und übertäubte somit die Opponenten. Entzöge der König diesen Herren die Habeas-Corpus-Acte, es wäre nicht weniger als billig; in der That, der Pr. Staatsanzeiger hat vollkommen Recht, wenn er der Nationalversammlung die Ermächtigung, Steuern zu weigern, rund weg abspricht; ein Büdget ist ihr ohnehin nie vorgelegt worden, und sie ist jetzt offenbar in Rebellion gegen das Staatshaupt." Hauptquelle für das Girardin'sche Blatt und das Journal des Debats ist bekanntlich des Hofkomödianten Schneider "N. Preuß. Zeitung", und als diese neulich in einem hiesigen Demokratenblatt l'infame gazette du gibet (die niederträchtige Galgenzeitung) genannt ward, nahm sich der stets gerechte Constitutionnel ihrer an. Es versteht sich, daß dieser "in Moder und Eiter zerfallenden" Presse (um den etwas scharfen, doch richtigen Ausdruck des "Peuple Souverain" zu gebrauchen) mit Erfolg die kräftige Demokratenpresse opponirt; "La Reforme" gab oft Berichte über Berlin und den dortigen Demokratenkongreß; das Lyoner "Peuple souverain" bringt in seiner Nummer vom "27. Brumaire Jahr LVII, christlicher Aera 17. November 1848" folgenden Leitartikel: "Die preußische Revolution. Unsere Augen sind bisher von dem Drama jenseit des Rheines abgezogen worden durch unsere innere Plackereien und das Herannahen der Präsidentenwahl. Bei uns zu Lande bläst man zum Rückzuge, scheint's, aber in Preußen wandelt die Revolution den Riesenschritt. Der König hat nur noch dem Namen nach Macht, die Reaktion steift sich vermessen auf das Heer und glüht vor Sehnsucht, der Freiheit den Hals zu brechen. Die Wiener Vorgänge haben ihr den Kamm geschwellt, und am Ende wird auch Friedrich Wilhelm jubeln, wenn ein preußischer Windischgrätz in seine Krone ihm ein Sträußlein flicht, wie das was heute an der des Ferdinand von Habsburg schimmert. Allein bei solchem wüsten Mordspiel gewinnt man nicht immer; zumal wenn die Sache ernsthaft, gesetzkräftig, wie in Preußen, geschieht; dort steht die Partie für die Reaktion weit schlechter, als in Oesterreich. Heute handelt sich's nicht mehr um Verhindern des Abmarsches von ein paar Regimentern, um Abbrechen einiger Privilegien, um Auslöschen einiger Mißbräuche. Nein, die Königsmacht hat der Nationalvertreterschaft frech den Handschuh ins Gesicht geschleudert, und diese hat den Handschuh kühn aufgehoben. Ein Thron mit Liniensoldaten einerseits, eine Nation mit Bürgerwehr auf der andern: Da ist der Ausfall nicht schwer vorher zu sehen. Wir hoffen, die preußische Constituante wird in dem Augenblicke, wo unsere Feder dies schreibt, Abrechnung halten, und Europa wird bald eine Zwingherrschaft weniger, eine Volksherrschaft mehr zählen. Ei ihr lieben Reaktionäre Frankreichs! wie fröhlich ihr

Beilage zu Nr. 154 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Dienstag 28. November 1848.
Deutschland.
103 Berlin, 26. Nov.

Nachdem Grabow vorgestern mit allen Fractionen der Nationalversammlung unterhandelt und sich mit ihnen über die Bedingungen zur Ausgleichung des Conflicts mit der Krone verständigt hatte, begab er sich gestern nach Sanssouci zum Könige, wo er während der ganzen Nacht bis heute Morgen gearbeitet haben soll. Nach zuverlässigen Nachrichten soll es Grabow endlich gelungen sein, den König zu überzeugen, daß kein anderer Weg vorhanden sei, als die Ernennung eines neuen Ministeriums, welches die Verfassung mit der Nationalversammlung zu vereinbaren habe. Grabow machte dem König begreiflich, daß sich das ganze Land gegen eine octroyirte Verfassung erheben werde, daß auch das Frankfurter Parlament sich dagegen erklären müsse, deren Zuneigung er nicht verscherzen dürfe, wenn er deutscher Kaiser werden wolle. Dieser Grund soll gezogen, und den König bewogen haben auf den Vorschlag Grabows einzugehen und ein neues Ministerium zu ernennen. Man spricht von Camphausen, auch von Gagern, welcher heute Morgen als Reichs-Commissar hier angekommen ist. —

Stralsund Sonntag den 19,

früh am Vormittage, war die Landwehr des Stralsunder Regierungsbezirks zur Einkleidung dorthin berufen. Die Wehrmänner aus Stadt und Land hatten wohl sämmtlich sich eingefunden, verweigerten jedoch einstimmig die Einkleidung, eh' sie den Grund ihrer Einberufung wüßten, auf Grund der §§. des Gesetzes und brachten stürmische Hoch's aus auf die Nationalversammlung. Der Major erklärte seine Unbekanntschaft mit dem Zweck der Einberufung und suchte durch Zureden und Vorstellungen die Wehrmänner zu bereden, hielt es jedoch für gut, nachdem er auf dem Platze herumgedrängt worden war, schleunigst zu retiriren und erschien nicht wieder daselbst. Die Wehrmänner bewegten sich nun nach dem Zeughause, um einige sich darin befindende Cameraden herauszurufen, wurden, in Massen andrängend, von den Stammgefreiten und Wachmannschaften mit Bayonetten empfangen, drängten aber diese in eine höhere Etage hinauf. Bei diesen Scenen wurden die Schilderhäuser umgeworfen und zerschlagen; die Stücke schleuderte man gegen die Fenster des Zeughauses, wobei aus dem versammelten Volke Biele durch Steinwürfe secundirten. Unterdeß erschien ein Hauptmann der Reserveabtheilungen auf dem Platze und schien die aufmarschirte Bürgerwehr zum Einschreiten gegen die Wehrmänner aufzufordern, was von den Angeredeten energisch zurückgewiesen wurde. Auf allen Seiten von Wehrmännern umringt und umdrängt, zog er den Degen, um sich zur Retirade den Weg zu bahnen. Bei dieser Gelegenheit soll er durch Hiebe einige Bürgerwehrmänner verwundet haben, worauf man Schläge gegen ihn führte ihm die Spitze vom Helm schlug, und er schleunig in ein Hotel sich flüchten mußte. Die Bürgerwehr besetzte sofort das Zeughaus, als ein Artilleriemajor zu Pferde sich durch die Landmänner Bahn zu brechen suchte. Die Gequetschten und Verwundeten darüber empört, bedeckten sein Pferd mit Schlägen; der Offizier gab demselben sofort die Sporen und suchte freies Terrain zu gewinnen. Kurze Zeit hernach erschien Artillerie zu Pferde ohne Geschütz und rückte mit gezogener Waffe gegen die Wehrmänner an. Dieselbe wurde aber, und namentlich der Commandeur, der Befehl zum Einrücken ertheilte, dergestalt mit Würfen empfangen, daß er abschwenken ließ und abritt. Während nun die Wehrmänner in der aufgeregtesten Stimmung sich gruppirten, rückte eine Abtheilung Reserve mit gefälltem Bayonett im Schritt an, und wurde mit Hurrah empfangen. Die Landwehrmänner umringten sie drängten sich zwischen die Glieder und suchten auf diese Weise die Bayonette abzuwehren; dennoch schien von Seiten der Soldaten durchaus keine Neigung vorhanden, ernstlich anzugreifen, vielmehr sah sich das Militär genöthigt, sich wieder zurückzuziehen, besonders da die Bürgerwehr, zwischen Landwehr und Militair protestirend sich drängte. Die Wehrmänner einigten sich darauf, nach Hause zurückzukehren, jedoch sich Nachmittags zuvor noch auf dem Platze zu versammeln. Die Greifswalder, wenigstens ein Theil von ihnen, setzten noch erst den Feldwebel von ihrem Vorhaben in Kenntniß, was dieser zu notiren sich bereit erklärte. Die Bewohner der Stadt waren während dieser Scenen sehr aufgeregt, begrüßten und bewillkommten überall die Wehrmänner aufs Freundliche und bewirtheten sie aufs Beste. Nachmittags gegen 5 Uhr verließen sie darauf in Massen die Stadt, um nach allen Richtungen hin in ihre Heimath zurückzukehren.

Erfurt, 24. Nov.

Nachdem die aufwieglerische Rotte, welche der Dr. Stockmann in Bibra um sich gesammelt hatte, durch seine Verhaftung ihres Führers beraubt, mit leichter Mühe zersprengt worden war, versuchte die Umsturzpartei heute hier eine Schilderhebung, welche aber an dem vortrefflichen Geiste und an der unerschütterlichen Treue und Tapferkeit der Truppen vollständig gescheitert ist. Die Einkleidung von zwei Kompagnien des hiesigen Landwehrbataillons mußte da den Vorwand und die Veranlassung darbieten, obgleich die Landwehrleute sich dem erhaltenen Befehle gemäß gestellt hatten und zur Einkleidung ganz bereit waren. Sie haben sich daher auch bei dieser Schilderhebung in keiner Weise betheiligt. Dagegen hat leider ein Theil der hiesigen Bürgerwehr, nachdem auch ihre Führer sich außer Stande erklärt hatten, mit der Bürgerwehr die Ordnung wieder herzustellen und die Ruhe zu erhalten, bei dem ersten Einschreiten der Truppen auf dieselben wiederholt geschossen und sogleich mehrere Soldaten getödtet und verwundet. In dem hierauf entstandenen Kampfe, bei welchem auch eine Schaar mit geraden Sensen auf langen Stangen sich betheiligte, welche heute erst vertheilt worden sind, hat es auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben. Um 3 Uhr Nachmittags war indessen die vollständige Niederlage der Aufrührer schon entschieden. Es sind von denselben bis heute Abend 102 Individuen verhaftet, unter denen sich auch die Person befindet, welche die Sensen vertheilt hat. Die Festung und Stadt sind in Belagerungszustand erklärt und für morgen ist die Ablieferungs der Waffen angeordnet.

(Magdb. Z.)
* Magdeburg, 25. November.

In Herzberg an der Elster sollte vor einigen Tagen das 3te Bat. des 32. Landwehr-Regiments eingekleidet werden. Die Mannschaften weigerten sich aber unter Berufung auf das Gesetz über die Bestimmung der Landwehr entschieden, dem Befehl Folge zu leisten. Nach sehr stürmischen Auftritten gingen sämmtliche Landwehrmänner aus einander und nicht ein Einziger ließ sich einkleiden.

121 Wien, 24. Nov.

Gestern Morgen beim Tagesgrauen sind Dr. Becher und Dr. Jellinek, Redakteure des Radikalen, vor dem Neuthor standrechtlich erschossen worden.

In den Straßen und auf den Wällen, überall noch immer Militärhaufen; den ganzen Tag über Trommelgetön und Patrouillen.

Die Werbung à 10 Fl. Handgeld soll nicht den besten Erfolg haben, und es müssen mithin auf andere Weise Radetzky Truppen verschafft werden.

* Kremsier, 22. November.

Heute erste Sitzung des österreichischen Reichstags in unserm erzbischöflichen Palais. Smolka wurde wider Erwarten beim 2. Scrutinium abermals zum Präsidenten erwählt. Sein czechischer Rival, Strobach, hatte 7 Stimmen weniger. Meyer (a. Brünn) u. Losser (a. Salzburg) wurden Vicepräsidenten. Die Czechen fielen also mit ihren Kandidaten durch. Hierauf erzählte Schuselka die Erlebnisse des Reichstages in Wien seit dem 6. Oktober. Die nächste Sitzung wird auf den 25 dieses anberaumt.

Frankfurt, 24. Nov.

Der Fr. O.-P.-A.-Ztg. nach hat der Erzherzog-Reichsverweser die Entlassung des Unterstaatssekretärs, Hrn. Bassermann, nicht angenommen.

Frankfurt, 25. Nov.

Gestern Abend hat eine große Anzahl von Abgeordneten der vereinigten Klubs der Linken: Donnersberg, Deutscher Hof, Nürnberger Hof und Westend-Hall, sich zum Behuf kräftigen Zusammenwirkens für das Recht und die Freiheit des deutschen Volks als Verein unter dem Namen März-Verein konstituirt; die Abgeordneten Raveaux aus Köln, v. Trützschler aus Dresden und Eisenmann aus Nürnberg zu Vorsitzenden, Spatz aus Frankenthal zum Schatzmeister, Max Simon aus Breslau, Raus aus Mähren und Wesendonck aus Düsseldorf zu Schriftführern gewählt. Die Mitglieder des linken Centrums: Würtemberger Hof, sind ebenfalls zum Beitritt eingeladen.

Mainz, 24. Novbr.

Die Truppen vom 28. preußischen Infanterieregiment, welche heute nach der preußischen Rheinprovinz abgehen sollten, sind auf Gegenbefehl hier geblieben. Dagegen werden morgen früh 900 Mann Preußen, wie wir hören, von Bingen aus rheinabwärts gehen. — Den Unteroffizieren und Soldaten der hiesigen preußischen Garnison soll heute das fernere Besuchen des demokratischen Vereins verboten worden sein.

(F. J.)
* Darmstadt, 24. Novbr.

Gestern Abend gab es viel zu sehen und zu hören. Die schönsten Nachtständchen und gräuliche Katzenmusiken wechselten mit einander. Die Konzertgeber waren lauter „vaterländisches“ Militär, die in solcher Weise mehreren Offizieren ihre Ansichten über das politische Verhalten dieser Vorgesetzten kund zu geben beschlossen hatten. Es wäre damit wahrscheinlich Alles zu Ende gewesen, wenn die Soldaten, als sie von der in Gegenwart einiger Tausend Zuhörer abgehaltenen musikalischen Soiree, nicht die Kaserne verschlossen gefunden hätten. Dieser Umstand war Ursache, daß jetzt Fenster und Thüren zertrümmert wurden. Der Abend schloß mit der Befreiung eines verhafteten Soldaten durch seine Kameraden.

* Tilsit, 21. November.

Selbst hier, an der östlichsten Grenze Deutschlands, hat die von der Nationalversammlung in Berlin ausgesprochene Steuerverweigerung die bereitwilligste Zustimmung gefunden. Eine Kommission der hiesigen Kommunalbehörden hat sich nach Gumbinnen mit dem Auftrage begeben, von der dortigen Regierung bestimmte Antwort zu fordern, ob sie auf Seiten des hochverrätherischen Ministeriums Manteuffel-Brandenburg oder der Nationalversammlung zu stehen gesonnen ist. Im ersteren Falle wird die Stadt Tilsit die Ausführung der Steuerverweigerung selbst übernehmen.

Italien.
*

Die Mailänder Zeitung vom 15. Nov. bringt eine neue Liste von Personen, welche durch das Plünderungsdekret Radetzky's ausgezogen werden sollen. Montecuculi hatte inzwischen den Tribunalrath Pedersani von Verona nach Mailand kommen lassen, und dieser hatte dem Marschall offen erklärt, in den Annalen Oesterreichs sei ein so infames Gesetz noch nicht vorgekommen, und wenn Radetzky es nicht widerrufe, so werde er, Pedersani, nach Olmütz gehen, in der festen Gewißheit, daß der Kaiser den Schandbefehl des Marschalls umstoßen werde. Daraufhin glaubte man am 18. Nov., Radetzky habe das Dekret bereits zurückgezogen; doch hieß es, er wolle es ersetzen: 1) durch eine additionelle Steuer von 4 Centimes auf den Thaler; 2) durch eine Steuer auf das Kapital; 3) durch 4 Millionen auf den Handel; 4) durch eine andere Steuer, welche sich auf eine der Besteuerung der Emigrirten gleichkommende Grundlage stützen werde.

Radetzky hat eine neue Aushebung aller jungen Leute von 20 bis 25 Jahren befohlen. Die Meisten derselben irren in Italien oder in der Fremde herum, und um sie zur Rückkehr zu zwingen, bedroht der Marschall ihre Eltern und Verwandten mit Gefängniß und andern Strafen.

Auf den Herzog von Modena, der Radetzkys' Raubsystem in seinem Ländchen nachahmt, ist geschossen worden. Die Kugel hat übrigens ihr Ziel verfehlt, und nur den Begleiter den Herzogs, den Major Guerra, verwundet.

Zu Turin fanden am 19. Nov. Demonstrationen für den Krieg Statt. Zahllose Massen umstanden das Ministerium mit dem Rufe: Krieg! Krieg! Nieder mit dem Ministerium! Es lebe die Constituante!

Rom, 16. Nov. 9 Uhr Nachm.

Ein Aufstand fand Statt, der nach etwa dreistündigem Kampf 8 1/2 Uhr endete. Das Aeußere des päbstlichee Palastes ist von Kugeln durchlöchert; die Todten scheinen nicht sehr zahlreich zu sein; der Kampf scheint besonders zwischen den Schweizern und dem Volk, zu welch letzterem mindestens ein Theil der Linientruppen hielt, stattgefunden zu haben. Zu Ministern sind ernannt: Mamiani für das Aeußere, Galletti Inneres und Polizei, Lunati Finanzen, Sterbini Handel und öffentliche Arbeit, Campello Krieg, Rosmini Präsidentschaft und öffentlichen Unterricht, Sereni Gnaden und Gerechtigkeit. Wegen der Berufung der Constituante, Vollziehung der Kammerbeschlüsse über den Unabhängigkeitskrieg und andern Forderungen des Volks erklärte der Pabst, er stelle die Entscheidung hierüber ganz der Deputirtenkammer anheim. Um 6 Uhr war der Quirinal vollkommen belagert; 6000 Civici und Linientruppen standen vor ihm geschaart; die Kanonen waren auf sein Hauptthor gerichtet, das Volk stellte dem Pabst ein Ultimatum, das er binnen einer Stunde zu bewilligen habe, sonst werde der Pallast genommen und außer seiner Person Alles niedergemacht.

(A. Z.)
** Turin, 17. November.

Hr. Bianchi Giovini, Redakteur der Opinione, ist in Anklagestand versetzt und vor Gericht citirt wegen folgender Beschuldigungen: 1. Beleidigung der geheiligten Person des Königs, indem er ihr Eigenschaften zuschrieb, welche Verachtung und Mißvergnügen gegen sie zu erregen geeignet sind; 2. auf die geheiligte Person des Königs den Tadel und die Verantwortlichkeit für die Handlungen seiner Regierung übertragen zu haben; 3. die Lombarden und Venetianer aufgereizt zu haben, die durch die Gesetze vom 11. und 27. Juli errichtete Union zu brechen, sich von dem Königreich zu trennen, um einen andern Staat zu bilden und sich einer andern Regierung zu überliefern.

** Bologna, 18. November.

Die von Garibaldi für Venedig bestimmte Kolonne ist bereits in Faenza durchpassirt und muß den 16. in Ravenna eingetroffen sein.

Belgien.
* Brüssel, 26. Nov.

Die belgische Begnadigung ist über die Verurtheilten von Risquons-Tout ergangen. Die über Spilthorn, Mellinet, Tedesco, Bailliu, Guelton, Coopmans, Mathieu, Calonne und Perrin verhängte Todesstrafe oder lebenslängliche Verurtheilung ist in 20jährige Einsperrung in die Citadelle von Huy verwandelt worden; Delestre, Derudder, Carnel, Jouannin, Nouhel, Bacten, Bourgeois, Declerck sind von des Königs Gnade zu 15jähriger Einsperrung verurtheilt worden. So verfährt das Musterland Belgien.

Französische Republik.
19 Paris, 23. Nov.

Unter den vielerlei Karikaturen auf den „Prinzen“ Napoleon ziehen besonders drei an allen Schaufenstern das pariser Volk an. Auf der einen sieht man einen „mit Reliquien bedeckten“ Esel, vor ihm eine Menge Bauern, die voll Bewunderung die Nachtmützen abziehen, und darunter die Unterschrift: „Und dies ist das Volk, welches sich für das erste der Erde hält!“ Die zweite zeigt abermals einen Esel mit dem dreieckigen Hut des Kaisers, hinter ihm das wohlwollende Antlitz des russischen Czaren, und zur Seite Herrn E. v. Girardin, der markschreierisch die „Presse“ schwingt und ausruft: „Man kann ihn dreist fragen, er antwortet nicht.“ Angenehme Bescheidenheit, die ihn vortheilhaft vor dem Esel Bileams auszeichnet. Das dritte Bild läßt denselben Esel schauen, diesmal vor dem Präsidentenstuhl; Herr Thiers hat ihn bei den langen Ohren gefaßt, und sucht ihm nach dem Stuhl zu ziehen, wogegen ihn zwei andere Biedermänner beim Schwanz zurückzuziehen bemüht sind; diese beiden Gestalten gleichen zum Erstaunen dem General Cavaignac, dem unter der Anstrengung seine Mütze in den Nacken gerutscht ist, und dem Präsidenten der National-Versammlung, Armand Marrast, der in schwarzen Hosen und Tanzschuhen, mit einer Zopfperücke und Rittmeister-Schnurbart voll Eifer aus Mund und Nase schnauft; der Esel selbst hat mit schmerzvoller Geberde das Maul geöffnet und rechtfertigt vollkommen die Unterschrift dieser Darstellung Pauvre bête!

Der arme bête Napoleon der mit seinem „Namen“ und mit Nichts als seinem „Namen“ alle übrigen Bedürfnisse zu ersetzen glaubt, hat in der That schwer an den „Reliquien“ zu tragen, mit denen er belastet ist. Weil sein Oheim dem Ager der Revolution die Siebenmeilenstiefel stahl, glaubt der „kleine Prinz mit dem großen Namen“ etwa, es genüge für ihn, ein Zwerg zu sein, um ebenfalls in die Stiefel zu fahren? Aber der Kaiser hat der Welt noch eine andere „Reliquie“ hinterlassen, als den „Namen“ und die Stiefeln, auf deren Erbschaft der prätendirte Däumling Anspruch macht.

Indem der Kaiser in Frankreich die Revolution unterdrückte, trug er sie zugleich in das übrige Europa. Und der Londoner Constabler!

17 Paris, 23. Nov.

Die „Assemblée Nationale“, vielleicht das frechste aller Reaktionsblätter, bewies in einem Leitartikel: „Robert Blum sei mit Fug und Recht, als ein unverbesserlicher Demagog, hingerichtet worden.“ Der „Constitutionnel“ stimmt bei, und höhnt obendrein, Blum habe ja „auch“ Contremarken an der Theaterthür zu Leipzig einst feil geboten; das „auch“ bezieht sich auf Hebert, den Redakteur des Père Duchene von 1793, mit dem Blum in den Augen des stets geistreichen, in Vergleichungen unübertrefflichen Thiersjournals Aehnlichkeit hat. Hierauf hat Dr. Handvogel gebührend erwidert: „Männer wie der deutsche Märtyrer stehen zu hoch, als daß der Constitutionnel an sie hinauf reichen könnte.“ Daß dies „Schmutzblatt in Folio“, wie der unermüdliche Klubpräsident Bernard (von Carcassone) es öffentlich zu nennen pflegt, auf Deutschlands Demokratenpresse ergrimmt, ist wohl natürlich; der in „La Reforme“ übergegangene Artikel der N. Rhein. Zeitung gegen Thiers den nationalökonomischen Schriftsteller, hat böses Blut gesetzt. Alle Pariser- und Provinzial-Thiersblätter poltern, Auch „La Corsaire“ schäkert heute: „Die N. Rhein. Zeitung treibt Plagiat, sie schreibt Hrn. E. de Girardin ab, wenn sie keine Steuern mehr, als Motto wählt.“ Ungemein erheiternd ist das sauersüße Schmollen, womit der „Constitutionnel“ und „La Patrie“ heute den ihnen sonst so lieben „edeln“ Radetzky behandeln; „er hat eine Zwangssteuer auf die mailändischen Reichen gelegt, wodurch er sie ruinirt, und wahrlich nicht zum wahren Vortheil Oestreichs;“ mit tückischem Seitenblick fügen beide Reaktionsblätter hinzu: „wir begreifen jedoch keineswegs das Geschrei gewisser Journale darüber; denn was wollen unsere Herren Socialisten anders, als durch progressive Steuern, durch die Tausend-Millionen-Steuer, durch Cambon's System, ganz wie der alte Marschall es thut, die Besitzenden arm machen? Wir bitten diese Herren, etwas sich zu mäßigen in ihrem Gram und Grimm, es wäre schon im Interesse ihrer Doktrin, oder der Komödie, die sie aufführen. Kämen sie je an's Ruder, dann würden sie uns wie eine eroberte Provinz behandeln.“ Der „Corsaire“ brachte neulich, wie er sagte, aus „bestunterrichteter deutscher Feder“ ein langes angenehmes Feuilleton, worin ganz ernsthaft Jellachich mit Ritter Bayard „der Sophien's hohe Gunst genieße,“ Radetzky mit Nestor, Windischgrätz mit Achill verglichen wird; nichts übersteige des mailändischen Siegers Weisheit, des Bändigers von Prag Energie, des „genialen Banus“ schnellkräftigen, poetischen Schwung. „La Presse“ liefert wieder lehrreiche Vorträge von Herrn Alexander Weill (von Straßburg); z. B. heute erfährt Deutschland: „die Abstimmung der Steuerverweigerung ward durch die Linke erschlichen; sie stieß Geschrei aus und übertäubte somit die Opponenten. Entzöge der König diesen Herren die Habeas-Corpus-Acte, es wäre nicht weniger als billig; in der That, der Pr. Staatsanzeiger hat vollkommen Recht, wenn er der Nationalversammlung die Ermächtigung, Steuern zu weigern, rund weg abspricht; ein Büdget ist ihr ohnehin nie vorgelegt worden, und sie ist jetzt offenbar in Rebellion gegen das Staatshaupt.“ Hauptquelle für das Girardin'sche Blatt und das Journal des Debats ist bekanntlich des Hofkomödianten Schneider „N. Preuß. Zeitung“, und als diese neulich in einem hiesigen Demokratenblatt l'infame gazette du gibet (die niederträchtige Galgenzeitung) genannt ward, nahm sich der stets gerechte Constitutionnel ihrer an. Es versteht sich, daß dieser „in Moder und Eiter zerfallenden“ Presse (um den etwas scharfen, doch richtigen Ausdruck des „Peuple Souverain“ zu gebrauchen) mit Erfolg die kräftige Demokratenpresse opponirt; „La Reforme“ gab oft Berichte über Berlin und den dortigen Demokratenkongreß; das Lyoner „Peuple souverain“ bringt in seiner Nummer vom „27. Brumaire Jahr LVII, christlicher Aera 17. November 1848“ folgenden Leitartikel: „Die preußische Revolution. Unsere Augen sind bisher von dem Drama jenseit des Rheines abgezogen worden durch unsere innere Plackereien und das Herannahen der Präsidentenwahl. Bei uns zu Lande bläst man zum Rückzuge, scheint's, aber in Preußen wandelt die Revolution den Riesenschritt. Der König hat nur noch dem Namen nach Macht, die Reaktion steift sich vermessen auf das Heer und glüht vor Sehnsucht, der Freiheit den Hals zu brechen. Die Wiener Vorgänge haben ihr den Kamm geschwellt, und am Ende wird auch Friedrich Wilhelm jubeln, wenn ein preußischer Windischgrätz in seine Krone ihm ein Sträußlein flicht, wie das was heute an der des Ferdinand von Habsburg schimmert. Allein bei solchem wüsten Mordspiel gewinnt man nicht immer; zumal wenn die Sache ernsthaft, gesetzkräftig, wie in Preußen, geschieht; dort steht die Partie für die Reaktion weit schlechter, als in Oesterreich. Heute handelt sich's nicht mehr um Verhindern des Abmarsches von ein paar Regimentern, um Abbrechen einiger Privilegien, um Auslöschen einiger Mißbräuche. Nein, die Königsmacht hat der Nationalvertreterschaft frech den Handschuh ins Gesicht geschleudert, und diese hat den Handschuh kühn aufgehoben. Ein Thron mit Liniensoldaten einerseits, eine Nation mit Bürgerwehr auf der andern: Da ist der Ausfall nicht schwer vorher zu sehen. Wir hoffen, die preußische Constituante wird in dem Augenblicke, wo unsere Feder dies schreibt, Abrechnung halten, und Europa wird bald eine Zwingherrschaft weniger, eine Volksherrschaft mehr zählen. Ei ihr lieben Reaktionäre Frankreichs! wie fröhlich ihr

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        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 154 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
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          <docDate>Dienstag 28. November 1848.</docDate>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 26. Nov.</head>
          <p>Nachdem <hi rendition="#g">Grabow</hi> vorgestern mit allen Fractionen der Nationalversammlung unterhandelt und sich mit ihnen über die Bedingungen zur Ausgleichung des Conflicts mit der Krone verständigt hatte, begab er sich gestern nach Sanssouci zum Könige, wo er während der ganzen Nacht bis heute Morgen gearbeitet haben soll. Nach zuverlässigen Nachrichten soll es <hi rendition="#g">Grabow</hi> endlich gelungen sein, den König zu überzeugen, daß kein anderer Weg vorhanden sei, als die Ernennung eines neuen Ministeriums, welches die Verfassung mit der Nationalversammlung zu vereinbaren habe. <hi rendition="#g">Grabow</hi> machte dem König begreiflich, daß sich das ganze Land gegen eine octroyirte Verfassung erheben werde, daß auch das Frankfurter Parlament sich dagegen erklären müsse, deren Zuneigung er nicht verscherzen dürfe, wenn er deutscher Kaiser werden wolle. Dieser Grund soll gezogen, und den König bewogen haben auf den Vorschlag Grabows einzugehen und ein neues Ministerium zu ernennen. Man spricht von <hi rendition="#g">Camphausen,</hi> auch von <hi rendition="#g">Gagern</hi>, welcher heute Morgen als Reichs-Commissar hier angekommen ist. &#x2014;</p>
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          <head>Stralsund Sonntag den 19,</head>
          <p>früh am Vormittage, war die Landwehr des Stralsunder Regierungsbezirks zur Einkleidung dorthin berufen. Die Wehrmänner aus Stadt und Land hatten wohl sämmtlich sich eingefunden, verweigerten jedoch einstimmig die Einkleidung, eh' sie den Grund ihrer Einberufung wüßten, auf Grund der §§. des Gesetzes und brachten stürmische Hoch's aus auf die Nationalversammlung. Der Major erklärte seine Unbekanntschaft mit dem Zweck der Einberufung und suchte durch Zureden und Vorstellungen die Wehrmänner zu bereden, hielt es jedoch für gut, nachdem er auf dem Platze herumgedrängt worden war, schleunigst zu retiriren und erschien nicht wieder daselbst. Die Wehrmänner bewegten sich nun nach dem Zeughause, um einige sich darin befindende Cameraden herauszurufen, wurden, in Massen andrängend, von den Stammgefreiten und Wachmannschaften mit Bayonetten empfangen, drängten aber diese in eine höhere Etage hinauf. Bei diesen Scenen wurden die Schilderhäuser umgeworfen und zerschlagen; die Stücke schleuderte man gegen die Fenster des Zeughauses, wobei aus dem versammelten Volke Biele durch Steinwürfe secundirten. Unterdeß erschien ein Hauptmann der Reserveabtheilungen auf dem Platze und schien die aufmarschirte Bürgerwehr zum Einschreiten gegen die Wehrmänner aufzufordern, was von den Angeredeten energisch zurückgewiesen wurde. Auf allen Seiten von Wehrmännern umringt und umdrängt, zog er den Degen, um sich zur Retirade den Weg zu bahnen. Bei dieser Gelegenheit soll er durch Hiebe einige Bürgerwehrmänner verwundet haben, worauf man Schläge gegen ihn führte ihm die Spitze vom Helm schlug, und er schleunig in ein Hotel sich flüchten mußte. Die Bürgerwehr besetzte sofort das Zeughaus, als ein Artilleriemajor zu Pferde sich durch die Landmänner Bahn zu brechen suchte. Die Gequetschten und Verwundeten darüber empört, bedeckten sein Pferd mit Schlägen; der Offizier gab demselben sofort die Sporen und suchte freies Terrain zu gewinnen. Kurze Zeit hernach erschien Artillerie zu Pferde ohne Geschütz und rückte mit gezogener Waffe gegen die Wehrmänner an. Dieselbe wurde aber, und namentlich der Commandeur, der Befehl zum Einrücken ertheilte, dergestalt mit Würfen empfangen, daß er abschwenken ließ und abritt. Während nun die Wehrmänner in der aufgeregtesten Stimmung sich gruppirten, rückte eine Abtheilung Reserve mit gefälltem Bayonett im Schritt an, und wurde mit Hurrah empfangen. Die Landwehrmänner umringten sie drängten sich zwischen die Glieder und suchten auf diese Weise die Bayonette abzuwehren; dennoch schien von Seiten der Soldaten durchaus keine Neigung vorhanden, ernstlich anzugreifen, vielmehr sah sich das Militär genöthigt, sich wieder zurückzuziehen, besonders da die Bürgerwehr, zwischen Landwehr und Militair protestirend sich drängte. Die Wehrmänner einigten sich darauf, nach Hause zurückzukehren, jedoch sich Nachmittags zuvor noch auf dem Platze zu versammeln. Die Greifswalder, wenigstens ein Theil von ihnen, setzten noch erst den Feldwebel von ihrem Vorhaben in Kenntniß, was dieser zu notiren sich bereit erklärte. Die Bewohner der Stadt waren während dieser Scenen sehr aufgeregt, begrüßten und bewillkommten überall die Wehrmänner aufs Freundliche und bewirtheten sie aufs Beste. Nachmittags gegen 5 Uhr verließen sie darauf in Massen die Stadt, um nach allen Richtungen hin in ihre Heimath zurückzukehren.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_003" type="jArticle">
          <head>Erfurt, 24. Nov.</head>
          <p>Nachdem die aufwieglerische Rotte, welche der Dr. Stockmann in Bibra um sich gesammelt hatte, durch seine Verhaftung ihres Führers beraubt, mit leichter Mühe zersprengt worden war, versuchte die Umsturzpartei heute hier eine Schilderhebung, welche aber an dem vortrefflichen Geiste und an der unerschütterlichen Treue und Tapferkeit der Truppen vollständig gescheitert ist. Die Einkleidung von zwei Kompagnien des hiesigen Landwehrbataillons mußte da den Vorwand und die Veranlassung darbieten, obgleich die Landwehrleute sich dem erhaltenen Befehle gemäß gestellt hatten und zur Einkleidung ganz bereit waren. Sie haben sich daher auch bei dieser Schilderhebung in keiner Weise betheiligt. Dagegen hat leider ein Theil der hiesigen Bürgerwehr, nachdem auch ihre Führer sich außer Stande erklärt hatten, mit der Bürgerwehr die Ordnung wieder herzustellen und die Ruhe zu erhalten, bei dem ersten Einschreiten der Truppen auf dieselben wiederholt geschossen und sogleich mehrere Soldaten getödtet und verwundet. In dem hierauf entstandenen Kampfe, bei welchem auch eine Schaar mit geraden Sensen auf langen Stangen sich betheiligte, welche heute erst vertheilt worden sind, hat es auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben. Um 3 Uhr Nachmittags war indessen die vollständige Niederlage der Aufrührer schon entschieden. Es sind von denselben bis heute Abend 102 Individuen verhaftet, unter denen sich auch die Person befindet, welche die Sensen vertheilt hat. Die Festung und Stadt sind in Belagerungszustand erklärt und für morgen ist die Ablieferungs der Waffen angeordnet.</p>
          <bibl>(Magdb. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Magdeburg, 25. November.</head>
          <p>In <hi rendition="#g">Herzberg</hi> an der Elster sollte vor einigen Tagen das 3te Bat. des 32. Landwehr-Regiments eingekleidet werden. Die Mannschaften weigerten sich aber unter Berufung auf das Gesetz über die <hi rendition="#g">Bestimmung</hi> der Landwehr entschieden, dem Befehl Folge zu leisten. Nach sehr stürmischen Auftritten gingen sämmtliche Landwehrmänner aus einander und nicht ein Einziger ließ sich einkleiden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 24. Nov.</head>
          <p>Gestern Morgen beim Tagesgrauen sind Dr. Becher und Dr. Jellinek, Redakteure des Radikalen, vor dem Neuthor standrechtlich erschossen worden.</p>
          <p>In den Straßen und auf den Wällen, überall noch immer Militärhaufen; den ganzen Tag über Trommelgetön und Patrouillen.</p>
          <p>Die Werbung à 10 Fl. Handgeld soll nicht den besten Erfolg haben, und es müssen mithin auf andere Weise Radetzky Truppen verschafft werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Kremsier, 22. November.</head>
          <p>Heute erste Sitzung des österreichischen Reichstags in unserm erzbischöflichen Palais. Smolka wurde wider Erwarten beim 2. Scrutinium abermals zum Präsidenten erwählt. Sein czechischer Rival, Strobach, hatte 7 Stimmen weniger. Meyer (a. Brünn) u. Losser (a. Salzburg) wurden Vicepräsidenten. Die Czechen fielen also mit ihren Kandidaten durch. Hierauf erzählte Schuselka die Erlebnisse des Reichstages in Wien seit dem 6. Oktober. Die nächste Sitzung wird auf den 25 dieses anberaumt.</p>
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        <div xml:id="ar154b_007" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 24. Nov.</head>
          <p>Der Fr. O.-P.-A.-Ztg. nach hat der Erzherzog-Reichsverweser die Entlassung des Unterstaatssekretärs, Hrn. Bassermann, nicht angenommen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_008" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 25. Nov.</head>
          <p>Gestern Abend hat eine große Anzahl von Abgeordneten der vereinigten Klubs der Linken: Donnersberg, Deutscher Hof, Nürnberger Hof und Westend-Hall, sich zum Behuf kräftigen Zusammenwirkens für das Recht und die Freiheit des deutschen Volks als Verein unter dem Namen <hi rendition="#b">März-Verein</hi> konstituirt; die Abgeordneten Raveaux aus Köln, v. Trützschler aus Dresden und Eisenmann aus Nürnberg zu Vorsitzenden, Spatz aus Frankenthal zum Schatzmeister, Max Simon aus Breslau, Raus aus Mähren und Wesendonck aus Düsseldorf zu Schriftführern gewählt. Die Mitglieder des linken Centrums: Würtemberger Hof, sind ebenfalls zum Beitritt eingeladen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_009" type="jArticle">
          <head>Mainz, 24. Novbr.</head>
          <p>Die Truppen vom 28. preußischen Infanterieregiment, welche heute nach der preußischen Rheinprovinz abgehen sollten, sind auf Gegenbefehl hier geblieben. Dagegen werden morgen früh 900 Mann Preußen, wie wir hören, von Bingen aus rheinabwärts gehen. &#x2014; Den Unteroffizieren und Soldaten der hiesigen preußischen Garnison soll heute das fernere Besuchen des demokratischen Vereins verboten worden sein.</p>
          <bibl>(F. J.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Darmstadt, 24. Novbr.</head>
          <p>Gestern Abend gab es viel zu sehen und zu hören. Die schönsten Nachtständchen und gräuliche Katzenmusiken wechselten mit einander. Die Konzertgeber waren lauter &#x201E;vaterländisches&#x201C; Militär, die in solcher Weise mehreren Offizieren ihre Ansichten über das politische Verhalten dieser Vorgesetzten kund zu geben beschlossen hatten. Es wäre damit wahrscheinlich Alles zu Ende gewesen, wenn die Soldaten, als sie von der in Gegenwart einiger Tausend Zuhörer abgehaltenen musikalischen Soiree, nicht die Kaserne verschlossen gefunden hätten. Dieser Umstand war Ursache, daß jetzt Fenster und Thüren zertrümmert wurden. Der Abend schloß mit der Befreiung eines verhafteten Soldaten durch seine Kameraden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar154b_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Tilsit, 21. November.</head>
          <p>Selbst hier, an der östlichsten Grenze Deutschlands, hat die von der Nationalversammlung in Berlin ausgesprochene Steuerverweigerung die bereitwilligste Zustimmung gefunden. Eine Kommission der hiesigen Kommunalbehörden hat sich nach Gumbinnen mit dem Auftrage begeben, von der dortigen Regierung bestimmte Antwort zu fordern, ob sie auf Seiten des hochverrätherischen Ministeriums Manteuffel-Brandenburg oder der Nationalversammlung zu stehen gesonnen ist. Im ersteren Falle wird die Stadt Tilsit die Ausführung der Steuerverweigerung selbst übernehmen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
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          <head>
            <bibl>
              <author>*</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>Die Mailänder Zeitung vom 15. Nov. bringt eine neue Liste von Personen, welche durch das Plünderungsdekret Radetzky's ausgezogen werden sollen. Montecuculi hatte inzwischen den Tribunalrath Pedersani von Verona nach Mailand kommen lassen, und dieser hatte dem Marschall offen erklärt, in den Annalen Oesterreichs sei ein so infames Gesetz noch nicht vorgekommen, und wenn Radetzky es nicht widerrufe, so werde er, Pedersani, nach Olmütz gehen, in der festen Gewißheit, daß der Kaiser den Schandbefehl des Marschalls umstoßen werde. Daraufhin glaubte man am 18. Nov., Radetzky habe das Dekret bereits zurückgezogen; doch hieß es, er wolle es ersetzen: 1) durch eine additionelle Steuer von 4 Centimes auf den Thaler; 2) durch eine Steuer auf das Kapital; 3) durch 4 Millionen auf den Handel; 4) durch eine andere Steuer, welche sich auf eine der Besteuerung der Emigrirten gleichkommende Grundlage stützen werde.</p>
          <p>Radetzky hat eine neue Aushebung aller jungen Leute von 20 bis 25 Jahren befohlen. Die Meisten derselben irren in Italien oder in der Fremde herum, und um sie zur Rückkehr zu zwingen, bedroht der Marschall ihre Eltern und Verwandten mit Gefängniß und andern Strafen.</p>
          <p>Auf den Herzog von Modena, der Radetzkys' Raubsystem in seinem Ländchen nachahmt, ist geschossen worden. Die Kugel hat übrigens ihr Ziel verfehlt, und nur den Begleiter den Herzogs, den Major Guerra, verwundet.</p>
          <p>Zu Turin fanden am 19. Nov. Demonstrationen für den Krieg Statt. Zahllose Massen umstanden das Ministerium mit dem Rufe: Krieg! Krieg! Nieder mit dem Ministerium! Es lebe die Constituante!</p>
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          <head><bibl><author>19</author></bibl> Paris, 23. Nov.</head>
          <p>Unter den vielerlei Karikaturen auf den &#x201E;Prinzen&#x201C; Napoleon ziehen besonders drei an allen Schaufenstern das pariser Volk an. Auf der einen sieht man einen &#x201E;mit Reliquien bedeckten&#x201C; Esel, vor ihm eine Menge Bauern, die voll Bewunderung die Nachtmützen abziehen, und darunter die Unterschrift: &#x201E;Und dies ist das Volk, welches sich für das erste der Erde hält!&#x201C; Die zweite zeigt abermals einen Esel mit dem dreieckigen Hut des Kaisers, hinter ihm das wohlwollende Antlitz des russischen Czaren, und zur Seite Herrn E. v. Girardin, der markschreierisch die &#x201E;Presse&#x201C; schwingt und ausruft: &#x201E;Man kann ihn dreist fragen, er antwortet nicht.&#x201C; Angenehme Bescheidenheit, die ihn vortheilhaft vor dem Esel Bileams auszeichnet. Das dritte Bild läßt denselben Esel schauen, diesmal vor dem Präsidentenstuhl; Herr Thiers hat ihn bei den langen Ohren gefaßt, und sucht ihm nach dem Stuhl zu ziehen, wogegen ihn zwei andere Biedermänner beim Schwanz zurückzuziehen bemüht sind; diese beiden Gestalten gleichen zum Erstaunen dem General Cavaignac, dem unter der Anstrengung seine Mütze in den Nacken gerutscht ist, und dem Präsidenten der National-Versammlung, Armand Marrast, der in schwarzen Hosen und Tanzschuhen, mit einer Zopfperücke und Rittmeister-Schnurbart voll Eifer aus Mund und Nase schnauft; der Esel selbst hat mit schmerzvoller Geberde das Maul geöffnet und rechtfertigt vollkommen die Unterschrift dieser Darstellung Pauvre bête!</p>
          <p>Der arme bête Napoleon der mit seinem &#x201E;Namen&#x201C; und mit Nichts als seinem &#x201E;Namen&#x201C; alle übrigen Bedürfnisse zu ersetzen glaubt, hat in der That schwer an den &#x201E;Reliquien&#x201C; zu tragen, mit denen er belastet ist. Weil sein Oheim dem Ager der Revolution die Siebenmeilenstiefel stahl, glaubt der &#x201E;kleine Prinz mit dem großen Namen&#x201C; etwa, es genüge für ihn, ein Zwerg zu sein, um ebenfalls in die Stiefel zu fahren? Aber der Kaiser hat der Welt noch eine andere &#x201E;Reliquie&#x201C; hinterlassen, als den &#x201E;Namen&#x201C; und die Stiefeln, auf deren Erbschaft der prätendirte Däumling Anspruch macht.</p>
          <p>Indem der Kaiser in Frankreich die Revolution unterdrückte, trug er sie zugleich in das übrige Europa. Und der Londoner Constabler!</p>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 23. Nov.</head>
          <p>Die &#x201E;Assemblée Nationale&#x201C;, vielleicht das frechste aller Reaktionsblätter, bewies in einem Leitartikel: &#x201E;Robert Blum sei mit Fug und Recht, als ein <hi rendition="#g">unverbesserlicher</hi> Demagog, hingerichtet worden.&#x201C; Der &#x201E;Constitutionnel&#x201C; stimmt bei, und höhnt obendrein, Blum habe ja &#x201E;auch&#x201C; Contremarken an der Theaterthür zu Leipzig einst feil geboten; das &#x201E;auch&#x201C; bezieht sich auf Hebert, den Redakteur des Père Duchene von 1793, mit dem Blum in den Augen des stets geistreichen, in Vergleichungen unübertrefflichen Thiersjournals Aehnlichkeit hat. Hierauf hat Dr. Handvogel gebührend erwidert: &#x201E;Männer wie der deutsche Märtyrer stehen zu hoch, als daß der Constitutionnel an sie hinauf reichen könnte.&#x201C; Daß dies &#x201E;Schmutzblatt in Folio&#x201C;, wie der unermüdliche Klubpräsident Bernard (von Carcassone) es öffentlich zu nennen pflegt, auf Deutschlands Demokratenpresse ergrimmt, ist wohl natürlich; der in &#x201E;La Reforme&#x201C; übergegangene Artikel der <hi rendition="#g">N. Rhein. Zeitung gegen Thiers den nationalökonomischen Schriftsteller,</hi> hat böses Blut gesetzt. Alle Pariser- und Provinzial-Thiersblätter poltern, Auch &#x201E;La Corsaire&#x201C; schäkert heute: &#x201E;Die N. Rhein. Zeitung treibt Plagiat, sie schreibt Hrn. E. de Girardin ab, wenn sie <hi rendition="#g">keine Steuern mehr,</hi> als Motto wählt.&#x201C; Ungemein erheiternd ist das sauersüße Schmollen, womit der &#x201E;Constitutionnel&#x201C; und &#x201E;La Patrie&#x201C; heute den ihnen sonst so lieben &#x201E;edeln&#x201C; Radetzky behandeln; &#x201E;er hat eine Zwangssteuer auf die mailändischen Reichen gelegt, wodurch er sie ruinirt, und wahrlich nicht zum wahren Vortheil Oestreichs;&#x201C; mit tückischem Seitenblick fügen beide Reaktionsblätter hinzu: &#x201E;wir begreifen jedoch keineswegs das Geschrei gewisser Journale darüber; denn was wollen unsere Herren Socialisten anders, als durch progressive Steuern, durch die Tausend-Millionen-Steuer, durch Cambon's System, ganz wie der alte Marschall es thut, die Besitzenden arm machen? Wir bitten diese Herren, etwas sich zu mäßigen in ihrem Gram und Grimm, es wäre schon im Interesse ihrer Doktrin, oder der Komödie, die sie aufführen. Kämen sie je an's Ruder, dann würden sie uns wie eine eroberte Provinz behandeln.&#x201C; Der &#x201E;Corsaire&#x201C; brachte neulich, wie er sagte, aus &#x201E;bestunterrichteter deutscher Feder&#x201C; ein langes angenehmes Feuilleton, worin ganz ernsthaft Jellachich mit Ritter Bayard &#x201E;der Sophien's hohe Gunst genieße,&#x201C; Radetzky mit Nestor, Windischgrätz mit Achill verglichen wird; nichts übersteige des mailändischen Siegers Weisheit, des Bändigers von Prag Energie, des &#x201E;genialen Banus&#x201C; schnellkräftigen, poetischen Schwung. &#x201E;La Presse&#x201C; liefert wieder lehrreiche Vorträge von Herrn Alexander Weill (von Straßburg); z. B. heute erfährt Deutschland: &#x201E;die Abstimmung der Steuerverweigerung ward durch die Linke <hi rendition="#g">erschlichen;</hi> sie stieß Geschrei aus und übertäubte somit die Opponenten. Entzöge der König diesen Herren die Habeas-Corpus-Acte, es wäre nicht weniger als billig; in der That, der Pr. Staatsanzeiger hat vollkommen Recht, wenn er der Nationalversammlung die Ermächtigung, Steuern zu weigern, rund weg abspricht; ein Büdget ist ihr ohnehin nie vorgelegt worden, und sie ist jetzt offenbar in Rebellion gegen das Staatshaupt.&#x201C; Hauptquelle für das Girardin'sche Blatt und das Journal des Debats ist bekanntlich des Hofkomödianten Schneider &#x201E;N. Preuß. Zeitung&#x201C;, und als diese neulich in einem hiesigen Demokratenblatt l'infame gazette du gibet (die niederträchtige Galgenzeitung) genannt ward, nahm sich der stets gerechte Constitutionnel ihrer an. Es versteht sich, daß dieser &#x201E;in Moder und Eiter zerfallenden&#x201C; Presse (um den etwas scharfen, doch richtigen Ausdruck des &#x201E;Peuple Souverain&#x201C; zu gebrauchen) mit Erfolg die kräftige Demokratenpresse opponirt; &#x201E;La Reforme&#x201C; gab oft Berichte über Berlin und den dortigen Demokratenkongreß; das Lyoner &#x201E;Peuple souverain&#x201C; bringt in seiner Nummer vom &#x201E;27. Brumaire Jahr LVII, christlicher Aera 17. November 1848&#x201C; folgenden Leitartikel: &#x201E;<hi rendition="#g">Die preußische Revolution</hi>. Unsere Augen sind bisher von dem Drama jenseit des Rheines abgezogen worden durch unsere innere Plackereien und das Herannahen der Präsidentenwahl. Bei uns zu Lande bläst man zum Rückzuge, scheint's, aber in Preußen wandelt die Revolution den Riesenschritt. Der König hat nur noch dem Namen nach Macht, die Reaktion steift sich vermessen auf das Heer und glüht vor Sehnsucht, der Freiheit den Hals zu brechen. Die Wiener Vorgänge haben ihr den Kamm geschwellt, und am Ende wird auch Friedrich Wilhelm jubeln, wenn ein preußischer Windischgrätz in seine Krone ihm ein Sträußlein flicht, wie das was heute an der des Ferdinand von Habsburg schimmert. Allein bei solchem wüsten Mordspiel gewinnt man nicht immer; zumal wenn die Sache ernsthaft, gesetzkräftig, wie in Preußen, geschieht; dort steht die Partie für die Reaktion weit schlechter, als in Oesterreich. Heute handelt sich's nicht mehr um Verhindern des Abmarsches von ein paar Regimentern, um Abbrechen einiger Privilegien, um Auslöschen einiger Mißbräuche. Nein, die Königsmacht hat der Nationalvertreterschaft frech den Handschuh ins Gesicht geschleudert, und diese hat den Handschuh kühn aufgehoben. Ein Thron mit Liniensoldaten einerseits, eine Nation mit Bürgerwehr auf der andern: Da ist der Ausfall nicht schwer vorher zu sehen. Wir hoffen, die preußische Constituante wird in dem Augenblicke, wo unsere Feder dies schreibt, Abrechnung halten, und Europa wird bald eine Zwingherrschaft weniger, eine Volksherrschaft mehr zählen. Ei ihr lieben Reaktionäre Frankreichs! wie fröhlich ihr
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[0815/0001] Beilage zu Nr. 154 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Dienstag 28. November 1848. Deutschland. 103 Berlin, 26. Nov. Nachdem Grabow vorgestern mit allen Fractionen der Nationalversammlung unterhandelt und sich mit ihnen über die Bedingungen zur Ausgleichung des Conflicts mit der Krone verständigt hatte, begab er sich gestern nach Sanssouci zum Könige, wo er während der ganzen Nacht bis heute Morgen gearbeitet haben soll. Nach zuverlässigen Nachrichten soll es Grabow endlich gelungen sein, den König zu überzeugen, daß kein anderer Weg vorhanden sei, als die Ernennung eines neuen Ministeriums, welches die Verfassung mit der Nationalversammlung zu vereinbaren habe. Grabow machte dem König begreiflich, daß sich das ganze Land gegen eine octroyirte Verfassung erheben werde, daß auch das Frankfurter Parlament sich dagegen erklären müsse, deren Zuneigung er nicht verscherzen dürfe, wenn er deutscher Kaiser werden wolle. Dieser Grund soll gezogen, und den König bewogen haben auf den Vorschlag Grabows einzugehen und ein neues Ministerium zu ernennen. Man spricht von Camphausen, auch von Gagern, welcher heute Morgen als Reichs-Commissar hier angekommen ist. — Stralsund Sonntag den 19, früh am Vormittage, war die Landwehr des Stralsunder Regierungsbezirks zur Einkleidung dorthin berufen. Die Wehrmänner aus Stadt und Land hatten wohl sämmtlich sich eingefunden, verweigerten jedoch einstimmig die Einkleidung, eh' sie den Grund ihrer Einberufung wüßten, auf Grund der §§. des Gesetzes und brachten stürmische Hoch's aus auf die Nationalversammlung. Der Major erklärte seine Unbekanntschaft mit dem Zweck der Einberufung und suchte durch Zureden und Vorstellungen die Wehrmänner zu bereden, hielt es jedoch für gut, nachdem er auf dem Platze herumgedrängt worden war, schleunigst zu retiriren und erschien nicht wieder daselbst. Die Wehrmänner bewegten sich nun nach dem Zeughause, um einige sich darin befindende Cameraden herauszurufen, wurden, in Massen andrängend, von den Stammgefreiten und Wachmannschaften mit Bayonetten empfangen, drängten aber diese in eine höhere Etage hinauf. Bei diesen Scenen wurden die Schilderhäuser umgeworfen und zerschlagen; die Stücke schleuderte man gegen die Fenster des Zeughauses, wobei aus dem versammelten Volke Biele durch Steinwürfe secundirten. Unterdeß erschien ein Hauptmann der Reserveabtheilungen auf dem Platze und schien die aufmarschirte Bürgerwehr zum Einschreiten gegen die Wehrmänner aufzufordern, was von den Angeredeten energisch zurückgewiesen wurde. Auf allen Seiten von Wehrmännern umringt und umdrängt, zog er den Degen, um sich zur Retirade den Weg zu bahnen. Bei dieser Gelegenheit soll er durch Hiebe einige Bürgerwehrmänner verwundet haben, worauf man Schläge gegen ihn führte ihm die Spitze vom Helm schlug, und er schleunig in ein Hotel sich flüchten mußte. Die Bürgerwehr besetzte sofort das Zeughaus, als ein Artilleriemajor zu Pferde sich durch die Landmänner Bahn zu brechen suchte. Die Gequetschten und Verwundeten darüber empört, bedeckten sein Pferd mit Schlägen; der Offizier gab demselben sofort die Sporen und suchte freies Terrain zu gewinnen. Kurze Zeit hernach erschien Artillerie zu Pferde ohne Geschütz und rückte mit gezogener Waffe gegen die Wehrmänner an. Dieselbe wurde aber, und namentlich der Commandeur, der Befehl zum Einrücken ertheilte, dergestalt mit Würfen empfangen, daß er abschwenken ließ und abritt. Während nun die Wehrmänner in der aufgeregtesten Stimmung sich gruppirten, rückte eine Abtheilung Reserve mit gefälltem Bayonett im Schritt an, und wurde mit Hurrah empfangen. Die Landwehrmänner umringten sie drängten sich zwischen die Glieder und suchten auf diese Weise die Bayonette abzuwehren; dennoch schien von Seiten der Soldaten durchaus keine Neigung vorhanden, ernstlich anzugreifen, vielmehr sah sich das Militär genöthigt, sich wieder zurückzuziehen, besonders da die Bürgerwehr, zwischen Landwehr und Militair protestirend sich drängte. Die Wehrmänner einigten sich darauf, nach Hause zurückzukehren, jedoch sich Nachmittags zuvor noch auf dem Platze zu versammeln. Die Greifswalder, wenigstens ein Theil von ihnen, setzten noch erst den Feldwebel von ihrem Vorhaben in Kenntniß, was dieser zu notiren sich bereit erklärte. Die Bewohner der Stadt waren während dieser Scenen sehr aufgeregt, begrüßten und bewillkommten überall die Wehrmänner aufs Freundliche und bewirtheten sie aufs Beste. Nachmittags gegen 5 Uhr verließen sie darauf in Massen die Stadt, um nach allen Richtungen hin in ihre Heimath zurückzukehren. Erfurt, 24. Nov. Nachdem die aufwieglerische Rotte, welche der Dr. Stockmann in Bibra um sich gesammelt hatte, durch seine Verhaftung ihres Führers beraubt, mit leichter Mühe zersprengt worden war, versuchte die Umsturzpartei heute hier eine Schilderhebung, welche aber an dem vortrefflichen Geiste und an der unerschütterlichen Treue und Tapferkeit der Truppen vollständig gescheitert ist. Die Einkleidung von zwei Kompagnien des hiesigen Landwehrbataillons mußte da den Vorwand und die Veranlassung darbieten, obgleich die Landwehrleute sich dem erhaltenen Befehle gemäß gestellt hatten und zur Einkleidung ganz bereit waren. Sie haben sich daher auch bei dieser Schilderhebung in keiner Weise betheiligt. Dagegen hat leider ein Theil der hiesigen Bürgerwehr, nachdem auch ihre Führer sich außer Stande erklärt hatten, mit der Bürgerwehr die Ordnung wieder herzustellen und die Ruhe zu erhalten, bei dem ersten Einschreiten der Truppen auf dieselben wiederholt geschossen und sogleich mehrere Soldaten getödtet und verwundet. In dem hierauf entstandenen Kampfe, bei welchem auch eine Schaar mit geraden Sensen auf langen Stangen sich betheiligte, welche heute erst vertheilt worden sind, hat es auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben. Um 3 Uhr Nachmittags war indessen die vollständige Niederlage der Aufrührer schon entschieden. Es sind von denselben bis heute Abend 102 Individuen verhaftet, unter denen sich auch die Person befindet, welche die Sensen vertheilt hat. Die Festung und Stadt sind in Belagerungszustand erklärt und für morgen ist die Ablieferungs der Waffen angeordnet. (Magdb. Z.) * Magdeburg, 25. November. In Herzberg an der Elster sollte vor einigen Tagen das 3te Bat. des 32. Landwehr-Regiments eingekleidet werden. Die Mannschaften weigerten sich aber unter Berufung auf das Gesetz über die Bestimmung der Landwehr entschieden, dem Befehl Folge zu leisten. Nach sehr stürmischen Auftritten gingen sämmtliche Landwehrmänner aus einander und nicht ein Einziger ließ sich einkleiden. 121 Wien, 24. Nov. Gestern Morgen beim Tagesgrauen sind Dr. Becher und Dr. Jellinek, Redakteure des Radikalen, vor dem Neuthor standrechtlich erschossen worden. In den Straßen und auf den Wällen, überall noch immer Militärhaufen; den ganzen Tag über Trommelgetön und Patrouillen. Die Werbung à 10 Fl. Handgeld soll nicht den besten Erfolg haben, und es müssen mithin auf andere Weise Radetzky Truppen verschafft werden. * Kremsier, 22. November. Heute erste Sitzung des österreichischen Reichstags in unserm erzbischöflichen Palais. Smolka wurde wider Erwarten beim 2. Scrutinium abermals zum Präsidenten erwählt. Sein czechischer Rival, Strobach, hatte 7 Stimmen weniger. Meyer (a. Brünn) u. Losser (a. Salzburg) wurden Vicepräsidenten. Die Czechen fielen also mit ihren Kandidaten durch. Hierauf erzählte Schuselka die Erlebnisse des Reichstages in Wien seit dem 6. Oktober. Die nächste Sitzung wird auf den 25 dieses anberaumt. Frankfurt, 24. Nov. Der Fr. O.-P.-A.-Ztg. nach hat der Erzherzog-Reichsverweser die Entlassung des Unterstaatssekretärs, Hrn. Bassermann, nicht angenommen. Frankfurt, 25. Nov. Gestern Abend hat eine große Anzahl von Abgeordneten der vereinigten Klubs der Linken: Donnersberg, Deutscher Hof, Nürnberger Hof und Westend-Hall, sich zum Behuf kräftigen Zusammenwirkens für das Recht und die Freiheit des deutschen Volks als Verein unter dem Namen März-Verein konstituirt; die Abgeordneten Raveaux aus Köln, v. Trützschler aus Dresden und Eisenmann aus Nürnberg zu Vorsitzenden, Spatz aus Frankenthal zum Schatzmeister, Max Simon aus Breslau, Raus aus Mähren und Wesendonck aus Düsseldorf zu Schriftführern gewählt. Die Mitglieder des linken Centrums: Würtemberger Hof, sind ebenfalls zum Beitritt eingeladen. Mainz, 24. Novbr. Die Truppen vom 28. preußischen Infanterieregiment, welche heute nach der preußischen Rheinprovinz abgehen sollten, sind auf Gegenbefehl hier geblieben. Dagegen werden morgen früh 900 Mann Preußen, wie wir hören, von Bingen aus rheinabwärts gehen. — Den Unteroffizieren und Soldaten der hiesigen preußischen Garnison soll heute das fernere Besuchen des demokratischen Vereins verboten worden sein. (F. J.) * Darmstadt, 24. Novbr. Gestern Abend gab es viel zu sehen und zu hören. Die schönsten Nachtständchen und gräuliche Katzenmusiken wechselten mit einander. Die Konzertgeber waren lauter „vaterländisches“ Militär, die in solcher Weise mehreren Offizieren ihre Ansichten über das politische Verhalten dieser Vorgesetzten kund zu geben beschlossen hatten. Es wäre damit wahrscheinlich Alles zu Ende gewesen, wenn die Soldaten, als sie von der in Gegenwart einiger Tausend Zuhörer abgehaltenen musikalischen Soiree, nicht die Kaserne verschlossen gefunden hätten. Dieser Umstand war Ursache, daß jetzt Fenster und Thüren zertrümmert wurden. Der Abend schloß mit der Befreiung eines verhafteten Soldaten durch seine Kameraden. * Tilsit, 21. November. Selbst hier, an der östlichsten Grenze Deutschlands, hat die von der Nationalversammlung in Berlin ausgesprochene Steuerverweigerung die bereitwilligste Zustimmung gefunden. Eine Kommission der hiesigen Kommunalbehörden hat sich nach Gumbinnen mit dem Auftrage begeben, von der dortigen Regierung bestimmte Antwort zu fordern, ob sie auf Seiten des hochverrätherischen Ministeriums Manteuffel-Brandenburg oder der Nationalversammlung zu stehen gesonnen ist. Im ersteren Falle wird die Stadt Tilsit die Ausführung der Steuerverweigerung selbst übernehmen. Italien. * Die Mailänder Zeitung vom 15. Nov. bringt eine neue Liste von Personen, welche durch das Plünderungsdekret Radetzky's ausgezogen werden sollen. Montecuculi hatte inzwischen den Tribunalrath Pedersani von Verona nach Mailand kommen lassen, und dieser hatte dem Marschall offen erklärt, in den Annalen Oesterreichs sei ein so infames Gesetz noch nicht vorgekommen, und wenn Radetzky es nicht widerrufe, so werde er, Pedersani, nach Olmütz gehen, in der festen Gewißheit, daß der Kaiser den Schandbefehl des Marschalls umstoßen werde. Daraufhin glaubte man am 18. Nov., Radetzky habe das Dekret bereits zurückgezogen; doch hieß es, er wolle es ersetzen: 1) durch eine additionelle Steuer von 4 Centimes auf den Thaler; 2) durch eine Steuer auf das Kapital; 3) durch 4 Millionen auf den Handel; 4) durch eine andere Steuer, welche sich auf eine der Besteuerung der Emigrirten gleichkommende Grundlage stützen werde. Radetzky hat eine neue Aushebung aller jungen Leute von 20 bis 25 Jahren befohlen. Die Meisten derselben irren in Italien oder in der Fremde herum, und um sie zur Rückkehr zu zwingen, bedroht der Marschall ihre Eltern und Verwandten mit Gefängniß und andern Strafen. Auf den Herzog von Modena, der Radetzkys' Raubsystem in seinem Ländchen nachahmt, ist geschossen worden. Die Kugel hat übrigens ihr Ziel verfehlt, und nur den Begleiter den Herzogs, den Major Guerra, verwundet. Zu Turin fanden am 19. Nov. Demonstrationen für den Krieg Statt. Zahllose Massen umstanden das Ministerium mit dem Rufe: Krieg! Krieg! Nieder mit dem Ministerium! Es lebe die Constituante! Rom, 16. Nov. 9 Uhr Nachm. Ein Aufstand fand Statt, der nach etwa dreistündigem Kampf 8 1/2 Uhr endete. Das Aeußere des päbstlichee Palastes ist von Kugeln durchlöchert; die Todten scheinen nicht sehr zahlreich zu sein; der Kampf scheint besonders zwischen den Schweizern und dem Volk, zu welch letzterem mindestens ein Theil der Linientruppen hielt, stattgefunden zu haben. Zu Ministern sind ernannt: Mamiani für das Aeußere, Galletti Inneres und Polizei, Lunati Finanzen, Sterbini Handel und öffentliche Arbeit, Campello Krieg, Rosmini Präsidentschaft und öffentlichen Unterricht, Sereni Gnaden und Gerechtigkeit. Wegen der Berufung der Constituante, Vollziehung der Kammerbeschlüsse über den Unabhängigkeitskrieg und andern Forderungen des Volks erklärte der Pabst, er stelle die Entscheidung hierüber ganz der Deputirtenkammer anheim. Um 6 Uhr war der Quirinal vollkommen belagert; 6000 Civici und Linientruppen standen vor ihm geschaart; die Kanonen waren auf sein Hauptthor gerichtet, das Volk stellte dem Pabst ein Ultimatum, das er binnen einer Stunde zu bewilligen habe, sonst werde der Pallast genommen und außer seiner Person Alles niedergemacht. (A. Z.) ** Turin, 17. November. Hr. Bianchi Giovini, Redakteur der Opinione, ist in Anklagestand versetzt und vor Gericht citirt wegen folgender Beschuldigungen: 1. Beleidigung der geheiligten Person des Königs, indem er ihr Eigenschaften zuschrieb, welche Verachtung und Mißvergnügen gegen sie zu erregen geeignet sind; 2. auf die geheiligte Person des Königs den Tadel und die Verantwortlichkeit für die Handlungen seiner Regierung übertragen zu haben; 3. die Lombarden und Venetianer aufgereizt zu haben, die durch die Gesetze vom 11. und 27. Juli errichtete Union zu brechen, sich von dem Königreich zu trennen, um einen andern Staat zu bilden und sich einer andern Regierung zu überliefern. ** Bologna, 18. November. Die von Garibaldi für Venedig bestimmte Kolonne ist bereits in Faenza durchpassirt und muß den 16. in Ravenna eingetroffen sein. Belgien. * Brüssel, 26. Nov. Die belgische Begnadigung ist über die Verurtheilten von Risquons-Tout ergangen. Die über Spilthorn, Mellinet, Tedesco, Bailliu, Guelton, Coopmans, Mathieu, Calonne und Perrin verhängte Todesstrafe oder lebenslängliche Verurtheilung ist in 20jährige Einsperrung in die Citadelle von Huy verwandelt worden; Delestre, Derudder, Carnel, Jouannin, Nouhel, Bacten, Bourgeois, Declerck sind von des Königs Gnade zu 15jähriger Einsperrung verurtheilt worden. So verfährt das Musterland Belgien. Französische Republik. 19 Paris, 23. Nov. Unter den vielerlei Karikaturen auf den „Prinzen“ Napoleon ziehen besonders drei an allen Schaufenstern das pariser Volk an. Auf der einen sieht man einen „mit Reliquien bedeckten“ Esel, vor ihm eine Menge Bauern, die voll Bewunderung die Nachtmützen abziehen, und darunter die Unterschrift: „Und dies ist das Volk, welches sich für das erste der Erde hält!“ Die zweite zeigt abermals einen Esel mit dem dreieckigen Hut des Kaisers, hinter ihm das wohlwollende Antlitz des russischen Czaren, und zur Seite Herrn E. v. Girardin, der markschreierisch die „Presse“ schwingt und ausruft: „Man kann ihn dreist fragen, er antwortet nicht.“ Angenehme Bescheidenheit, die ihn vortheilhaft vor dem Esel Bileams auszeichnet. Das dritte Bild läßt denselben Esel schauen, diesmal vor dem Präsidentenstuhl; Herr Thiers hat ihn bei den langen Ohren gefaßt, und sucht ihm nach dem Stuhl zu ziehen, wogegen ihn zwei andere Biedermänner beim Schwanz zurückzuziehen bemüht sind; diese beiden Gestalten gleichen zum Erstaunen dem General Cavaignac, dem unter der Anstrengung seine Mütze in den Nacken gerutscht ist, und dem Präsidenten der National-Versammlung, Armand Marrast, der in schwarzen Hosen und Tanzschuhen, mit einer Zopfperücke und Rittmeister-Schnurbart voll Eifer aus Mund und Nase schnauft; der Esel selbst hat mit schmerzvoller Geberde das Maul geöffnet und rechtfertigt vollkommen die Unterschrift dieser Darstellung Pauvre bête! Der arme bête Napoleon der mit seinem „Namen“ und mit Nichts als seinem „Namen“ alle übrigen Bedürfnisse zu ersetzen glaubt, hat in der That schwer an den „Reliquien“ zu tragen, mit denen er belastet ist. Weil sein Oheim dem Ager der Revolution die Siebenmeilenstiefel stahl, glaubt der „kleine Prinz mit dem großen Namen“ etwa, es genüge für ihn, ein Zwerg zu sein, um ebenfalls in die Stiefel zu fahren? Aber der Kaiser hat der Welt noch eine andere „Reliquie“ hinterlassen, als den „Namen“ und die Stiefeln, auf deren Erbschaft der prätendirte Däumling Anspruch macht. Indem der Kaiser in Frankreich die Revolution unterdrückte, trug er sie zugleich in das übrige Europa. Und der Londoner Constabler! 17 Paris, 23. Nov. Die „Assemblée Nationale“, vielleicht das frechste aller Reaktionsblätter, bewies in einem Leitartikel: „Robert Blum sei mit Fug und Recht, als ein unverbesserlicher Demagog, hingerichtet worden.“ Der „Constitutionnel“ stimmt bei, und höhnt obendrein, Blum habe ja „auch“ Contremarken an der Theaterthür zu Leipzig einst feil geboten; das „auch“ bezieht sich auf Hebert, den Redakteur des Père Duchene von 1793, mit dem Blum in den Augen des stets geistreichen, in Vergleichungen unübertrefflichen Thiersjournals Aehnlichkeit hat. Hierauf hat Dr. Handvogel gebührend erwidert: „Männer wie der deutsche Märtyrer stehen zu hoch, als daß der Constitutionnel an sie hinauf reichen könnte.“ Daß dies „Schmutzblatt in Folio“, wie der unermüdliche Klubpräsident Bernard (von Carcassone) es öffentlich zu nennen pflegt, auf Deutschlands Demokratenpresse ergrimmt, ist wohl natürlich; der in „La Reforme“ übergegangene Artikel der N. Rhein. Zeitung gegen Thiers den nationalökonomischen Schriftsteller, hat böses Blut gesetzt. Alle Pariser- und Provinzial-Thiersblätter poltern, Auch „La Corsaire“ schäkert heute: „Die N. Rhein. Zeitung treibt Plagiat, sie schreibt Hrn. E. de Girardin ab, wenn sie keine Steuern mehr, als Motto wählt.“ Ungemein erheiternd ist das sauersüße Schmollen, womit der „Constitutionnel“ und „La Patrie“ heute den ihnen sonst so lieben „edeln“ Radetzky behandeln; „er hat eine Zwangssteuer auf die mailändischen Reichen gelegt, wodurch er sie ruinirt, und wahrlich nicht zum wahren Vortheil Oestreichs;“ mit tückischem Seitenblick fügen beide Reaktionsblätter hinzu: „wir begreifen jedoch keineswegs das Geschrei gewisser Journale darüber; denn was wollen unsere Herren Socialisten anders, als durch progressive Steuern, durch die Tausend-Millionen-Steuer, durch Cambon's System, ganz wie der alte Marschall es thut, die Besitzenden arm machen? Wir bitten diese Herren, etwas sich zu mäßigen in ihrem Gram und Grimm, es wäre schon im Interesse ihrer Doktrin, oder der Komödie, die sie aufführen. Kämen sie je an's Ruder, dann würden sie uns wie eine eroberte Provinz behandeln.“ Der „Corsaire“ brachte neulich, wie er sagte, aus „bestunterrichteter deutscher Feder“ ein langes angenehmes Feuilleton, worin ganz ernsthaft Jellachich mit Ritter Bayard „der Sophien's hohe Gunst genieße,“ Radetzky mit Nestor, Windischgrätz mit Achill verglichen wird; nichts übersteige des mailändischen Siegers Weisheit, des Bändigers von Prag Energie, des „genialen Banus“ schnellkräftigen, poetischen Schwung. „La Presse“ liefert wieder lehrreiche Vorträge von Herrn Alexander Weill (von Straßburg); z. B. heute erfährt Deutschland: „die Abstimmung der Steuerverweigerung ward durch die Linke erschlichen; sie stieß Geschrei aus und übertäubte somit die Opponenten. Entzöge der König diesen Herren die Habeas-Corpus-Acte, es wäre nicht weniger als billig; in der That, der Pr. Staatsanzeiger hat vollkommen Recht, wenn er der Nationalversammlung die Ermächtigung, Steuern zu weigern, rund weg abspricht; ein Büdget ist ihr ohnehin nie vorgelegt worden, und sie ist jetzt offenbar in Rebellion gegen das Staatshaupt.“ Hauptquelle für das Girardin'sche Blatt und das Journal des Debats ist bekanntlich des Hofkomödianten Schneider „N. Preuß. Zeitung“, und als diese neulich in einem hiesigen Demokratenblatt l'infame gazette du gibet (die niederträchtige Galgenzeitung) genannt ward, nahm sich der stets gerechte Constitutionnel ihrer an. Es versteht sich, daß dieser „in Moder und Eiter zerfallenden“ Presse (um den etwas scharfen, doch richtigen Ausdruck des „Peuple Souverain“ zu gebrauchen) mit Erfolg die kräftige Demokratenpresse opponirt; „La Reforme“ gab oft Berichte über Berlin und den dortigen Demokratenkongreß; das Lyoner „Peuple souverain“ bringt in seiner Nummer vom „27. Brumaire Jahr LVII, christlicher Aera 17. November 1848“ folgenden Leitartikel: „Die preußische Revolution. Unsere Augen sind bisher von dem Drama jenseit des Rheines abgezogen worden durch unsere innere Plackereien und das Herannahen der Präsidentenwahl. Bei uns zu Lande bläst man zum Rückzuge, scheint's, aber in Preußen wandelt die Revolution den Riesenschritt. Der König hat nur noch dem Namen nach Macht, die Reaktion steift sich vermessen auf das Heer und glüht vor Sehnsucht, der Freiheit den Hals zu brechen. Die Wiener Vorgänge haben ihr den Kamm geschwellt, und am Ende wird auch Friedrich Wilhelm jubeln, wenn ein preußischer Windischgrätz in seine Krone ihm ein Sträußlein flicht, wie das was heute an der des Ferdinand von Habsburg schimmert. Allein bei solchem wüsten Mordspiel gewinnt man nicht immer; zumal wenn die Sache ernsthaft, gesetzkräftig, wie in Preußen, geschieht; dort steht die Partie für die Reaktion weit schlechter, als in Oesterreich. Heute handelt sich's nicht mehr um Verhindern des Abmarsches von ein paar Regimentern, um Abbrechen einiger Privilegien, um Auslöschen einiger Mißbräuche. Nein, die Königsmacht hat der Nationalvertreterschaft frech den Handschuh ins Gesicht geschleudert, und diese hat den Handschuh kühn aufgehoben. Ein Thron mit Liniensoldaten einerseits, eine Nation mit Bürgerwehr auf der andern: Da ist der Ausfall nicht schwer vorher zu sehen. Wir hoffen, die preußische Constituante wird in dem Augenblicke, wo unsere Feder dies schreibt, Abrechnung halten, und Europa wird bald eine Zwingherrschaft weniger, eine Volksherrschaft mehr zählen. Ei ihr lieben Reaktionäre Frankreichs! wie fröhlich ihr

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 154. Köln, 28. November 1848. Beilage, S. 0815. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz154b_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.