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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] rungen gehört", folglich, wie Sebaldt scharfsinnig deducirt, "gar keine Rede sein."

"Wäre dieß aber der Fall?" Was der Fall? "Daß von der gerichtlichen Klage gar keine Rede sein kann"? Sebaldt will umgekehrt sagen: Wäre dieß aber nicht der Fall, könnte doch von einer gerichtlichen Klage die Rede sein, nun dann? Dann "würde Sebaldt kein Bedenken tragen, an das Gewissen und die gesunde Vernunft seiner Ankläger zu appelliren!"

Und Sebaldt ist dann im Stande, jeden Tag 12 neue stylistische Uebungen zu veröffenlichen! Und der Stadtrath hat die "materielle Frage des Augenblicks: was der Stadt und namentlich der studierenden Stadtjugend frommt, dabei ernstlich in "Betracht und Erwägung zu ziehn."

Trier, 30. November.

Bei der letzten Einquartierung in dem benachbarten Schweich machten wir eine Erfahrung, die wir dem Publikum nicht vorenthalten zu dürfen glauben. Es kamen nämlich drei Soldaten, ein Unterofficier und zwei Gemeinen, in das Haus der Geschwister B. zu liegen. Als die Hauswirthin ihnen das Abendessen aufgetragen hatte, sagte ihr der Unteroffizier, daß sie die Speisen zuerst kosten solle. Die Hauswirthin, ihr Befremden hierüber äußernd, fragte nach der Ursache. Der Unteroffizier gab ihr zur Antwort, daß sie fürchten, die Speisen möchten vergiftet sein. "Wie könnt Ihr so etwas von uns denken, -- erwiderte jene -- und uns zu einer solchen Schandthat fähig halten?" "Wir haben die Weisung von oben herab bekommen -- war die Antwort. -- bei Einquartierungen auf unserer Hut zu sein, daß wir nicht vergiftet würden." -- So lächerlich diese Sache an und für sich ist, so hat sie doch ihre sehr ernsthafte Seite: sie liefert uns den Beweis, wie man "von oben herab" bemüht ist, den Soldaten in ihrem eigenen Lande den Glauben beizubringen, daß sie sich in Feindes Land und unter Giftmischern und Mördern befinden; alles doch wohl zu dem Zwecke, um einen blutdürstigen Haß bei den Soldaten gegen die Bürger zu nähren.

(Tr. Ztg.)
27 Koblenz, 2. Dez.

Die seit dem 9. Nov. täglich zahlreicher an die Nationalversammlung in Berlin eingehenden Zustimmungsadressen kamen der Reaktion höchst ungelegen. Wie konnte man ihnen ein Paroli bieten? Etwa mit den im Vergleich höchst spärlich unterzeichneten Gegenadressen der berüchtigten Preußen-Vereine? Es mußte zu ganz andern Mitteln geschritten, Himmel und Hölle, Pfaffen- und Junkerthum, Geld und Schnapps, Hoffnungen und Drohungen angewandt werden, um den Schein hervorzubringen, als sei in Preußen doch immerhin ein ziemlicher Volkstheil für den gottbegnadeten Manteuffel-Brandenburg. Ein kitzlicher Punkt war die preußische Geographie. Freilich giebts gedruckte Verzeichnisse sämmtlicher preußischen Städte, Flecken und Dörfer. Indeß ein gottbegnadetes Regiment schiert sich zum guten Zweck den Teufel drum. So geschah es, daß Hunderte von Dörfern plötzlich gleich Pilzen in die Höhe geschossen sind, aus denen eben so urplötzlich allerunterthänigste, ersterbendste, vertrauensvollste Adressen nach Potsdam an den König und an Hrn. Brandenburg nach Berlin abgeschnellt wurden. Den Beweis liefern täglich der Preuß. Staats-Anzeiger, die Kreuzritterin und die brave Wupperthalerin. Da giebts mit Gott für König und Vaterland, Adressen aus: Hanerfeld, Metzkaufen, Herne, Fröndenburg, Bünde, Stranbach, Ladbergen, Wallach etc. etc.

Ist erst die Contrerevolution fix und fertig, was bei dem schönen "passiven" Widerstand wohl passiren könnte, so wird Hr. Ladenberg hoffentlich sofort eine neue Auflage von Cannabich nebst einer frischen Charte von Preußen veranstalten, und jene Hunderte durch schwarzweißen Zauber entstandene Dörfer, Flecken oder Städte eintragen lassen.

Speziell hätten wir noch eine Bitte an unsern theuern Freund Hrn. Eichmann. Sie geht dahin, daß unter seinen Auspizien ein Handbuch zur Adressenfabrikation angefertigt und bei Basse in Quedlinburg mit dessen Essig- und Schnupftabak-Fabrikations-Anweisungen gedruckt und in Cirkulation gesetzt werden möge. Herr Generalsuperintendent Küpper von hier würde sich gegen ein Honorar, wie es frommen Männern zukommt, zum Mitarbeiter nicht übel qualifiziren. Der Mann hat schon Proben geliefert. Denn es zirkulirt jetzt eben in der Provinz ein von ihm an alle Superintendenten gerichtetes und von diesen an alle Pfarrer mitgetheiltes Schreiben, worin es unter Anderm wörtlich heißt:

"..... kräftigst dahin zu wirken, daß aus Ihrer Gemeinde, und sei sie auch noch so klein, eine solche (schwarz-weiße, Manteuffelsche) Adresse unverzüglich nach Berlin abgehe."

Man sieht, Hr. etc. Küpper ist ein sehr loyaler Mann. Es findet nun auch der salbungsvolle Styl jener Adressen seine Erklärung. Das ein Grund mehr, Hr. Eichmann, daß Sie auf unsere Bitte reflektiren.

Koblenz, 1. Dezember.

Gestern Abend hatten wir eine Wiederholung der vorgestrigen Scenen. Eine Anzahl Kriegsreservisten und Landwehrmänner hatten, mit Beobachtung aller gesetzlichen Vorschriften, in dem geschlossenen Saale von Kolling eine Versammlung ausgeschrieben. Zur Zeit der Eröffnung hatte sich eine große Anzahl Soldaten des 26. Inf.-Reg. vor demselben mit Seitengewehren versammelt und fingen an, die Eintretenden ohne Veranlassung mit ihren Waffen zu mißhandeln. Es entspann sich dadurch ein Streit, in welchem mehrere Personen, Soldaten und andere, schwer verwundet oder gar getödtet wurden, in dessen Folge die ganze Stadt in die furchtbarste Aufregung kam, in der Oberpfarr- und in der Jesuitenkirche Sturm geläutet und die Thore geschlossen und militärisch besetzt wurden. Gegen 9 Uhr ward wieder Alles ruhig. Es ist an der absichtlichen Provocation dieses Scandals durch die 26ger um so weniger zu zweifeln, als diese schon des Nachmittags allgemein mit Säbeln gesehen wurden und bis zum vorgestrigen Tage noch nicht die mindeste Reibung zwischen Militär und Bürgern stattgehabt hatte, es auch von Seiten der politischen Vereine sowohl als der einzelnen Bürger Grundsatz war, das Militär möglichst freundlich zu behandeln. Wie wir hören, ist heute der Stadtrath berufen, um wegen des zu erwartenden Belagerungszustandes zu berathen. Sonder Zweifel wird dieses den Hrn. Kommandanten in Verzug setzen, die Gründe, durch welche er eine solche Maßregel zu rechtfertigen gedenkt, als ein Ehrenmann vor der ganzen Welt auszusprechen. Wir werden dann erfahren, ob es ein Kriegszustand nach unserer Habeas-Corpus-akte begründet, wenn Bürger, die durch die wiederholten Programme eines sogenannten konstitutionellen Vereins zusammengetrommelt werden und Niemanden beleidigen, außer einigem Hahnenkrähen keine Unruhen machen, ohne Aufforderung und Warnung von der Kavallerie überritten, nicht nur in Straßen, wo mißliebige Leute wohnen, sondern in allen übrigen die ruhigsten Leute, die ihrer Geschäfte wegen ausgehen, Geistliche, Regierungsräthe, Schullehrer u. s. w. auf das Willkührlichste und Brutalste mit Bajonetten, Pferdehufen und Kolben mißhandelt, die Bürger, die sich zufällig außer Hause befinden, aus baarem Uebermuthe verhindert werden, ihren Aufenthalt zu verlassen, und nachdem die Bürgerschaft dieses am vorigen Tage ohne weitern Exceß ertragen hat, des anderen Tags eine Masse Soldaten derart auf die unverantwortlichste Weise ruhige Bürger angreift, daß selbst das 25. Regiment, die Artillerie und Pioniere gleichmäßig empört sich auf die Seite der Bürger stellten und sie gegen die Rohheit vertheidigten. Kann unser Stadtkommandant uns nicht mehr gegen solche Excesse trotz aller Disciplin vertheidigen, so habe er wenigstens die Offenheit, seine desfallige Unfähigkeit einzugestehen und nicht das eine Unrecht durch das andere verdecken zu wollen. Wird der Belagerungszustand ausgesprochen, so können wir denjenigen, der den Ausspruch thut, und seine Untergebenen nur als die einzigen Veranlasser ansehen, und ob man uns sodann mit Grund ausreden kann, daß die vorhergegangenen Scenen nur in der Absicht, uns zu diesem Zustande der Ruhe in Warschau zu führen, entstanden sind, überlassen wir der Beurtheilung eines jeden Unbefangenen. -- Dem Vernehmen nach soll heute ein Verbot der Versammlung des demokratischen Vereins bevorstehen. Kann aber ein solches Verbot, ohne die Stadt in den lieben Belagerungsstand zu erklären, erlassen werden?

Unter dem Kriegsgeschrei "mit Gott für König und Vaterland" stürzte hier heute Morgen ein Unteroffizier des 56. Regiments ohne alle Veranlassung mit gezücktem Schwert, bei dem großen Publikum Käsmesser genannt, auf einen ruhig seines Weges gehenden Bürgersmann los. Nachdem der Held ohne bedeutenden Erfolg verschiedene Hiebe auf den Unbewaffneten geführt hatte, schien es ihm doch zweckmäßig, in wilder Flucht sein Heil zu suchen, und dennoch wäre er seinem verdienten Lohne, einer Tracht Prügel, nicht entgangen, hätte nicht eine weltkluge Polizei, Unschuld mit Schuld verwechselnd, den rachedürstenden Verfolger aufgehalten und so dem Unteroffizier Gelegenheit zum Entschlüpfen in's hiesige Militärkasino gegeben. Nachträglich erfahren wir, daß der fragliche Unteroffizier noch verhaftet wurde, und was wartet seiner? Er wird zu ein höchstens zweitägigen gelinden Arrest verurtheilt; die höchsten Vorgesetzten drücken ihm die Hand, beschenken ihn mit Geld und befördern ihn endlich gar zum Feldwebel.

(Rh.- u. M.-Ztg.)
X Düsseldorf.

Für die Croatenwirthschaft, die in Ihrer Zeitung geschildert worden, scheint uns die drolatische Muse des "Bürgers und Kommunisten Drigalski" entschädigen zu sollen. Hier eine neue Probe der Muse Drigalki's:

Wer nicht begreifen kann, wie man ein, Gott und seinem theuren Könige treu ergebener Kommunist sein kann; ein Kommunist, der mit einem treuen Unterthanenherzen zugleich ein reiches mitleidiges Herz für seine leidenden und verführten Brüder in sich schlagen fühlt, der wird auch nicht begreifen, daß man ein treuer Soldat und zugleich ein wahrhafter Bürger sein kann. Wer da glaubt, als könne man in dieser ernsten Zeit mit einem reinen Gewissen, durch unwahr gemeinte Erklärungen perfiden Witz und Spott mit der Menschheit treiben, der wird auch die innern Ueberzeugungen und Bereitschaften des Unterzeichneten nicht fassen und eben so wenig den Entschluß begreifen, neben Ausübung der Gewalt um Ordnung zu schaffen, durch eine hochherzige Handlung einen großen völlig moralisch gesunkenen Theil einer unglücklichen Bevölkerung wieder zu erheben; einer Bevölkerung, die man mit aller zu Gebot stehender Strenge zum Gehorsam gegen die gesetzmäßige Königliche Gewalt zurück zu führen die Verpflichtung hat.

Düsseldorf, den 30. November 1848. v. Drigalski.

Z Düsseldorf, 1. Dezbr.

Ueber den Vandalismus, welchen unsre Garnison vorgestern Abend übte, folgendes Nähere. Zu dem Wirthe Paffrath in der Bolkerstraße kamen augenscheinlich in der Absicht, Streitigkeiten anzufangen, mehrere Soldaten, und begannen bald in der sofort von bürgerlichen Gästen entleerten zweiten Stube ein Preußenlied zu johlen. Der Wirth untersagte ihnen das, mit dem Bemerken, er leide kein Singen in seinem Hause. Sogleich standen die Soldaten auf, um "Hülfe zu holen." Bei ihrer verstärkten Wiederkehr fanden sie das Haus verschlossen; drinnen hatten sich viele Bürger eingefunden und ebenso standen auch schon Gruppen auf der Straße, welche sich durch das Erscheinen vieler Soldaten mit Seitengewehr außerordentlich mehrten. So entstand der Auflauf, den bald das aus dem eben beendeten Theater herkommende Publikum zu einem bedeutenden machte. Bis jetzt war es noch zu keinen Thätlichkeiten gekommen, als plötzlich erst eine Kompagnie einrückte, durch Trommelwirbel die Menge aufforderte, sich zu zerstreuen, und allsogleich auch von Kolbe und Bajonnett Gebrauch machte. Ein junger Mensch erhielt hier einen Stich in den Kopf, einen in den Hals. Ein alter Mann wurde in der nahen Kapuzinergasse niedergeworfen und mit Kolbenstößen und Fußtritten sehr übel zugerichtet. Zwei Männer, vor den Bajonnetten fliehend, flüchteten sich in ein nahes Haus; die Thüre wurde gesprengt und der eine, den man erwischte, in die Kaserne geschleppt, und von da zum Civilgefängniß, wo er bis nächsten Mittag festgehalten wurde. Als solchergestalt die Bolkerstraße und die angränzenden Gassen gesäubert und abgesperrt waren, wurde in den Hundsrücken siegreich -- denn Niemand widersetzte sich -- vorgedrungen. Hier wurde ein in seiner Hausthüre stehender Mann mit dem Bajonett in das Bein gestochen; einige Häuser weiter eine über 70 Jahre alte Frau, welche sich etwas geholt hatte, durch einen Kolbenstoß auf die Brust ermordet! Sie starb nach wenigen Stunden. In das Haus des Restaurateurs Säuferlein, Flingerstraße, drang die Soldateska ein, weil sie glaubte, es hätte Jemand auf sie geworfen. Man hieb die Hausthüre mit Beilen ein, zerhackte eine Thüre links in der Hausflur mit Kolbe, Beil und Bajonett, drang in die rechts gelegene leere Gaststube, stieg auf das Billard, riß die dort hängende Camphinlampe herab und nahm diese so wie drei Billardkugeln mit. Nicht zufrieden mit der Verwüstung im Unterhause stieg man in den ersten und zweiten Stock, drang in l[e]tzterm in ein von einer Familie bewohntes Zimmer, durchwühlte das Bett, sprengte den Kleiderschrank und drei kleine Kinder, welche der ängstliche Vater bei dem Lärmen dort zu bergen suchte, streckten ihre zarten Händchen zitternd und verzweiflungsvoll schreiend den Soldaten entgegen mit dem Rufe, sie nicht zu ermorden!! In der Ratingerstraße rief in der Nacht ein halb toller Junge aus irgend einem Hause einer vorübergehenden Patrouille spottend "Unteroffiteir! Unteroffiteir!" nach. Dies genügte, um eine Kompagnie Verstärkung herbeizuziehen und dann wurde erst das Wirthshaus zum Füchschen angegriffen. Auf die Versicherung des Wirthes oben aus dem Fenster, daß es hier nicht, sondern drüben irgendwo gewesen sei, stand man von dieser Belagerung ab und griff dagegen das Haus des Buchbinders Mischel an, wo ebenfalls das Rufen nicht gewesen, sondern wo Alles schon zu Bette war. Als den anpochenden Soldaten nicht gleich geöffnet wurde, hieben sie mit Beilen die Hausthüre ein, drangen in alle Zimmer, selbst des Hinterhauses, durchwühlten alle Betten, Schränke u. s. w. und schleppten die vier dort befindlichen Männer mit in's Gefängniß, wo diese ebenfalls bis zum nächsten Mittage ausharren mußten. Das sind die Heldenthaten unserer Spartaner, die übrigens seit dem Belagerungszustande auch sonst durchgängig in einem Zustande von Trunkenheit sich befinden, welcher sie entmenscht.

Leider wird von gewissen gutgesinnten Leuten nichts gespart, um die Soldaten des Königs zu ermuntern. Geld in Menge, Wein aus den Kellern der Aristokraten, Bier widerholt in Masse, welches das gutgesinnte Elberfeld den Soldaten schenkt, dazu gute Worte und Aufreizungen aller Art, was wollen Sie mehr, um Helden zu bilden! Schwer mögen die es verantworten, welche den Armen hungernd von ihrer Thüre stoßen, und dagegen Geld und Mittel verschwenden, um rohe Soldaten gegen ruhige Bürger zu hetzen. Doch nicht alle unsere Truppen trifft der Vorwurf der Rohheit: wir haben noch keine einzige Klage gegen die Artillerie und gegen die Ulanen vernommen; am mehrsten trifft der Vorwurf die Jäger, die Infanterie überhaupt und die Husaren. -- Jedenfalls sind am vorgestrigen Abend noch mehr Fälle, wie die vorhin erzählten, vorgekommen, doch die obigen sind bis in's Detail wahr. Hr. Drigalski benimmt sich dabei ganz unschuldig; er weiß nichts von den Ausartungen; er ließ sich am nächsten Morgen bis 10 Uhr gar nicht, dann nur schwer sprechen, und das Ende vom Lied ist wie bei allen solchen Vorfällen, wo die Anarchie bemäntelt werden muß: "die Sache soll streng untersucht werden."

Nicht zu vergessen: es heißt, schon vorgestern wollte man hier das Martialgesetz verkünden, doch sollen sich dem die Auditeure selbst auf Gefahr ihrer Entlassung hin, energisch widersetzt haben.

S Jülich, 30. Nov.

Herr v. Mylius, der, wie Sie wissen, zum Deputirten für Berlin von unserm Kreise ursprünglich gewählt wurde, sein Mandat aber durch den Stellvertreter v. Berg ausüben ließ, fand sich jüngst bewogen (wie man sich hier in die Ohren schreit, auf höheren Befehl und um den Preis der Jülicher Landrathstelle) die Wahlmänner zu versammeln, um ihnen zu erklären, daß er sein Mandat für Berlin jetzt übernehme, die Wünsche der Wahlmänner aber zugleich in Empfang nehmen wolle. Der einstimmige Wunsch derselben, wie der einer gleichzeitigen Urwählerversammlung, lautete nun dahin: "In Erwägung, daß Herr v. Mylius das Vertrauen des Kreises gar nicht mehr besitzt, hegen wir zu seiner Ehrenhaftigkeit die sichere Erwartung, daß er sein Mandat niederlegen werde." Der Herr Staatsprokurator fand sich dazu jedoch nicht bewogen, trotzdem daß man nach einander mit Kleingewehrfeuer und grobem Geschütz gegen seine Ehrenhaftigkeit losarbeitete; die freiherrlich staatsprokuratorliche Ehrenhaftigkeit ist andern Tags nach Brandenburg abgereist. Die Wahlmänner sowohl als die Urwähler haben nun eine Kommission gebildet und vereinigt, welche den Auftrag erhalten, die verwundbare Stelle an dieser Achilles-Ehrenhaftigkeit aufzusuchen. Zur Charakteristik des Herrn Freiherrn noch folgende wahre Notiz. Vor seiner Abreise erklärte er, daß er bald als Landrath wiederkommen werde, dann aber in dankbarer Erinnerung der ihm hier erzeigten Ehren den Kreis ordentlich zwiebeln wolle. Diese Aeußerung theilen wir zur allgemeinen Würdigung mit.

109 Münster, 30. Nov.

O.-L.-G.-Referendar Hammacher ist verhaftet, desgleichen ein Instrumentenschleifer, der die Plakate der Volksversammlungen anheftete; die Referendare Bonsi und Jakobi, welcher letzterer dem neulichen Demokratenkongreß in Köln beigewohnt, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen.

109 Münster, 30. Nov.

Die Philister der Ruhe triumphiren. Der Minister des Innern Hr. v. Manteuffel, den man hoffentlich bald sammt seinen Kollegen zum Teufel schicken wird, hat in Folge einer in einer unserer ständigen Volksversammlungen beschlossenen Aufforderung an das Volk Westfalens zum bewaffneten Widerstande gegen das hochverrätherische Ministerium ein Rescript an die hiesige Regierung erlassen, dahin, sämmtliche Leiter dieser Versammlungen und außerdem die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften. Unser Kriminalsenat, zu dessen Direktor Temme wider seinen Willen "befördert" worden und aus lauter Antipoden Temme's besteht, scheint auf dies Ansinnen, die Männer des Volks "unschädlich zu machen", eingegangen zu sein, indem er eine Untersuchung gegen die Leiter und Redner hat einleiten lassen und bereits trotz der Habeas-Corpus-Akte gegen vier Personen die Verhaftung ausgesprochen hat; mehre Verhaftungen socken nachfolgen. Dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren ist völlig unbegreiflich; aber freilich ist Manches, was jetzt geschieht, dem "beschränkten Unterthanenverstande" unbegreiflich.

Unsere Reaktionspartei scheint durch die entschiedene Haltung des münsterländischen Landvolks etwas eingeschüchtert worden zu sein. Der kommandirende General v. d. Gröben, Mucker und intimer Freund Friedrich Wilhelm des Vierten, hatte dem Verlangen des Volks, namentlich der Bürgerwehr sowie selbst des Magistrats, das 2. Bataillon des 15. Inf.-Reg., welches seine Bravour im meuchlerischen Ueberfallen wehrloser Personen sucht, von hier zu entfernen, unter allerlei Vorwänden entschiedene Weigerung entgegengesetzt und sogar insgeheim beschlossen, das 1. Bataillon des verhaßten Regiments noch dazu kommen zu lassen. Dies Bataillon, welches man nicht, wie man es bei dem 2ten nach dessen Auftreten, wenn auch ungern, zu thun gezwungen ist, in den Kasernen konsignirt hätte, würde ohne Zweifel seine vom Volk erschlagenen Brüder zu rächen gesucht haben und der gewünschte neue Konflikt des Militärs mit dem Volke und in Folge dessen die Ursache zur Erklärung des Belagerungszustandes war da. Aber nach den Nachrichten, welche die hohen Herrn von der Gährung unter den Bauern, die bereits vorgestern sechs Stunden weit in bewaffneten Schaaren hatten herankommen wollen, erhalten hatte, scheinen dieselben jenen Plan aufgegeben zu haben. Denn es heißt jetzt, daß das bereits verschriebene 1. Bataillon Kontreordre bekommen habe, und auch das 2. Bataillon in den nächsten Tagen von hier wegmarschiren würde. Ist es wahr, so hat nur die Furcht vor unserm kräftigen Landvolk, das sich durch die Insinuationen einzelner Geistlichen, daß man in Münster den "Hergott abschaffen" wolle, nicht mehr beirren läßt, die Veranlassung zu diesem plötzlichen Umlenken gegeben. Die Lokomotivführer und Waggonbeamten der Münster-Hammer Eisenbahn haben übrigens heute erklärt, daß sie die Fünfzehner auf der Eisenbahn nicht befördern würden, weil die Bauern auf der ganzen Strecke der Eisenbahn die Fahrt hindern wollten. So werden uns denn die Fünfzehner am Ende zu Fuß verlassen müssen.

Es hat sich bereits unzweifelhaft herausgestellt, daß der meuchlerische Ueberfall vom Sonntag Abend von Offizieren angestellt

[Deutschland]

[Fortsetzung] rungen gehört“, folglich, wie Sebaldt scharfsinnig deducirt, „gar keine Rede sein.“

„Wäre dieß aber der Fall?“ Was der Fall? „Daß von der gerichtlichen Klage gar keine Rede sein kann“? Sebaldt will umgekehrt sagen: Wäre dieß aber nicht der Fall, könnte doch von einer gerichtlichen Klage die Rede sein, nun dann? Dann „würde Sebaldt kein Bedenken tragen, an das Gewissen und die gesunde Vernunft seiner Ankläger zu appelliren!“

Und Sebaldt ist dann im Stande, jeden Tag 12 neue stylistische Uebungen zu veröffenlichen! Und der Stadtrath hat die „materielle Frage des Augenblicks: was der Stadt und namentlich der studierenden Stadtjugend frommt, dabei ernstlich in „Betracht und Erwägung zu ziehn.“

Trier, 30. November.

Bei der letzten Einquartierung in dem benachbarten Schweich machten wir eine Erfahrung, die wir dem Publikum nicht vorenthalten zu dürfen glauben. Es kamen nämlich drei Soldaten, ein Unterofficier und zwei Gemeinen, in das Haus der Geschwister B. zu liegen. Als die Hauswirthin ihnen das Abendessen aufgetragen hatte, sagte ihr der Unteroffizier, daß sie die Speisen zuerst kosten solle. Die Hauswirthin, ihr Befremden hierüber äußernd, fragte nach der Ursache. Der Unteroffizier gab ihr zur Antwort, daß sie fürchten, die Speisen möchten vergiftet sein. „Wie könnt Ihr so etwas von uns denken, — erwiderte jene — und uns zu einer solchen Schandthat fähig halten?“ „Wir haben die Weisung von oben herab bekommen — war die Antwort. — bei Einquartierungen auf unserer Hut zu sein, daß wir nicht vergiftet würden.“ — So lächerlich diese Sache an und für sich ist, so hat sie doch ihre sehr ernsthafte Seite: sie liefert uns den Beweis, wie man „von oben herab“ bemüht ist, den Soldaten in ihrem eigenen Lande den Glauben beizubringen, daß sie sich in Feindes Land und unter Giftmischern und Mördern befinden; alles doch wohl zu dem Zwecke, um einen blutdürstigen Haß bei den Soldaten gegen die Bürger zu nähren.

(Tr. Ztg.)
27 Koblenz, 2. Dez.

Die seit dem 9. Nov. täglich zahlreicher an die Nationalversammlung in Berlin eingehenden Zustimmungsadressen kamen der Reaktion höchst ungelegen. Wie konnte man ihnen ein Paroli bieten? Etwa mit den im Vergleich höchst spärlich unterzeichneten Gegenadressen der berüchtigten Preußen-Vereine? Es mußte zu ganz andern Mitteln geschritten, Himmel und Hölle, Pfaffen- und Junkerthum, Geld und Schnapps, Hoffnungen und Drohungen angewandt werden, um den Schein hervorzubringen, als sei in Preußen doch immerhin ein ziemlicher Volkstheil für den gottbegnadeten Manteuffel-Brandenburg. Ein kitzlicher Punkt war die preußische Geographie. Freilich giebts gedruckte Verzeichnisse sämmtlicher preußischen Städte, Flecken und Dörfer. Indeß ein gottbegnadetes Regiment schiert sich zum guten Zweck den Teufel drum. So geschah es, daß Hunderte von Dörfern plötzlich gleich Pilzen in die Höhe geschossen sind, aus denen eben so urplötzlich allerunterthänigste, ersterbendste, vertrauensvollste Adressen nach Potsdam an den König und an Hrn. Brandenburg nach Berlin abgeschnellt wurden. Den Beweis liefern täglich der Preuß. Staats-Anzeiger, die Kreuzritterin und die brave Wupperthalerin. Da giebts mit Gott für König und Vaterland, Adressen aus: Hanerfeld, Metzkaufen, Herne, Fröndenburg, Bünde, Stranbach, Ladbergen, Wallach etc. etc.

Ist erst die Contrerevolution fix und fertig, was bei dem schönen „passiven“ Widerstand wohl passiren könnte, so wird Hr. Ladenberg hoffentlich sofort eine neue Auflage von Cannabich nebst einer frischen Charte von Preußen veranstalten, und jene Hunderte durch schwarzweißen Zauber entstandene Dörfer, Flecken oder Städte eintragen lassen.

Speziell hätten wir noch eine Bitte an unsern theuern Freund Hrn. Eichmann. Sie geht dahin, daß unter seinen Auspizien ein Handbuch zur Adressenfabrikation angefertigt und bei Basse in Quedlinburg mit dessen Essig- und Schnupftabak-Fabrikations-Anweisungen gedruckt und in Cirkulation gesetzt werden möge. Herr Generalsuperintendent Küpper von hier würde sich gegen ein Honorar, wie es frommen Männern zukommt, zum Mitarbeiter nicht übel qualifiziren. Der Mann hat schon Proben geliefert. Denn es zirkulirt jetzt eben in der Provinz ein von ihm an alle Superintendenten gerichtetes und von diesen an alle Pfarrer mitgetheiltes Schreiben, worin es unter Anderm wörtlich heißt:

„‥… kräftigst dahin zu wirken, daß aus Ihrer Gemeinde, und sei sie auch noch so klein, eine solche (schwarz-weiße, Manteuffelsche) Adresse unverzüglich nach Berlin abgehe.“

Man sieht, Hr. etc. Küpper ist ein sehr loyaler Mann. Es findet nun auch der salbungsvolle Styl jener Adressen seine Erklärung. Das ein Grund mehr, Hr. Eichmann, daß Sie auf unsere Bitte reflektiren.

Koblenz, 1. Dezember.

Gestern Abend hatten wir eine Wiederholung der vorgestrigen Scenen. Eine Anzahl Kriegsreservisten und Landwehrmänner hatten, mit Beobachtung aller gesetzlichen Vorschriften, in dem geschlossenen Saale von Kolling eine Versammlung ausgeschrieben. Zur Zeit der Eröffnung hatte sich eine große Anzahl Soldaten des 26. Inf.-Reg. vor demselben mit Seitengewehren versammelt und fingen an, die Eintretenden ohne Veranlassung mit ihren Waffen zu mißhandeln. Es entspann sich dadurch ein Streit, in welchem mehrere Personen, Soldaten und andere, schwer verwundet oder gar getödtet wurden, in dessen Folge die ganze Stadt in die furchtbarste Aufregung kam, in der Oberpfarr- und in der Jesuitenkirche Sturm geläutet und die Thore geschlossen und militärisch besetzt wurden. Gegen 9 Uhr ward wieder Alles ruhig. Es ist an der absichtlichen Provocation dieses Scandals durch die 26ger um so weniger zu zweifeln, als diese schon des Nachmittags allgemein mit Säbeln gesehen wurden und bis zum vorgestrigen Tage noch nicht die mindeste Reibung zwischen Militär und Bürgern stattgehabt hatte, es auch von Seiten der politischen Vereine sowohl als der einzelnen Bürger Grundsatz war, das Militär möglichst freundlich zu behandeln. Wie wir hören, ist heute der Stadtrath berufen, um wegen des zu erwartenden Belagerungszustandes zu berathen. Sonder Zweifel wird dieses den Hrn. Kommandanten in Verzug setzen, die Gründe, durch welche er eine solche Maßregel zu rechtfertigen gedenkt, als ein Ehrenmann vor der ganzen Welt auszusprechen. Wir werden dann erfahren, ob es ein Kriegszustand nach unserer Habeas-Corpus-akte begründet, wenn Bürger, die durch die wiederholten Programme eines sogenannten konstitutionellen Vereins zusammengetrommelt werden und Niemanden beleidigen, außer einigem Hahnenkrähen keine Unruhen machen, ohne Aufforderung und Warnung von der Kavallerie überritten, nicht nur in Straßen, wo mißliebige Leute wohnen, sondern in allen übrigen die ruhigsten Leute, die ihrer Geschäfte wegen ausgehen, Geistliche, Regierungsräthe, Schullehrer u. s. w. auf das Willkührlichste und Brutalste mit Bajonetten, Pferdehufen und Kolben mißhandelt, die Bürger, die sich zufällig außer Hause befinden, aus baarem Uebermuthe verhindert werden, ihren Aufenthalt zu verlassen, und nachdem die Bürgerschaft dieses am vorigen Tage ohne weitern Exceß ertragen hat, des anderen Tags eine Masse Soldaten derart auf die unverantwortlichste Weise ruhige Bürger angreift, daß selbst das 25. Regiment, die Artillerie und Pioniere gleichmäßig empört sich auf die Seite der Bürger stellten und sie gegen die Rohheit vertheidigten. Kann unser Stadtkommandant uns nicht mehr gegen solche Excesse trotz aller Disciplin vertheidigen, so habe er wenigstens die Offenheit, seine desfallige Unfähigkeit einzugestehen und nicht das eine Unrecht durch das andere verdecken zu wollen. Wird der Belagerungszustand ausgesprochen, so können wir denjenigen, der den Ausspruch thut, und seine Untergebenen nur als die einzigen Veranlasser ansehen, und ob man uns sodann mit Grund ausreden kann, daß die vorhergegangenen Scenen nur in der Absicht, uns zu diesem Zustande der Ruhe in Warschau zu führen, entstanden sind, überlassen wir der Beurtheilung eines jeden Unbefangenen. — Dem Vernehmen nach soll heute ein Verbot der Versammlung des demokratischen Vereins bevorstehen. Kann aber ein solches Verbot, ohne die Stadt in den lieben Belagerungsstand zu erklären, erlassen werden?

Unter dem Kriegsgeschrei „mit Gott für König und Vaterland“ stürzte hier heute Morgen ein Unteroffizier des 56. Regiments ohne alle Veranlassung mit gezücktem Schwert, bei dem großen Publikum Käsmesser genannt, auf einen ruhig seines Weges gehenden Bürgersmann los. Nachdem der Held ohne bedeutenden Erfolg verschiedene Hiebe auf den Unbewaffneten geführt hatte, schien es ihm doch zweckmäßig, in wilder Flucht sein Heil zu suchen, und dennoch wäre er seinem verdienten Lohne, einer Tracht Prügel, nicht entgangen, hätte nicht eine weltkluge Polizei, Unschuld mit Schuld verwechselnd, den rachedürstenden Verfolger aufgehalten und so dem Unteroffizier Gelegenheit zum Entschlüpfen in's hiesige Militärkasino gegeben. Nachträglich erfahren wir, daß der fragliche Unteroffizier noch verhaftet wurde, und was wartet seiner? Er wird zu ein höchstens zweitägigen gelinden Arrest verurtheilt; die höchsten Vorgesetzten drücken ihm die Hand, beschenken ihn mit Geld und befördern ihn endlich gar zum Feldwebel.

(Rh.- u. M.-Ztg.)
X Düsseldorf.

Für die Croatenwirthschaft, die in Ihrer Zeitung geschildert worden, scheint uns die drolatische Muse des „Bürgers und Kommunisten Drigalski“ entschädigen zu sollen. Hier eine neue Probe der Muse Drigalki's:

Wer nicht begreifen kann, wie man ein, Gott und seinem theuren Könige treu ergebener Kommunist sein kann; ein Kommunist, der mit einem treuen Unterthanenherzen zugleich ein reiches mitleidiges Herz für seine leidenden und verführten Brüder in sich schlagen fühlt, der wird auch nicht begreifen, daß man ein treuer Soldat und zugleich ein wahrhafter Bürger sein kann. Wer da glaubt, als könne man in dieser ernsten Zeit mit einem reinen Gewissen, durch unwahr gemeinte Erklärungen perfiden Witz und Spott mit der Menschheit treiben, der wird auch die innern Ueberzeugungen und Bereitschaften des Unterzeichneten nicht fassen und eben so wenig den Entschluß begreifen, neben Ausübung der Gewalt um Ordnung zu schaffen, durch eine hochherzige Handlung einen großen völlig moralisch gesunkenen Theil einer unglücklichen Bevölkerung wieder zu erheben; einer Bevölkerung, die man mit aller zu Gebot stehender Strenge zum Gehorsam gegen die gesetzmäßige Königliche Gewalt zurück zu führen die Verpflichtung hat.

Düsseldorf, den 30. November 1848. v. Drigalski.

Z Düsseldorf, 1. Dezbr.

Ueber den Vandalismus, welchen unsre Garnison vorgestern Abend übte, folgendes Nähere. Zu dem Wirthe Paffrath in der Bolkerstraße kamen augenscheinlich in der Absicht, Streitigkeiten anzufangen, mehrere Soldaten, und begannen bald in der sofort von bürgerlichen Gästen entleerten zweiten Stube ein Preußenlied zu johlen. Der Wirth untersagte ihnen das, mit dem Bemerken, er leide kein Singen in seinem Hause. Sogleich standen die Soldaten auf, um „Hülfe zu holen.“ Bei ihrer verstärkten Wiederkehr fanden sie das Haus verschlossen; drinnen hatten sich viele Bürger eingefunden und ebenso standen auch schon Gruppen auf der Straße, welche sich durch das Erscheinen vieler Soldaten mit Seitengewehr außerordentlich mehrten. So entstand der Auflauf, den bald das aus dem eben beendeten Theater herkommende Publikum zu einem bedeutenden machte. Bis jetzt war es noch zu keinen Thätlichkeiten gekommen, als plötzlich erst eine Kompagnie einrückte, durch Trommelwirbel die Menge aufforderte, sich zu zerstreuen, und allsogleich auch von Kolbe und Bajonnett Gebrauch machte. Ein junger Mensch erhielt hier einen Stich in den Kopf, einen in den Hals. Ein alter Mann wurde in der nahen Kapuzinergasse niedergeworfen und mit Kolbenstößen und Fußtritten sehr übel zugerichtet. Zwei Männer, vor den Bajonnetten fliehend, flüchteten sich in ein nahes Haus; die Thüre wurde gesprengt und der eine, den man erwischte, in die Kaserne geschleppt, und von da zum Civilgefängniß, wo er bis nächsten Mittag festgehalten wurde. Als solchergestalt die Bolkerstraße und die angränzenden Gassen gesäubert und abgesperrt waren, wurde in den Hundsrücken siegreich — denn Niemand widersetzte sich — vorgedrungen. Hier wurde ein in seiner Hausthüre stehender Mann mit dem Bajonett in das Bein gestochen; einige Häuser weiter eine über 70 Jahre alte Frau, welche sich etwas geholt hatte, durch einen Kolbenstoß auf die Brust ermordet! Sie starb nach wenigen Stunden. In das Haus des Restaurateurs Säuferlein, Flingerstraße, drang die Soldateska ein, weil sie glaubte, es hätte Jemand auf sie geworfen. Man hieb die Hausthüre mit Beilen ein, zerhackte eine Thüre links in der Hausflur mit Kolbe, Beil und Bajonett, drang in die rechts gelegene leere Gaststube, stieg auf das Billard, riß die dort hängende Camphinlampe herab und nahm diese so wie drei Billardkugeln mit. Nicht zufrieden mit der Verwüstung im Unterhause stieg man in den ersten und zweiten Stock, drang in l[e]tzterm in ein von einer Familie bewohntes Zimmer, durchwühlte das Bett, sprengte den Kleiderschrank und drei kleine Kinder, welche der ängstliche Vater bei dem Lärmen dort zu bergen suchte, streckten ihre zarten Händchen zitternd und verzweiflungsvoll schreiend den Soldaten entgegen mit dem Rufe, sie nicht zu ermorden!! In der Ratingerstraße rief in der Nacht ein halb toller Junge aus irgend einem Hause einer vorübergehenden Patrouille spottend „Unteroffiteir! Unteroffiteir!“ nach. Dies genügte, um eine Kompagnie Verstärkung herbeizuziehen und dann wurde erst das Wirthshaus zum Füchschen angegriffen. Auf die Versicherung des Wirthes oben aus dem Fenster, daß es hier nicht, sondern drüben irgendwo gewesen sei, stand man von dieser Belagerung ab und griff dagegen das Haus des Buchbinders Mischel an, wo ebenfalls das Rufen nicht gewesen, sondern wo Alles schon zu Bette war. Als den anpochenden Soldaten nicht gleich geöffnet wurde, hieben sie mit Beilen die Hausthüre ein, drangen in alle Zimmer, selbst des Hinterhauses, durchwühlten alle Betten, Schränke u. s. w. und schleppten die vier dort befindlichen Männer mit in's Gefängniß, wo diese ebenfalls bis zum nächsten Mittage ausharren mußten. Das sind die Heldenthaten unserer Spartaner, die übrigens seit dem Belagerungszustande auch sonst durchgängig in einem Zustande von Trunkenheit sich befinden, welcher sie entmenscht.

Leider wird von gewissen gutgesinnten Leuten nichts gespart, um die Soldaten des Königs zu ermuntern. Geld in Menge, Wein aus den Kellern der Aristokraten, Bier widerholt in Masse, welches das gutgesinnte Elberfeld den Soldaten schenkt, dazu gute Worte und Aufreizungen aller Art, was wollen Sie mehr, um Helden zu bilden! Schwer mögen die es verantworten, welche den Armen hungernd von ihrer Thüre stoßen, und dagegen Geld und Mittel verschwenden, um rohe Soldaten gegen ruhige Bürger zu hetzen. Doch nicht alle unsere Truppen trifft der Vorwurf der Rohheit: wir haben noch keine einzige Klage gegen die Artillerie und gegen die Ulanen vernommen; am mehrsten trifft der Vorwurf die Jäger, die Infanterie überhaupt und die Husaren. — Jedenfalls sind am vorgestrigen Abend noch mehr Fälle, wie die vorhin erzählten, vorgekommen, doch die obigen sind bis in's Detail wahr. Hr. Drigalski benimmt sich dabei ganz unschuldig; er weiß nichts von den Ausartungen; er ließ sich am nächsten Morgen bis 10 Uhr gar nicht, dann nur schwer sprechen, und das Ende vom Lied ist wie bei allen solchen Vorfällen, wo die Anarchie bemäntelt werden muß: „die Sache soll streng untersucht werden.“

Nicht zu vergessen: es heißt, schon vorgestern wollte man hier das Martialgesetz verkünden, doch sollen sich dem die Auditeure selbst auf Gefahr ihrer Entlassung hin, energisch widersetzt haben.

S Jülich, 30. Nov.

Herr v. Mylius, der, wie Sie wissen, zum Deputirten für Berlin von unserm Kreise ursprünglich gewählt wurde, sein Mandat aber durch den Stellvertreter v. Berg ausüben ließ, fand sich jüngst bewogen (wie man sich hier in die Ohren schreit, auf höheren Befehl und um den Preis der Jülicher Landrathstelle) die Wahlmänner zu versammeln, um ihnen zu erklären, daß er sein Mandat für Berlin jetzt übernehme, die Wünsche der Wahlmänner aber zugleich in Empfang nehmen wolle. Der einstimmige Wunsch derselben, wie der einer gleichzeitigen Urwählerversammlung, lautete nun dahin: „In Erwägung, daß Herr v. Mylius das Vertrauen des Kreises gar nicht mehr besitzt, hegen wir zu seiner Ehrenhaftigkeit die sichere Erwartung, daß er sein Mandat niederlegen werde.“ Der Herr Staatsprokurator fand sich dazu jedoch nicht bewogen, trotzdem daß man nach einander mit Kleingewehrfeuer und grobem Geschütz gegen seine Ehrenhaftigkeit losarbeitete; die freiherrlich staatsprokuratorliche Ehrenhaftigkeit ist andern Tags nach Brandenburg abgereist. Die Wahlmänner sowohl als die Urwähler haben nun eine Kommission gebildet und vereinigt, welche den Auftrag erhalten, die verwundbare Stelle an dieser Achilles-Ehrenhaftigkeit aufzusuchen. Zur Charakteristik des Herrn Freiherrn noch folgende wahre Notiz. Vor seiner Abreise erklärte er, daß er bald als Landrath wiederkommen werde, dann aber in dankbarer Erinnerung der ihm hier erzeigten Ehren den Kreis ordentlich zwiebeln wolle. Diese Aeußerung theilen wir zur allgemeinen Würdigung mit.

109 Münster, 30. Nov.

O.-L.-G.-Referendar Hammacher ist verhaftet, desgleichen ein Instrumentenschleifer, der die Plakate der Volksversammlungen anheftete; die Referendare Bonsi und Jakobi, welcher letzterer dem neulichen Demokratenkongreß in Köln beigewohnt, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen.

109 Münster, 30. Nov.

Die Philister der Ruhe triumphiren. Der Minister des Innern Hr. v. Manteuffel, den man hoffentlich bald sammt seinen Kollegen zum Teufel schicken wird, hat in Folge einer in einer unserer ständigen Volksversammlungen beschlossenen Aufforderung an das Volk Westfalens zum bewaffneten Widerstande gegen das hochverrätherische Ministerium ein Rescript an die hiesige Regierung erlassen, dahin, sämmtliche Leiter dieser Versammlungen und außerdem die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften. Unser Kriminalsenat, zu dessen Direktor Temme wider seinen Willen „befördert“ worden und aus lauter Antipoden Temme's besteht, scheint auf dies Ansinnen, die Männer des Volks „unschädlich zu machen“, eingegangen zu sein, indem er eine Untersuchung gegen die Leiter und Redner hat einleiten lassen und bereits trotz der Habeas-Corpus-Akte gegen vier Personen die Verhaftung ausgesprochen hat; mehre Verhaftungen socken nachfolgen. Dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren ist völlig unbegreiflich; aber freilich ist Manches, was jetzt geschieht, dem „beschränkten Unterthanenverstande“ unbegreiflich.

Unsere Reaktionspartei scheint durch die entschiedene Haltung des münsterländischen Landvolks etwas eingeschüchtert worden zu sein. Der kommandirende General v. d. Gröben, Mucker und intimer Freund Friedrich Wilhelm des Vierten, hatte dem Verlangen des Volks, namentlich der Bürgerwehr sowie selbst des Magistrats, das 2. Bataillon des 15. Inf.-Reg., welches seine Bravour im meuchlerischen Ueberfallen wehrloser Personen sucht, von hier zu entfernen, unter allerlei Vorwänden entschiedene Weigerung entgegengesetzt und sogar insgeheim beschlossen, das 1. Bataillon des verhaßten Regiments noch dazu kommen zu lassen. Dies Bataillon, welches man nicht, wie man es bei dem 2ten nach dessen Auftreten, wenn auch ungern, zu thun gezwungen ist, in den Kasernen konsignirt hätte, würde ohne Zweifel seine vom Volk erschlagenen Brüder zu rächen gesucht haben und der gewünschte neue Konflikt des Militärs mit dem Volke und in Folge dessen die Ursache zur Erklärung des Belagerungszustandes war da. Aber nach den Nachrichten, welche die hohen Herrn von der Gährung unter den Bauern, die bereits vorgestern sechs Stunden weit in bewaffneten Schaaren hatten herankommen wollen, erhalten hatte, scheinen dieselben jenen Plan aufgegeben zu haben. Denn es heißt jetzt, daß das bereits verschriebene 1. Bataillon Kontreordre bekommen habe, und auch das 2. Bataillon in den nächsten Tagen von hier wegmarschiren würde. Ist es wahr, so hat nur die Furcht vor unserm kräftigen Landvolk, das sich durch die Insinuationen einzelner Geistlichen, daß man in Münster den „Hergott abschaffen“ wolle, nicht mehr beirren läßt, die Veranlassung zu diesem plötzlichen Umlenken gegeben. Die Lokomotivführer und Waggonbeamten der Münster-Hammer Eisenbahn haben übrigens heute erklärt, daß sie die Fünfzehner auf der Eisenbahn nicht befördern würden, weil die Bauern auf der ganzen Strecke der Eisenbahn die Fahrt hindern wollten. So werden uns denn die Fünfzehner am Ende zu Fuß verlassen müssen.

Es hat sich bereits unzweifelhaft herausgestellt, daß der meuchlerische Ueberfall vom Sonntag Abend von Offizieren angestellt

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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> rungen gehört&#x201C;, <hi rendition="#g">folglich,</hi> wie Sebaldt scharfsinnig deducirt, &#x201E;<hi rendition="#g">gar keine</hi> Rede sein.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Wäre <hi rendition="#g">dieß</hi> aber der Fall?&#x201C; Was der Fall? &#x201E;Daß von der gerichtlichen Klage <hi rendition="#g">gar keine Rede sein kann</hi>&#x201C;? Sebaldt will umgekehrt sagen: Wäre dieß aber <hi rendition="#g">nicht</hi> der Fall, könnte doch von einer gerichtlichen Klage die Rede sein, nun dann? Dann &#x201E;würde Sebaldt kein Bedenken tragen, an das Gewissen und die gesunde Vernunft seiner Ankläger zu appelliren!&#x201C;</p>
          <p>Und Sebaldt ist dann im Stande, jeden Tag 12 neue stylistische Uebungen zu veröffenlichen! Und der Stadtrath hat die &#x201E;materielle Frage des Augenblicks: was der Stadt und namentlich der studierenden Stadtjugend frommt, dabei ernstlich in &#x201E;Betracht und Erwägung zu ziehn.&#x201C;</p>
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          <head>Trier, 30. November.</head>
          <p>Bei der letzten Einquartierung in dem benachbarten Schweich machten wir eine Erfahrung, die wir dem Publikum nicht vorenthalten zu dürfen glauben. Es kamen nämlich drei Soldaten, ein Unterofficier und zwei Gemeinen, in das Haus der Geschwister B. zu liegen. Als die Hauswirthin ihnen das Abendessen aufgetragen hatte, sagte ihr der Unteroffizier, daß sie die Speisen zuerst kosten solle. Die Hauswirthin, ihr Befremden hierüber äußernd, fragte nach der Ursache. Der Unteroffizier gab ihr zur Antwort, daß sie fürchten, die Speisen möchten vergiftet sein. &#x201E;Wie könnt Ihr so etwas von uns denken, &#x2014; erwiderte jene &#x2014; und uns zu einer solchen Schandthat fähig halten?&#x201C; &#x201E;Wir haben die Weisung von oben herab bekommen &#x2014; war die Antwort. &#x2014; bei Einquartierungen auf unserer Hut zu sein, daß wir nicht vergiftet würden.&#x201C; &#x2014; So lächerlich diese Sache an und für sich ist, so hat sie doch ihre sehr ernsthafte Seite: sie liefert uns den Beweis, wie man &#x201E;von oben herab&#x201C; bemüht ist, den Soldaten in ihrem eigenen Lande den Glauben beizubringen, daß sie sich in Feindes Land und unter Giftmischern und Mördern befinden; alles doch wohl zu dem Zwecke, um einen blutdürstigen Haß bei den Soldaten gegen die Bürger zu nähren.</p>
          <bibl>(Tr. Ztg.)</bibl>
        </div>
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          <head><bibl><author>27</author></bibl> Koblenz, 2. Dez.</head>
          <p>Die seit dem 9. Nov. täglich zahlreicher an die Nationalversammlung in Berlin eingehenden Zustimmungsadressen kamen der Reaktion höchst ungelegen. Wie konnte man ihnen ein Paroli bieten? Etwa mit den im Vergleich höchst spärlich unterzeichneten Gegenadressen der berüchtigten Preußen-Vereine? Es mußte zu ganz andern Mitteln geschritten, Himmel und Hölle, Pfaffen- und Junkerthum, Geld und Schnapps, Hoffnungen und Drohungen angewandt werden, um den Schein hervorzubringen, als sei in Preußen doch immerhin ein ziemlicher Volkstheil für den gottbegnadeten Manteuffel-Brandenburg. Ein kitzlicher Punkt war die preußische Geographie. Freilich giebts gedruckte Verzeichnisse sämmtlicher preußischen Städte, Flecken und Dörfer. Indeß ein gottbegnadetes Regiment schiert sich zum guten Zweck den Teufel drum. So geschah es, daß Hunderte von Dörfern plötzlich gleich Pilzen in die Höhe geschossen sind, aus denen eben so urplötzlich allerunterthänigste, ersterbendste, vertrauensvollste Adressen nach Potsdam an den König und an Hrn. Brandenburg nach Berlin abgeschnellt wurden. Den Beweis liefern täglich der Preuß. Staats-Anzeiger, die Kreuzritterin und die brave Wupperthalerin. Da giebts mit Gott für König und Vaterland, Adressen aus: Hanerfeld, Metzkaufen, Herne, Fröndenburg, Bünde, Stranbach, Ladbergen, Wallach etc. etc.</p>
          <p>Ist erst die Contrerevolution fix und fertig, was bei dem schönen &#x201E;passiven&#x201C; Widerstand wohl passiren könnte, so wird Hr. Ladenberg hoffentlich sofort eine neue Auflage von Cannabich nebst einer frischen Charte von Preußen veranstalten, und jene Hunderte durch schwarzweißen Zauber entstandene Dörfer, Flecken oder Städte eintragen lassen.</p>
          <p>Speziell hätten wir noch eine Bitte an unsern theuern Freund Hrn. Eichmann. Sie geht dahin, daß unter seinen Auspizien ein Handbuch zur Adressenfabrikation angefertigt und bei Basse in Quedlinburg mit dessen Essig- und Schnupftabak-Fabrikations-Anweisungen gedruckt und in Cirkulation gesetzt werden möge. Herr Generalsuperintendent Küpper von hier würde sich gegen ein Honorar, wie es frommen Männern zukommt, zum Mitarbeiter nicht übel qualifiziren. Der Mann hat schon Proben geliefert. Denn es zirkulirt jetzt eben in der Provinz ein von ihm an alle Superintendenten gerichtetes und von diesen an alle Pfarrer mitgetheiltes Schreiben, worin es unter Anderm wörtlich heißt:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;&#x2025;&#x2026; kräftigst dahin zu wirken, daß aus Ihrer Gemeinde, und sei sie auch noch so klein, eine solche (schwarz-weiße, Manteuffelsche) Adresse unverzüglich nach Berlin abgehe.&#x201C;</p>
          <p>Man sieht, Hr. etc. Küpper ist ein sehr loyaler Mann. Es findet nun auch der salbungsvolle Styl jener Adressen seine Erklärung. Das ein Grund mehr, Hr. Eichmann, daß Sie auf unsere Bitte reflektiren.</p>
        </div>
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          <head>Koblenz, 1. Dezember.</head>
          <p>Gestern Abend hatten wir eine Wiederholung der vorgestrigen Scenen. Eine Anzahl Kriegsreservisten und Landwehrmänner hatten, mit Beobachtung aller gesetzlichen Vorschriften, in dem geschlossenen Saale von Kolling eine Versammlung ausgeschrieben. Zur Zeit der Eröffnung hatte sich eine große Anzahl Soldaten des 26. Inf.-Reg. vor demselben mit Seitengewehren versammelt und fingen an, die Eintretenden ohne Veranlassung mit ihren Waffen zu mißhandeln. Es entspann sich dadurch ein Streit, in welchem mehrere Personen, Soldaten und andere, schwer verwundet oder gar getödtet wurden, in dessen Folge die ganze Stadt in die furchtbarste Aufregung kam, in der Oberpfarr- und in der Jesuitenkirche Sturm geläutet und die Thore geschlossen und militärisch besetzt wurden. Gegen 9 Uhr ward wieder Alles ruhig. Es ist an der absichtlichen Provocation dieses Scandals durch die 26ger um so weniger zu zweifeln, als diese schon des Nachmittags allgemein mit Säbeln gesehen wurden und bis zum vorgestrigen Tage noch nicht die mindeste Reibung zwischen Militär und Bürgern stattgehabt hatte, es auch von Seiten der politischen Vereine sowohl als der einzelnen Bürger Grundsatz war, das Militär möglichst freundlich zu behandeln. Wie wir hören, ist heute der Stadtrath berufen, um wegen des zu erwartenden Belagerungszustandes zu berathen. Sonder Zweifel wird dieses den Hrn. Kommandanten in Verzug setzen, die Gründe, durch welche er eine solche Maßregel zu rechtfertigen gedenkt, als ein Ehrenmann vor der ganzen Welt auszusprechen. Wir werden dann erfahren, ob es ein Kriegszustand nach unserer Habeas-Corpus-akte begründet, wenn Bürger, die durch die wiederholten Programme eines sogenannten konstitutionellen Vereins zusammengetrommelt werden und Niemanden beleidigen, außer einigem Hahnenkrähen keine Unruhen machen, ohne Aufforderung und Warnung von der Kavallerie überritten, nicht nur in Straßen, wo mißliebige Leute wohnen, sondern in allen übrigen die ruhigsten Leute, die ihrer Geschäfte wegen ausgehen, Geistliche, Regierungsräthe, Schullehrer u. s. w. auf das Willkührlichste und Brutalste mit Bajonetten, Pferdehufen und Kolben mißhandelt, die Bürger, die sich zufällig außer Hause befinden, aus baarem Uebermuthe verhindert werden, ihren Aufenthalt zu verlassen, und nachdem die Bürgerschaft dieses am vorigen Tage ohne weitern Exceß ertragen hat, des anderen Tags eine Masse Soldaten derart auf die unverantwortlichste Weise ruhige Bürger angreift, daß selbst das 25. Regiment, die Artillerie und Pioniere gleichmäßig empört sich auf die Seite der Bürger stellten und sie gegen die Rohheit vertheidigten. Kann unser Stadtkommandant uns nicht mehr gegen solche Excesse trotz aller Disciplin vertheidigen, so habe er wenigstens die Offenheit, seine desfallige Unfähigkeit einzugestehen und nicht das eine Unrecht durch das andere verdecken zu wollen. Wird der Belagerungszustand ausgesprochen, so können wir denjenigen, der den Ausspruch thut, und seine Untergebenen nur als die einzigen Veranlasser ansehen, und ob man uns sodann mit Grund ausreden kann, daß die vorhergegangenen Scenen nur in der Absicht, uns zu diesem Zustande der Ruhe in Warschau zu führen, entstanden sind, überlassen wir der Beurtheilung eines jeden Unbefangenen. &#x2014; Dem Vernehmen nach soll heute ein Verbot der Versammlung des demokratischen Vereins bevorstehen. Kann aber ein solches Verbot, ohne die Stadt in den lieben Belagerungsstand zu erklären, erlassen werden?</p>
          <p>Unter dem Kriegsgeschrei &#x201E;mit Gott für König und Vaterland&#x201C; stürzte hier heute Morgen ein Unteroffizier des 56. Regiments ohne alle Veranlassung mit gezücktem Schwert, bei dem großen Publikum Käsmesser genannt, auf einen ruhig seines Weges gehenden Bürgersmann los. Nachdem der Held ohne bedeutenden Erfolg verschiedene Hiebe auf den Unbewaffneten geführt hatte, schien es ihm doch zweckmäßig, in wilder Flucht sein Heil zu suchen, und dennoch wäre er seinem verdienten Lohne, einer Tracht Prügel, nicht entgangen, hätte nicht eine weltkluge Polizei, Unschuld mit Schuld verwechselnd, den rachedürstenden Verfolger aufgehalten und so dem Unteroffizier Gelegenheit zum Entschlüpfen in's hiesige Militärkasino gegeben. Nachträglich erfahren wir, daß der fragliche Unteroffizier noch verhaftet wurde, und was wartet seiner? Er wird zu ein höchstens zweitägigen gelinden Arrest verurtheilt; die höchsten Vorgesetzten drücken ihm die Hand, beschenken ihn mit Geld und befördern ihn endlich gar zum Feldwebel.</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Ztg.)</bibl>
        </div>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Düsseldorf.</head>
          <p>Für die Croatenwirthschaft, die in Ihrer Zeitung geschildert worden, scheint uns die drolatische Muse des &#x201E;Bürgers und Kommunisten Drigalski&#x201C; entschädigen zu sollen. Hier eine neue Probe der Muse Drigalki's:</p>
          <p>Wer nicht begreifen kann, wie man ein, Gott und seinem theuren Könige treu ergebener Kommunist sein kann; ein Kommunist, der mit einem treuen Unterthanenherzen zugleich ein reiches mitleidiges Herz für seine leidenden und verführten Brüder in sich schlagen fühlt, der wird auch nicht begreifen, daß man ein treuer Soldat und zugleich ein wahrhafter Bürger sein kann. Wer da glaubt, als könne man in dieser ernsten Zeit mit einem reinen Gewissen, durch unwahr gemeinte Erklärungen perfiden Witz und Spott mit der Menschheit treiben, der wird auch die innern Ueberzeugungen und Bereitschaften des Unterzeichneten nicht fassen und eben so wenig den Entschluß begreifen, neben Ausübung der Gewalt um Ordnung zu schaffen, durch eine hochherzige Handlung einen großen völlig moralisch gesunkenen Theil einer unglücklichen Bevölkerung wieder zu erheben; einer Bevölkerung, die man mit aller zu Gebot stehender Strenge zum Gehorsam gegen die gesetzmäßige Königliche Gewalt zurück zu führen die Verpflichtung hat.</p>
          <p>Düsseldorf, den 30. November 1848. v. <hi rendition="#g">Drigalski</hi>.</p>
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          <head><bibl><author>Z</author></bibl> Düsseldorf, 1. Dezbr.</head>
          <p>Ueber den Vandalismus, welchen unsre Garnison vorgestern Abend übte, folgendes Nähere. Zu dem Wirthe Paffrath in der Bolkerstraße kamen augenscheinlich in der Absicht, Streitigkeiten anzufangen, mehrere Soldaten, und begannen bald in der sofort von bürgerlichen Gästen entleerten zweiten Stube ein Preußenlied zu johlen. Der Wirth untersagte ihnen das, mit dem Bemerken, er leide kein Singen in seinem Hause. Sogleich standen die Soldaten auf, um &#x201E;Hülfe zu holen.&#x201C; Bei ihrer verstärkten Wiederkehr fanden sie das Haus verschlossen; drinnen hatten sich viele Bürger eingefunden und ebenso standen auch schon Gruppen auf der Straße, welche sich durch das Erscheinen vieler Soldaten mit Seitengewehr außerordentlich mehrten. So entstand der Auflauf, den bald das aus dem eben beendeten Theater herkommende Publikum zu einem bedeutenden machte. Bis jetzt war es noch zu keinen Thätlichkeiten gekommen, als plötzlich erst eine Kompagnie einrückte, durch Trommelwirbel die Menge aufforderte, sich zu zerstreuen, und allsogleich auch von Kolbe und Bajonnett Gebrauch machte. Ein junger Mensch erhielt hier einen Stich in den Kopf, einen in den Hals. Ein alter Mann wurde in der nahen Kapuzinergasse niedergeworfen und mit Kolbenstößen und Fußtritten sehr übel zugerichtet. Zwei Männer, vor den Bajonnetten fliehend, flüchteten sich in ein nahes Haus; die Thüre wurde gesprengt und der eine, den man erwischte, in die Kaserne geschleppt, und von da zum Civilgefängniß, wo er bis nächsten Mittag festgehalten wurde. Als solchergestalt die Bolkerstraße und die angränzenden Gassen gesäubert und abgesperrt waren, wurde in den Hundsrücken siegreich &#x2014; denn Niemand widersetzte sich &#x2014; vorgedrungen. Hier wurde ein in seiner Hausthüre stehender Mann mit dem Bajonett in das Bein gestochen; einige Häuser weiter <hi rendition="#g">eine über 70 Jahre alte Frau</hi>, welche sich etwas geholt hatte, <hi rendition="#g">durch einen Kolbenstoß auf die Brust ermordet!</hi> Sie starb nach wenigen Stunden. In das Haus des Restaurateurs Säuferlein, Flingerstraße, drang die Soldateska ein, weil sie glaubte, es hätte Jemand auf sie geworfen. Man hieb die Hausthüre mit Beilen ein, zerhackte eine Thüre links in der Hausflur mit Kolbe, Beil und Bajonett, drang in die rechts gelegene leere Gaststube, stieg auf das Billard, riß die dort hängende Camphinlampe herab und nahm diese so wie drei Billardkugeln mit. Nicht zufrieden mit der Verwüstung im Unterhause stieg man in den ersten und zweiten Stock, drang in l[e]tzterm in ein von einer Familie bewohntes Zimmer, durchwühlte das Bett, sprengte den Kleiderschrank und drei kleine Kinder, welche der ängstliche Vater bei dem Lärmen dort zu bergen suchte, streckten ihre zarten Händchen zitternd und verzweiflungsvoll schreiend den Soldaten entgegen mit dem Rufe, sie nicht zu ermorden!! In der Ratingerstraße rief in der Nacht ein halb toller Junge aus irgend einem Hause einer vorübergehenden Patrouille spottend &#x201E;Unteroffiteir! Unteroffiteir!&#x201C; nach. Dies genügte, um eine Kompagnie Verstärkung herbeizuziehen und dann wurde erst das Wirthshaus zum Füchschen angegriffen. Auf die Versicherung des Wirthes oben aus dem Fenster, daß es hier nicht, sondern drüben irgendwo gewesen sei, stand man von dieser Belagerung ab und griff dagegen das Haus des Buchbinders Mischel an, wo ebenfalls das Rufen nicht gewesen, sondern wo Alles schon zu Bette war. Als den anpochenden Soldaten nicht gleich geöffnet wurde, hieben sie mit Beilen die Hausthüre ein, drangen in alle Zimmer, selbst des Hinterhauses, durchwühlten alle Betten, Schränke u. s. w. und schleppten die vier dort befindlichen Männer mit in's Gefängniß, wo diese ebenfalls bis zum nächsten Mittage ausharren mußten. Das sind die Heldenthaten unserer Spartaner, die übrigens seit dem Belagerungszustande auch sonst durchgängig in einem Zustande von Trunkenheit sich befinden, welcher sie entmenscht.</p>
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          <head><bibl><author>109</author></bibl> Münster, 30. Nov.</head>
          <p>Die Philister der Ruhe triumphiren. Der Minister des Innern Hr. v. Manteuffel, den man hoffentlich bald sammt seinen Kollegen zum Teufel schicken wird, hat in Folge einer in einer unserer ständigen Volksversammlungen beschlossenen Aufforderung an das Volk Westfalens zum bewaffneten Widerstande gegen das hochverrätherische Ministerium ein Rescript an die hiesige Regierung erlassen, dahin, <hi rendition="#g">sämmtliche Leiter dieser Versammlungen und außerdem die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften</hi>. Unser Kriminalsenat, zu dessen Direktor <hi rendition="#g">Temme</hi> wider seinen Willen &#x201E;befördert&#x201C; worden und aus lauter Antipoden Temme's besteht, scheint auf dies Ansinnen, die Männer des Volks &#x201E;unschädlich zu machen&#x201C;, eingegangen zu sein, indem er eine Untersuchung gegen die Leiter und Redner hat einleiten lassen und bereits trotz der Habeas-Corpus-Akte gegen vier Personen die Verhaftung ausgesprochen hat; mehre Verhaftungen socken nachfolgen. Dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren ist völlig unbegreiflich; aber freilich ist Manches, was jetzt geschieht, dem &#x201E;beschränkten Unterthanenverstande&#x201C; unbegreiflich.</p>
          <p>Unsere Reaktionspartei scheint durch die entschiedene Haltung des münsterländischen Landvolks etwas eingeschüchtert worden zu sein. Der kommandirende General v. d. Gröben, Mucker und intimer Freund Friedrich Wilhelm des Vierten, hatte dem Verlangen des Volks, namentlich der Bürgerwehr sowie selbst des Magistrats, das 2. Bataillon des 15. Inf.-Reg., welches seine Bravour im meuchlerischen Ueberfallen wehrloser Personen sucht, von hier zu entfernen, unter allerlei Vorwänden entschiedene Weigerung entgegengesetzt und sogar insgeheim beschlossen, das 1. Bataillon des verhaßten Regiments noch dazu kommen zu lassen. Dies Bataillon, welches man nicht, wie man es bei dem 2ten nach dessen Auftreten, wenn auch ungern, zu thun gezwungen ist, in den Kasernen konsignirt hätte, würde ohne Zweifel seine vom Volk erschlagenen Brüder zu rächen gesucht haben und der gewünschte neue Konflikt des Militärs mit dem Volke und in Folge dessen die Ursache zur Erklärung des Belagerungszustandes war da. Aber nach den Nachrichten, welche die hohen Herrn von der Gährung unter den Bauern, <hi rendition="#g">die bereits vorgestern sechs Stunden weit in bewaffneten Schaaren hatten herankommen wollen,</hi> erhalten hatte, scheinen dieselben jenen Plan aufgegeben zu haben. Denn es heißt jetzt, daß das bereits verschriebene 1. Bataillon Kontreordre bekommen habe, und auch das 2. Bataillon in den nächsten Tagen von hier wegmarschiren würde. Ist es wahr, so hat nur die Furcht vor unserm kräftigen Landvolk, das sich durch die Insinuationen einzelner Geistlichen, daß man in Münster den &#x201E;Hergott abschaffen&#x201C; wolle, nicht mehr beirren läßt, die Veranlassung zu diesem plötzlichen Umlenken gegeben. Die Lokomotivführer und Waggonbeamten der Münster-Hammer Eisenbahn haben übrigens heute erklärt, daß sie die Fünfzehner auf der Eisenbahn nicht befördern würden, weil die Bauern auf der ganzen Strecke der Eisenbahn die Fahrt hindern wollten. So werden uns denn die Fünfzehner am Ende zu Fuß verlassen müssen.</p>
          <p>Es hat sich bereits unzweifelhaft herausgestellt, daß der meuchlerische Ueberfall vom Sonntag Abend von <hi rendition="#g">Offizieren</hi> angestellt
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[0842/0003] [Deutschland] [Fortsetzung] rungen gehört“, folglich, wie Sebaldt scharfsinnig deducirt, „gar keine Rede sein.“ „Wäre dieß aber der Fall?“ Was der Fall? „Daß von der gerichtlichen Klage gar keine Rede sein kann“? Sebaldt will umgekehrt sagen: Wäre dieß aber nicht der Fall, könnte doch von einer gerichtlichen Klage die Rede sein, nun dann? Dann „würde Sebaldt kein Bedenken tragen, an das Gewissen und die gesunde Vernunft seiner Ankläger zu appelliren!“ Und Sebaldt ist dann im Stande, jeden Tag 12 neue stylistische Uebungen zu veröffenlichen! Und der Stadtrath hat die „materielle Frage des Augenblicks: was der Stadt und namentlich der studierenden Stadtjugend frommt, dabei ernstlich in „Betracht und Erwägung zu ziehn.“ Trier, 30. November. Bei der letzten Einquartierung in dem benachbarten Schweich machten wir eine Erfahrung, die wir dem Publikum nicht vorenthalten zu dürfen glauben. Es kamen nämlich drei Soldaten, ein Unterofficier und zwei Gemeinen, in das Haus der Geschwister B. zu liegen. Als die Hauswirthin ihnen das Abendessen aufgetragen hatte, sagte ihr der Unteroffizier, daß sie die Speisen zuerst kosten solle. Die Hauswirthin, ihr Befremden hierüber äußernd, fragte nach der Ursache. Der Unteroffizier gab ihr zur Antwort, daß sie fürchten, die Speisen möchten vergiftet sein. „Wie könnt Ihr so etwas von uns denken, — erwiderte jene — und uns zu einer solchen Schandthat fähig halten?“ „Wir haben die Weisung von oben herab bekommen — war die Antwort. — bei Einquartierungen auf unserer Hut zu sein, daß wir nicht vergiftet würden.“ — So lächerlich diese Sache an und für sich ist, so hat sie doch ihre sehr ernsthafte Seite: sie liefert uns den Beweis, wie man „von oben herab“ bemüht ist, den Soldaten in ihrem eigenen Lande den Glauben beizubringen, daß sie sich in Feindes Land und unter Giftmischern und Mördern befinden; alles doch wohl zu dem Zwecke, um einen blutdürstigen Haß bei den Soldaten gegen die Bürger zu nähren. (Tr. Ztg.) 27 Koblenz, 2. Dez. Die seit dem 9. Nov. täglich zahlreicher an die Nationalversammlung in Berlin eingehenden Zustimmungsadressen kamen der Reaktion höchst ungelegen. Wie konnte man ihnen ein Paroli bieten? Etwa mit den im Vergleich höchst spärlich unterzeichneten Gegenadressen der berüchtigten Preußen-Vereine? Es mußte zu ganz andern Mitteln geschritten, Himmel und Hölle, Pfaffen- und Junkerthum, Geld und Schnapps, Hoffnungen und Drohungen angewandt werden, um den Schein hervorzubringen, als sei in Preußen doch immerhin ein ziemlicher Volkstheil für den gottbegnadeten Manteuffel-Brandenburg. Ein kitzlicher Punkt war die preußische Geographie. Freilich giebts gedruckte Verzeichnisse sämmtlicher preußischen Städte, Flecken und Dörfer. Indeß ein gottbegnadetes Regiment schiert sich zum guten Zweck den Teufel drum. So geschah es, daß Hunderte von Dörfern plötzlich gleich Pilzen in die Höhe geschossen sind, aus denen eben so urplötzlich allerunterthänigste, ersterbendste, vertrauensvollste Adressen nach Potsdam an den König und an Hrn. Brandenburg nach Berlin abgeschnellt wurden. Den Beweis liefern täglich der Preuß. Staats-Anzeiger, die Kreuzritterin und die brave Wupperthalerin. Da giebts mit Gott für König und Vaterland, Adressen aus: Hanerfeld, Metzkaufen, Herne, Fröndenburg, Bünde, Stranbach, Ladbergen, Wallach etc. etc. Ist erst die Contrerevolution fix und fertig, was bei dem schönen „passiven“ Widerstand wohl passiren könnte, so wird Hr. Ladenberg hoffentlich sofort eine neue Auflage von Cannabich nebst einer frischen Charte von Preußen veranstalten, und jene Hunderte durch schwarzweißen Zauber entstandene Dörfer, Flecken oder Städte eintragen lassen. Speziell hätten wir noch eine Bitte an unsern theuern Freund Hrn. Eichmann. Sie geht dahin, daß unter seinen Auspizien ein Handbuch zur Adressenfabrikation angefertigt und bei Basse in Quedlinburg mit dessen Essig- und Schnupftabak-Fabrikations-Anweisungen gedruckt und in Cirkulation gesetzt werden möge. Herr Generalsuperintendent Küpper von hier würde sich gegen ein Honorar, wie es frommen Männern zukommt, zum Mitarbeiter nicht übel qualifiziren. Der Mann hat schon Proben geliefert. Denn es zirkulirt jetzt eben in der Provinz ein von ihm an alle Superintendenten gerichtetes und von diesen an alle Pfarrer mitgetheiltes Schreiben, worin es unter Anderm wörtlich heißt: „‥… kräftigst dahin zu wirken, daß aus Ihrer Gemeinde, und sei sie auch noch so klein, eine solche (schwarz-weiße, Manteuffelsche) Adresse unverzüglich nach Berlin abgehe.“ Man sieht, Hr. etc. Küpper ist ein sehr loyaler Mann. Es findet nun auch der salbungsvolle Styl jener Adressen seine Erklärung. Das ein Grund mehr, Hr. Eichmann, daß Sie auf unsere Bitte reflektiren. Koblenz, 1. Dezember. Gestern Abend hatten wir eine Wiederholung der vorgestrigen Scenen. Eine Anzahl Kriegsreservisten und Landwehrmänner hatten, mit Beobachtung aller gesetzlichen Vorschriften, in dem geschlossenen Saale von Kolling eine Versammlung ausgeschrieben. Zur Zeit der Eröffnung hatte sich eine große Anzahl Soldaten des 26. Inf.-Reg. vor demselben mit Seitengewehren versammelt und fingen an, die Eintretenden ohne Veranlassung mit ihren Waffen zu mißhandeln. Es entspann sich dadurch ein Streit, in welchem mehrere Personen, Soldaten und andere, schwer verwundet oder gar getödtet wurden, in dessen Folge die ganze Stadt in die furchtbarste Aufregung kam, in der Oberpfarr- und in der Jesuitenkirche Sturm geläutet und die Thore geschlossen und militärisch besetzt wurden. Gegen 9 Uhr ward wieder Alles ruhig. Es ist an der absichtlichen Provocation dieses Scandals durch die 26ger um so weniger zu zweifeln, als diese schon des Nachmittags allgemein mit Säbeln gesehen wurden und bis zum vorgestrigen Tage noch nicht die mindeste Reibung zwischen Militär und Bürgern stattgehabt hatte, es auch von Seiten der politischen Vereine sowohl als der einzelnen Bürger Grundsatz war, das Militär möglichst freundlich zu behandeln. Wie wir hören, ist heute der Stadtrath berufen, um wegen des zu erwartenden Belagerungszustandes zu berathen. Sonder Zweifel wird dieses den Hrn. Kommandanten in Verzug setzen, die Gründe, durch welche er eine solche Maßregel zu rechtfertigen gedenkt, als ein Ehrenmann vor der ganzen Welt auszusprechen. Wir werden dann erfahren, ob es ein Kriegszustand nach unserer Habeas-Corpus-akte begründet, wenn Bürger, die durch die wiederholten Programme eines sogenannten konstitutionellen Vereins zusammengetrommelt werden und Niemanden beleidigen, außer einigem Hahnenkrähen keine Unruhen machen, ohne Aufforderung und Warnung von der Kavallerie überritten, nicht nur in Straßen, wo mißliebige Leute wohnen, sondern in allen übrigen die ruhigsten Leute, die ihrer Geschäfte wegen ausgehen, Geistliche, Regierungsräthe, Schullehrer u. s. w. auf das Willkührlichste und Brutalste mit Bajonetten, Pferdehufen und Kolben mißhandelt, die Bürger, die sich zufällig außer Hause befinden, aus baarem Uebermuthe verhindert werden, ihren Aufenthalt zu verlassen, und nachdem die Bürgerschaft dieses am vorigen Tage ohne weitern Exceß ertragen hat, des anderen Tags eine Masse Soldaten derart auf die unverantwortlichste Weise ruhige Bürger angreift, daß selbst das 25. Regiment, die Artillerie und Pioniere gleichmäßig empört sich auf die Seite der Bürger stellten und sie gegen die Rohheit vertheidigten. Kann unser Stadtkommandant uns nicht mehr gegen solche Excesse trotz aller Disciplin vertheidigen, so habe er wenigstens die Offenheit, seine desfallige Unfähigkeit einzugestehen und nicht das eine Unrecht durch das andere verdecken zu wollen. Wird der Belagerungszustand ausgesprochen, so können wir denjenigen, der den Ausspruch thut, und seine Untergebenen nur als die einzigen Veranlasser ansehen, und ob man uns sodann mit Grund ausreden kann, daß die vorhergegangenen Scenen nur in der Absicht, uns zu diesem Zustande der Ruhe in Warschau zu führen, entstanden sind, überlassen wir der Beurtheilung eines jeden Unbefangenen. — Dem Vernehmen nach soll heute ein Verbot der Versammlung des demokratischen Vereins bevorstehen. Kann aber ein solches Verbot, ohne die Stadt in den lieben Belagerungsstand zu erklären, erlassen werden? Unter dem Kriegsgeschrei „mit Gott für König und Vaterland“ stürzte hier heute Morgen ein Unteroffizier des 56. Regiments ohne alle Veranlassung mit gezücktem Schwert, bei dem großen Publikum Käsmesser genannt, auf einen ruhig seines Weges gehenden Bürgersmann los. Nachdem der Held ohne bedeutenden Erfolg verschiedene Hiebe auf den Unbewaffneten geführt hatte, schien es ihm doch zweckmäßig, in wilder Flucht sein Heil zu suchen, und dennoch wäre er seinem verdienten Lohne, einer Tracht Prügel, nicht entgangen, hätte nicht eine weltkluge Polizei, Unschuld mit Schuld verwechselnd, den rachedürstenden Verfolger aufgehalten und so dem Unteroffizier Gelegenheit zum Entschlüpfen in's hiesige Militärkasino gegeben. Nachträglich erfahren wir, daß der fragliche Unteroffizier noch verhaftet wurde, und was wartet seiner? Er wird zu ein höchstens zweitägigen gelinden Arrest verurtheilt; die höchsten Vorgesetzten drücken ihm die Hand, beschenken ihn mit Geld und befördern ihn endlich gar zum Feldwebel. (Rh.- u. M.-Ztg.) X Düsseldorf. Für die Croatenwirthschaft, die in Ihrer Zeitung geschildert worden, scheint uns die drolatische Muse des „Bürgers und Kommunisten Drigalski“ entschädigen zu sollen. Hier eine neue Probe der Muse Drigalki's: Wer nicht begreifen kann, wie man ein, Gott und seinem theuren Könige treu ergebener Kommunist sein kann; ein Kommunist, der mit einem treuen Unterthanenherzen zugleich ein reiches mitleidiges Herz für seine leidenden und verführten Brüder in sich schlagen fühlt, der wird auch nicht begreifen, daß man ein treuer Soldat und zugleich ein wahrhafter Bürger sein kann. Wer da glaubt, als könne man in dieser ernsten Zeit mit einem reinen Gewissen, durch unwahr gemeinte Erklärungen perfiden Witz und Spott mit der Menschheit treiben, der wird auch die innern Ueberzeugungen und Bereitschaften des Unterzeichneten nicht fassen und eben so wenig den Entschluß begreifen, neben Ausübung der Gewalt um Ordnung zu schaffen, durch eine hochherzige Handlung einen großen völlig moralisch gesunkenen Theil einer unglücklichen Bevölkerung wieder zu erheben; einer Bevölkerung, die man mit aller zu Gebot stehender Strenge zum Gehorsam gegen die gesetzmäßige Königliche Gewalt zurück zu führen die Verpflichtung hat. Düsseldorf, den 30. November 1848. v. Drigalski. Z Düsseldorf, 1. Dezbr. Ueber den Vandalismus, welchen unsre Garnison vorgestern Abend übte, folgendes Nähere. Zu dem Wirthe Paffrath in der Bolkerstraße kamen augenscheinlich in der Absicht, Streitigkeiten anzufangen, mehrere Soldaten, und begannen bald in der sofort von bürgerlichen Gästen entleerten zweiten Stube ein Preußenlied zu johlen. Der Wirth untersagte ihnen das, mit dem Bemerken, er leide kein Singen in seinem Hause. Sogleich standen die Soldaten auf, um „Hülfe zu holen.“ Bei ihrer verstärkten Wiederkehr fanden sie das Haus verschlossen; drinnen hatten sich viele Bürger eingefunden und ebenso standen auch schon Gruppen auf der Straße, welche sich durch das Erscheinen vieler Soldaten mit Seitengewehr außerordentlich mehrten. So entstand der Auflauf, den bald das aus dem eben beendeten Theater herkommende Publikum zu einem bedeutenden machte. Bis jetzt war es noch zu keinen Thätlichkeiten gekommen, als plötzlich erst eine Kompagnie einrückte, durch Trommelwirbel die Menge aufforderte, sich zu zerstreuen, und allsogleich auch von Kolbe und Bajonnett Gebrauch machte. Ein junger Mensch erhielt hier einen Stich in den Kopf, einen in den Hals. Ein alter Mann wurde in der nahen Kapuzinergasse niedergeworfen und mit Kolbenstößen und Fußtritten sehr übel zugerichtet. Zwei Männer, vor den Bajonnetten fliehend, flüchteten sich in ein nahes Haus; die Thüre wurde gesprengt und der eine, den man erwischte, in die Kaserne geschleppt, und von da zum Civilgefängniß, wo er bis nächsten Mittag festgehalten wurde. Als solchergestalt die Bolkerstraße und die angränzenden Gassen gesäubert und abgesperrt waren, wurde in den Hundsrücken siegreich — denn Niemand widersetzte sich — vorgedrungen. Hier wurde ein in seiner Hausthüre stehender Mann mit dem Bajonett in das Bein gestochen; einige Häuser weiter eine über 70 Jahre alte Frau, welche sich etwas geholt hatte, durch einen Kolbenstoß auf die Brust ermordet! Sie starb nach wenigen Stunden. In das Haus des Restaurateurs Säuferlein, Flingerstraße, drang die Soldateska ein, weil sie glaubte, es hätte Jemand auf sie geworfen. Man hieb die Hausthüre mit Beilen ein, zerhackte eine Thüre links in der Hausflur mit Kolbe, Beil und Bajonett, drang in die rechts gelegene leere Gaststube, stieg auf das Billard, riß die dort hängende Camphinlampe herab und nahm diese so wie drei Billardkugeln mit. Nicht zufrieden mit der Verwüstung im Unterhause stieg man in den ersten und zweiten Stock, drang in l[e]tzterm in ein von einer Familie bewohntes Zimmer, durchwühlte das Bett, sprengte den Kleiderschrank und drei kleine Kinder, welche der ängstliche Vater bei dem Lärmen dort zu bergen suchte, streckten ihre zarten Händchen zitternd und verzweiflungsvoll schreiend den Soldaten entgegen mit dem Rufe, sie nicht zu ermorden!! In der Ratingerstraße rief in der Nacht ein halb toller Junge aus irgend einem Hause einer vorübergehenden Patrouille spottend „Unteroffiteir! Unteroffiteir!“ nach. Dies genügte, um eine Kompagnie Verstärkung herbeizuziehen und dann wurde erst das Wirthshaus zum Füchschen angegriffen. Auf die Versicherung des Wirthes oben aus dem Fenster, daß es hier nicht, sondern drüben irgendwo gewesen sei, stand man von dieser Belagerung ab und griff dagegen das Haus des Buchbinders Mischel an, wo ebenfalls das Rufen nicht gewesen, sondern wo Alles schon zu Bette war. Als den anpochenden Soldaten nicht gleich geöffnet wurde, hieben sie mit Beilen die Hausthüre ein, drangen in alle Zimmer, selbst des Hinterhauses, durchwühlten alle Betten, Schränke u. s. w. und schleppten die vier dort befindlichen Männer mit in's Gefängniß, wo diese ebenfalls bis zum nächsten Mittage ausharren mußten. Das sind die Heldenthaten unserer Spartaner, die übrigens seit dem Belagerungszustande auch sonst durchgängig in einem Zustande von Trunkenheit sich befinden, welcher sie entmenscht. Leider wird von gewissen gutgesinnten Leuten nichts gespart, um die Soldaten des Königs zu ermuntern. Geld in Menge, Wein aus den Kellern der Aristokraten, Bier widerholt in Masse, welches das gutgesinnte Elberfeld den Soldaten schenkt, dazu gute Worte und Aufreizungen aller Art, was wollen Sie mehr, um Helden zu bilden! Schwer mögen die es verantworten, welche den Armen hungernd von ihrer Thüre stoßen, und dagegen Geld und Mittel verschwenden, um rohe Soldaten gegen ruhige Bürger zu hetzen. Doch nicht alle unsere Truppen trifft der Vorwurf der Rohheit: wir haben noch keine einzige Klage gegen die Artillerie und gegen die Ulanen vernommen; am mehrsten trifft der Vorwurf die Jäger, die Infanterie überhaupt und die Husaren. — Jedenfalls sind am vorgestrigen Abend noch mehr Fälle, wie die vorhin erzählten, vorgekommen, doch die obigen sind bis in's Detail wahr. Hr. Drigalski benimmt sich dabei ganz unschuldig; er weiß nichts von den Ausartungen; er ließ sich am nächsten Morgen bis 10 Uhr gar nicht, dann nur schwer sprechen, und das Ende vom Lied ist wie bei allen solchen Vorfällen, wo die Anarchie bemäntelt werden muß: „die Sache soll streng untersucht werden.“ Nicht zu vergessen: es heißt, schon vorgestern wollte man hier das Martialgesetz verkünden, doch sollen sich dem die Auditeure selbst auf Gefahr ihrer Entlassung hin, energisch widersetzt haben. S Jülich, 30. Nov. Herr v. Mylius, der, wie Sie wissen, zum Deputirten für Berlin von unserm Kreise ursprünglich gewählt wurde, sein Mandat aber durch den Stellvertreter v. Berg ausüben ließ, fand sich jüngst bewogen (wie man sich hier in die Ohren schreit, auf höheren Befehl und um den Preis der Jülicher Landrathstelle) die Wahlmänner zu versammeln, um ihnen zu erklären, daß er sein Mandat für Berlin jetzt übernehme, die Wünsche der Wahlmänner aber zugleich in Empfang nehmen wolle. Der einstimmige Wunsch derselben, wie der einer gleichzeitigen Urwählerversammlung, lautete nun dahin: „In Erwägung, daß Herr v. Mylius das Vertrauen des Kreises gar nicht mehr besitzt, hegen wir zu seiner Ehrenhaftigkeit die sichere Erwartung, daß er sein Mandat niederlegen werde.“ Der Herr Staatsprokurator fand sich dazu jedoch nicht bewogen, trotzdem daß man nach einander mit Kleingewehrfeuer und grobem Geschütz gegen seine Ehrenhaftigkeit losarbeitete; die freiherrlich staatsprokuratorliche Ehrenhaftigkeit ist andern Tags nach Brandenburg abgereist. Die Wahlmänner sowohl als die Urwähler haben nun eine Kommission gebildet und vereinigt, welche den Auftrag erhalten, die verwundbare Stelle an dieser Achilles-Ehrenhaftigkeit aufzusuchen. Zur Charakteristik des Herrn Freiherrn noch folgende wahre Notiz. Vor seiner Abreise erklärte er, daß er bald als Landrath wiederkommen werde, dann aber in dankbarer Erinnerung der ihm hier erzeigten Ehren den Kreis ordentlich zwiebeln wolle. Diese Aeußerung theilen wir zur allgemeinen Würdigung mit. 109 Münster, 30. Nov. O.-L.-G.-Referendar Hammacher ist verhaftet, desgleichen ein Instrumentenschleifer, der die Plakate der Volksversammlungen anheftete; die Referendare Bonsi und Jakobi, welcher letzterer dem neulichen Demokratenkongreß in Köln beigewohnt, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen. 109 Münster, 30. Nov. Die Philister der Ruhe triumphiren. Der Minister des Innern Hr. v. Manteuffel, den man hoffentlich bald sammt seinen Kollegen zum Teufel schicken wird, hat in Folge einer in einer unserer ständigen Volksversammlungen beschlossenen Aufforderung an das Volk Westfalens zum bewaffneten Widerstande gegen das hochverrätherische Ministerium ein Rescript an die hiesige Regierung erlassen, dahin, sämmtliche Leiter dieser Versammlungen und außerdem die Führer der demokratischen Klubs zu verhaften. Unser Kriminalsenat, zu dessen Direktor Temme wider seinen Willen „befördert“ worden und aus lauter Antipoden Temme's besteht, scheint auf dies Ansinnen, die Männer des Volks „unschädlich zu machen“, eingegangen zu sein, indem er eine Untersuchung gegen die Leiter und Redner hat einleiten lassen und bereits trotz der Habeas-Corpus-Akte gegen vier Personen die Verhaftung ausgesprochen hat; mehre Verhaftungen socken nachfolgen. Dieses durch nichts gerechtfertigte Verfahren ist völlig unbegreiflich; aber freilich ist Manches, was jetzt geschieht, dem „beschränkten Unterthanenverstande“ unbegreiflich. Unsere Reaktionspartei scheint durch die entschiedene Haltung des münsterländischen Landvolks etwas eingeschüchtert worden zu sein. Der kommandirende General v. d. Gröben, Mucker und intimer Freund Friedrich Wilhelm des Vierten, hatte dem Verlangen des Volks, namentlich der Bürgerwehr sowie selbst des Magistrats, das 2. Bataillon des 15. Inf.-Reg., welches seine Bravour im meuchlerischen Ueberfallen wehrloser Personen sucht, von hier zu entfernen, unter allerlei Vorwänden entschiedene Weigerung entgegengesetzt und sogar insgeheim beschlossen, das 1. Bataillon des verhaßten Regiments noch dazu kommen zu lassen. Dies Bataillon, welches man nicht, wie man es bei dem 2ten nach dessen Auftreten, wenn auch ungern, zu thun gezwungen ist, in den Kasernen konsignirt hätte, würde ohne Zweifel seine vom Volk erschlagenen Brüder zu rächen gesucht haben und der gewünschte neue Konflikt des Militärs mit dem Volke und in Folge dessen die Ursache zur Erklärung des Belagerungszustandes war da. Aber nach den Nachrichten, welche die hohen Herrn von der Gährung unter den Bauern, die bereits vorgestern sechs Stunden weit in bewaffneten Schaaren hatten herankommen wollen, erhalten hatte, scheinen dieselben jenen Plan aufgegeben zu haben. Denn es heißt jetzt, daß das bereits verschriebene 1. Bataillon Kontreordre bekommen habe, und auch das 2. Bataillon in den nächsten Tagen von hier wegmarschiren würde. Ist es wahr, so hat nur die Furcht vor unserm kräftigen Landvolk, das sich durch die Insinuationen einzelner Geistlichen, daß man in Münster den „Hergott abschaffen“ wolle, nicht mehr beirren läßt, die Veranlassung zu diesem plötzlichen Umlenken gegeben. Die Lokomotivführer und Waggonbeamten der Münster-Hammer Eisenbahn haben übrigens heute erklärt, daß sie die Fünfzehner auf der Eisenbahn nicht befördern würden, weil die Bauern auf der ganzen Strecke der Eisenbahn die Fahrt hindern wollten. So werden uns denn die Fünfzehner am Ende zu Fuß verlassen müssen. Es hat sich bereits unzweifelhaft herausgestellt, daß der meuchlerische Ueberfall vom Sonntag Abend von Offizieren angestellt

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848, S. 0842. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz159i_1848/3>, abgerufen am 19.04.2024.