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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 172. Köln, 19. Dezember 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] die sauer errungenen Pfennige des Landvolks auf königliche Wildparks, Schlösser, zu Geschenken an Adlige und hohe Beamte, zum Wohlleben und zur Verschwendung des Hofes wie seiner Kreaturen verwandt wurden? Wahrlich, das Landvolk muß wohl unter solchen Umständen von ungeheuer "rührender Liebe" beseelt sein.

Die Treue und Liebe ist auch zum Ausbruch gekommen. Die Illustrationen zu der königlichen Behauptung haben die Landwehrmänner des platten Landes in fast allen Provinzen geliefert, indem sie fast überall die Einkleidung weigerten, wenn nicht Noth oder Gewalt sie dazu zwang. Was aber den "Zuzug nach Berlin" anbelangt, so beschränkte er sich auf einen verrückten Justizkommissar zu Samter, in dessen Gehirn 20,000 bewaffnete Bauern herumspukten, die sich höchstens auf einige von Beamten, Gutsbesitzern und pietistischen Pfaffen verdreht gemachte Pferdeknechte reduzirt hätten.

Wie es mit der stereotyp gewordenen "Treue und Liebe" des Landvolks aussieht, das zeigen ferner Schlesien, wo seit Juni mobile Kolonnen von wegen der "Treue und Liebe" das Land durchstreifen; das ergibt sich aus den vom Landvolk gewählten Vertretern; das läßt sich daraus erkennen, daß gerade die ländlichen Kreise mit dem königl. preuß. Belagerungszustande beglückt werden und daß ganz ähnlich in Pommern, Sachsen, Westphalen und der Rheinprovinz jene "rührende Liebe" an den Tag gelegt wird.

Es genüge diese Illustration zu der königl. Behauptung über die Schwärmerei des platten Landes für "das Königthum von Gottes Gnaden." Bestätigte sich aber die Allerhöchste Ansicht, so würden spätere Geschlechter den Zwiespalt zu lösen haben, daß im Staate der Intelligenz, in Preußen, die Residenzen der Intelligenz, die Städte gegen und die Dörfer sich für das Königthum aussprechen, nach der Meinung eines Königs des Staates der Intelligenz. Allerdings erklärte schon Cäsar, er ziehe vor, der Erste in einem Dorfe als der Zweite in Rom zu sein.

Nicht zufrieden, die verschiedenen Klassen des Volks, die Land- und Städtebewohner, einander feindlich entgegenzustellen und diesen Haß, wäre er vorhanden, noch mehr anzufachen, statt zu besänftigen: weiß der König von Preußen schließlich seine Rache nicht besser zu kühlen, als daß er der großen Mehrheit des Volkes einen unerhörten Hohn ins Gesicht schleudert, der freilich verdoppelt auf ihn zurückprallt.

"Aber, Gott sei Dank, es (der Bauern-Zuzug) war nicht nöthig, denn meine Feinde sind auch heute gewesen, wie sie sich immer gezeigt, sie sind feige gewesen."

Allerdings hat sich die Bourgeoisie feige gezeigt: in Berlin, wie in Breslau, an der Weichsel, wie am Rhein. Und nicht blos feig, sondern hündisch.

Aber es war auch nicht die Bourgeoisie, von welcher die Revolution gemacht, von welcher gekämpft worden. Ihr genügte es, die Revolution in ihrem eigenen Interesse auszubeuten. Das so leicht Errungene ließ sie eben so leicht aus den Händen gleiten.

Mag dieses noch so richtig sein, so sollte sich ganz besonders der König von Preußen hüten, dieses verfängliche Thema zu berühren. Denn es gibt ein Schloß in Berlin, zu dessen Balkon im März der donnernde Ruf drang:

"Hut ab!" -- "Er zog den Hut!"

Und in Potsdam lebt ein Mann, der 11 Monate zuvor bei allen Himmeln geschworen, daß sich zwischen ihn und sein Volk nie ein beschriebenes Blatt Papier (nach französischem Muster) drängen solle: Der aber das Alles in der Angst vor den Feiglingen des März vergaß und Alles genehmigte, was er sonst für unverträglich mit seinem Gotte und seiner Religion erklärt hatte. Auch von den tapfern Schaaren "mit Gott für König und Junkerschaft" war nichts zu spüren, bis endlich im Bündniß mit Nikolaus und Windischgrätz und im Hinblick auf die vermehrten und konzentrirten Kanonen und Bajonette ein urplötzlicher Muth auftauchte, der am "passiven" Widerstande seine Lorbeeren errang.

Ist aber einmal von Feigheit die Rede, so kommts lediglich auf die Frage an: Wer ist der Feigste, der Feigling, welcher siegt, oder der vom Feigling Besiegte?

115 Uerdingen, 15. Sept.

Die reaktionäre Partei in unserm winzigen Städtchen hat durch die gewaltsamen Ereignisse in diesen Tagen es endlich wagen können, ihr Spiel öffentlich zu spielen; sie hat mit der Komödie: "Dankadresse an den König", begonnen. Das Komische darin ist der Dank für die Entrichtung einer Schuld, die vor drei und dreißig Jahren hätte bezahlt werden müssen, zu deren Erhebung die Kreditoren am 18. März den Weg der Exekution einschlugen, dem Schuldner dabei aber, um ihn nicht gänzlich in Armuth zu stürzen, und um nicht hart zu erscheinen, den Vortheil zukommen ließen, mit ihnen freundschaftlichst sich zu vereinigen, um zu untersuchen, wie groß die Schuld eigentlich sei, welche Vereinigung der geängstete Schuldner natürlich annahm.

Als derselbe Schuldner aber sah, daß die Forderungen der Kreditoren zu groß werde und dieselben unter sich uneinig seien, da rief er seine Knechte zusammen sammt ihren Mistgabeln, und trieb nun die Kreditoren weg, diktirte ihnen eigenmächtig die Größe seiner Schuld, wobei er weislich einige ihrer Forderungen acceptirte.

Aus dem Gemeinderathe bildete sich mit Ausnahme zweier Mitglieder desselben, welche aus wohl zu vermuthenden Gründen nicht mitspielen konnten, ein Comite, das für die glückliche Ausführung des Stückes Sorge tragen sollte. Sogleich wurde durch einen buntfarbigen Diener das Vorhaben des Comite's bekannt gemacht mit der Einladung zu einer zahlreichen Theilnahme. Es meldeten sich gleich einige freiwillige Theilnehmer; da aber ihre Anzahl zur Ausführung des Stückes zu klein war, so kommandirten einige dieser Theilnehmer ihre Untergebenen, natürlich gegen eine bedeutende Gage, darin bestehend, ferner auf beständige Arbeit rechnen zu können; einige sollen sogar zu dem Spiele gezwungen worden sein. Die gutmüthigen Arbeiter bedenken übrigens nicht, daß man sie dennoch gehen läßt und gehen lassen muß, wenn die Geschäfte wieder stocken. Viele haben sich betheiligt, weil sie befürchteten, es würde ihnen in der jetzigen schweren Zeit ihre Gage, die Arbeit entzogen werden. Mit zerknirschter Seele beklagen diese den augenblicklichen Sieg der Reaktion, der sie verurtheilt, ein so unwürdiges Spiel mit sich spielen zu lassen. Ihre Wuth im Herzen verbürgt uns eine bessere Zukunft. Einige eben dem Knabenalter entwachsene Jünglinge sollen auch zu dem Spiele herangezogen worden sein.

72 Cleve, 15. Dez.

Zu Zeiten geht es hier recht gemüthlich her. Auf der verhängnißvollen Fahrt von Berlin nach Brandenburg begriffen, war unser Mitbürger Landgerichtsrath Kochs, Deputirter für den Kreis Geldern, auf eine kurze Zeit in hiesiger Stadt anwesend. Einer gewissen ziemlich hochgestellten Person wurde auf einem Spaziergange die bestimmte Nachricht, besagtem Deputirten sollte eine Anerkennung in Form einer feierlichen Katzenmusik dargebracht werden. Der Erzähler der bestimmten Nachricht machte einen unschuldigen Witz, dessen Folgen aber bedeutend wurden. Schon war es dunkel in den Straßen der alten Stadt, als plötzlich die Bürgerwehr bis an die Zähne bewaffnet, aufmarschirte und die halbschlafenden Einwohner in einen panischen Schrecken versetzte. Verwirrte Fragen: "was soll's? was wirds? kommen die Preußen? oder gar die Franzosen?", die hörte man allenthalben. Nichts von dem; es soll eine Katzenmusik dem Hrn. Kochs gebracht werden, und das glückliche Volk begleitete die Bürgerwehr. Es hatte noch nie eine derartige Musik gehört, es war im guten Glauben, die Bürgerwehr wolle ein Spalier bilden für die Katzenmusikanten. Kein gemüthlicheres Volk giebt es als hier am Orte, so ruhig, so gänzlich harmlos, und doch mißtraut man ihm, fürchtet es sogar, und das ist bitterer als Wermuth. Eine Katzenmusik fand demnach nicht statt, kein Musikant war am Platze, todt und leer war alles. Einige Neugierige wurden den Abend durch Polzisten verhaftet, sofort aber durch den wachehabenden Bürgerwehrhauptmann in Freiheit gesetzt; ein kleines achtjähriges Würmchen erhielt einen unbedeutenden Stockhieb und ein Buchbinder einen flachen, mithin auch unschuldigen Säbelhieb; darauf ging dann Bürgerwehr, Polizei und Volk ruhig schlafen.

Dem jetzt aus Berlin zurückgekommenen Deputirten Arnttz, der stets auf der Rechten saß als echter doktrinärer Brüsseler Professor und erst zuletzt aus konstitutioneller Entrüstung den Ministerialismus aufgab, sollte ein feierlicher Fackelzug gebracht werden, auch ein Beweis der politischen Unschuld in Cleve und umliegenden Ortschaften. Wir vergessen leicht. Ein Fackelzug für Hrn. Arntz ist doch so unschuldig wie nur etwas; bei alledem aber ward er verboten, weil durch den Steuerverweigerungsbeschluß Zwiespalt und Unruhe im Lande enstanden sei. Ein Fackelzug und ein Steuerverweigerungsbeschluß, wie reimen sich die zusammen? Nicht dem Hrn. Arntz, ahnte die Regierung, sondern der Steuerverweigerung galt dieser Fackelzug. Die Seele aller dieser Maßregeleien scheint ein Mann zu sein, der die seit 200 Jahren dem Hause der Hohenzollern in treuester Liebe ergebene Stadt, in Belagerungstand versetzt wissen möchte; ein Mann, der im März und April jeden Menschen Freund und Bruder nannte, mit jedem freundlich that, sogar mit der Kanaille Schnaps trank, Bruderküsse erhielt, und jetzt? wie ist doch Alles so ganz anders geworden!

71 Münster, 12. Dezbr.

Unsere Militärbureaukratie hat wieder einmal eine Probe ihrer Thätigkeit abgelegt, die hinter den ältern in der 7. Artilleriebrigade seiner Zeit vielbesprochenen Proben nicht zurücksteht. Diesmal ist es der Lieutenant und Dr. phil. v. Bruchhausen (Bruder des Abgeordneten zur Berliner Nationalversammlung), welcher zur Zeit der hier stattgehabten Anneke'schen Prozesse nach Luxemburg kommandirt und jetzt das Opfer der offen und geheim täglich frecher wirkenden Partei gewordrn. Am 18. März befand er sich in Berlin und war Augenzeuge der dortigen Ereignisse. Der Tod seines Freundes, des Lieutenant Tüpke, wurde Veranlassung, daß er damals einen Aufruf "An sämmtliche Berliner" drucken und vertheilen ließ. Schon bei dieser Gelegenheit beabsichtigte man Etwas gegen ihn; aber man begnügte sich vorläufig mit seiner Zurückversetzung zu seiner Brigade. Ein Kriegsgericht wurde nicht beantragt, weil man keinen haltbaren Grund finden konnte und ein Ehrengericht?! Man hat damals förmlich bei den Offizieren der Brigade rundgefragt, "ob sich dieser Fall zu einem Ehrengerichte eigne?" Die Offiziere, die in ihrer Majorität längst das unsinnige Institut der preußischen Ehrengerichte haßten, sprachen sich auch diesmal gegen ein Ehrengericht aus. Später hat der Lieutenant v. B. in öffentlichen Blättern auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die uns von Seiten der Russen drohten. Er hat den russischen Staat als Staat der Knechtschaft und Lüge hingestellt, kurz, sehr viel gegen die Russen geschrieben. Alle diese verschiedenen Artikel hat er mit seinem Namen und seiner Charge unterzeichnet. Dies war den Herren vom Militär etwas zu arg. Der Kommandeur, Major Leonhard, ließ ihn zu sich bescheiden und verwies ihm sein öffentliches Auftreten gegen die Russen. Er, als preußischer Offizier (!) dürfe eine "befreundete Macht" (!!) auf diese Weise nicht angreifen. Er solle überhaupt das Schreiben gegen die Russen unterlassen (!!!) Lieutenant v. B. kehrte sich indessen nicht daran. Vorläufig ließ man ihn zwar in Ruhe. Nach dem Falle Wiens aber, am 2. November, sagte ihm sein Kommandeur: wenn er sein feindliches Auftreten gegen die Russen nicht lassen könne, so möchte er als invalide seinen Abschied nehmen. Einmal ist nun B. nichts weniger wie invalide, anderntheils wollte er aber auch sehen, wie weit man es mit ihm in dieser Beziehung treiben würde. Er erklärte also, nicht abgehen zu wollen. Seiner Russenfeindschaft wegen, die er gewagt hat, offen und ohne Rückhalt auszusprechen, will man ihn a tout prix aus der Armee heraus haben; deshalb sagte ihm sein Kommandeur: "Man würde beantragen, daß er zur Disposition gestellt werde, weil er (der bereits seit 12 Jahren bei der Artillerie dient) dienstlich unbrauchbar sei. Durch das viele Studiren habe er den praktischen Blick verloren etc.

v. B. that seit dieser Zeit keinen Dienst mehr und erwartete, daß er jetzt mit Gewalt aus der Armee entfernt wird, trotzdem daß nichts, als seine Abneigung gegen die Russen gegen ihn vorliegt.

Gestern hat er nun wirklich seinen Abschied erhalten, in welchem sich noch die Phrase findet: aus Gnaden mit Pension."

Das herzlichste Einverständniß zwischen den hohen Verschwornen von Potsdam, Berlin und Petersburg erfordert, wie sich von selbst versteht, die Entfenung jedes Offiziers, der sich nicht zum Werkzeug der kosakisch-preußischen Contrerevolution mißbrauchen lassen will.

14 Berlin, 15. Dez.

Es ist Weihnachtsmarkt, und alle Welt vergnügt mit Ausnahme der Mißvergnügten. Es ist so wie im vorigen Jahre, mit der Ausnahme, daß es schlechter ist. Wer sich jetzt amüsiren will, hat Gelegenheit vollauf dazu, aber seltsam genug, Niemand amüsirt sich. Da spazieren die belagerten oktroyirten Verfassungs-Unterthanen mit gähnenden Mäulern zu Kroll oder in Sommers Salons, nach Villa Colonna oder in die neue Konversationshalle auf dem Dönhofsplatze. Ueberall ist prachtvoller Schimmer und ödeste Langeweile. Nur "Lucifers Töchter" im Königsstädtischen Theater machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme, wogegen wiederum Held's Puppenspiel in Mylius-Hotel nicht viel Erquickliches bietet. Der große Held! Vor Kurzem noch der Mann des Volkes und nun der Affe des Volkes. Tempora mutantur -- gedankt sei Dir, Vater Wrangel!

Der Weihmachtsmarkt ist gut und reichlich ausgestattet, was nicht wohl anders sein kann, weil die Hälfte der Verkäufer -- Ausverkauf hält. Vater Wrangel hat es sich nun einmal vorgenommen, daß Gras in Berlin's Straßen wachsen soll. Was der Revolution nicht gelungen, wird dem Belagerungszustand gelingen. Vielleicht aber ist der Erlöser nahe. Im Vertrauen sagte mir gestern ein junger Kaufmann, er wisse aus sicherer Quelle, daß am 20. d. das ganze königliche Haus in Berlin erscheinen werde, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Der junge Kaufmann freute sich auf die Friedrichsd'or (die Leute haben noch Geld), wir freuen uns auf die strahlenden selbstzufriedenen Gesichter, der Abwechselung wegen. Gehen wir nämlich jetzt auf den Weihnachtsmarkt, so begegnen uns dutzendweise die Paupers und namentlich arme Weiber mit schreienden Würmern auf den Armen, die Alle nach den glänzenden Sachen verlangen, aber nichts kriegen, weil -- die Leute kein Geld haben.

Von Politik schreibe ich Ihnen nichts -- es gibt keine.

* Berlin, 16. Dezember.

D'Ester hat gestern einen Zwangspaß erhalten und ist nach Cöthen gegangen, wohin der Centralausschuß der Demokraten verlegt ist.

68 Berlin, 16. Dez.

Gestern ist endlich in dem Dowiat'schen Prozeß das Urtel gesprochen worden, und zwar zum ersten Mal unter der durch die Verfassung festgesetzten Formel: "Im Namen des Königs etc. Die beiden Hauptangeschuldigten, Dowiat und der Handlungsdiener Müller, sind als des Aufruhrs schuldig beide zu 6 Jahren Festung kondemnirt. Von den übrigen Angeklagten sind als der Theilnahme des Aufruhrs schuldig 4 zu 6 Jahr Strafarbeit, 2 zu 3 Jahr, 2 zu 1 Jahr und 1 zu 6 Monat verurtheilt; 5 sind von der Anklage entbunden und 1 der thätlichen Widersetzlichkeit nicht schuldig erklärt worden.

X Breslau, 15. Dez.

Der Bürgerwehrkongreß für Preußen wurde heute früh um 10 Uhr eröffnet. Der Saal war militärisch mit Waffen, Trommeln und Fahnen geschmackvoll dekorirt, unter letztern befand sich sogar eine -- rothe. Der zeitige Oberst Engelmann hielt eine kurze Anrede, worin er als Vorlage entwickelt: die Verbesserung des Bürgerwehrgesetzes und die Organisation der Bürgerwehr selbst. Angemeldet waren 55 Wehrmänner. Die Versammlung schreitet dann zur Wahl des Büreaus -- durch Stimmzettel. Nachdem einige der Herren mit feinen Komplimenten für die Ehre, Präsident zu sein, gedankt hatten, wurde als solcher proklamirt: Engelmann, der, nebenbei gesagt, vorher sich geweigert hatte, dieses Amt zu bekleiden. Vicepräsidenten wurden: Pfeiffer aus Breslau und Schücker aus Breslau. Plötzlich tagt es bei den Herren Kameraden, und die Sekretäre werden durch

[Deutschland]

[Fortsetzung] die sauer errungenen Pfennige des Landvolks auf königliche Wildparks, Schlösser, zu Geschenken an Adlige und hohe Beamte, zum Wohlleben und zur Verschwendung des Hofes wie seiner Kreaturen verwandt wurden? Wahrlich, das Landvolk muß wohl unter solchen Umständen von ungeheuer „rührender Liebe“ beseelt sein.

Die Treue und Liebe ist auch zum Ausbruch gekommen. Die Illustrationen zu der königlichen Behauptung haben die Landwehrmänner des platten Landes in fast allen Provinzen geliefert, indem sie fast überall die Einkleidung weigerten, wenn nicht Noth oder Gewalt sie dazu zwang. Was aber den „Zuzug nach Berlin“ anbelangt, so beschränkte er sich auf einen verrückten Justizkommissar zu Samter, in dessen Gehirn 20,000 bewaffnete Bauern herumspukten, die sich höchstens auf einige von Beamten, Gutsbesitzern und pietistischen Pfaffen verdreht gemachte Pferdeknechte reduzirt hätten.

Wie es mit der stereotyp gewordenen „Treue und Liebe“ des Landvolks aussieht, das zeigen ferner Schlesien, wo seit Juni mobile Kolonnen von wegen der „Treue und Liebe“ das Land durchstreifen; das ergibt sich aus den vom Landvolk gewählten Vertretern; das läßt sich daraus erkennen, daß gerade die ländlichen Kreise mit dem königl. preuß. Belagerungszustande beglückt werden und daß ganz ähnlich in Pommern, Sachsen, Westphalen und der Rheinprovinz jene „rührende Liebe“ an den Tag gelegt wird.

Es genüge diese Illustration zu der königl. Behauptung über die Schwärmerei des platten Landes für „das Königthum von Gottes Gnaden.“ Bestätigte sich aber die Allerhöchste Ansicht, so würden spätere Geschlechter den Zwiespalt zu lösen haben, daß im Staate der Intelligenz, in Preußen, die Residenzen der Intelligenz, die Städte gegen und die Dörfer sich für das Königthum aussprechen, nach der Meinung eines Königs des Staates der Intelligenz. Allerdings erklärte schon Cäsar, er ziehe vor, der Erste in einem Dorfe als der Zweite in Rom zu sein.

Nicht zufrieden, die verschiedenen Klassen des Volks, die Land- und Städtebewohner, einander feindlich entgegenzustellen und diesen Haß, wäre er vorhanden, noch mehr anzufachen, statt zu besänftigen: weiß der König von Preußen schließlich seine Rache nicht besser zu kühlen, als daß er der großen Mehrheit des Volkes einen unerhörten Hohn ins Gesicht schleudert, der freilich verdoppelt auf ihn zurückprallt.

„Aber, Gott sei Dank, es (der Bauern-Zuzug) war nicht nöthig, denn meine Feinde sind auch heute gewesen, wie sie sich immer gezeigt, sie sind feige gewesen.“

Allerdings hat sich die Bourgeoisie feige gezeigt: in Berlin, wie in Breslau, an der Weichsel, wie am Rhein. Und nicht blos feig, sondern hündisch.

Aber es war auch nicht die Bourgeoisie, von welcher die Revolution gemacht, von welcher gekämpft worden. Ihr genügte es, die Revolution in ihrem eigenen Interesse auszubeuten. Das so leicht Errungene ließ sie eben so leicht aus den Händen gleiten.

Mag dieses noch so richtig sein, so sollte sich ganz besonders der König von Preußen hüten, dieses verfängliche Thema zu berühren. Denn es gibt ein Schloß in Berlin, zu dessen Balkon im März der donnernde Ruf drang:

„Hut ab!“ — „Er zog den Hut!“

Und in Potsdam lebt ein Mann, der 11 Monate zuvor bei allen Himmeln geschworen, daß sich zwischen ihn und sein Volk nie ein beschriebenes Blatt Papier (nach französischem Muster) drängen solle: Der aber das Alles in der Angst vor den Feiglingen des März vergaß und Alles genehmigte, was er sonst für unverträglich mit seinem Gotte und seiner Religion erklärt hatte. Auch von den tapfern Schaaren „mit Gott für König und Junkerschaft“ war nichts zu spüren, bis endlich im Bündniß mit Nikolaus und Windischgrätz und im Hinblick auf die vermehrten und konzentrirten Kanonen und Bajonette ein urplötzlicher Muth auftauchte, der am „passiven“ Widerstande seine Lorbeeren errang.

Ist aber einmal von Feigheit die Rede, so kommts lediglich auf die Frage an: Wer ist der Feigste, der Feigling, welcher siegt, oder der vom Feigling Besiegte?

115 Uerdingen, 15. Sept.

Die reaktionäre Partei in unserm winzigen Städtchen hat durch die gewaltsamen Ereignisse in diesen Tagen es endlich wagen können, ihr Spiel öffentlich zu spielen; sie hat mit der Komödie: „Dankadresse an den König“, begonnen. Das Komische darin ist der Dank für die Entrichtung einer Schuld, die vor drei und dreißig Jahren hätte bezahlt werden müssen, zu deren Erhebung die Kreditoren am 18. März den Weg der Exekution einschlugen, dem Schuldner dabei aber, um ihn nicht gänzlich in Armuth zu stürzen, und um nicht hart zu erscheinen, den Vortheil zukommen ließen, mit ihnen freundschaftlichst sich zu vereinigen, um zu untersuchen, wie groß die Schuld eigentlich sei, welche Vereinigung der geängstete Schuldner natürlich annahm.

Als derselbe Schuldner aber sah, daß die Forderungen der Kreditoren zu groß werde und dieselben unter sich uneinig seien, da rief er seine Knechte zusammen sammt ihren Mistgabeln, und trieb nun die Kreditoren weg, diktirte ihnen eigenmächtig die Größe seiner Schuld, wobei er weislich einige ihrer Forderungen acceptirte.

Aus dem Gemeinderathe bildete sich mit Ausnahme zweier Mitglieder desselben, welche aus wohl zu vermuthenden Gründen nicht mitspielen konnten, ein Comité, das für die glückliche Ausführung des Stückes Sorge tragen sollte. Sogleich wurde durch einen buntfarbigen Diener das Vorhaben des Comité's bekannt gemacht mit der Einladung zu einer zahlreichen Theilnahme. Es meldeten sich gleich einige freiwillige Theilnehmer; da aber ihre Anzahl zur Ausführung des Stückes zu klein war, so kommandirten einige dieser Theilnehmer ihre Untergebenen, natürlich gegen eine bedeutende Gage, darin bestehend, ferner auf beständige Arbeit rechnen zu können; einige sollen sogar zu dem Spiele gezwungen worden sein. Die gutmüthigen Arbeiter bedenken übrigens nicht, daß man sie dennoch gehen läßt und gehen lassen muß, wenn die Geschäfte wieder stocken. Viele haben sich betheiligt, weil sie befürchteten, es würde ihnen in der jetzigen schweren Zeit ihre Gage, die Arbeit entzogen werden. Mit zerknirschter Seele beklagen diese den augenblicklichen Sieg der Reaktion, der sie verurtheilt, ein so unwürdiges Spiel mit sich spielen zu lassen. Ihre Wuth im Herzen verbürgt uns eine bessere Zukunft. Einige eben dem Knabenalter entwachsene Jünglinge sollen auch zu dem Spiele herangezogen worden sein.

72 Cleve, 15. Dez.

Zu Zeiten geht es hier recht gemüthlich her. Auf der verhängnißvollen Fahrt von Berlin nach Brandenburg begriffen, war unser Mitbürger Landgerichtsrath Kochs, Deputirter für den Kreis Geldern, auf eine kurze Zeit in hiesiger Stadt anwesend. Einer gewissen ziemlich hochgestellten Person wurde auf einem Spaziergange die bestimmte Nachricht, besagtem Deputirten sollte eine Anerkennung in Form einer feierlichen Katzenmusik dargebracht werden. Der Erzähler der bestimmten Nachricht machte einen unschuldigen Witz, dessen Folgen aber bedeutend wurden. Schon war es dunkel in den Straßen der alten Stadt, als plötzlich die Bürgerwehr bis an die Zähne bewaffnet, aufmarschirte und die halbschlafenden Einwohner in einen panischen Schrecken versetzte. Verwirrte Fragen: „was soll's? was wirds? kommen die Preußen? oder gar die Franzosen?“, die hörte man allenthalben. Nichts von dem; es soll eine Katzenmusik dem Hrn. Kochs gebracht werden, und das glückliche Volk begleitete die Bürgerwehr. Es hatte noch nie eine derartige Musik gehört, es war im guten Glauben, die Bürgerwehr wolle ein Spalier bilden für die Katzenmusikanten. Kein gemüthlicheres Volk giebt es als hier am Orte, so ruhig, so gänzlich harmlos, und doch mißtraut man ihm, fürchtet es sogar, und das ist bitterer als Wermuth. Eine Katzenmusik fand demnach nicht statt, kein Musikant war am Platze, todt und leer war alles. Einige Neugierige wurden den Abend durch Polzisten verhaftet, sofort aber durch den wachehabenden Bürgerwehrhauptmann in Freiheit gesetzt; ein kleines achtjähriges Würmchen erhielt einen unbedeutenden Stockhieb und ein Buchbinder einen flachen, mithin auch unschuldigen Säbelhieb; darauf ging dann Bürgerwehr, Polizei und Volk ruhig schlafen.

Dem jetzt aus Berlin zurückgekommenen Deputirten Arnttz, der stets auf der Rechten saß als echter doktrinärer Brüsseler Professor und erst zuletzt aus konstitutioneller Entrüstung den Ministerialismus aufgab, sollte ein feierlicher Fackelzug gebracht werden, auch ein Beweis der politischen Unschuld in Cleve und umliegenden Ortschaften. Wir vergessen leicht. Ein Fackelzug für Hrn. Arntz ist doch so unschuldig wie nur etwas; bei alledem aber ward er verboten, weil durch den Steuerverweigerungsbeschluß Zwiespalt und Unruhe im Lande enstanden sei. Ein Fackelzug und ein Steuerverweigerungsbeschluß, wie reimen sich die zusammen? Nicht dem Hrn. Arntz, ahnte die Regierung, sondern der Steuerverweigerung galt dieser Fackelzug. Die Seele aller dieser Maßregeleien scheint ein Mann zu sein, der die seit 200 Jahren dem Hause der Hohenzollern in treuester Liebe ergebene Stadt, in Belagerungstand versetzt wissen möchte; ein Mann, der im März und April jeden Menschen Freund und Bruder nannte, mit jedem freundlich that, sogar mit der Kanaille Schnaps trank, Bruderküsse erhielt, und jetzt? wie ist doch Alles so ganz anders geworden!

71 Münster, 12. Dezbr.

Unsere Militärbureaukratie hat wieder einmal eine Probe ihrer Thätigkeit abgelegt, die hinter den ältern in der 7. Artilleriebrigade seiner Zeit vielbesprochenen Proben nicht zurücksteht. Diesmal ist es der Lieutenant und Dr. phil. v. Bruchhausen (Bruder des Abgeordneten zur Berliner Nationalversammlung), welcher zur Zeit der hier stattgehabten Anneke'schen Prozesse nach Luxemburg kommandirt und jetzt das Opfer der offen und geheim täglich frecher wirkenden Partei gewordrn. Am 18. März befand er sich in Berlin und war Augenzeuge der dortigen Ereignisse. Der Tod seines Freundes, des Lieutenant Tüpke, wurde Veranlassung, daß er damals einen Aufruf „An sämmtliche Berliner“ drucken und vertheilen ließ. Schon bei dieser Gelegenheit beabsichtigte man Etwas gegen ihn; aber man begnügte sich vorläufig mit seiner Zurückversetzung zu seiner Brigade. Ein Kriegsgericht wurde nicht beantragt, weil man keinen haltbaren Grund finden konnte und ein Ehrengericht?! Man hat damals förmlich bei den Offizieren der Brigade rundgefragt, „ob sich dieser Fall zu einem Ehrengerichte eigne?“ Die Offiziere, die in ihrer Majorität längst das unsinnige Institut der preußischen Ehrengerichte haßten, sprachen sich auch diesmal gegen ein Ehrengericht aus. Später hat der Lieutenant v. B. in öffentlichen Blättern auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die uns von Seiten der Russen drohten. Er hat den russischen Staat als Staat der Knechtschaft und Lüge hingestellt, kurz, sehr viel gegen die Russen geschrieben. Alle diese verschiedenen Artikel hat er mit seinem Namen und seiner Charge unterzeichnet. Dies war den Herren vom Militär etwas zu arg. Der Kommandeur, Major Leonhard, ließ ihn zu sich bescheiden und verwies ihm sein öffentliches Auftreten gegen die Russen. Er, als preußischer Offizier (!) dürfe eine „befreundete Macht“ (!!) auf diese Weise nicht angreifen. Er solle überhaupt das Schreiben gegen die Russen unterlassen (!!!) Lieutenant v. B. kehrte sich indessen nicht daran. Vorläufig ließ man ihn zwar in Ruhe. Nach dem Falle Wiens aber, am 2. November, sagte ihm sein Kommandeur: wenn er sein feindliches Auftreten gegen die Russen nicht lassen könne, so möchte er als invalide seinen Abschied nehmen. Einmal ist nun B. nichts weniger wie invalide, anderntheils wollte er aber auch sehen, wie weit man es mit ihm in dieser Beziehung treiben würde. Er erklärte also, nicht abgehen zu wollen. Seiner Russenfeindschaft wegen, die er gewagt hat, offen und ohne Rückhalt auszusprechen, will man ihn à tout prix aus der Armee heraus haben; deshalb sagte ihm sein Kommandeur: „Man würde beantragen, daß er zur Disposition gestellt werde, weil er (der bereits seit 12 Jahren bei der Artillerie dient) dienstlich unbrauchbar sei. Durch das viele Studiren habe er den praktischen Blick verloren etc.

v. B. that seit dieser Zeit keinen Dienst mehr und erwartete, daß er jetzt mit Gewalt aus der Armee entfernt wird, trotzdem daß nichts, als seine Abneigung gegen die Russen gegen ihn vorliegt.

Gestern hat er nun wirklich seinen Abschied erhalten, in welchem sich noch die Phrase findet: aus Gnaden mit Pension.“

Das herzlichste Einverständniß zwischen den hohen Verschwornen von Potsdam, Berlin und Petersburg erfordert, wie sich von selbst versteht, die Entfenung jedes Offiziers, der sich nicht zum Werkzeug der kosakisch-preußischen Contrerevolution mißbrauchen lassen will.

14 Berlin, 15. Dez.

Es ist Weihnachtsmarkt, und alle Welt vergnügt mit Ausnahme der Mißvergnügten. Es ist so wie im vorigen Jahre, mit der Ausnahme, daß es schlechter ist. Wer sich jetzt amüsiren will, hat Gelegenheit vollauf dazu, aber seltsam genug, Niemand amüsirt sich. Da spazieren die belagerten oktroyirten Verfassungs-Unterthanen mit gähnenden Mäulern zu Kroll oder in Sommers Salons, nach Villa Colonna oder in die neue Konversationshalle auf dem Dönhofsplatze. Ueberall ist prachtvoller Schimmer und ödeste Langeweile. Nur „Lucifers Töchter“ im Königsstädtischen Theater machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme, wogegen wiederum Held's Puppenspiel in Mylius-Hotel nicht viel Erquickliches bietet. Der große Held! Vor Kurzem noch der Mann des Volkes und nun der Affe des Volkes. Tempora mutantur — gedankt sei Dir, Vater Wrangel!

Der Weihmachtsmarkt ist gut und reichlich ausgestattet, was nicht wohl anders sein kann, weil die Hälfte der Verkäufer — Ausverkauf hält. Vater Wrangel hat es sich nun einmal vorgenommen, daß Gras in Berlin's Straßen wachsen soll. Was der Revolution nicht gelungen, wird dem Belagerungszustand gelingen. Vielleicht aber ist der Erlöser nahe. Im Vertrauen sagte mir gestern ein junger Kaufmann, er wisse aus sicherer Quelle, daß am 20. d. das ganze königliche Haus in Berlin erscheinen werde, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Der junge Kaufmann freute sich auf die Friedrichsd'or (die Leute haben noch Geld), wir freuen uns auf die strahlenden selbstzufriedenen Gesichter, der Abwechselung wegen. Gehen wir nämlich jetzt auf den Weihnachtsmarkt, so begegnen uns dutzendweise die Paupers und namentlich arme Weiber mit schreienden Würmern auf den Armen, die Alle nach den glänzenden Sachen verlangen, aber nichts kriegen, weil — die Leute kein Geld haben.

Von Politik schreibe ich Ihnen nichts — es gibt keine.

* Berlin, 16. Dezember.

D'Ester hat gestern einen Zwangspaß erhalten und ist nach Cöthen gegangen, wohin der Centralausschuß der Demokraten verlegt ist.

68 Berlin, 16. Dez.

Gestern ist endlich in dem Dowiat'schen Prozeß das Urtel gesprochen worden, und zwar zum ersten Mal unter der durch die Verfassung festgesetzten Formel: „Im Namen des Königs etc. Die beiden Hauptangeschuldigten, Dowiat und der Handlungsdiener Müller, sind als des Aufruhrs schuldig beide zu 6 Jahren Festung kondemnirt. Von den übrigen Angeklagten sind als der Theilnahme des Aufruhrs schuldig 4 zu 6 Jahr Strafarbeit, 2 zu 3 Jahr, 2 zu 1 Jahr und 1 zu 6 Monat verurtheilt; 5 sind von der Anklage entbunden und 1 der thätlichen Widersetzlichkeit nicht schuldig erklärt worden.

X Breslau, 15. Dez.

Der Bürgerwehrkongreß für Preußen wurde heute früh um 10 Uhr eröffnet. Der Saal war militärisch mit Waffen, Trommeln und Fahnen geschmackvoll dekorirt, unter letztern befand sich sogar eine — rothe. Der zeitige Oberst Engelmann hielt eine kurze Anrede, worin er als Vorlage entwickelt: die Verbesserung des Bürgerwehrgesetzes und die Organisation der Bürgerwehr selbst. Angemeldet waren 55 Wehrmänner. Die Versammlung schreitet dann zur Wahl des Büreaus — durch Stimmzettel. Nachdem einige der Herren mit feinen Komplimenten für die Ehre, Präsident zu sein, gedankt hatten, wurde als solcher proklamirt: Engelmann, der, nebenbei gesagt, vorher sich geweigert hatte, dieses Amt zu bekleiden. Vicepräsidenten wurden: Pfeiffer aus Breslau und Schücker aus Breslau. Plötzlich tagt es bei den Herren Kameraden, und die Sekretäre werden durch

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          <p>Die Treue und Liebe ist auch zum Ausbruch gekommen. Die Illustrationen zu der königlichen Behauptung haben die Landwehrmänner des platten Landes in fast allen Provinzen geliefert, indem sie fast überall die Einkleidung weigerten, wenn nicht Noth oder Gewalt sie dazu zwang. Was aber den &#x201E;Zuzug nach Berlin&#x201C; anbelangt, so beschränkte er sich auf einen verrückten Justizkommissar zu Samter, in dessen Gehirn 20,000 bewaffnete Bauern herumspukten, die sich höchstens auf einige von Beamten, Gutsbesitzern und pietistischen Pfaffen verdreht gemachte Pferdeknechte reduzirt hätten.</p>
          <p>Wie es mit der stereotyp gewordenen &#x201E;Treue und Liebe&#x201C; des Landvolks aussieht, das zeigen ferner <hi rendition="#g">Schlesien</hi>, wo seit Juni mobile Kolonnen von wegen der &#x201E;Treue und Liebe&#x201C; das Land durchstreifen; das ergibt sich aus den vom Landvolk gewählten Vertretern; das läßt sich daraus erkennen, daß gerade die ländlichen Kreise mit dem königl. preuß. Belagerungszustande beglückt werden und daß ganz ähnlich in <hi rendition="#g">Pommern, Sachsen, Westphalen</hi> und der <hi rendition="#g">Rheinprovinz</hi> jene &#x201E;rührende Liebe&#x201C; an den Tag gelegt wird.</p>
          <p>Es genüge diese Illustration zu der königl. Behauptung über die Schwärmerei des platten Landes für &#x201E;das Königthum von Gottes Gnaden.&#x201C; Bestätigte sich aber die Allerhöchste Ansicht, so würden spätere Geschlechter den Zwiespalt zu lösen haben, daß im <hi rendition="#g">Staate der Intelligenz,</hi> in Preußen, die <hi rendition="#g">Residenzen</hi> der <hi rendition="#g">Intelligenz</hi>, die <hi rendition="#g">Städte</hi> gegen und die <hi rendition="#g">Dörfer</hi> sich für das Königthum aussprechen, nach der Meinung eines Königs des Staates der Intelligenz. Allerdings erklärte schon Cäsar, er ziehe vor, der Erste in einem Dorfe als der Zweite in Rom zu sein.</p>
          <p>Nicht zufrieden, die verschiedenen Klassen des Volks, die Land- und Städtebewohner, einander feindlich entgegenzustellen und diesen Haß, wäre er vorhanden, noch mehr anzufachen, statt zu besänftigen: weiß der König von Preußen schließlich seine Rache nicht besser zu kühlen, als daß er der großen Mehrheit des Volkes einen unerhörten Hohn ins Gesicht schleudert, der freilich verdoppelt auf ihn zurückprallt.</p>
          <p>&#x201E;Aber, Gott sei Dank, es (der Bauern-Zuzug) war nicht nöthig, denn meine Feinde sind auch heute gewesen, wie sie sich immer gezeigt, <hi rendition="#g">sie sind feige gewesen</hi>.&#x201C;</p>
          <p>Allerdings hat sich die <hi rendition="#g">Bourgeoisie</hi> feige gezeigt: in Berlin, wie in Breslau, an der Weichsel, wie am Rhein. Und nicht blos feig, sondern hündisch.</p>
          <p>Aber es war auch nicht die Bourgeoisie, von welcher die Revolution gemacht, von welcher gekämpft worden. Ihr genügte es, die Revolution in ihrem eigenen Interesse auszubeuten. Das so leicht Errungene ließ sie eben so leicht aus den Händen gleiten.</p>
          <p>Mag dieses noch so richtig sein, so sollte sich ganz besonders der König von Preußen hüten, dieses verfängliche Thema zu berühren. Denn es gibt ein Schloß in Berlin, zu dessen Balkon im März der donnernde Ruf drang:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Hut ab!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Er zog den Hut!&#x201C;</p>
          <p>Und in Potsdam lebt ein Mann, der 11 Monate zuvor bei allen Himmeln geschworen, daß sich zwischen ihn und sein Volk nie ein <hi rendition="#g">beschriebenes Blatt Papier</hi> (nach französischem Muster) drängen solle: Der aber das Alles in der Angst vor den Feiglingen des März vergaß und Alles genehmigte, was er sonst für unverträglich mit seinem Gotte und seiner Religion erklärt hatte. Auch von den tapfern Schaaren &#x201E;mit Gott für König und Junkerschaft&#x201C; war nichts zu spüren, bis endlich im Bündniß mit Nikolaus und Windischgrätz und im Hinblick auf die vermehrten und konzentrirten Kanonen und Bajonette ein urplötzlicher Muth auftauchte, der am &#x201E;passiven&#x201C; Widerstande seine Lorbeeren errang.</p>
          <p>Ist aber einmal von Feigheit die Rede, so kommts lediglich auf die Frage an: <hi rendition="#g">Wer ist der Feigste, der Feigling, welcher siegt, oder der vom Feigling Besiegte?</hi> </p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>115</author></bibl> Uerdingen, 15. Sept.</head>
          <p>Die reaktionäre Partei in unserm winzigen Städtchen hat durch die gewaltsamen Ereignisse in diesen Tagen es endlich wagen können, ihr Spiel öffentlich zu spielen; sie hat mit der Komödie: &#x201E;Dankadresse an den König&#x201C;, begonnen. Das Komische darin ist der Dank für die Entrichtung einer Schuld, die vor drei und dreißig Jahren hätte bezahlt werden müssen, zu deren Erhebung die Kreditoren am 18. März den Weg der Exekution einschlugen, dem Schuldner dabei aber, um ihn nicht gänzlich in Armuth zu stürzen, und um nicht hart zu erscheinen, den Vortheil zukommen ließen, mit ihnen freundschaftlichst sich zu vereinigen, um zu untersuchen, wie groß die Schuld eigentlich sei, welche Vereinigung der geängstete Schuldner natürlich annahm.</p>
          <p>Als derselbe Schuldner aber sah, daß die Forderungen der Kreditoren zu groß werde und dieselben unter sich uneinig seien, da rief er seine Knechte zusammen sammt ihren Mistgabeln, und trieb nun die Kreditoren weg, diktirte ihnen eigenmächtig die Größe seiner Schuld, wobei er weislich einige ihrer Forderungen acceptirte.</p>
          <p>Aus dem Gemeinderathe bildete sich mit Ausnahme zweier Mitglieder desselben, welche aus wohl zu vermuthenden Gründen nicht mitspielen konnten, ein Comité, das für die glückliche Ausführung des Stückes Sorge tragen sollte. Sogleich wurde durch einen buntfarbigen Diener das Vorhaben des Comité's bekannt gemacht mit der Einladung zu einer zahlreichen Theilnahme. Es meldeten sich gleich einige freiwillige Theilnehmer; da aber ihre Anzahl zur Ausführung des Stückes zu klein war, so kommandirten einige dieser Theilnehmer ihre Untergebenen, natürlich gegen eine bedeutende Gage, darin bestehend, ferner auf beständige Arbeit rechnen zu können; einige sollen sogar zu dem Spiele gezwungen worden sein. Die gutmüthigen Arbeiter bedenken übrigens nicht, daß man sie dennoch gehen läßt und gehen lassen muß, wenn die Geschäfte wieder stocken. Viele haben sich betheiligt, weil sie befürchteten, es würde ihnen in der jetzigen schweren Zeit ihre Gage, die Arbeit entzogen werden. Mit zerknirschter Seele beklagen diese den augenblicklichen Sieg der Reaktion, der sie verurtheilt, ein so unwürdiges Spiel mit sich spielen zu lassen. Ihre Wuth im Herzen verbürgt uns eine bessere Zukunft. Einige eben dem Knabenalter entwachsene Jünglinge sollen auch zu dem Spiele herangezogen worden sein.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>72</author></bibl> Cleve, 15. Dez.</head>
          <p>Zu Zeiten geht es hier recht gemüthlich her. Auf der verhängnißvollen Fahrt von Berlin nach Brandenburg begriffen, war unser Mitbürger Landgerichtsrath Kochs, Deputirter für den Kreis Geldern, auf eine kurze Zeit in hiesiger Stadt anwesend. Einer gewissen ziemlich hochgestellten Person wurde auf einem Spaziergange die bestimmte Nachricht, besagtem Deputirten sollte eine Anerkennung in Form einer feierlichen Katzenmusik dargebracht werden. Der Erzähler der bestimmten Nachricht machte einen unschuldigen Witz, dessen Folgen aber bedeutend wurden. Schon war es dunkel in den Straßen der alten Stadt, als plötzlich die Bürgerwehr bis an die Zähne bewaffnet, aufmarschirte und die halbschlafenden Einwohner in einen panischen Schrecken versetzte. Verwirrte Fragen: &#x201E;was soll's? was wirds? kommen die Preußen? oder gar die Franzosen?&#x201C;, die hörte man allenthalben. Nichts von dem; es soll eine Katzenmusik dem Hrn. Kochs gebracht werden, und das glückliche Volk begleitete die Bürgerwehr. Es hatte noch nie eine derartige Musik gehört, es war im guten Glauben, die Bürgerwehr wolle ein Spalier bilden für die Katzenmusikanten. Kein gemüthlicheres Volk giebt es als hier am Orte, so ruhig, so gänzlich harmlos, und doch mißtraut man ihm, fürchtet es sogar, und das ist bitterer als Wermuth. Eine Katzenmusik fand demnach nicht statt, kein Musikant war am Platze, todt und leer war alles. Einige Neugierige wurden den Abend durch Polzisten verhaftet, sofort aber durch den wachehabenden Bürgerwehrhauptmann in Freiheit gesetzt; ein kleines achtjähriges Würmchen erhielt einen unbedeutenden Stockhieb und ein Buchbinder einen flachen, mithin auch unschuldigen Säbelhieb; darauf ging dann Bürgerwehr, Polizei und Volk ruhig schlafen.</p>
          <p>Dem jetzt aus Berlin zurückgekommenen Deputirten Arnttz, der stets auf der <hi rendition="#g">Rechten</hi> saß als echter doktrinärer Brüsseler Professor und erst zuletzt aus konstitutioneller Entrüstung den Ministerialismus aufgab, sollte ein feierlicher Fackelzug gebracht werden, auch ein Beweis der politischen Unschuld in Cleve und umliegenden Ortschaften. Wir vergessen leicht. Ein Fackelzug für Hrn. Arntz ist doch so unschuldig wie nur etwas; bei alledem aber ward er verboten, weil durch den Steuerverweigerungsbeschluß Zwiespalt und Unruhe im Lande enstanden sei. Ein Fackelzug und ein Steuerverweigerungsbeschluß, wie reimen sich die zusammen? Nicht dem Hrn. Arntz, ahnte die Regierung, sondern der Steuerverweigerung galt dieser Fackelzug. Die Seele aller dieser Maßregeleien scheint ein Mann zu sein, der die seit 200 Jahren dem Hause der Hohenzollern in treuester Liebe ergebene Stadt, in Belagerungstand versetzt wissen möchte; ein Mann, der im März und April jeden Menschen Freund und Bruder nannte, mit jedem freundlich that, sogar mit der Kanaille Schnaps trank, Bruderküsse erhielt, und jetzt? wie ist doch Alles so ganz anders geworden!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>71</author></bibl> Münster, 12. Dezbr.</head>
          <p>Unsere Militärbureaukratie hat wieder einmal eine Probe ihrer Thätigkeit abgelegt, die hinter den ältern in der 7. Artilleriebrigade seiner Zeit vielbesprochenen Proben nicht zurücksteht. Diesmal ist es der Lieutenant und Dr. phil. v. Bruchhausen (Bruder des Abgeordneten zur Berliner Nationalversammlung), welcher zur Zeit der hier stattgehabten Anneke'schen Prozesse nach Luxemburg kommandirt und jetzt das Opfer der offen und geheim täglich frecher wirkenden Partei gewordrn. Am 18. März befand er sich in Berlin und war Augenzeuge der dortigen Ereignisse. Der Tod seines Freundes, des Lieutenant Tüpke, wurde Veranlassung, daß er damals einen Aufruf &#x201E;An sämmtliche Berliner&#x201C; drucken und vertheilen ließ. Schon bei dieser Gelegenheit beabsichtigte man Etwas gegen ihn; aber man begnügte sich vorläufig mit seiner Zurückversetzung zu seiner Brigade. Ein Kriegsgericht wurde nicht beantragt, weil man keinen haltbaren Grund finden konnte und ein Ehrengericht?! Man hat damals förmlich bei den Offizieren der Brigade rundgefragt, &#x201E;ob sich dieser Fall zu einem Ehrengerichte eigne?&#x201C; Die Offiziere, die in ihrer Majorität längst das unsinnige Institut der preußischen Ehrengerichte haßten, sprachen sich auch diesmal gegen ein Ehrengericht aus. Später hat der Lieutenant v. B. in öffentlichen Blättern auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die uns von Seiten der Russen drohten. Er hat den russischen Staat als Staat der Knechtschaft und Lüge hingestellt, kurz, sehr viel gegen die Russen geschrieben. Alle diese verschiedenen Artikel hat er mit seinem Namen und seiner Charge unterzeichnet. Dies war den Herren vom Militär etwas zu arg. Der Kommandeur, Major Leonhard, ließ ihn zu sich bescheiden und verwies ihm sein öffentliches Auftreten <hi rendition="#g">gegen</hi> die Russen. Er, als preußischer Offizier (!) dürfe eine &#x201E;befreundete Macht&#x201C; (!!) auf diese Weise <hi rendition="#g">nicht</hi> angreifen. Er solle überhaupt das Schreiben gegen die Russen unterlassen (!!!) Lieutenant v. B. kehrte sich indessen nicht daran. Vorläufig ließ man ihn zwar in Ruhe. Nach dem Falle Wiens aber, am 2. November, sagte ihm sein Kommandeur: wenn er sein feindliches Auftreten gegen die Russen nicht lassen könne, so möchte er als <hi rendition="#g">invalide</hi> seinen Abschied nehmen. Einmal ist nun B. nichts weniger wie invalide, anderntheils wollte er aber auch sehen, <hi rendition="#g">wie weit</hi> man es mit ihm in dieser Beziehung treiben würde. Er erklärte also, nicht abgehen zu wollen. Seiner Russenfeindschaft wegen, die er gewagt hat, offen und ohne Rückhalt auszusprechen, will man ihn à tout prix aus der Armee heraus haben; deshalb sagte ihm sein Kommandeur: &#x201E;Man würde beantragen, daß er zur Disposition gestellt werde, <hi rendition="#g">weil er</hi> (der bereits seit 12 Jahren bei der Artillerie dient) <hi rendition="#g">dienstlich unbrauchbar sei. Durch das viele Studiren habe er den praktischen Blick verloren etc.</hi> </p>
          <p>v. B. that seit dieser Zeit keinen Dienst mehr und erwartete, daß er jetzt mit Gewalt aus der Armee entfernt wird, trotzdem daß nichts, als seine Abneigung gegen die Russen gegen ihn vorliegt.</p>
          <p>Gestern hat er nun wirklich seinen Abschied erhalten, in welchem sich noch die Phrase findet: <hi rendition="#g">aus Gnaden</hi> mit Pension.&#x201C;</p>
          <p>Das herzlichste Einverständniß zwischen den hohen Verschwornen von Potsdam, Berlin und Petersburg erfordert, wie sich von selbst versteht, die Entfenung jedes Offiziers, der sich nicht zum Werkzeug der kosakisch-preußischen Contrerevolution mißbrauchen lassen will.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 15. Dez.</head>
          <p>Es ist Weihnachtsmarkt, und alle Welt vergnügt mit Ausnahme der Mißvergnügten. Es ist so wie im vorigen Jahre, mit der Ausnahme, daß es schlechter ist. Wer sich jetzt amüsiren will, hat Gelegenheit vollauf dazu, aber seltsam genug, Niemand amüsirt sich. Da spazieren die belagerten oktroyirten Verfassungs-Unterthanen mit gähnenden Mäulern zu Kroll oder in Sommers Salons, nach Villa Colonna oder in die neue Konversationshalle auf dem Dönhofsplatze. Ueberall ist prachtvoller Schimmer und ödeste Langeweile. Nur &#x201E;Lucifers Töchter&#x201C; im Königsstädtischen Theater machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme, wogegen wiederum Held's Puppenspiel in Mylius-Hotel nicht viel Erquickliches bietet. Der große Held! Vor Kurzem noch der <hi rendition="#g">Mann</hi> des Volkes und nun der <hi rendition="#g">Affe</hi> des Volkes. Tempora mutantur &#x2014; gedankt sei Dir, Vater Wrangel!</p>
          <p>Der Weihmachtsmarkt ist gut und reichlich ausgestattet, was nicht wohl anders sein kann, weil die Hälfte der Verkäufer &#x2014; Ausverkauf hält. Vater Wrangel hat es sich nun einmal vorgenommen, daß Gras in Berlin's Straßen wachsen soll. Was der Revolution nicht gelungen, wird dem Belagerungszustand gelingen. Vielleicht aber ist der Erlöser nahe. Im Vertrauen sagte mir gestern ein junger Kaufmann, er wisse aus sicherer Quelle, daß am 20. d. das ganze königliche Haus in Berlin erscheinen werde, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Der junge Kaufmann freute sich auf die Friedrichsd'or (<hi rendition="#g">die</hi> Leute <hi rendition="#g">haben</hi> noch Geld), wir freuen uns auf die strahlenden selbstzufriedenen Gesichter, der Abwechselung wegen. Gehen wir nämlich jetzt auf den Weihnachtsmarkt, so begegnen uns dutzendweise die Paupers und namentlich arme Weiber mit schreienden Würmern auf den Armen, die Alle nach den glänzenden Sachen verlangen, aber nichts kriegen, weil &#x2014; <hi rendition="#g">die</hi> Leute <hi rendition="#g">kein</hi> Geld haben.</p>
          <p>Von Politik schreibe ich Ihnen nichts &#x2014; es gibt keine.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 16. Dezember.</head>
          <p>D'Ester hat gestern einen Zwangspaß erhalten und ist nach Cöthen gegangen, wohin der Centralausschuß der Demokraten verlegt ist.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 16. Dez.</head>
          <p>Gestern ist endlich in dem Dowiat'schen Prozeß das Urtel gesprochen worden, und zwar zum ersten Mal unter der durch die Verfassung festgesetzten Formel: &#x201E;Im Namen des Königs etc. Die beiden Hauptangeschuldigten, Dowiat und der Handlungsdiener Müller, sind als des Aufruhrs schuldig beide zu 6 Jahren Festung kondemnirt. Von den übrigen Angeklagten sind als der Theilnahme des Aufruhrs schuldig 4 zu 6 Jahr Strafarbeit, 2 zu 3 Jahr, 2 zu 1 Jahr und 1 zu 6 Monat verurtheilt; 5 sind von der Anklage entbunden und 1 der thätlichen Widersetzlichkeit nicht schuldig erklärt worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar172_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Breslau, 15. Dez.</head>
          <p>Der Bürgerwehrkongreß für Preußen wurde heute früh um 10 Uhr eröffnet. Der Saal war militärisch mit Waffen, Trommeln und Fahnen geschmackvoll dekorirt, unter letztern befand sich sogar eine &#x2014; rothe. Der zeitige Oberst Engelmann hielt eine kurze Anrede, worin er als Vorlage entwickelt: die Verbesserung des Bürgerwehrgesetzes und die Organisation der Bürgerwehr selbst. Angemeldet waren 55 Wehrmänner. Die Versammlung schreitet dann zur Wahl des Büreaus &#x2014; durch Stimmzettel. Nachdem einige der Herren mit feinen Komplimenten für die Ehre, Präsident zu sein, gedankt hatten, wurde als solcher proklamirt: Engelmann, der, nebenbei gesagt, vorher sich geweigert hatte, dieses Amt zu bekleiden. Vicepräsidenten wurden: Pfeiffer aus Breslau und Schücker aus Breslau. Plötzlich tagt es bei den Herren Kameraden, und die Sekretäre werden durch
</p>
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      </div>
    </body>
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</TEI>
[0928/0002] [Deutschland] [Fortsetzung] die sauer errungenen Pfennige des Landvolks auf königliche Wildparks, Schlösser, zu Geschenken an Adlige und hohe Beamte, zum Wohlleben und zur Verschwendung des Hofes wie seiner Kreaturen verwandt wurden? Wahrlich, das Landvolk muß wohl unter solchen Umständen von ungeheuer „rührender Liebe“ beseelt sein. Die Treue und Liebe ist auch zum Ausbruch gekommen. Die Illustrationen zu der königlichen Behauptung haben die Landwehrmänner des platten Landes in fast allen Provinzen geliefert, indem sie fast überall die Einkleidung weigerten, wenn nicht Noth oder Gewalt sie dazu zwang. Was aber den „Zuzug nach Berlin“ anbelangt, so beschränkte er sich auf einen verrückten Justizkommissar zu Samter, in dessen Gehirn 20,000 bewaffnete Bauern herumspukten, die sich höchstens auf einige von Beamten, Gutsbesitzern und pietistischen Pfaffen verdreht gemachte Pferdeknechte reduzirt hätten. Wie es mit der stereotyp gewordenen „Treue und Liebe“ des Landvolks aussieht, das zeigen ferner Schlesien, wo seit Juni mobile Kolonnen von wegen der „Treue und Liebe“ das Land durchstreifen; das ergibt sich aus den vom Landvolk gewählten Vertretern; das läßt sich daraus erkennen, daß gerade die ländlichen Kreise mit dem königl. preuß. Belagerungszustande beglückt werden und daß ganz ähnlich in Pommern, Sachsen, Westphalen und der Rheinprovinz jene „rührende Liebe“ an den Tag gelegt wird. Es genüge diese Illustration zu der königl. Behauptung über die Schwärmerei des platten Landes für „das Königthum von Gottes Gnaden.“ Bestätigte sich aber die Allerhöchste Ansicht, so würden spätere Geschlechter den Zwiespalt zu lösen haben, daß im Staate der Intelligenz, in Preußen, die Residenzen der Intelligenz, die Städte gegen und die Dörfer sich für das Königthum aussprechen, nach der Meinung eines Königs des Staates der Intelligenz. Allerdings erklärte schon Cäsar, er ziehe vor, der Erste in einem Dorfe als der Zweite in Rom zu sein. Nicht zufrieden, die verschiedenen Klassen des Volks, die Land- und Städtebewohner, einander feindlich entgegenzustellen und diesen Haß, wäre er vorhanden, noch mehr anzufachen, statt zu besänftigen: weiß der König von Preußen schließlich seine Rache nicht besser zu kühlen, als daß er der großen Mehrheit des Volkes einen unerhörten Hohn ins Gesicht schleudert, der freilich verdoppelt auf ihn zurückprallt. „Aber, Gott sei Dank, es (der Bauern-Zuzug) war nicht nöthig, denn meine Feinde sind auch heute gewesen, wie sie sich immer gezeigt, sie sind feige gewesen.“ Allerdings hat sich die Bourgeoisie feige gezeigt: in Berlin, wie in Breslau, an der Weichsel, wie am Rhein. Und nicht blos feig, sondern hündisch. Aber es war auch nicht die Bourgeoisie, von welcher die Revolution gemacht, von welcher gekämpft worden. Ihr genügte es, die Revolution in ihrem eigenen Interesse auszubeuten. Das so leicht Errungene ließ sie eben so leicht aus den Händen gleiten. Mag dieses noch so richtig sein, so sollte sich ganz besonders der König von Preußen hüten, dieses verfängliche Thema zu berühren. Denn es gibt ein Schloß in Berlin, zu dessen Balkon im März der donnernde Ruf drang: „Hut ab!“ — „Er zog den Hut!“ Und in Potsdam lebt ein Mann, der 11 Monate zuvor bei allen Himmeln geschworen, daß sich zwischen ihn und sein Volk nie ein beschriebenes Blatt Papier (nach französischem Muster) drängen solle: Der aber das Alles in der Angst vor den Feiglingen des März vergaß und Alles genehmigte, was er sonst für unverträglich mit seinem Gotte und seiner Religion erklärt hatte. Auch von den tapfern Schaaren „mit Gott für König und Junkerschaft“ war nichts zu spüren, bis endlich im Bündniß mit Nikolaus und Windischgrätz und im Hinblick auf die vermehrten und konzentrirten Kanonen und Bajonette ein urplötzlicher Muth auftauchte, der am „passiven“ Widerstande seine Lorbeeren errang. Ist aber einmal von Feigheit die Rede, so kommts lediglich auf die Frage an: Wer ist der Feigste, der Feigling, welcher siegt, oder der vom Feigling Besiegte? 115 Uerdingen, 15. Sept. Die reaktionäre Partei in unserm winzigen Städtchen hat durch die gewaltsamen Ereignisse in diesen Tagen es endlich wagen können, ihr Spiel öffentlich zu spielen; sie hat mit der Komödie: „Dankadresse an den König“, begonnen. Das Komische darin ist der Dank für die Entrichtung einer Schuld, die vor drei und dreißig Jahren hätte bezahlt werden müssen, zu deren Erhebung die Kreditoren am 18. März den Weg der Exekution einschlugen, dem Schuldner dabei aber, um ihn nicht gänzlich in Armuth zu stürzen, und um nicht hart zu erscheinen, den Vortheil zukommen ließen, mit ihnen freundschaftlichst sich zu vereinigen, um zu untersuchen, wie groß die Schuld eigentlich sei, welche Vereinigung der geängstete Schuldner natürlich annahm. Als derselbe Schuldner aber sah, daß die Forderungen der Kreditoren zu groß werde und dieselben unter sich uneinig seien, da rief er seine Knechte zusammen sammt ihren Mistgabeln, und trieb nun die Kreditoren weg, diktirte ihnen eigenmächtig die Größe seiner Schuld, wobei er weislich einige ihrer Forderungen acceptirte. Aus dem Gemeinderathe bildete sich mit Ausnahme zweier Mitglieder desselben, welche aus wohl zu vermuthenden Gründen nicht mitspielen konnten, ein Comité, das für die glückliche Ausführung des Stückes Sorge tragen sollte. Sogleich wurde durch einen buntfarbigen Diener das Vorhaben des Comité's bekannt gemacht mit der Einladung zu einer zahlreichen Theilnahme. Es meldeten sich gleich einige freiwillige Theilnehmer; da aber ihre Anzahl zur Ausführung des Stückes zu klein war, so kommandirten einige dieser Theilnehmer ihre Untergebenen, natürlich gegen eine bedeutende Gage, darin bestehend, ferner auf beständige Arbeit rechnen zu können; einige sollen sogar zu dem Spiele gezwungen worden sein. Die gutmüthigen Arbeiter bedenken übrigens nicht, daß man sie dennoch gehen läßt und gehen lassen muß, wenn die Geschäfte wieder stocken. Viele haben sich betheiligt, weil sie befürchteten, es würde ihnen in der jetzigen schweren Zeit ihre Gage, die Arbeit entzogen werden. Mit zerknirschter Seele beklagen diese den augenblicklichen Sieg der Reaktion, der sie verurtheilt, ein so unwürdiges Spiel mit sich spielen zu lassen. Ihre Wuth im Herzen verbürgt uns eine bessere Zukunft. Einige eben dem Knabenalter entwachsene Jünglinge sollen auch zu dem Spiele herangezogen worden sein. 72 Cleve, 15. Dez. Zu Zeiten geht es hier recht gemüthlich her. Auf der verhängnißvollen Fahrt von Berlin nach Brandenburg begriffen, war unser Mitbürger Landgerichtsrath Kochs, Deputirter für den Kreis Geldern, auf eine kurze Zeit in hiesiger Stadt anwesend. Einer gewissen ziemlich hochgestellten Person wurde auf einem Spaziergange die bestimmte Nachricht, besagtem Deputirten sollte eine Anerkennung in Form einer feierlichen Katzenmusik dargebracht werden. Der Erzähler der bestimmten Nachricht machte einen unschuldigen Witz, dessen Folgen aber bedeutend wurden. Schon war es dunkel in den Straßen der alten Stadt, als plötzlich die Bürgerwehr bis an die Zähne bewaffnet, aufmarschirte und die halbschlafenden Einwohner in einen panischen Schrecken versetzte. Verwirrte Fragen: „was soll's? was wirds? kommen die Preußen? oder gar die Franzosen?“, die hörte man allenthalben. Nichts von dem; es soll eine Katzenmusik dem Hrn. Kochs gebracht werden, und das glückliche Volk begleitete die Bürgerwehr. Es hatte noch nie eine derartige Musik gehört, es war im guten Glauben, die Bürgerwehr wolle ein Spalier bilden für die Katzenmusikanten. Kein gemüthlicheres Volk giebt es als hier am Orte, so ruhig, so gänzlich harmlos, und doch mißtraut man ihm, fürchtet es sogar, und das ist bitterer als Wermuth. Eine Katzenmusik fand demnach nicht statt, kein Musikant war am Platze, todt und leer war alles. Einige Neugierige wurden den Abend durch Polzisten verhaftet, sofort aber durch den wachehabenden Bürgerwehrhauptmann in Freiheit gesetzt; ein kleines achtjähriges Würmchen erhielt einen unbedeutenden Stockhieb und ein Buchbinder einen flachen, mithin auch unschuldigen Säbelhieb; darauf ging dann Bürgerwehr, Polizei und Volk ruhig schlafen. Dem jetzt aus Berlin zurückgekommenen Deputirten Arnttz, der stets auf der Rechten saß als echter doktrinärer Brüsseler Professor und erst zuletzt aus konstitutioneller Entrüstung den Ministerialismus aufgab, sollte ein feierlicher Fackelzug gebracht werden, auch ein Beweis der politischen Unschuld in Cleve und umliegenden Ortschaften. Wir vergessen leicht. Ein Fackelzug für Hrn. Arntz ist doch so unschuldig wie nur etwas; bei alledem aber ward er verboten, weil durch den Steuerverweigerungsbeschluß Zwiespalt und Unruhe im Lande enstanden sei. Ein Fackelzug und ein Steuerverweigerungsbeschluß, wie reimen sich die zusammen? Nicht dem Hrn. Arntz, ahnte die Regierung, sondern der Steuerverweigerung galt dieser Fackelzug. Die Seele aller dieser Maßregeleien scheint ein Mann zu sein, der die seit 200 Jahren dem Hause der Hohenzollern in treuester Liebe ergebene Stadt, in Belagerungstand versetzt wissen möchte; ein Mann, der im März und April jeden Menschen Freund und Bruder nannte, mit jedem freundlich that, sogar mit der Kanaille Schnaps trank, Bruderküsse erhielt, und jetzt? wie ist doch Alles so ganz anders geworden! 71 Münster, 12. Dezbr. Unsere Militärbureaukratie hat wieder einmal eine Probe ihrer Thätigkeit abgelegt, die hinter den ältern in der 7. Artilleriebrigade seiner Zeit vielbesprochenen Proben nicht zurücksteht. Diesmal ist es der Lieutenant und Dr. phil. v. Bruchhausen (Bruder des Abgeordneten zur Berliner Nationalversammlung), welcher zur Zeit der hier stattgehabten Anneke'schen Prozesse nach Luxemburg kommandirt und jetzt das Opfer der offen und geheim täglich frecher wirkenden Partei gewordrn. Am 18. März befand er sich in Berlin und war Augenzeuge der dortigen Ereignisse. Der Tod seines Freundes, des Lieutenant Tüpke, wurde Veranlassung, daß er damals einen Aufruf „An sämmtliche Berliner“ drucken und vertheilen ließ. Schon bei dieser Gelegenheit beabsichtigte man Etwas gegen ihn; aber man begnügte sich vorläufig mit seiner Zurückversetzung zu seiner Brigade. Ein Kriegsgericht wurde nicht beantragt, weil man keinen haltbaren Grund finden konnte und ein Ehrengericht?! Man hat damals förmlich bei den Offizieren der Brigade rundgefragt, „ob sich dieser Fall zu einem Ehrengerichte eigne?“ Die Offiziere, die in ihrer Majorität längst das unsinnige Institut der preußischen Ehrengerichte haßten, sprachen sich auch diesmal gegen ein Ehrengericht aus. Später hat der Lieutenant v. B. in öffentlichen Blättern auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die uns von Seiten der Russen drohten. Er hat den russischen Staat als Staat der Knechtschaft und Lüge hingestellt, kurz, sehr viel gegen die Russen geschrieben. Alle diese verschiedenen Artikel hat er mit seinem Namen und seiner Charge unterzeichnet. Dies war den Herren vom Militär etwas zu arg. Der Kommandeur, Major Leonhard, ließ ihn zu sich bescheiden und verwies ihm sein öffentliches Auftreten gegen die Russen. Er, als preußischer Offizier (!) dürfe eine „befreundete Macht“ (!!) auf diese Weise nicht angreifen. Er solle überhaupt das Schreiben gegen die Russen unterlassen (!!!) Lieutenant v. B. kehrte sich indessen nicht daran. Vorläufig ließ man ihn zwar in Ruhe. Nach dem Falle Wiens aber, am 2. November, sagte ihm sein Kommandeur: wenn er sein feindliches Auftreten gegen die Russen nicht lassen könne, so möchte er als invalide seinen Abschied nehmen. Einmal ist nun B. nichts weniger wie invalide, anderntheils wollte er aber auch sehen, wie weit man es mit ihm in dieser Beziehung treiben würde. Er erklärte also, nicht abgehen zu wollen. Seiner Russenfeindschaft wegen, die er gewagt hat, offen und ohne Rückhalt auszusprechen, will man ihn à tout prix aus der Armee heraus haben; deshalb sagte ihm sein Kommandeur: „Man würde beantragen, daß er zur Disposition gestellt werde, weil er (der bereits seit 12 Jahren bei der Artillerie dient) dienstlich unbrauchbar sei. Durch das viele Studiren habe er den praktischen Blick verloren etc. v. B. that seit dieser Zeit keinen Dienst mehr und erwartete, daß er jetzt mit Gewalt aus der Armee entfernt wird, trotzdem daß nichts, als seine Abneigung gegen die Russen gegen ihn vorliegt. Gestern hat er nun wirklich seinen Abschied erhalten, in welchem sich noch die Phrase findet: aus Gnaden mit Pension.“ Das herzlichste Einverständniß zwischen den hohen Verschwornen von Potsdam, Berlin und Petersburg erfordert, wie sich von selbst versteht, die Entfenung jedes Offiziers, der sich nicht zum Werkzeug der kosakisch-preußischen Contrerevolution mißbrauchen lassen will. 14 Berlin, 15. Dez. Es ist Weihnachtsmarkt, und alle Welt vergnügt mit Ausnahme der Mißvergnügten. Es ist so wie im vorigen Jahre, mit der Ausnahme, daß es schlechter ist. Wer sich jetzt amüsiren will, hat Gelegenheit vollauf dazu, aber seltsam genug, Niemand amüsirt sich. Da spazieren die belagerten oktroyirten Verfassungs-Unterthanen mit gähnenden Mäulern zu Kroll oder in Sommers Salons, nach Villa Colonna oder in die neue Konversationshalle auf dem Dönhofsplatze. Ueberall ist prachtvoller Schimmer und ödeste Langeweile. Nur „Lucifers Töchter“ im Königsstädtischen Theater machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme, wogegen wiederum Held's Puppenspiel in Mylius-Hotel nicht viel Erquickliches bietet. Der große Held! Vor Kurzem noch der Mann des Volkes und nun der Affe des Volkes. Tempora mutantur — gedankt sei Dir, Vater Wrangel! Der Weihmachtsmarkt ist gut und reichlich ausgestattet, was nicht wohl anders sein kann, weil die Hälfte der Verkäufer — Ausverkauf hält. Vater Wrangel hat es sich nun einmal vorgenommen, daß Gras in Berlin's Straßen wachsen soll. Was der Revolution nicht gelungen, wird dem Belagerungszustand gelingen. Vielleicht aber ist der Erlöser nahe. Im Vertrauen sagte mir gestern ein junger Kaufmann, er wisse aus sicherer Quelle, daß am 20. d. das ganze königliche Haus in Berlin erscheinen werde, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Der junge Kaufmann freute sich auf die Friedrichsd'or (die Leute haben noch Geld), wir freuen uns auf die strahlenden selbstzufriedenen Gesichter, der Abwechselung wegen. Gehen wir nämlich jetzt auf den Weihnachtsmarkt, so begegnen uns dutzendweise die Paupers und namentlich arme Weiber mit schreienden Würmern auf den Armen, die Alle nach den glänzenden Sachen verlangen, aber nichts kriegen, weil — die Leute kein Geld haben. Von Politik schreibe ich Ihnen nichts — es gibt keine. * Berlin, 16. Dezember. D'Ester hat gestern einen Zwangspaß erhalten und ist nach Cöthen gegangen, wohin der Centralausschuß der Demokraten verlegt ist. 68 Berlin, 16. Dez. Gestern ist endlich in dem Dowiat'schen Prozeß das Urtel gesprochen worden, und zwar zum ersten Mal unter der durch die Verfassung festgesetzten Formel: „Im Namen des Königs etc. Die beiden Hauptangeschuldigten, Dowiat und der Handlungsdiener Müller, sind als des Aufruhrs schuldig beide zu 6 Jahren Festung kondemnirt. Von den übrigen Angeklagten sind als der Theilnahme des Aufruhrs schuldig 4 zu 6 Jahr Strafarbeit, 2 zu 3 Jahr, 2 zu 1 Jahr und 1 zu 6 Monat verurtheilt; 5 sind von der Anklage entbunden und 1 der thätlichen Widersetzlichkeit nicht schuldig erklärt worden. X Breslau, 15. Dez. Der Bürgerwehrkongreß für Preußen wurde heute früh um 10 Uhr eröffnet. Der Saal war militärisch mit Waffen, Trommeln und Fahnen geschmackvoll dekorirt, unter letztern befand sich sogar eine — rothe. Der zeitige Oberst Engelmann hielt eine kurze Anrede, worin er als Vorlage entwickelt: die Verbesserung des Bürgerwehrgesetzes und die Organisation der Bürgerwehr selbst. Angemeldet waren 55 Wehrmänner. Die Versammlung schreitet dann zur Wahl des Büreaus — durch Stimmzettel. Nachdem einige der Herren mit feinen Komplimenten für die Ehre, Präsident zu sein, gedankt hatten, wurde als solcher proklamirt: Engelmann, der, nebenbei gesagt, vorher sich geweigert hatte, dieses Amt zu bekleiden. Vicepräsidenten wurden: Pfeiffer aus Breslau und Schücker aus Breslau. Plötzlich tagt es bei den Herren Kameraden, und die Sekretäre werden durch

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 172. Köln, 19. Dezember 1848, S. 0928. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz172_1848/2>, abgerufen am 24.04.2024.