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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 178. Köln, 25. Dezember 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 178. Köln, Montag den 25. Dezember. 1848.

Bestellungen auf die "Neue Rheinische Zeitung" für das nächste Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.

Für Frankreich übernimmmt Abonnements das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die königlichen Briefpostämter, für Großbrittanien: das königl. belgische Briefpostamt in Ostende.

Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.

Die Redaktion bleibt unverändert.

Die bisherigen Monatsgänge der "Neuen Rheinischen Zeitung" sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die "N. Rh. Ztg." ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.

Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.Die Gerantur der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Wegen des ersten Weihnachtsfeiertages fällt die Dienstagsnummer aus.

Uebersicht.

Deutschland. Neuwied. (Verhaftungen.) Berlin. (Waldeck und Esser. -- Observationskorps am Rhein. -- Mißtrauensadresse an die Stadtverordneten. -- Preßprozeß des Abgeordneten Berends. -- Waldeck's Antwort an Mühler. -- Vermischtes.) Wien. (Fortdauer des "Zusammentreffens von Umständen". -- Wünschende Handelskammer. -- Ueber die Verhaftungsaussichten. -- Die Standrechtspresse über Blum's Ermordung. -- Die Wahl Bonaparte's und die östr.-offizielle Presse. -- Der Krieg gegen Ungarn. -- Angebl. Aufhebung eines Klubs. -- Offizielle Lügen. -- Drittes Armeebülletin.) Kremsier. (Reichstag.) Ratibor. (Das Oberlandesgericht und Herr v. Kirchmann. -- Kirchmann's Ankunft.) Breslau. (Aus dem Eulengebirge. -- Verfahren der österr. Regierung gegen Häfner.) Merseburg. (Politische Untersuchungen.) Erfurt. (Landwehrauflösung.) München. (Entlassung des März-Ministeriums.) Sigmaringen. (Der Fürst will das Land an Preußen abtreten.) Frankfurt. (National-Versammlung. -- Schmerling's Reise nach Olmütz.)

Italien. (Gioberti's Programm. -- Angebl. Abdankung Karl Albert's. -- Ueberschreiten des Po durch die Oesterreicher. -- Aus Rom und Gaeta.

Französische Republik. Paris. (Vermischtes.)

Ungarn. Pesth. Beschluß des Reichstags wegen der österreichischen Thronveränderung. -- Eine Rede des Deputirten Madarasz.)

Deutschland.
Koblenz, 23. Dez.

Aus Neuwied erfahren wir, daß einige junge Leute von hier, welche bei der Landwehr dort stehen, wegen politischer Aeußerungen verhaftet worden und bereits in das Militär-Arresthaus dahier abgeführt sind.

(Rh.-u. Mztg.)
* Berlin, 22. Dezember.

Selten hat ein Aktenstück einen so allgemeinen günstigen und ergreifenden Eindruck gemacht als der gestern veröffentlichte Brief Waldeck's an den Präsidenten Mühler. Selbst Waldeck's politische Gegner anerkennen und rühmen, die Würde, Ruhe und Klarheit mit welcher Waldeck seine Kollegen in die wahre Schranken ihrer Kompetenz zurückweist und Jedermann bewundert die Parteilosigkeit der Darstellung, welche nicht im Entferntesten den Charakter trägt als rühre sie von einem Betheiligten oder gar Angeklagten her. Der Mühler-Waldeck'sche Briefwechsel erscheint heute schon in einem besondern Abdruck und wird wahrscheinlich zahlreiche Käufer finden, so daß unserer Bettel Boß die gestrige Zurückweisung und heutige perfide auszugsweise Mittheilung durchaus nichts helfen wird. Der Brief wird in das Volk dringen und der gesunde Sinn des Volkes wird zu würdigen wissen, wer seine Pflichten besser erfüllt hat, Waldeck oder seine Kollegen. Wie tief dieser Brief in die öffentliche Meinung eingeschnitten, kann übrigens schon der heutige, gegen das Ober-Tribunal gerichtete, verhältnißmäßig sehr entschiedene Artikel der Spenerschen Zeitung zeigen. Das Ober-Tribunal hat übrigens durch dieses sein Verfahren gegen Waldeck, den Keim dazu gelegt, daß eine an und für sich schon höchst verwickelte Angelegenheit, noch verwickelter, ja ein unlösbarer gordischer Knoten werde. Falls nämlich der Monsterprozeß gegen die Urheber und Verbreiter des Steuer-Verweigerungsbeschlusses wirklich noch zur Verhandlung gelangt, ist die Möglichkeit der dritten Instanz von vornherein abgeschnitten, da Waldeck und alle Mitangeklagten das vollste Recht haben das Ober-Tribunal zu perhorresciren. Wir reihen hieran noch die Mittheilung, daß unter dem jüngern Richterstande der Residenz eine Manifestation der Sympathie für Waldeck unter der Form einer Ansprache an das Land über die wahre Stellung des Richters in politischen Dingen sich vorbereitet.

Der Abgeordnete Esser hatte auch bis heute Nachmittag noch keine direkte Kunde von dem in der gestrigen "deutschen Reform" veröffentlichten Brief seiner Kollegen. Die Indiscretion dieser vorzeitigen Mittheilung an das genannte Blatt schreibt man hier allgemein der gehässigen Parteileidenschaft von Esser's doppelten und doppelt unwürdigem Kollegen v. Daniels zu.

In Folge einer gestern Abend erhaltenen Aufforderung erschien heute Vormittag der interimistische Redakteur der Zeitungshalle Dr. A. Wolff vor dem Polizei-Präsidenten welcher ihm folgende Mittheilung machte: Der Oberbefehlshaber der Marken beauftragt mich, Ihnen anzuzeigen, daß, falls die außerhalb Berlins erscheinende Zeitunghalle in Berlin oder dessen zweimeiligem Umkreise verbreiten werde, Sie sofort verhaftet werden sollen, wenn Sie sich hier oder im erwähnten Rayon betreffen lassen. Die Zeitungs-Halle wird übrigens Trotz alle dem und alle dem nächster Tage in Neustadt-Eberswalde erscheinen.

Trotz aller bramarbasirenden und siegestrunkenen Reden an Deputationen etc. soll die Stimmung bei Hofe immer noch eine schwankende sein. Die Freude des momentanen Wohlbehagens wird noch gar oft durch Rückschläge von Furcht getrübt und vergällt. Düstere Visionen von einem nahen Erwachen des jetzt schlummernden Löwen der Demokratie drängen sich oft zwischen die lachenden Bilder, welche das kohlensaure Gas von Eperney hervorruft. Man spricht sogar, -- doch dies wollen wir weniger verbürgen -- daß vor Zusammentritt der Kammern ein Ministerwechsel in Aussicht steht, und daß ein solcher schon unmittelbar nach Oktroyirung der Verfassung eingetreten wäre, hätten sich irgendwie präsentable Nachfolger des jetzigen Kabinets finden lassen. --

Eine Mittheilung unserer heutigen Morgenblätter Betreffs der Observationsarmee, die am Rhein binnen Kurzem zusammengezogen werden soll, können wir dahin berichtigen und ergänzen, daß dieselbe nicht 120-150,000 Mann, sondern nur 60,000 Mann stark sein und den Rheinländern das Vergnügen bereiten wird, unsern jetzigen pommerschen Diktator persönlich kennen zu lernen. General Wrangel soll nämlich das Kommando dieser Observationsarmee übernehmen und hier an General Colomb aus Posen seinen Nachfolger finden. Hiermit steht das seit einigen Tagen viel verbreitete Gerücht im Zusammenhang, es werde der Belalagerungszustand der Residenz zu Neujahr aufhören. Dasselbe scheint uns jedoch der Bestätigung noch sehr zu bedürfen.

Seit heute cirkulirt hier und findet zahlreiche Unterschriften folgende Adresse an die Stadtverordneten-Versammlung:

"Die Stadtverordneten-Versammlung hat nach langen Debatten in ihrer Sitzung vom 14. d. M. mit einer Majorität von 3 Stimmen eine Dankadresse wegen der octroyirten Verfassung beschlossen und auf diese Weise die Haltung, welche der Magistrat in der letzten Zeit eingenommen hat, im Allgemeinen gebilligt."

"Wir, die Unterzeichneten, können nicht umhin, der Minorität der Versammlung offen unsere Zustimmung und unsern Dank auszusprechen. Wir sind nicht der Meinung, daß das Wohl der Stadt oder des Staates dadurch gefördert wird, daß man jeden gewaltsamen Umsturz der Rechtsverhältnisse anerkennt, daß man sich heute für die Revolution und morgen für die Kontrerevolution erklärt, daß man keine andere Politik kennt, als die Politik der vollendeten Thatsachen, die Politik der dankbaren Unterwerfung unter die Dekrete des Siegers."

"Ein gewaltsamer Umsturz der Rechtsverhältnisse liegt vor: die Gesetze vom März und April, die Errungenschaften der Revolution, die Grundlagen des neuen Rechts, dessen Grundzüge die Nationalversammlung festzustellen berufen war, sind unter der Herrschaft der Waffen willkürlich verändert oder ganz aufgehoben. Unser Rechtsgefühl weist die Kontrerevolution zurück, und wenn viele im Volk im gegenwärtigen Augenblick getäuscht oder mißleitet sind, so hätte es den Vertretern der Stadt Berlin vor allen zugestanden, festzuhalten an dem guten Recht, welches Berlin erkämpft hat; sie vor Allen hätten die schöne Aufgabe gehabt, das Rechtsgefühl, wo es erschüttert ist, wieder stark zu machen und der gefährlichen Demoralisation, welche entsteht, wenn man die Gewalt als die Quelle des Rechtes, den eigenen Vortheil als den Maßstab des Handelns anzusehen sich gewöhnt, mannhaft entgegenzutreten."

Wir, die Unterzeichneten, können weder das Recht der Krone zur Oktroyirung einer Verfassung, noch die Vortrefflichkeit dieser Verfassung selbst anerkennen. Wir sind überzeugt, daß die Maßregel der Oktroyirung im höchsten Grade gefährlich ist für das Land und für unsere Stadt, weil sie die Entscheidung, nach der wir uns alle sehnen, wiederum aufschiebt und die lange Krisis noch mehr verlängert, weil sie das Rechtsgefühl im Volke verwirrt, und weil sie endlich nur unter finanziellen Opfern erzwungen werden konnte, welche den Nationalwohlstand aufs tiefste erschüttern müssen!

"Wir müssen daher mit Bedauern erklären, daß die Majorität der Stadtverordnetenversammlung diese Gefahren übersehen und ihre Aufgabe gänzlich verkannt hat."

(Folgen die Unterschriften.)

Vor der zweiten Abtheilung unsers Kriminalgerichts standen heute der Abgeordnete Berends und Hr. Krause als gemeinschaftliche Besitzer der hiesigen Krause'schen Buchdruckerei. Sie waren auf Grund des §. 3 des Gesetzes vom 17. März 1848 vorgeladen worden, weil auf einem in ihrer Offizin gedruckten Petitionsbericht der Nat.-Vers. die Druckerfirma nicht angegeben war. Die Vertheidigung machte geltend, es sei dies ein offizielles Dokument gewesen, es habe daher die Angabe der Druckerfirma nicht bedurft, wie ja auch die Gesetzsammlung, die bisherigen Druckschriften der Nat.-Vers. und des vereinigten Landtages, des Fremdenblattes, des Amtsblatts und ähnliche amtliche Publikationen ohne Angabe der Druckerfirma erschienen seien und fortwährend erschienen. Der Staatsanwalt wandte hiergegen ein, das der Anklage zu Grunde liegende Druckstück rühre aus der Zeit nach dem 9. Nov. her, wo es keine Nat.-Vers. mehr gegeben habe, könne also nicht als ein amtliches betrachtet werden. Der Gerichtshof war so auf den heißen Boden der schwebenden Controverse geführt, zog sich aber sehr geschickt aus der Verlegenheit, indem er, an dem Buchstaben des Gesetzes festhaltend, sein Urtheil dahin sprach: Hr. Krause als eigentlicher Geschäftsführer der Druckerei habe eine Ordnungsstrafe von 5 Thlr. zu zahlen, weil jede Drucksache ohne allen Unterschied, dem obenerwähnten §. genügen müsse; wenn der Staatsanwalt [Fortsetzung]

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

Zweite Abtheilung. -- Fünftes Kapitel.

Der Ritter stand vor der Herzogin und zierlich bog er sich hinab, ihre Hand zu küssen. Der Handkuß ist die beste Ouvertüre zu dem Gespräch mit einer Dame. Die Adligen kultiviren den Handkuß, -- wir Bürgerlichen höchstens die Kußhand. Die Adligen haben den Handkuß vor uns voraus; es giebt nichts passenderes und graziöseres als einer schönen Dame passend und graziös die Hand zu küssen. Während sich die Dame majestätisch emporrichtet und den Kopf in den seligen Nacken wirft, daß die kohlschwarzen Locken wie verliebte Schlangen um den alabasternen Hals flattern: beugt der Ritter seinen unterthänigen Rücken und drückt den Kuß auf die zierliche, souveräne Rechte, höfliche Grüße winselnd, süße Betheuerungen und galante Lügen. Giebt es etwas liebenswürdigeres als den Handkuß? Wenn man mit der Hand anfängt, wer weiß, wo man aufhört!

Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolitat der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht!

Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrack ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf's Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur immer möglich: "Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören -- ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrette!"

Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln -- sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: "Am ersten Tage", fuhr er fort, "lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken, und schuf die trockne, solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf was sich regt in den Höh'n und den Tiefen -- am sechsten Tage seufzte er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende."

Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde -- murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh'n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph. Hat man je etwas tolleres erlebt?

Die Herzogin hatte sich indeß aufmerksamer emporgerichtet. Sie warf den rothen Kaschmirshawl in geheimnißvollere Falten, und dem Ritter das adlige Profil zeigend, den Handschuh der zierlichen Hand und den kleinen Fuß, erwiederte Sie mit freundlichem Lächeln: ""Aber, in der That, Herr Ritter, Sie führen eine wahre Seufzer-Konversation; Sie müssen entsetzlich unglücklich sein --""

"Entsetzlich! gnädige Frau --"

""Aber geistreiche Leute sollten nie unglücklich sein; wenigstens sollten sie nie so sehr an ihrem Glück verzweifeln, daß sie sich länger als einen Tag lang ärgerten, oder ennuyirten. -- Sagen Sie mir aufrichtig, Herr Ritter, sind Sie seit gestern unglücklich, oder seit heute?""

"Seit zehn Minuten, gnädige Frau!" -- Der Ritter faltete die Hände und sah die Herzogin mit schwärmerischen Augen an. Die Herzogin hätte tausend Louisd'or darum gegeben, wenn es ihr möglich gewesen wäre, in diesem Augenblick leise zu erröthen.

-- Seh'n Sie nur, wie er wedelt und scharwenzelt, murmelte der Graf. -- Wie ein junger Hund vor einer alten Katze, erwiederte der Baron. -- Ich hätte ihn nie für einen so großen Komödianten gehalten. -- Er hat sich 20 Jahre lang jeden Tag vor dem Spiegel im Gestikuliren geübt. -- Es ist gar kein Zweifel mehr, daß er die Herzogin erobert. -- Gott sei gedankt, so erobere ich die vier Hengste! -- Graf und Baron zogen sich etwas zurück und unser Schnapphahnski fuhr fort, seine Liebesleiden so rührend zu entwickeln, wie noch nie ein Ritter vor ihm.

Mit jeder Sekunde wurde seine Beredtsamkeit blumenreicher und ergreifender; seine Worte galoppirten wie geflügelte Rosse über die Hindernisse der kitzlichsten aller Unterredungen: Wie ein Dichter in dem windstillen Raume seines Studierzimmers sich so lebhaft in den fürchterlichsten Sturm auf offener See versetzen kann, daß er während der Schilderung desselben unwillkührlich nach dem Kopfe greift, um den Hut festzuhalten, so wußte Herr v. Schnapphahnski, in der Nähe einer fast sechszigjährigen Dame, der Art die Gegenwart eines blutjungen unschuldigen Kindes heraufzubeschwören, daß er wahre Wunder der Naivetät beging und die Her-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 178. Köln, Montag den 25. Dezember. 1848.

Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das nächste Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.

Für Frankreich übernimmmt Abonnements das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die königlichen Briefpostämter, für Großbrittanien: das königl. belgische Briefpostamt in Ostende.

Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.

Die Redaktion bleibt unverändert.

Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.

Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Wegen des ersten Weihnachtsfeiertages fällt die Dienstagsnummer aus.

Uebersicht.

Deutschland. Neuwied. (Verhaftungen.) Berlin. (Waldeck und Esser. — Observationskorps am Rhein. — Mißtrauensadresse an die Stadtverordneten. — Preßprozeß des Abgeordneten Berends. — Waldeck's Antwort an Mühler. — Vermischtes.) Wien. (Fortdauer des „Zusammentreffens von Umständen“. — Wünschende Handelskammer. — Ueber die Verhaftungsaussichten. — Die Standrechtspresse über Blum's Ermordung. — Die Wahl Bonaparte's und die östr.-offizielle Presse. — Der Krieg gegen Ungarn. — Angebl. Aufhebung eines Klubs. — Offizielle Lügen. — Drittes Armeebülletin.) Kremsier. (Reichstag.) Ratibor. (Das Oberlandesgericht und Herr v. Kirchmann. — Kirchmann's Ankunft.) Breslau. (Aus dem Eulengebirge. — Verfahren der österr. Regierung gegen Häfner.) Merseburg. (Politische Untersuchungen.) Erfurt. (Landwehrauflösung.) München. (Entlassung des März-Ministeriums.) Sigmaringen. (Der Fürst will das Land an Preußen abtreten.) Frankfurt. (National-Versammlung. — Schmerling's Reise nach Olmütz.)

Italien. (Gioberti's Programm. — Angebl. Abdankung Karl Albert's. — Ueberschreiten des Po durch die Oesterreicher. — Aus Rom und Gaëta.

Französische Republik. Paris. (Vermischtes.)

Ungarn. Pesth. Beschluß des Reichstags wegen der österreichischen Thronveränderung. — Eine Rede des Deputirten Madarasz.)

Deutschland.
Koblenz, 23. Dez.

Aus Neuwied erfahren wir, daß einige junge Leute von hier, welche bei der Landwehr dort stehen, wegen politischer Aeußerungen verhaftet worden und bereits in das Militär-Arresthaus dahier abgeführt sind.

(Rh.-u. Mztg.)
* Berlin, 22. Dezember.

Selten hat ein Aktenstück einen so allgemeinen günstigen und ergreifenden Eindruck gemacht als der gestern veröffentlichte Brief Waldeck's an den Präsidenten Mühler. Selbst Waldeck's politische Gegner anerkennen und rühmen, die Würde, Ruhe und Klarheit mit welcher Waldeck seine Kollegen in die wahre Schranken ihrer Kompetenz zurückweist und Jedermann bewundert die Parteilosigkeit der Darstellung, welche nicht im Entferntesten den Charakter trägt als rühre sie von einem Betheiligten oder gar Angeklagten her. Der Mühler-Waldeck'sche Briefwechsel erscheint heute schon in einem besondern Abdruck und wird wahrscheinlich zahlreiche Käufer finden, so daß unserer Bettel Boß die gestrige Zurückweisung und heutige perfide auszugsweise Mittheilung durchaus nichts helfen wird. Der Brief wird in das Volk dringen und der gesunde Sinn des Volkes wird zu würdigen wissen, wer seine Pflichten besser erfüllt hat, Waldeck oder seine Kollegen. Wie tief dieser Brief in die öffentliche Meinung eingeschnitten, kann übrigens schon der heutige, gegen das Ober-Tribunal gerichtete, verhältnißmäßig sehr entschiedene Artikel der Spenerschen Zeitung zeigen. Das Ober-Tribunal hat übrigens durch dieses sein Verfahren gegen Waldeck, den Keim dazu gelegt, daß eine an und für sich schon höchst verwickelte Angelegenheit, noch verwickelter, ja ein unlösbarer gordischer Knoten werde. Falls nämlich der Monsterprozeß gegen die Urheber und Verbreiter des Steuer-Verweigerungsbeschlusses wirklich noch zur Verhandlung gelangt, ist die Möglichkeit der dritten Instanz von vornherein abgeschnitten, da Waldeck und alle Mitangeklagten das vollste Recht haben das Ober-Tribunal zu perhorresciren. Wir reihen hieran noch die Mittheilung, daß unter dem jüngern Richterstande der Residenz eine Manifestation der Sympathie für Waldeck unter der Form einer Ansprache an das Land über die wahre Stellung des Richters in politischen Dingen sich vorbereitet.

Der Abgeordnete Esser hatte auch bis heute Nachmittag noch keine direkte Kunde von dem in der gestrigen „deutschen Reform“ veröffentlichten Brief seiner Kollegen. Die Indiscretion dieser vorzeitigen Mittheilung an das genannte Blatt schreibt man hier allgemein der gehässigen Parteileidenschaft von Esser's doppelten und doppelt unwürdigem Kollegen v. Daniels zu.

In Folge einer gestern Abend erhaltenen Aufforderung erschien heute Vormittag der interimistische Redakteur der Zeitungshalle Dr. A. Wolff vor dem Polizei-Präsidenten welcher ihm folgende Mittheilung machte: Der Oberbefehlshaber der Marken beauftragt mich, Ihnen anzuzeigen, daß, falls die außerhalb Berlins erscheinende Zeitunghalle in Berlin oder dessen zweimeiligem Umkreise verbreiten werde, Sie sofort verhaftet werden sollen, wenn Sie sich hier oder im erwähnten Rayon betreffen lassen. Die Zeitungs-Halle wird übrigens Trotz alle dem und alle dem nächster Tage in Neustadt-Eberswalde erscheinen.

Trotz aller bramarbasirenden und siegestrunkenen Reden an Deputationen etc. soll die Stimmung bei Hofe immer noch eine schwankende sein. Die Freude des momentanen Wohlbehagens wird noch gar oft durch Rückschläge von Furcht getrübt und vergällt. Düstere Visionen von einem nahen Erwachen des jetzt schlummernden Löwen der Demokratie drängen sich oft zwischen die lachenden Bilder, welche das kohlensaure Gas von Eperney hervorruft. Man spricht sogar, — doch dies wollen wir weniger verbürgen — daß vor Zusammentritt der Kammern ein Ministerwechsel in Aussicht steht, und daß ein solcher schon unmittelbar nach Oktroyirung der Verfassung eingetreten wäre, hätten sich irgendwie präsentable Nachfolger des jetzigen Kabinets finden lassen. —

Eine Mittheilung unserer heutigen Morgenblätter Betreffs der Observationsarmee, die am Rhein binnen Kurzem zusammengezogen werden soll, können wir dahin berichtigen und ergänzen, daß dieselbe nicht 120-150,000 Mann, sondern nur 60,000 Mann stark sein und den Rheinländern das Vergnügen bereiten wird, unsern jetzigen pommerschen Diktator persönlich kennen zu lernen. General Wrangel soll nämlich das Kommando dieser Observationsarmee übernehmen und hier an General Colomb aus Posen seinen Nachfolger finden. Hiermit steht das seit einigen Tagen viel verbreitete Gerücht im Zusammenhang, es werde der Belalagerungszustand der Residenz zu Neujahr aufhören. Dasselbe scheint uns jedoch der Bestätigung noch sehr zu bedürfen.

Seit heute cirkulirt hier und findet zahlreiche Unterschriften folgende Adresse an die Stadtverordneten-Versammlung:

„Die Stadtverordneten-Versammlung hat nach langen Debatten in ihrer Sitzung vom 14. d. M. mit einer Majorität von 3 Stimmen eine Dankadresse wegen der octroyirten Verfassung beschlossen und auf diese Weise die Haltung, welche der Magistrat in der letzten Zeit eingenommen hat, im Allgemeinen gebilligt.“

„Wir, die Unterzeichneten, können nicht umhin, der Minorität der Versammlung offen unsere Zustimmung und unsern Dank auszusprechen. Wir sind nicht der Meinung, daß das Wohl der Stadt oder des Staates dadurch gefördert wird, daß man jeden gewaltsamen Umsturz der Rechtsverhältnisse anerkennt, daß man sich heute für die Revolution und morgen für die Kontrerevolution erklärt, daß man keine andere Politik kennt, als die Politik der vollendeten Thatsachen, die Politik der dankbaren Unterwerfung unter die Dekrete des Siegers.“

„Ein gewaltsamer Umsturz der Rechtsverhältnisse liegt vor: die Gesetze vom März und April, die Errungenschaften der Revolution, die Grundlagen des neuen Rechts, dessen Grundzüge die Nationalversammlung festzustellen berufen war, sind unter der Herrschaft der Waffen willkürlich verändert oder ganz aufgehoben. Unser Rechtsgefühl weist die Kontrerevolution zurück, und wenn viele im Volk im gegenwärtigen Augenblick getäuscht oder mißleitet sind, so hätte es den Vertretern der Stadt Berlin vor allen zugestanden, festzuhalten an dem guten Recht, welches Berlin erkämpft hat; sie vor Allen hätten die schöne Aufgabe gehabt, das Rechtsgefühl, wo es erschüttert ist, wieder stark zu machen und der gefährlichen Demoralisation, welche entsteht, wenn man die Gewalt als die Quelle des Rechtes, den eigenen Vortheil als den Maßstab des Handelns anzusehen sich gewöhnt, mannhaft entgegenzutreten.“

Wir, die Unterzeichneten, können weder das Recht der Krone zur Oktroyirung einer Verfassung, noch die Vortrefflichkeit dieser Verfassung selbst anerkennen. Wir sind überzeugt, daß die Maßregel der Oktroyirung im höchsten Grade gefährlich ist für das Land und für unsere Stadt, weil sie die Entscheidung, nach der wir uns alle sehnen, wiederum aufschiebt und die lange Krisis noch mehr verlängert, weil sie das Rechtsgefühl im Volke verwirrt, und weil sie endlich nur unter finanziellen Opfern erzwungen werden konnte, welche den Nationalwohlstand aufs tiefste erschüttern müssen!

„Wir müssen daher mit Bedauern erklären, daß die Majorität der Stadtverordnetenversammlung diese Gefahren übersehen und ihre Aufgabe gänzlich verkannt hat.“

(Folgen die Unterschriften.)

Vor der zweiten Abtheilung unsers Kriminalgerichts standen heute der Abgeordnete Berends und Hr. Krause als gemeinschaftliche Besitzer der hiesigen Krause'schen Buchdruckerei. Sie waren auf Grund des §. 3 des Gesetzes vom 17. März 1848 vorgeladen worden, weil auf einem in ihrer Offizin gedruckten Petitionsbericht der Nat.-Vers. die Druckerfirma nicht angegeben war. Die Vertheidigung machte geltend, es sei dies ein offizielles Dokument gewesen, es habe daher die Angabe der Druckerfirma nicht bedurft, wie ja auch die Gesetzsammlung, die bisherigen Druckschriften der Nat.-Vers. und des vereinigten Landtages, des Fremdenblattes, des Amtsblatts und ähnliche amtliche Publikationen ohne Angabe der Druckerfirma erschienen seien und fortwährend erschienen. Der Staatsanwalt wandte hiergegen ein, das der Anklage zu Grunde liegende Druckstück rühre aus der Zeit nach dem 9. Nov. her, wo es keine Nat.-Vers. mehr gegeben habe, könne also nicht als ein amtliches betrachtet werden. Der Gerichtshof war so auf den heißen Boden der schwebenden Controverse geführt, zog sich aber sehr geschickt aus der Verlegenheit, indem er, an dem Buchstaben des Gesetzes festhaltend, sein Urtheil dahin sprach: Hr. Krause als eigentlicher Geschäftsführer der Druckerei habe eine Ordnungsstrafe von 5 Thlr. zu zahlen, weil jede Drucksache ohne allen Unterschied, dem obenerwähnten §. genügen müsse; wenn der Staatsanwalt [Fortsetzung]

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

Zweite Abtheilung. — Fünftes Kapitel.

Der Ritter stand vor der Herzogin und zierlich bog er sich hinab, ihre Hand zu küssen. Der Handkuß ist die beste Ouvertüre zu dem Gespräch mit einer Dame. Die Adligen kultiviren den Handkuß, — wir Bürgerlichen höchstens die Kußhand. Die Adligen haben den Handkuß vor uns voraus; es giebt nichts passenderes und graziöseres als einer schönen Dame passend und graziös die Hand zu küssen. Während sich die Dame majestätisch emporrichtet und den Kopf in den seligen Nacken wirft, daß die kohlschwarzen Locken wie verliebte Schlangen um den alabasternen Hals flattern: beugt der Ritter seinen unterthänigen Rücken und drückt den Kuß auf die zierliche, souveräne Rechte, höfliche Grüße winselnd, süße Betheuerungen und galante Lügen. Giebt es etwas liebenswürdigeres als den Handkuß? Wenn man mit der Hand anfängt, wer weiß, wo man aufhört!

Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolitat der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht!

Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrack ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf's Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur immer möglich: „Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören — ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrette!“

Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln — sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: „Am ersten Tage“, fuhr er fort, „lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken, und schuf die trockne, solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf was sich regt in den Höh'n und den Tiefen — am sechsten Tage seufzte er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende.“

Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde — murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh'n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph. Hat man je etwas tolleres erlebt?

Die Herzogin hatte sich indeß aufmerksamer emporgerichtet. Sie warf den rothen Kaschmirshawl in geheimnißvollere Falten, und dem Ritter das adlige Profil zeigend, den Handschuh der zierlichen Hand und den kleinen Fuß, erwiederte Sie mit freundlichem Lächeln: „„Aber, in der That, Herr Ritter, Sie führen eine wahre Seufzer-Konversation; Sie müssen entsetzlich unglücklich sein —““

„Entsetzlich! gnädige Frau —“

„„Aber geistreiche Leute sollten nie unglücklich sein; wenigstens sollten sie nie so sehr an ihrem Glück verzweifeln, daß sie sich länger als einen Tag lang ärgerten, oder ennuyirten. — Sagen Sie mir aufrichtig, Herr Ritter, sind Sie seit gestern unglücklich, oder seit heute?““

„Seit zehn Minuten, gnädige Frau!“ — Der Ritter faltete die Hände und sah die Herzogin mit schwärmerischen Augen an. Die Herzogin hätte tausend Louisd'or darum gegeben, wenn es ihr möglich gewesen wäre, in diesem Augenblick leise zu erröthen.

— Seh'n Sie nur, wie er wedelt und scharwenzelt, murmelte der Graf. — Wie ein junger Hund vor einer alten Katze, erwiederte der Baron. — Ich hätte ihn nie für einen so großen Komödianten gehalten. — Er hat sich 20 Jahre lang jeden Tag vor dem Spiegel im Gestikuliren geübt. — Es ist gar kein Zweifel mehr, daß er die Herzogin erobert. — Gott sei gedankt, so erobere ich die vier Hengste! — Graf und Baron zogen sich etwas zurück und unser Schnapphahnski fuhr fort, seine Liebesleiden so rührend zu entwickeln, wie noch nie ein Ritter vor ihm.

Mit jeder Sekunde wurde seine Beredtsamkeit blumenreicher und ergreifender; seine Worte galoppirten wie geflügelte Rosse über die Hindernisse der kitzlichsten aller Unterredungen: Wie ein Dichter in dem windstillen Raume seines Studierzimmers sich so lebhaft in den fürchterlichsten Sturm auf offener See versetzen kann, daß er während der Schilderung desselben unwillkührlich nach dem Kopfe greift, um den Hut festzuhalten, so wußte Herr v. Schnapphahnski, in der Nähe einer fast sechszigjährigen Dame, der Art die Gegenwart eines blutjungen unschuldigen Kindes heraufzubeschwören, daß er wahre Wunder der Naivetät beging und die Her-

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 178. Köln, Montag den 25. Dezember. 1848.</docDate>
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        <p>Bestellungen auf die &#x201E;Neue Rheinische Zeitung&#x201C; für das nächste Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in <hi rendition="#b">Köln</hi> bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), <hi rendition="#b">auswärts</hi> bei allen Postanstalten Deutschlands.</p>
        <p>Für Frankreich übernimmmt Abonnements das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die königlichen Briefpostämter, für Großbrittanien: das königl. belgische Briefpostamt in Ostende.</p>
        <p>Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für <hi rendition="#g">Köln</hi> <hi rendition="#b">nur 1</hi> <hi rendition="#g">Thlr.</hi> <hi rendition="#b">7</hi> <hi rendition="#g">Sgr.</hi> <hi rendition="#b">6</hi> <hi rendition="#g">Pf.</hi>, bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) <hi rendition="#b">nur 1</hi> <hi rendition="#g">Thlr.</hi> <hi rendition="#b">17</hi> Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.</p>
        <p>Die Redaktion bleibt unverändert.</p>
        <p> <hi rendition="#b">Die bisherigen Monatsgänge der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die &#x201E;N. Rh. Ztg.&#x201C; ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.</hi> </p>
        <p><hi rendition="#g">Inserate:</hi> Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p>
        <p>Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.<hi rendition="#b">Die Gerantur der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung.&#x201C;</hi> </p>
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        <p> <hi rendition="#b">Wegen des ersten Weihnachtsfeiertages fällt die Dienstagsnummer aus.</hi> </p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Neuwied. (Verhaftungen.) Berlin. (Waldeck und Esser. &#x2014; Observationskorps am Rhein. &#x2014; Mißtrauensadresse an die Stadtverordneten. &#x2014; Preßprozeß des Abgeordneten Berends. &#x2014; Waldeck's Antwort an Mühler. &#x2014; Vermischtes.) Wien. (Fortdauer des &#x201E;Zusammentreffens von Umständen&#x201C;. &#x2014; Wünschende Handelskammer. &#x2014; Ueber die Verhaftungsaussichten. &#x2014; Die Standrechtspresse über Blum's Ermordung. &#x2014; Die Wahl Bonaparte's und die östr.-offizielle Presse. &#x2014; Der Krieg gegen Ungarn. &#x2014; Angebl. Aufhebung eines Klubs. &#x2014; Offizielle Lügen. &#x2014; Drittes Armeebülletin.) Kremsier. (Reichstag.) Ratibor. (Das Oberlandesgericht und Herr v. Kirchmann. &#x2014; Kirchmann's Ankunft.) Breslau. (Aus dem Eulengebirge. &#x2014; Verfahren der österr. Regierung gegen Häfner.) Merseburg. (Politische Untersuchungen.) Erfurt. (Landwehrauflösung.) München. (Entlassung des März-Ministeriums.) Sigmaringen. (Der Fürst will das Land an Preußen abtreten.) Frankfurt. (National-Versammlung. &#x2014; Schmerling's Reise nach Olmütz.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Gioberti's Programm. &#x2014; Angebl. Abdankung Karl Albert's. &#x2014; Ueberschreiten des Po durch die Oesterreicher. &#x2014; Aus Rom und Gaëta.</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Vermischtes.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Pesth. Beschluß des Reichstags wegen der österreichischen Thronveränderung. &#x2014; Eine Rede des Deputirten Madarasz.)</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head>Koblenz, 23. Dez.</head>
          <p>Aus <hi rendition="#g">Neuwied</hi> erfahren wir, daß einige junge Leute von hier, welche bei der Landwehr dort stehen, wegen politischer Aeußerungen verhaftet worden und bereits in das Militär-Arresthaus dahier abgeführt sind.</p>
          <bibl>(Rh.-u. Mztg.)</bibl>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 22. Dezember.</head>
          <p>Selten hat ein Aktenstück einen so allgemeinen günstigen und ergreifenden Eindruck gemacht als der gestern veröffentlichte Brief Waldeck's an den Präsidenten Mühler. Selbst Waldeck's politische Gegner anerkennen und rühmen, die Würde, Ruhe und Klarheit mit welcher Waldeck seine Kollegen in die wahre Schranken ihrer Kompetenz zurückweist und Jedermann bewundert die Parteilosigkeit der Darstellung, welche nicht im Entferntesten den Charakter trägt als rühre sie von einem Betheiligten oder gar Angeklagten her. Der Mühler-Waldeck'sche Briefwechsel erscheint heute schon in einem besondern Abdruck und wird wahrscheinlich zahlreiche Käufer finden, so daß unserer Bettel Boß die gestrige Zurückweisung und heutige perfide auszugsweise Mittheilung durchaus nichts helfen wird. Der Brief wird in das Volk dringen und der gesunde Sinn des Volkes wird zu würdigen wissen, wer seine Pflichten besser erfüllt hat, Waldeck oder seine Kollegen. Wie tief dieser Brief in die öffentliche Meinung eingeschnitten, kann übrigens schon der heutige, gegen das Ober-Tribunal gerichtete, verhältnißmäßig sehr entschiedene Artikel der Spenerschen Zeitung zeigen. Das Ober-Tribunal hat übrigens durch dieses sein Verfahren gegen Waldeck, den Keim dazu gelegt, daß eine an und für sich schon höchst verwickelte Angelegenheit, noch verwickelter, ja ein unlösbarer gordischer Knoten werde. Falls nämlich der Monsterprozeß gegen die Urheber und Verbreiter des Steuer-Verweigerungsbeschlusses wirklich noch zur Verhandlung gelangt, ist die Möglichkeit der dritten Instanz von vornherein abgeschnitten, da Waldeck und alle Mitangeklagten das vollste Recht haben das Ober-Tribunal zu perhorresciren. Wir reihen hieran noch die Mittheilung, daß unter dem jüngern Richterstande der Residenz eine Manifestation der Sympathie für Waldeck unter der Form einer Ansprache an das Land über die wahre Stellung des Richters in politischen Dingen sich vorbereitet.</p>
          <p>Der Abgeordnete Esser hatte auch bis heute Nachmittag noch keine direkte Kunde von dem in der gestrigen &#x201E;deutschen Reform&#x201C; veröffentlichten Brief seiner Kollegen. Die Indiscretion dieser vorzeitigen Mittheilung an das genannte Blatt schreibt man hier allgemein der gehässigen Parteileidenschaft von Esser's doppelten und doppelt unwürdigem Kollegen v. Daniels zu.</p>
          <p>In Folge einer gestern Abend erhaltenen Aufforderung erschien heute Vormittag der interimistische Redakteur der Zeitungshalle Dr. A. <hi rendition="#g">Wolff</hi> vor dem Polizei-Präsidenten welcher ihm folgende Mittheilung machte: <hi rendition="#g">Der Oberbefehlshaber der Marken beauftragt mich, Ihnen anzuzeigen, daß, falls die außerhalb Berlins erscheinende Zeitunghalle in Berlin oder dessen zweimeiligem Umkreise verbreiten werde, Sie sofort verhaftet werden sollen, wenn Sie sich hier oder im erwähnten Rayon betreffen lassen</hi>. Die Zeitungs-Halle wird übrigens Trotz alle dem und alle dem nächster Tage in Neustadt-Eberswalde erscheinen.</p>
          <p>Trotz aller bramarbasirenden und siegestrunkenen Reden an Deputationen etc. soll die Stimmung bei Hofe immer noch eine schwankende sein. Die Freude des momentanen Wohlbehagens wird noch gar oft durch Rückschläge von Furcht getrübt und vergällt. Düstere Visionen von einem nahen Erwachen des jetzt schlummernden Löwen der Demokratie drängen sich oft zwischen die lachenden Bilder, welche das kohlensaure Gas von Eperney hervorruft. Man spricht sogar, &#x2014; doch dies wollen wir weniger verbürgen &#x2014; daß vor Zusammentritt der Kammern ein Ministerwechsel in Aussicht steht, und daß ein solcher schon unmittelbar nach Oktroyirung der Verfassung eingetreten wäre, hätten sich irgendwie präsentable Nachfolger des jetzigen Kabinets finden lassen. &#x2014;</p>
          <p>Eine Mittheilung unserer heutigen Morgenblätter Betreffs der Observationsarmee, die am Rhein binnen Kurzem zusammengezogen werden soll, können wir dahin berichtigen und ergänzen, daß dieselbe nicht 120-150,000 Mann, sondern nur 60,000 Mann stark sein und den Rheinländern das Vergnügen bereiten wird, unsern jetzigen pommerschen Diktator persönlich kennen zu lernen. General Wrangel soll nämlich das Kommando dieser Observationsarmee übernehmen und hier an General Colomb aus Posen seinen Nachfolger finden. Hiermit steht das seit einigen Tagen viel verbreitete Gerücht im Zusammenhang, es werde der Belalagerungszustand der Residenz zu Neujahr aufhören. Dasselbe scheint uns jedoch der Bestätigung noch sehr zu bedürfen.</p>
          <p>Seit heute cirkulirt hier und findet zahlreiche Unterschriften folgende Adresse an die Stadtverordneten-Versammlung:</p>
          <p>&#x201E;Die Stadtverordneten-Versammlung hat nach langen Debatten in ihrer Sitzung vom 14. d. M. mit einer Majorität von 3 Stimmen eine Dankadresse wegen der octroyirten Verfassung beschlossen und auf diese Weise die Haltung, welche der Magistrat in der letzten Zeit eingenommen hat, im Allgemeinen gebilligt.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Wir, die Unterzeichneten, können nicht umhin, der Minorität der Versammlung offen unsere Zustimmung und unsern Dank auszusprechen. Wir sind nicht der Meinung, daß das Wohl der Stadt oder des Staates dadurch gefördert wird, daß man jeden gewaltsamen Umsturz der Rechtsverhältnisse anerkennt, daß man sich heute für die Revolution und morgen für die Kontrerevolution erklärt, daß man keine andere Politik kennt, als die Politik der vollendeten Thatsachen, die Politik der dankbaren Unterwerfung unter die Dekrete des Siegers.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Ein gewaltsamer Umsturz der Rechtsverhältnisse liegt vor: die Gesetze vom März und April, die Errungenschaften der Revolution, die Grundlagen des neuen Rechts, dessen Grundzüge die Nationalversammlung festzustellen berufen war, sind unter der Herrschaft der Waffen willkürlich verändert oder ganz aufgehoben. Unser Rechtsgefühl weist die Kontrerevolution zurück, und wenn viele im Volk im gegenwärtigen Augenblick getäuscht oder mißleitet sind, so hätte es den Vertretern der Stadt Berlin vor allen zugestanden, festzuhalten an dem guten Recht, welches Berlin erkämpft hat; sie vor Allen hätten die schöne Aufgabe gehabt, das Rechtsgefühl, wo es erschüttert ist, wieder stark zu machen und der gefährlichen Demoralisation, welche entsteht, wenn man die Gewalt als die Quelle des Rechtes, den eigenen Vortheil als den Maßstab des Handelns anzusehen sich gewöhnt, mannhaft entgegenzutreten.&#x201C;</p>
          <p>Wir, die Unterzeichneten, können weder das Recht der Krone zur Oktroyirung einer Verfassung, noch die Vortrefflichkeit dieser Verfassung selbst anerkennen. Wir sind überzeugt, daß die Maßregel der Oktroyirung im höchsten Grade gefährlich ist für das Land und für unsere Stadt, weil sie die Entscheidung, nach der wir uns alle sehnen, wiederum aufschiebt und die lange Krisis noch mehr verlängert, weil sie das Rechtsgefühl im Volke verwirrt, und weil sie endlich nur unter finanziellen Opfern erzwungen werden konnte, welche den Nationalwohlstand aufs tiefste erschüttern müssen!</p>
          <p>&#x201E;Wir müssen daher mit Bedauern erklären, daß die Majorität der Stadtverordnetenversammlung diese Gefahren übersehen und ihre Aufgabe gänzlich verkannt hat.&#x201C;</p>
          <p>(Folgen die Unterschriften.)</p>
          <p>Vor der zweiten Abtheilung unsers Kriminalgerichts standen heute der Abgeordnete <hi rendition="#g">Berends</hi> und Hr. <hi rendition="#g">Krause</hi> als gemeinschaftliche Besitzer der hiesigen Krause'schen Buchdruckerei. Sie waren auf Grund des §. 3 des Gesetzes vom 17. März 1848 vorgeladen worden, weil auf einem in ihrer Offizin gedruckten Petitionsbericht der Nat.-Vers. die Druckerfirma nicht angegeben war. Die Vertheidigung machte geltend, es sei dies ein offizielles Dokument gewesen, es habe daher die Angabe der Druckerfirma nicht bedurft, wie ja auch die Gesetzsammlung, die bisherigen Druckschriften der Nat.-Vers. und des vereinigten Landtages, des Fremdenblattes, des Amtsblatts und ähnliche amtliche Publikationen ohne Angabe der Druckerfirma erschienen seien und fortwährend erschienen. Der Staatsanwalt wandte hiergegen ein, das der Anklage zu Grunde liegende Druckstück rühre aus der Zeit nach dem 9. Nov. her, wo es keine Nat.-Vers. mehr gegeben habe, könne also nicht als ein amtliches betrachtet werden. Der Gerichtshof war so auf den heißen Boden der schwebenden Controverse geführt, zog sich aber sehr geschickt aus der Verlegenheit, indem er, an dem Buchstaben des Gesetzes festhaltend, sein Urtheil dahin sprach: Hr. Krause als eigentlicher Geschäftsführer der Druckerei habe eine Ordnungsstrafe von 5 Thlr. zu zahlen, <hi rendition="#g">weil jede Drucksache</hi> <hi rendition="#b">ohne allen Unterschied,</hi> <hi rendition="#g"> dem obenerwähnten §. genügen müsse; wenn der Staatsanwalt</hi> <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                 </p>
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      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
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          <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.</head>
          <p>Zweite Abtheilung. &#x2014; Fünftes Kapitel.</p>
          <p>Der Ritter stand vor der Herzogin und zierlich bog er sich hinab, ihre Hand zu küssen. Der Handkuß ist die beste Ouvertüre zu dem Gespräch mit einer Dame. Die Adligen kultiviren den Handkuß, &#x2014; wir Bürgerlichen höchstens die Kußhand. Die Adligen haben den Handkuß vor uns voraus; es giebt nichts passenderes und graziöseres als einer schönen Dame passend und graziös die Hand zu küssen. Während sich die Dame majestätisch emporrichtet und den Kopf in den seligen Nacken wirft, daß die kohlschwarzen Locken wie verliebte Schlangen um den alabasternen Hals flattern: beugt der Ritter seinen unterthänigen Rücken und drückt den Kuß auf die zierliche, souveräne Rechte, höfliche Grüße winselnd, süße Betheuerungen und galante Lügen. Giebt es etwas liebenswürdigeres als den Handkuß? Wenn man mit der Hand anfängt, wer weiß, wo man aufhört!</p>
          <p>Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolitat der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht!</p>
          <p>Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrack ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf's Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur immer möglich: &#x201E;Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören &#x2014; ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrette!&#x201C;</p>
          <p>Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln &#x2014; sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: &#x201E;Am ersten Tage&#x201C;, fuhr er fort, &#x201E;lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken, und schuf die trockne, solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf was sich regt in den Höh'n und den Tiefen &#x2014; am sechsten Tage <hi rendition="#g">seufzte</hi> er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende.&#x201C;</p>
          <p>Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde &#x2014; murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh'n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph. Hat man je etwas tolleres erlebt?</p>
          <p>Die Herzogin hatte sich indeß aufmerksamer emporgerichtet. Sie warf den rothen Kaschmirshawl in geheimnißvollere Falten, und dem Ritter das adlige Profil zeigend, den Handschuh der zierlichen Hand und den kleinen Fuß, erwiederte Sie mit freundlichem Lächeln: &#x201E;&#x201E;Aber, in der That, Herr Ritter, Sie führen eine wahre Seufzer-Konversation; Sie müssen entsetzlich unglücklich sein &#x2014;&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Entsetzlich! gnädige Frau &#x2014;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;&#x201E;Aber geistreiche Leute sollten nie unglücklich sein; wenigstens sollten sie nie so sehr an ihrem Glück verzweifeln, daß sie sich länger als einen Tag lang ärgerten, oder ennuyirten. &#x2014; Sagen Sie mir aufrichtig, Herr Ritter, sind Sie seit gestern unglücklich, oder seit heute?&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Seit zehn Minuten, gnädige Frau!&#x201C; &#x2014; Der Ritter faltete die Hände und sah die Herzogin mit schwärmerischen Augen an. Die Herzogin hätte tausend Louisd'or darum gegeben, wenn es ihr möglich gewesen wäre, in diesem Augenblick leise zu erröthen.</p>
          <p>&#x2014; Seh'n Sie nur, wie er wedelt und scharwenzelt, murmelte der Graf. &#x2014; Wie ein junger Hund vor einer alten Katze, erwiederte der Baron. &#x2014; Ich hätte ihn nie für einen so großen Komödianten gehalten. &#x2014; Er hat sich 20 Jahre lang jeden Tag vor dem Spiegel im Gestikuliren geübt. &#x2014; Es ist gar kein Zweifel mehr, daß er die Herzogin erobert. &#x2014; Gott sei gedankt, so erobere ich die vier Hengste! &#x2014; Graf und Baron zogen sich etwas zurück und unser Schnapphahnski fuhr fort, seine Liebesleiden so rührend zu entwickeln, wie noch nie ein Ritter vor ihm.</p>
          <p>Mit jeder Sekunde wurde seine Beredtsamkeit blumenreicher und ergreifender; seine Worte galoppirten wie geflügelte Rosse über die Hindernisse der kitzlichsten aller Unterredungen: Wie ein Dichter in dem windstillen Raume seines Studierzimmers sich so lebhaft in den fürchterlichsten Sturm auf offener See versetzen kann, daß er während der Schilderung desselben unwillkührlich nach dem Kopfe greift, um den Hut festzuhalten, so wußte Herr v. Schnapphahnski, in der Nähe einer fast sechszigjährigen Dame, der Art die Gegenwart eines blutjungen unschuldigen Kindes heraufzubeschwören, daß er wahre Wunder der Naivetät beging und die Her-
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[0959/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 178. Köln, Montag den 25. Dezember. 1848. Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das nächste Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands. Für Frankreich übernimmmt Abonnements das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die königlichen Briefpostämter, für Großbrittanien: das königl. belgische Briefpostamt in Ostende. Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu. Die Redaktion bleibt unverändert. Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie. Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Wegen des ersten Weihnachtsfeiertages fällt die Dienstagsnummer aus. Uebersicht. Deutschland. Neuwied. (Verhaftungen.) Berlin. (Waldeck und Esser. — Observationskorps am Rhein. — Mißtrauensadresse an die Stadtverordneten. — Preßprozeß des Abgeordneten Berends. — Waldeck's Antwort an Mühler. — Vermischtes.) Wien. (Fortdauer des „Zusammentreffens von Umständen“. — Wünschende Handelskammer. — Ueber die Verhaftungsaussichten. — Die Standrechtspresse über Blum's Ermordung. — Die Wahl Bonaparte's und die östr.-offizielle Presse. — Der Krieg gegen Ungarn. — Angebl. Aufhebung eines Klubs. — Offizielle Lügen. — Drittes Armeebülletin.) Kremsier. (Reichstag.) Ratibor. (Das Oberlandesgericht und Herr v. Kirchmann. — Kirchmann's Ankunft.) Breslau. (Aus dem Eulengebirge. — Verfahren der österr. Regierung gegen Häfner.) Merseburg. (Politische Untersuchungen.) Erfurt. (Landwehrauflösung.) München. (Entlassung des März-Ministeriums.) Sigmaringen. (Der Fürst will das Land an Preußen abtreten.) Frankfurt. (National-Versammlung. — Schmerling's Reise nach Olmütz.) Italien. (Gioberti's Programm. — Angebl. Abdankung Karl Albert's. — Ueberschreiten des Po durch die Oesterreicher. — Aus Rom und Gaëta. Französische Republik. Paris. (Vermischtes.) Ungarn. Pesth. Beschluß des Reichstags wegen der österreichischen Thronveränderung. — Eine Rede des Deputirten Madarasz.) Deutschland. Koblenz, 23. Dez. Aus Neuwied erfahren wir, daß einige junge Leute von hier, welche bei der Landwehr dort stehen, wegen politischer Aeußerungen verhaftet worden und bereits in das Militär-Arresthaus dahier abgeführt sind. (Rh.-u. Mztg.) * Berlin, 22. Dezember. Selten hat ein Aktenstück einen so allgemeinen günstigen und ergreifenden Eindruck gemacht als der gestern veröffentlichte Brief Waldeck's an den Präsidenten Mühler. Selbst Waldeck's politische Gegner anerkennen und rühmen, die Würde, Ruhe und Klarheit mit welcher Waldeck seine Kollegen in die wahre Schranken ihrer Kompetenz zurückweist und Jedermann bewundert die Parteilosigkeit der Darstellung, welche nicht im Entferntesten den Charakter trägt als rühre sie von einem Betheiligten oder gar Angeklagten her. Der Mühler-Waldeck'sche Briefwechsel erscheint heute schon in einem besondern Abdruck und wird wahrscheinlich zahlreiche Käufer finden, so daß unserer Bettel Boß die gestrige Zurückweisung und heutige perfide auszugsweise Mittheilung durchaus nichts helfen wird. Der Brief wird in das Volk dringen und der gesunde Sinn des Volkes wird zu würdigen wissen, wer seine Pflichten besser erfüllt hat, Waldeck oder seine Kollegen. Wie tief dieser Brief in die öffentliche Meinung eingeschnitten, kann übrigens schon der heutige, gegen das Ober-Tribunal gerichtete, verhältnißmäßig sehr entschiedene Artikel der Spenerschen Zeitung zeigen. Das Ober-Tribunal hat übrigens durch dieses sein Verfahren gegen Waldeck, den Keim dazu gelegt, daß eine an und für sich schon höchst verwickelte Angelegenheit, noch verwickelter, ja ein unlösbarer gordischer Knoten werde. Falls nämlich der Monsterprozeß gegen die Urheber und Verbreiter des Steuer-Verweigerungsbeschlusses wirklich noch zur Verhandlung gelangt, ist die Möglichkeit der dritten Instanz von vornherein abgeschnitten, da Waldeck und alle Mitangeklagten das vollste Recht haben das Ober-Tribunal zu perhorresciren. Wir reihen hieran noch die Mittheilung, daß unter dem jüngern Richterstande der Residenz eine Manifestation der Sympathie für Waldeck unter der Form einer Ansprache an das Land über die wahre Stellung des Richters in politischen Dingen sich vorbereitet. Der Abgeordnete Esser hatte auch bis heute Nachmittag noch keine direkte Kunde von dem in der gestrigen „deutschen Reform“ veröffentlichten Brief seiner Kollegen. Die Indiscretion dieser vorzeitigen Mittheilung an das genannte Blatt schreibt man hier allgemein der gehässigen Parteileidenschaft von Esser's doppelten und doppelt unwürdigem Kollegen v. Daniels zu. In Folge einer gestern Abend erhaltenen Aufforderung erschien heute Vormittag der interimistische Redakteur der Zeitungshalle Dr. A. Wolff vor dem Polizei-Präsidenten welcher ihm folgende Mittheilung machte: Der Oberbefehlshaber der Marken beauftragt mich, Ihnen anzuzeigen, daß, falls die außerhalb Berlins erscheinende Zeitunghalle in Berlin oder dessen zweimeiligem Umkreise verbreiten werde, Sie sofort verhaftet werden sollen, wenn Sie sich hier oder im erwähnten Rayon betreffen lassen. Die Zeitungs-Halle wird übrigens Trotz alle dem und alle dem nächster Tage in Neustadt-Eberswalde erscheinen. Trotz aller bramarbasirenden und siegestrunkenen Reden an Deputationen etc. soll die Stimmung bei Hofe immer noch eine schwankende sein. Die Freude des momentanen Wohlbehagens wird noch gar oft durch Rückschläge von Furcht getrübt und vergällt. Düstere Visionen von einem nahen Erwachen des jetzt schlummernden Löwen der Demokratie drängen sich oft zwischen die lachenden Bilder, welche das kohlensaure Gas von Eperney hervorruft. Man spricht sogar, — doch dies wollen wir weniger verbürgen — daß vor Zusammentritt der Kammern ein Ministerwechsel in Aussicht steht, und daß ein solcher schon unmittelbar nach Oktroyirung der Verfassung eingetreten wäre, hätten sich irgendwie präsentable Nachfolger des jetzigen Kabinets finden lassen. — Eine Mittheilung unserer heutigen Morgenblätter Betreffs der Observationsarmee, die am Rhein binnen Kurzem zusammengezogen werden soll, können wir dahin berichtigen und ergänzen, daß dieselbe nicht 120-150,000 Mann, sondern nur 60,000 Mann stark sein und den Rheinländern das Vergnügen bereiten wird, unsern jetzigen pommerschen Diktator persönlich kennen zu lernen. General Wrangel soll nämlich das Kommando dieser Observationsarmee übernehmen und hier an General Colomb aus Posen seinen Nachfolger finden. Hiermit steht das seit einigen Tagen viel verbreitete Gerücht im Zusammenhang, es werde der Belalagerungszustand der Residenz zu Neujahr aufhören. Dasselbe scheint uns jedoch der Bestätigung noch sehr zu bedürfen. Seit heute cirkulirt hier und findet zahlreiche Unterschriften folgende Adresse an die Stadtverordneten-Versammlung: „Die Stadtverordneten-Versammlung hat nach langen Debatten in ihrer Sitzung vom 14. d. M. mit einer Majorität von 3 Stimmen eine Dankadresse wegen der octroyirten Verfassung beschlossen und auf diese Weise die Haltung, welche der Magistrat in der letzten Zeit eingenommen hat, im Allgemeinen gebilligt.“ „Wir, die Unterzeichneten, können nicht umhin, der Minorität der Versammlung offen unsere Zustimmung und unsern Dank auszusprechen. Wir sind nicht der Meinung, daß das Wohl der Stadt oder des Staates dadurch gefördert wird, daß man jeden gewaltsamen Umsturz der Rechtsverhältnisse anerkennt, daß man sich heute für die Revolution und morgen für die Kontrerevolution erklärt, daß man keine andere Politik kennt, als die Politik der vollendeten Thatsachen, die Politik der dankbaren Unterwerfung unter die Dekrete des Siegers.“ „Ein gewaltsamer Umsturz der Rechtsverhältnisse liegt vor: die Gesetze vom März und April, die Errungenschaften der Revolution, die Grundlagen des neuen Rechts, dessen Grundzüge die Nationalversammlung festzustellen berufen war, sind unter der Herrschaft der Waffen willkürlich verändert oder ganz aufgehoben. Unser Rechtsgefühl weist die Kontrerevolution zurück, und wenn viele im Volk im gegenwärtigen Augenblick getäuscht oder mißleitet sind, so hätte es den Vertretern der Stadt Berlin vor allen zugestanden, festzuhalten an dem guten Recht, welches Berlin erkämpft hat; sie vor Allen hätten die schöne Aufgabe gehabt, das Rechtsgefühl, wo es erschüttert ist, wieder stark zu machen und der gefährlichen Demoralisation, welche entsteht, wenn man die Gewalt als die Quelle des Rechtes, den eigenen Vortheil als den Maßstab des Handelns anzusehen sich gewöhnt, mannhaft entgegenzutreten.“ Wir, die Unterzeichneten, können weder das Recht der Krone zur Oktroyirung einer Verfassung, noch die Vortrefflichkeit dieser Verfassung selbst anerkennen. Wir sind überzeugt, daß die Maßregel der Oktroyirung im höchsten Grade gefährlich ist für das Land und für unsere Stadt, weil sie die Entscheidung, nach der wir uns alle sehnen, wiederum aufschiebt und die lange Krisis noch mehr verlängert, weil sie das Rechtsgefühl im Volke verwirrt, und weil sie endlich nur unter finanziellen Opfern erzwungen werden konnte, welche den Nationalwohlstand aufs tiefste erschüttern müssen! „Wir müssen daher mit Bedauern erklären, daß die Majorität der Stadtverordnetenversammlung diese Gefahren übersehen und ihre Aufgabe gänzlich verkannt hat.“ (Folgen die Unterschriften.) Vor der zweiten Abtheilung unsers Kriminalgerichts standen heute der Abgeordnete Berends und Hr. Krause als gemeinschaftliche Besitzer der hiesigen Krause'schen Buchdruckerei. Sie waren auf Grund des §. 3 des Gesetzes vom 17. März 1848 vorgeladen worden, weil auf einem in ihrer Offizin gedruckten Petitionsbericht der Nat.-Vers. die Druckerfirma nicht angegeben war. Die Vertheidigung machte geltend, es sei dies ein offizielles Dokument gewesen, es habe daher die Angabe der Druckerfirma nicht bedurft, wie ja auch die Gesetzsammlung, die bisherigen Druckschriften der Nat.-Vers. und des vereinigten Landtages, des Fremdenblattes, des Amtsblatts und ähnliche amtliche Publikationen ohne Angabe der Druckerfirma erschienen seien und fortwährend erschienen. Der Staatsanwalt wandte hiergegen ein, das der Anklage zu Grunde liegende Druckstück rühre aus der Zeit nach dem 9. Nov. her, wo es keine Nat.-Vers. mehr gegeben habe, könne also nicht als ein amtliches betrachtet werden. Der Gerichtshof war so auf den heißen Boden der schwebenden Controverse geführt, zog sich aber sehr geschickt aus der Verlegenheit, indem er, an dem Buchstaben des Gesetzes festhaltend, sein Urtheil dahin sprach: Hr. Krause als eigentlicher Geschäftsführer der Druckerei habe eine Ordnungsstrafe von 5 Thlr. zu zahlen, weil jede Drucksache ohne allen Unterschied, dem obenerwähnten §. genügen müsse; wenn der Staatsanwalt [Fortsetzung] Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Zweite Abtheilung. — Fünftes Kapitel. Der Ritter stand vor der Herzogin und zierlich bog er sich hinab, ihre Hand zu küssen. Der Handkuß ist die beste Ouvertüre zu dem Gespräch mit einer Dame. Die Adligen kultiviren den Handkuß, — wir Bürgerlichen höchstens die Kußhand. Die Adligen haben den Handkuß vor uns voraus; es giebt nichts passenderes und graziöseres als einer schönen Dame passend und graziös die Hand zu küssen. Während sich die Dame majestätisch emporrichtet und den Kopf in den seligen Nacken wirft, daß die kohlschwarzen Locken wie verliebte Schlangen um den alabasternen Hals flattern: beugt der Ritter seinen unterthänigen Rücken und drückt den Kuß auf die zierliche, souveräne Rechte, höfliche Grüße winselnd, süße Betheuerungen und galante Lügen. Giebt es etwas liebenswürdigeres als den Handkuß? Wenn man mit der Hand anfängt, wer weiß, wo man aufhört! Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolitat der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht! Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrack ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf's Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur immer möglich: „Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören — ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrette!“ Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln — sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: „Am ersten Tage“, fuhr er fort, „lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken, und schuf die trockne, solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf was sich regt in den Höh'n und den Tiefen — am sechsten Tage seufzte er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende.“ Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde — murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh'n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph. Hat man je etwas tolleres erlebt? Die Herzogin hatte sich indeß aufmerksamer emporgerichtet. Sie warf den rothen Kaschmirshawl in geheimnißvollere Falten, und dem Ritter das adlige Profil zeigend, den Handschuh der zierlichen Hand und den kleinen Fuß, erwiederte Sie mit freundlichem Lächeln: „„Aber, in der That, Herr Ritter, Sie führen eine wahre Seufzer-Konversation; Sie müssen entsetzlich unglücklich sein —““ „Entsetzlich! gnädige Frau —“ „„Aber geistreiche Leute sollten nie unglücklich sein; wenigstens sollten sie nie so sehr an ihrem Glück verzweifeln, daß sie sich länger als einen Tag lang ärgerten, oder ennuyirten. — Sagen Sie mir aufrichtig, Herr Ritter, sind Sie seit gestern unglücklich, oder seit heute?““ „Seit zehn Minuten, gnädige Frau!“ — Der Ritter faltete die Hände und sah die Herzogin mit schwärmerischen Augen an. Die Herzogin hätte tausend Louisd'or darum gegeben, wenn es ihr möglich gewesen wäre, in diesem Augenblick leise zu erröthen. — Seh'n Sie nur, wie er wedelt und scharwenzelt, murmelte der Graf. — Wie ein junger Hund vor einer alten Katze, erwiederte der Baron. — Ich hätte ihn nie für einen so großen Komödianten gehalten. — Er hat sich 20 Jahre lang jeden Tag vor dem Spiegel im Gestikuliren geübt. — Es ist gar kein Zweifel mehr, daß er die Herzogin erobert. — Gott sei gedankt, so erobere ich die vier Hengste! — Graf und Baron zogen sich etwas zurück und unser Schnapphahnski fuhr fort, seine Liebesleiden so rührend zu entwickeln, wie noch nie ein Ritter vor ihm. Mit jeder Sekunde wurde seine Beredtsamkeit blumenreicher und ergreifender; seine Worte galoppirten wie geflügelte Rosse über die Hindernisse der kitzlichsten aller Unterredungen: Wie ein Dichter in dem windstillen Raume seines Studierzimmers sich so lebhaft in den fürchterlichsten Sturm auf offener See versetzen kann, daß er während der Schilderung desselben unwillkührlich nach dem Kopfe greift, um den Hut festzuhalten, so wußte Herr v. Schnapphahnski, in der Nähe einer fast sechszigjährigen Dame, der Art die Gegenwart eines blutjungen unschuldigen Kindes heraufzubeschwören, daß er wahre Wunder der Naivetät beging und die Her-

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 178. Köln, 25. Dezember 1848, S. 0959. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz178_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.