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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 181. Köln, 29. Dezember 1848. Beilage.

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Beilage zu Nr. 181 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 29. Dezember 1848.
[Deutschland]

Herren "Reichstruppen" mit uns zu theilen sich herabläßt. Wir sind gute, geduldige Leute in unserm Reich; drum lebe die Einquartirung!

Zu Frankfurt am Main haben die Herren in der reformirten Kirche die sogenannten "Grundrechte" des deutschen Volkes vom Stapel gelassen. "Grundrechte" hat man sie betitelt, weil mittelst ihrer das deutsche Volk zu Grund gerichtet werden soll. Der Anfang dazu ist wenigstens ganz erbaulich. Der Herr Gagern und Konsorten haben die Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten (mit andern Worten: den neu aufgewärmten Bundestag) zu einer gemeinschaftlichen Sitzung eingeladen. Weshalb? Ei, um denselben die Grundrechte des deutschen Volkes vorzulegen und zu fragen, ob die hohen Regierungen wohl so gnädig sein würden, sie zu genehmigen und zu publiziren? Und die Bevollmächtigten schmunzelten seelenvergnügt: das sei ihren hohen Regierungen ganz genehm. Mit Belagerungszuständen, haarscharfgeschliffenen Schwertern, Verfassungsoctroyirungen etc. kann man solche Kurzweil, wie die Grundrechte des deutschen Volkes schon nebenher laufen lassen. Sachsen und Hannover erklärten, sie wollten erst die Zustimmung ihrer Landtage einholen. Baiern hatte keine -- Vollmacht und schwieg. Oesterreich lehnte jede Publikation und Einführung der Grundrechte kurzweg ab, weil Windischgrätz und Jellachich sie längst auf summarischem Wege zur vollsten Geltung gebracht haben. Preußen dagegen war ungemein fidel und bereitwillig. Meinem Herrn und Meister, dachte der Bevollmächtigte bei sich, kommt's auf ein Stückchen Papier mehr oder weniger, eben so wenig als auf ein paar feierliche Zusagen oder Eidschwüre nicht an. Wir publiziren die Grundrechte frischweg; Wrangel und Colomb, Hinckeldey, Stößer und Bürger Drigalski werden schon für die gehörige Auslegung sorgen. Nur auf dem Papiere immer hübsch freisinnig! Das sei vor wie nach der hohenzollern'sche Wahlspruch! Und der edle Hr. Gagern begab sich seelenvergnügt nach Hause, rieb sich die Hände, zählte die Häupter seiner Lieben und berechnete, wie viel preußische Staatspapiere er zu Neujahr dafür umwechseln könne.

In Sigmaringen wird ein Buß- und Bettag ausgeschrieben. Die Leute hatten dort bislang nicht an ihre große Sündhaftigkeit glauben wollen. Seitdem sich aber ihr geliebter, erst ein Mal verjagter Landesvater nach Berlin begeben, um "sein" Land nebst allen darin befindlichen Schaafen, Eseln, Schweinen, christlichen Unterthansseelen und Ochsen an Preußen abzutreten: sind sie in sich gegangen und wollen Buße thun im Sack und in der Asche. Es frägt sich aber sehr, ob der Zorn des Herrn sie loslassen wird.

Ungarn.
Semlin, 14. Dez.

Der Donner der Kanonen drang vorgestern vom Banat bis zu unseren Ohren. Voll banger Ungewißheit sahen wir Nachrichten entgegen. Ein Augenzeuge, der herüberfloh, erzählte, die Magyaren, 20,000 an der Zahl, mit 40 Stück Geschütz, hätten das Alibunarer Lager gestürmt, und da das Auxiliarkorps unter dem Hauptmann Baraich schwach war und aus treubrüchigen Walächen bestand, die beim ersten Angriffe die Flucht ergriffen, konnte auch der Lagerkommandant, Michael Ivannovich, der kaum 3000 Mann und 10 Stück Kanonen hatte, sich nicht lange halten, und sah sich daher gezwungen, das Lager zu verlassen und sich bis Petrowo Selo zurückzuziehen.

Großbritannien.
* London, 24. Dez.

Wie jedes Mal um diese Zeit, setzt jetzt das Weihnachtsfest alle Welt in Bewegung. Der sogenannte Yule-clog, ein Eichen- oder Buchenstamm, muß im Kamine die Kohle ersetzen. Spiegel und Schränke werden mit Hülsenblätterlaub geschmückt und über der Thür hängt der berüchtigte missle-ton, ein grüner Zweig, unter dem jeder junge Bursche ein Mädchen umarmen und küssen darf.

Roast-beef und Plum-pudding fehlen natürlich nicht, und mancher ehrliche John Bull hält es für seine Pflicht, sich in diesen Tagen nach der Väter Sitte einmal von Grund aus an Port und Sherry zu erholen. In Windsor wird auf dem Tisch der Königin wie immer, ein Baron of Beef aufgetragen, ein Rücken- und Hinterviertel-Ochsen-Stück. Der diesjährige Baron of Beef ist von einem außerordentlichen Ochsen, der eine Büffelkuh zu seiner Mutter, und einen Ochsen aus Ayrshire zu seinem Vater hat und auf einer flemischen Meierei des Prinzen Albert in der Nähe von Windsor erzogen wurde. Besagter Ochse war gerade 4 Jahre alt, als er neulich geschlachtet wurde. Man hielt ihn für das schönste Stück Vieh in ganz Alt-England. Der für den Tisch der Königin bestimmte Braten dieses Ochsen wiegt 94 Stein oder 152 Pfd. und wird 10 Studen lang geröstet werden.

* London, 25. Dez.

In seiner jüngsten Botschaft äußert sich der Präsident Polk in Betreff des mexikanischen Krieges folgender Maaßen:

"Eins der wichtigsten Ergebnisse des Krieges, zu welchem wir kürzlich gegen eine benachbarte Nation gezwungen waren, ist der Beweis, welche militärische Kraft unser Land besitzt. Vor dem letzten Kriege mit Mexiko hatten europäische und andere fremde Mächte unvollständige und irrthümliche Ansichten bezüglich unserer physischen Stärke als Nation und unserer Fähigkeit, einen Krieg, besonders außerhalb unseres Landes, zu führen. Sie sahen, daß unsere Armee auf dem Kriegsfuße nicht mehr als 10,000 Mann betrug. Bei sich gewöhnt, zum Schutz ihrer Throne gegen die Unterthanen sowohl als gegen fremde Angriffe, große stehende Heere in Friedenszeiten zu unterhalten: glaubten sie nicht an die Möglichkeit, daß eine Nation ohne eine solche wohldisziplinirte und langgediente Armee mit glücklichem Erfolg Krieg führen könne: Von unserer Miliz dachten sie gering und hielten sie nur für zeitweise Defensiv-Operationen, im Fall unser eigenes Land von einer Invasion betroffen würde, für anwendbar. Die letzten Kriegsereignisse haben jenen Irrthum beseitigt, der auch in gewissem Grade von einem Theil unserer Landsleute getheilt wurde. Jener Krieg hat dargethan, daß beim Ausbruch unerwarteter Feindseligkeiten, für die keinerlei Vorbereitungen getroffen waren, in kurzer Zeit und in erforderlicher Zahl eine Freiwilligen-Armee von Bürger-Soldaten ins Feld gestellt werden kann, die einer Veteranen-Armee nicht nachsteht. Wir waren nicht, wie's in jedem andern Lande vorgekommen wäre, zu Aushebungen oder Konskriptionen genöthigt. Im Gegentheil boten so viel Freiwillige ihre Dienste an, daß die Hauptschwierigkeit in der Auswahl bestand. Unsere Bürger-Soldaten gehören allen möglichen Gewerben und Lebensbeschäftigungen an. Es sind Farmers, Juristen, Aerzte, Kaufleute, Fabrikanten, Fabrikarbeiter und Bauern, und zwar in den Reihen der Offiziere, wie der gewähnlichen Soldaten. Unsere Bürger-Soldaten sind bewaffnet und von Jugend auf an Führung der Feuerwaffen gewöhnt. Ein großer Theil, besonders im Westen und den neuen Staaten, zeichnen sich als erfahrene Scharfschützen aus. Es sind Leute, die durch ihr gutes Betragen im Felde ihren guten Ruf in der Heimath zu wahren haben.

Sie sind intelligent und in ihren Reihen zeigt sich eine Mannigfaltigkeit der Charaktere, wie nirgends sonst in einer Armee. In jeder Schlacht kämpft ebensowohl der gewöhnliche Soldat wie der Offizier nicht allein für sein Land, sondern für Ruhm und Auszeichnung unter seinen Mitbürgern, für den Fall, daß er glücklich ins bürgerliche Leben zurückkehrt.

Die Stärke unserer Institutionen hat sich nicht blos durch die Tapferkeit und das Geschick unserer Truppen, sondern eben so in der Organisation jener Verwaltungszweige an den Tag gelegt, die mit der Oberleitung und Führung des Krieges beauftragt waren. Während unsern Offizieren und Soldaten, die unsere Schlachten ausfochten, nicht hohes Lob genug ertheilt werden kann: wäre es doch unrecht, die gebührende Anerkennung jenen aus Nothwendigkeit daheim gebliebenen Offizieren zu versagen, denen es oblag, die Armee zu gehöriger Zeit und gehörigen Orts mit der nöthigen Kriegsmunition und allem übrigen zur Wirksamkeit im Felde unentbehrlichen Proviant zu versehen. Die Anerkennung muß um so größer sein, als noch keine Armee weder in alter noch neuer Zeit besser mit allem Nöthigen versehen war, als die unsrige in Mexico. Da unsere Armee in einem feindlichen Lande, 2000 Meilen weit vom Sitz der Central-Regierung operirte und die verschiedenen Corps über eine ungeheure Fläche zerstreut waren und hunderte ja tausende von Meilen von einander entfernt ihre Operationen verfolgten: so bedurfte es ganz der unermüdlichen Energie jener Beamten, um die Armee auf allen Punkten und zur gehörigen Zeit mit den zum Kriegsdienst erforderlichen Gegenständen zu versorgen .....

Der mexikanische Krieg hat demnach die Fähigkeit republikanischer Regierungen bewiesen, einen gerechten und unvermeidlichen Krieg in der Fremde mit all jener Energie zu führen, die gewöhnlich nur den mehr willkürlichen Regierungsformen beigemessen wird. Der Krieg, den wir 1812 mit England und größtentheils innerhalb unserer Grenzen führten, hellte diesen Gegenstand wenig auf. Aber der Krieg, den wir eben durch einen ehrenvollen Frieden beendigt: er ist der zweifelloseste Beweis, daß eine volksthümliche Regierung jedem Ereigniß gewachsen ist, das in den Angelegenheiten einer Nation auftauchen kann. Durch jenen Krieg ist aber noch ein zweiter hervorstechender Charakterzug unserer Institutionen erkennbar geworden: Es ist der, daß wir im Schooße unserer Staatsgesellschaft von freien Männern, ohne Kosten für die Regierung und ohne Gefahr für unsre Freiheiten, eine stehende Armee von 2 Millionen Bürgersoldaten für jeden gerechten und nothwendigen Krieg bereit haben."

Ueber die Resultate des mexikanischen Kriegs enthält die Botschaft folgende Aeußerungen:

"Die großen Resultate dieses Krieges werden für die Zukunft unseres Landes von unberechenbarer Wichtigkeit sein. Sie werden mächtig dazu beitragen, uns vor fremden Collisionen zu bewahren und uns die Verfolgung der uns liebgewordenen Politik: Friede mit allen Nationen; verstrickende Allianzen mit keiner" ohne Unterbrechung im Auge zu behalten. Innerhalb 4 Jahren ist die Einverleibung von Texas in die Union vollzogen, jeder streitige Anspruch auf das Oregon-Gebiet südlich des 49° N. Br. ist beseitigt und Neu-Mexico und Ober-Californien vertragsmäßig erworben worden. Die Oberfläche dieser Gebiete beträgt 1 Mill. 193,061 Geviert-Meilen oder 763 Mill. 559,043 Acres (Morgen), während die Oberfläche der bisherigen 29 Staaten und des östlich vom Felsengebirge noch nicht in Staaten organisirten Gebiets 2 Mill. 59,513 Geviert-Meilen oder 1,318 Mill. 12[unleserliches Material],058 Morgen umfaßt. Die Abschätzungen und Messungen zeigen, daß das neu erworbene Land um die Hälfte größer ist, als das zuvor von der Union besessene Gebiet. Es kommt dem von ganz Europa gleich, mit Ausschluß Rußlands. Der Mississippi, kürzlich noch die Gränze unseres Landes, ist jetzt dessen Mittelpunkt geworden. Rechnet man die neuen Erwerbungen hinzu, so sind die Vereinigten Staaten ziemlich so groß, wie ganz Europa. Nach dem Anschlage des Ober-Küsten-Vermessers erstreckt sich die Meeresküste von Texas im Golf von Mexiko auf mehr als 400 (engl.) Meilen; die Küste von Ober-Kalifornien am Stillen Ozean mehr als 970 Meilen und die Oregon-Küste, mit Inbegriff der Fucastraße, 650 Meil. Die ganze Ausdehnung am Stillen Ozean beläuft sich auf 1620 M. und diejenige am mexikanischen Golf hinzugenommen, auf 2020 Meilen. Am atlantischen Ozean dagegen erstreckt sich die Küste vom nördlichsten Punkte der Union rund um das Cap von Florida bis zum Sabinefluß auf 3,100 M., so daß unsere jetzige Seeküste fast 2 mal größer ist, als unsre frühere. Die jetzige Küstenausdehnung unseres Landes ist gleich 5000 (engl.) Meilen. Hierbei sind die Buchten, Sunde und sonstige Unregelmäßigkeiten des Küstenlaufs nicht gerechnet. Denn würde das alles hinzugenommen, so betrüge die Küstenerstreckung 33,063 Meilen.

* London.

Ein medicinisches Journal, "The Lancet", berichtet in einer neueren Nummer über das gräßliche Umsichgreifen des Opiumessens unter den arbeitenden Klassen Großbritanniens. Die Paupers in Lincolnshire geben von einem Wochenlohn von 3 Schillingen durchschnittlich 2 1/2 Schill. für Opium aus, ein Grad von Hingebung an dies unselige Laster, der selbst Coleridge oder de Quincey (Verfasser der "Bekenntnisse eines Opiumessers") mit Grausen erfüllen würde. In Irland ist die Consumtion ebenfall s auf schaudererregende Weise im Zunehmen begriffen. Ein einziger Droguist, ein Bekannter des Herausgebers der "Lancet", hat in diesem Jahre für 400 Pfund Sterling mehr Opium nach Irland verkauft, als in frühern Jahren. Nach den in voriger Woche veröffentlichten Berichten des Board of Trade sind bloß im letzten Monat October 8000 Pfund Opium eingeführt worden, was verhältnißmäßig noch kein großes Quantum ist, da es Monate gibt, in welchen bis zu 32,000 Pfund dieses Lethe's der Armuth importirt werden.

* London, 25. Dez.

Vice-Admiral Parker wird binnen Kurzem das Oberkommando im Mittelmeer abgeben. Obgleich sonst noch körperlich und geistig gesund, leidet er an den Augrn, deren immer mehr abnehmende Sehkraft ihm bald im Dienste sehr hinderlich sein würde.

* Manchester, 23. Dez.

Nach dem lebendigen Geschäft der vorigen Woche, war es nicht anders zu erwarten, als daß es in dieser Woche etwas ruhiger sein würde. Die Vorräthe von baumwollen Garn und von baumwollen Zeugen sind bedeutend geräumt und Spinner und Fabrikanten rüsten sich zu flotter Produktion. Die Preise der genannten Artikel sind naturlich höher gegangen, und da die Nachrichten aus Indien und China günstig bleiben, so sieht man einer noch lebendigern Geschäftszeit entgegen.

Denselben Aufschwung hat der Handel in den Woll- und Worsted-Distrikten erfahren. Die Eigner des rohen Materials fordern höhere Preise, und Spinner und Fabrikanten müssen um so williger darauf eingehen, als sie ziemlich starke Aufträge in Händen haben und bei der frühern schlechten Geschäftszeit wenig in Vorrath arbeiteten.

Französische Republik.
12 Paris, 2. Dcbr.

Eine Heerschau über die neuen Minister ist nicht so leicht, als man vermuthete. Außer Odilon-Barrot, der seine Berühmtheit einzig dem Plutarch und dem Aristides zu danken hat, und den man hinlänglich schon aus der Juli-Revolution kennt, sind die andern nur durch ihre Bekanntschaft mit Thiers und Mole bekannt. Thiers und Mole kennen sie; sie kennen Thiers und Mole und darauf beruft man sich, um sie dem Publikum als die neuen Minister anzupreisen. Es ist dies eine gute Empfehlung für sie und das Publikum, das Publikum der Bourgeois natürlich; denn die Proletarier sind wieder unsichtbar geworden, nachdem sie Cavaignac beseitigt und an die Spitze Frankreichs die bürgerliche Nullheit mit Odilon-Barrot an der Spitze gestellt haben. Was die Partei des Nationals betrifft; so bleibt weiter keiner als Herr Marrast übrig, der als Präsident der Nationalversammlung, dem Präsidenten Napoleon gegenüber, den Republikaner "als solcher" vertritt, dabei muß dieser Republikaner als solcher nach jedem Monat sich neuerdings der Wahl unterziehen, um in der Eigenschaft eines Kammerpräsidenten fortexistiren zu können. O du schöne Zeit, wo neben dem Präsidentengehalte noch eine Beilage von 6000 Fr. bewilligt wurde, damit Herr Marrast glänzende Soirees geben, durch die glänzenden Soirees den Handel und Wandel befördern, und durch beides die Republik "als solche" vertreten konnte. Das ist Alles vorbei; und von dem schönen Traume ist weiter nichts geblieben als die Verfallzeit der Wechsel, welche Marrast und Konsorten neben ihren Gehalten auf die Fortdauer "ihrer Republik" und ihrer glänzenden Stellungen gezogen hatten. Sie haben ihre schönste Zeit verlebt. Dagegen taucht Herr von Malleville auf. Was ist dieser Malleville? Minister des Innern! Und worin bestehn die innern Angelegenheiten der Bourgeois? Alle die Präfekten, Unterpräfekten, Kommissarien und Prokuratoren der Revolution abzusetzen, die zu lange in ihrer Amtswohnung geblieben sein sollten. Aber Herr Malleville wird keine reiche Razzia machen; höchstens wird er einige verlorene Aehren aus der Februar-Aernte aufzulesen finden. Herr von Malleville ist ein geborner Royalist; aber er hatte sich eines Morgens mit Louis Philipp und mit Duchatel überworfen -- die in ihm einen in jeder Hinsicht untauglichen Beamten fanden, und der mit dem besten Willen, der Politik des Privilegiums zu dienen, weder Talent noch Erfahrung genug besaß, um sich lange halten zu können. Da trat [unleserliches Material]er denn in ein Bündniß mit der Partei der Wahlreform und machte sich bemerkbar auf dem Bankett von Chateau-Rouge. In den Februartagen selbst ist er an keinem von den entscheidenden Kampfplätzen gesehn worden; Alles, was man aus dieser Periode von ihm weiß, das ist seine Bereitwilligkeit, einer Regence zu dienen.

Wer wohnt in dem Hotel "des Capucins"? der Minister der äußern Angelegenheiten! Ein gewisser Drouyn de Lhuys. Wer ist dieser Mann? Ein Franzose würde antworten: parlez au portie[unleserliches Material]! In jedem Pariser Hause nämlich ist eine Loge, wo der Pförtner wohnt, und an den man sich wenden muß, ehe man zu den Hausbewohnern gelangen kann. Der Pförtner des Ministeriums ist wirklich in diesem Augenblicke die einzige Behörde, die Auskunft über den Drouyn de Lhuys geben kann; gerade wie in der letzten Zeit der Herr Guizot, wo der Pförtner des Herrn Guizot allein den mit Telegraphen aus weiter Ferne her verschriebenen Jayr kannte. -- Auch er hatte sich eines Tags mit Guizot überworfen, und da nahm ihn die Partei Odilon-Thiers unter ihre Flügel. Aber Rulhieres, der Ex-Oberst der 35er, das ist der eigentliche Held; er ist bekannt durch seine Schlachten gegen die Emeutiers von Grenoble und Toulouse. Herr Falloux, der Minister des Unterrichts, ist der Auserlesene aller Sakristeien und der Liebling schwärmerischer Nonnen. Was soll man nun weiter von dem Finanzminister Passy sagen, wenn man weiß, daß selbst ein Fould vorausgesehn, daß mit solchen Ministern nichts zu machen ist. Fould, den man als Finanzminister vorgeschlagen, ist, wie man weiß, ein Banquier aus grauen Zeiten, und mit den Interessen der kleinern Bourgeois vollkommen vertraut; um so vertrauter, da, wie man behauptet, das Haus Fould durch seine frühern Zahlungseinstellungen seine Zahlungsfähigkeit gewonnen hat. Mit einem solchen Ministerium ist Napoleon umgeben. Noch sind die Proletarier unsichtbar geblieben. Man hatte zwischen dem Ochsen und Schurken zu wählen: der Ochse ist gewählt worden, und wenn die Bauern und Arbeiter einst dem Ochsen gegenübertreten, so muß er entweder scheu oder wild werden. Wird er scheu, ist er gleich verloren; wird er dagegen wild, dann kann er sich einzig nur noch retten, daß er mit seinen wildgewordenen Verfolgern heraustritt aus den engen Schranken des französischen Gebietes.

236 Paris, 26. Dez.

Ledru-Rollin bekam neulich eine Adresse aus dem Königreiche Sachsen, worin es hieß: "Verehrter Bürger und Bruder, Mann des Volkes! Seitdem die Februarrevolution Sie auf die Scene rief, sehen die deutschen Demokraten mit Freuden auf Sie. Die Theilnahme welche Sie und ein Theil der französischen Nation bei Gelegenheit unsres gemeuchelten Bruders Robert Blum für Deutschland's Freiheitsstreben an den Tag legten, zeigt wieder, mit welcher Wärme Sie nach der Verbrüderung der Völker trachten. Hiefür unsern Dank, und die Versicherung unsrer Hochachtung für Sie, für Frankreich's Demokraten und unsre Landsleute zu Paris. Namens des 758 Mitglieder starken Demokratenvereins der Stadt Frenen: Karl Böhme, Präsident. Moriz Schanz, Sekretär."

"Es ist gut, bei Jahresablauf die Thaten und Leiden der demokratischen Partei rückschauend zu betrachten (sagt "Le Peuple souverain" in Lyon), und da finden wir gar jämmerliche Sünden der Zaghaftigkeit, des schlaffsten Edelmuths, der großherzigsten Gimpelei. Heute ist sie soweit herunter, daß der Soldatenvater Bugeaud an die Alpenarmee von Paris aus einen Tagesbefehl ergehen lassen kann, worin er von "Ordnung" und "wahrer Freiheit" deklamirt, in Phrasen, die buchstäblich in seinen Tagesbefehlen unter Louis Philipp geprunkt haben. Daß dieser Beduinentriumphator keineswegs den Oestreichern etwas zu leide thun, vielmehr eines heitern Wintermorgens vor Lyon aufmarschiren und etliche Dutzend Bomben auf Frankreich's zweite Hauptstadt werfen lassen wird, um das verfluchte demokratische Schlangennest zu säubern und Junischändlichkeiten zu wiederholen: das ist uns klar wie zwei mal zwei. Aber wie dem auch sei, diese böse Zeit wird vorüber gehen, und die Demokraten Deutschland's werden uns nicht im Stich lassen." Die Verbrüderung mit letztern ist in der That im besten Gange. Am Sonntag fand endlich das seit jener, zu

Beilage zu Nr. 181 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 29. Dezember 1848.
[Deutschland]

Herren „Reichstruppen“ mit uns zu theilen sich herabläßt. Wir sind gute, geduldige Leute in unserm Reich; drum lebe die Einquartirung!

Zu Frankfurt am Main haben die Herren in der reformirten Kirche die sogenannten „Grundrechte“ des deutschen Volkes vom Stapel gelassen. „Grundrechte“ hat man sie betitelt, weil mittelst ihrer das deutsche Volk zu Grund gerichtet werden soll. Der Anfang dazu ist wenigstens ganz erbaulich. Der Herr Gagern und Konsorten haben die Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten (mit andern Worten: den neu aufgewärmten Bundestag) zu einer gemeinschaftlichen Sitzung eingeladen. Weshalb? Ei, um denselben die Grundrechte des deutschen Volkes vorzulegen und zu fragen, ob die hohen Regierungen wohl so gnädig sein würden, sie zu genehmigen und zu publiziren? Und die Bevollmächtigten schmunzelten seelenvergnügt: das sei ihren hohen Regierungen ganz genehm. Mit Belagerungszuständen, haarscharfgeschliffenen Schwertern, Verfassungsoctroyirungen etc. kann man solche Kurzweil, wie die Grundrechte des deutschen Volkes schon nebenher laufen lassen. Sachsen und Hannover erklärten, sie wollten erst die Zustimmung ihrer Landtage einholen. Baiern hatte keine — Vollmacht und schwieg. Oesterreich lehnte jede Publikation und Einführung der Grundrechte kurzweg ab, weil Windischgrätz und Jellachich sie längst auf summarischem Wege zur vollsten Geltung gebracht haben. Preußen dagegen war ungemein fidel und bereitwillig. Meinem Herrn und Meister, dachte der Bevollmächtigte bei sich, kommt's auf ein Stückchen Papier mehr oder weniger, eben so wenig als auf ein paar feierliche Zusagen oder Eidschwüre nicht an. Wir publiziren die Grundrechte frischweg; Wrangel und Colomb, Hinckeldey, Stößer und Bürger Drigalski werden schon für die gehörige Auslegung sorgen. Nur auf dem Papiere immer hübsch freisinnig! Das sei vor wie nach der hohenzollern'sche Wahlspruch! Und der edle Hr. Gagern begab sich seelenvergnügt nach Hause, rieb sich die Hände, zählte die Häupter seiner Lieben und berechnete, wie viel preußische Staatspapiere er zu Neujahr dafür umwechseln könne.

In Sigmaringen wird ein Buß- und Bettag ausgeschrieben. Die Leute hatten dort bislang nicht an ihre große Sündhaftigkeit glauben wollen. Seitdem sich aber ihr geliebter, erst ein Mal verjagter Landesvater nach Berlin begeben, um „sein“ Land nebst allen darin befindlichen Schaafen, Eseln, Schweinen, christlichen Unterthansseelen und Ochsen an Preußen abzutreten: sind sie in sich gegangen und wollen Buße thun im Sack und in der Asche. Es frägt sich aber sehr, ob der Zorn des Herrn sie loslassen wird.

Ungarn.
Semlin, 14. Dez.

Der Donner der Kanonen drang vorgestern vom Banat bis zu unseren Ohren. Voll banger Ungewißheit sahen wir Nachrichten entgegen. Ein Augenzeuge, der herüberfloh, erzählte, die Magyaren, 20,000 an der Zahl, mit 40 Stück Geschütz, hätten das Alibunarer Lager gestürmt, und da das Auxiliarkorps unter dem Hauptmann Baraich schwach war und aus treubrüchigen Walächen bestand, die beim ersten Angriffe die Flucht ergriffen, konnte auch der Lagerkommandant, Michael Ivannovich, der kaum 3000 Mann und 10 Stück Kanonen hatte, sich nicht lange halten, und sah sich daher gezwungen, das Lager zu verlassen und sich bis Petrowo Selo zurückzuziehen.

Großbritannien.
* London, 24. Dez.

Wie jedes Mal um diese Zeit, setzt jetzt das Weihnachtsfest alle Welt in Bewegung. Der sogenannte Yule-clog, ein Eichen- oder Buchenstamm, muß im Kamine die Kohle ersetzen. Spiegel und Schränke werden mit Hülsenblätterlaub geschmückt und über der Thür hängt der berüchtigte missle-ton, ein grüner Zweig, unter dem jeder junge Bursche ein Mädchen umarmen und küssen darf.

Roast-beef und Plum-pudding fehlen natürlich nicht, und mancher ehrliche John Bull hält es für seine Pflicht, sich in diesen Tagen nach der Väter Sitte einmal von Grund aus an Port und Sherry zu erholen. In Windsor wird auf dem Tisch der Königin wie immer, ein Baron of Beef aufgetragen, ein Rücken- und Hinterviertel-Ochsen-Stück. Der diesjährige Baron of Beef ist von einem außerordentlichen Ochsen, der eine Büffelkuh zu seiner Mutter, und einen Ochsen aus Ayrshire zu seinem Vater hat und auf einer flemischen Meierei des Prinzen Albert in der Nähe von Windsor erzogen wurde. Besagter Ochse war gerade 4 Jahre alt, als er neulich geschlachtet wurde. Man hielt ihn für das schönste Stück Vieh in ganz Alt-England. Der für den Tisch der Königin bestimmte Braten dieses Ochsen wiegt 94 Stein oder 152 Pfd. und wird 10 Studen lang geröstet werden.

* London, 25. Dez.

In seiner jüngsten Botschaft äußert sich der Präsident Polk in Betreff des mexikanischen Krieges folgender Maaßen:

„Eins der wichtigsten Ergebnisse des Krieges, zu welchem wir kürzlich gegen eine benachbarte Nation gezwungen waren, ist der Beweis, welche militärische Kraft unser Land besitzt. Vor dem letzten Kriege mit Mexiko hatten europäische und andere fremde Mächte unvollständige und irrthümliche Ansichten bezüglich unserer physischen Stärke als Nation und unserer Fähigkeit, einen Krieg, besonders außerhalb unseres Landes, zu führen. Sie sahen, daß unsere Armee auf dem Kriegsfuße nicht mehr als 10,000 Mann betrug. Bei sich gewöhnt, zum Schutz ihrer Throne gegen die Unterthanen sowohl als gegen fremde Angriffe, große stehende Heere in Friedenszeiten zu unterhalten: glaubten sie nicht an die Möglichkeit, daß eine Nation ohne eine solche wohldisziplinirte und langgediente Armee mit glücklichem Erfolg Krieg führen könne: Von unserer Miliz dachten sie gering und hielten sie nur für zeitweise Defensiv-Operationen, im Fall unser eigenes Land von einer Invasion betroffen würde, für anwendbar. Die letzten Kriegsereignisse haben jenen Irrthum beseitigt, der auch in gewissem Grade von einem Theil unserer Landsleute getheilt wurde. Jener Krieg hat dargethan, daß beim Ausbruch unerwarteter Feindseligkeiten, für die keinerlei Vorbereitungen getroffen waren, in kurzer Zeit und in erforderlicher Zahl eine Freiwilligen-Armee von Bürger-Soldaten ins Feld gestellt werden kann, die einer Veteranen-Armee nicht nachsteht. Wir waren nicht, wie's in jedem andern Lande vorgekommen wäre, zu Aushebungen oder Konskriptionen genöthigt. Im Gegentheil boten so viel Freiwillige ihre Dienste an, daß die Hauptschwierigkeit in der Auswahl bestand. Unsere Bürger-Soldaten gehören allen möglichen Gewerben und Lebensbeschäftigungen an. Es sind Farmers, Juristen, Aerzte, Kaufleute, Fabrikanten, Fabrikarbeiter und Bauern, und zwar in den Reihen der Offiziere, wie der gewähnlichen Soldaten. Unsere Bürger-Soldaten sind bewaffnet und von Jugend auf an Führung der Feuerwaffen gewöhnt. Ein großer Theil, besonders im Westen und den neuen Staaten, zeichnen sich als erfahrene Scharfschützen aus. Es sind Leute, die durch ihr gutes Betragen im Felde ihren guten Ruf in der Heimath zu wahren haben.

Sie sind intelligent und in ihren Reihen zeigt sich eine Mannigfaltigkeit der Charaktere, wie nirgends sonst in einer Armee. In jeder Schlacht kämpft ebensowohl der gewöhnliche Soldat wie der Offizier nicht allein für sein Land, sondern für Ruhm und Auszeichnung unter seinen Mitbürgern, für den Fall, daß er glücklich ins bürgerliche Leben zurückkehrt.

Die Stärke unserer Institutionen hat sich nicht blos durch die Tapferkeit und das Geschick unserer Truppen, sondern eben so in der Organisation jener Verwaltungszweige an den Tag gelegt, die mit der Oberleitung und Führung des Krieges beauftragt waren. Während unsern Offizieren und Soldaten, die unsere Schlachten ausfochten, nicht hohes Lob genug ertheilt werden kann: wäre es doch unrecht, die gebührende Anerkennung jenen aus Nothwendigkeit daheim gebliebenen Offizieren zu versagen, denen es oblag, die Armee zu gehöriger Zeit und gehörigen Orts mit der nöthigen Kriegsmunition und allem übrigen zur Wirksamkeit im Felde unentbehrlichen Proviant zu versehen. Die Anerkennung muß um so größer sein, als noch keine Armee weder in alter noch neuer Zeit besser mit allem Nöthigen versehen war, als die unsrige in Mexico. Da unsere Armee in einem feindlichen Lande, 2000 Meilen weit vom Sitz der Central-Regierung operirte und die verschiedenen Corps über eine ungeheure Fläche zerstreut waren und hunderte ja tausende von Meilen von einander entfernt ihre Operationen verfolgten: so bedurfte es ganz der unermüdlichen Energie jener Beamten, um die Armee auf allen Punkten und zur gehörigen Zeit mit den zum Kriegsdienst erforderlichen Gegenständen zu versorgen ‥…

Der mexikanische Krieg hat demnach die Fähigkeit republikanischer Regierungen bewiesen, einen gerechten und unvermeidlichen Krieg in der Fremde mit all jener Energie zu führen, die gewöhnlich nur den mehr willkürlichen Regierungsformen beigemessen wird. Der Krieg, den wir 1812 mit England und größtentheils innerhalb unserer Grenzen führten, hellte diesen Gegenstand wenig auf. Aber der Krieg, den wir eben durch einen ehrenvollen Frieden beendigt: er ist der zweifelloseste Beweis, daß eine volksthümliche Regierung jedem Ereigniß gewachsen ist, das in den Angelegenheiten einer Nation auftauchen kann. Durch jenen Krieg ist aber noch ein zweiter hervorstechender Charakterzug unserer Institutionen erkennbar geworden: Es ist der, daß wir im Schooße unserer Staatsgesellschaft von freien Männern, ohne Kosten für die Regierung und ohne Gefahr für unsre Freiheiten, eine stehende Armee von 2 Millionen Bürgersoldaten für jeden gerechten und nothwendigen Krieg bereit haben.“

Ueber die Resultate des mexikanischen Kriegs enthält die Botschaft folgende Aeußerungen:

„Die großen Resultate dieses Krieges werden für die Zukunft unseres Landes von unberechenbarer Wichtigkeit sein. Sie werden mächtig dazu beitragen, uns vor fremden Collisionen zu bewahren und uns die Verfolgung der uns liebgewordenen Politik: Friede mit allen Nationen; verstrickende Allianzen mit keiner“ ohne Unterbrechung im Auge zu behalten. Innerhalb 4 Jahren ist die Einverleibung von Texas in die Union vollzogen, jeder streitige Anspruch auf das Oregon-Gebiet südlich des 49° N. Br. ist beseitigt und Neu-Mexico und Ober-Californien vertragsmäßig erworben worden. Die Oberfläche dieser Gebiete beträgt 1 Mill. 193,061 Geviert-Meilen oder 763 Mill. 559,043 Acres (Morgen), während die Oberfläche der bisherigen 29 Staaten und des östlich vom Felsengebirge noch nicht in Staaten organisirten Gebiets 2 Mill. 59,513 Geviert-Meilen oder 1,318 Mill. 12[unleserliches Material],058 Morgen umfaßt. Die Abschätzungen und Messungen zeigen, daß das neu erworbene Land um die Hälfte größer ist, als das zuvor von der Union besessene Gebiet. Es kommt dem von ganz Europa gleich, mit Ausschluß Rußlands. Der Mississippi, kürzlich noch die Gränze unseres Landes, ist jetzt dessen Mittelpunkt geworden. Rechnet man die neuen Erwerbungen hinzu, so sind die Vereinigten Staaten ziemlich so groß, wie ganz Europa. Nach dem Anschlage des Ober-Küsten-Vermessers erstreckt sich die Meeresküste von Texas im Golf von Mexiko auf mehr als 400 (engl.) Meilen; die Küste von Ober-Kalifornien am Stillen Ozean mehr als 970 Meilen und die Oregon-Küste, mit Inbegriff der Fucastraße, 650 Meil. Die ganze Ausdehnung am Stillen Ozean beläuft sich auf 1620 M. und diejenige am mexikanischen Golf hinzugenommen, auf 2020 Meilen. Am atlantischen Ozean dagegen erstreckt sich die Küste vom nördlichsten Punkte der Union rund um das Cap von Florida bis zum Sabinefluß auf 3,100 M., so daß unsere jetzige Seeküste fast 2 mal größer ist, als unsre frühere. Die jetzige Küstenausdehnung unseres Landes ist gleich 5000 (engl.) Meilen. Hierbei sind die Buchten, Sunde und sonstige Unregelmäßigkeiten des Küstenlaufs nicht gerechnet. Denn würde das alles hinzugenommen, so betrüge die Küstenerstreckung 33,063 Meilen.

* London.

Ein medicinisches Journal, „The Lancet“, berichtet in einer neueren Nummer über das gräßliche Umsichgreifen des Opiumessens unter den arbeitenden Klassen Großbritanniens. Die Paupers in Lincolnshire geben von einem Wochenlohn von 3 Schillingen durchschnittlich 2 1/2 Schill. für Opium aus, ein Grad von Hingebung an dies unselige Laster, der selbst Coleridge oder de Quincey (Verfasser der „Bekenntnisse eines Opiumessers“) mit Grausen erfüllen würde. In Irland ist die Consumtion ebenfall s auf schaudererregende Weise im Zunehmen begriffen. Ein einziger Droguist, ein Bekannter des Herausgebers der „Lancet“, hat in diesem Jahre für 400 Pfund Sterling mehr Opium nach Irland verkauft, als in frühern Jahren. Nach den in voriger Woche veröffentlichten Berichten des Board of Trade sind bloß im letzten Monat October 8000 Pfund Opium eingeführt worden, was verhältnißmäßig noch kein großes Quantum ist, da es Monate gibt, in welchen bis zu 32,000 Pfund dieses Lethe's der Armuth importirt werden.

* London, 25. Dez.

Vice-Admiral Parker wird binnen Kurzem das Oberkommando im Mittelmeer abgeben. Obgleich sonst noch körperlich und geistig gesund, leidet er an den Augrn, deren immer mehr abnehmende Sehkraft ihm bald im Dienste sehr hinderlich sein würde.

* Manchester, 23. Dez.

Nach dem lebendigen Geschäft der vorigen Woche, war es nicht anders zu erwarten, als daß es in dieser Woche etwas ruhiger sein würde. Die Vorräthe von baumwollen Garn und von baumwollen Zeugen sind bedeutend geräumt und Spinner und Fabrikanten rüsten sich zu flotter Produktion. Die Preise der genannten Artikel sind naturlich höher gegangen, und da die Nachrichten aus Indien und China günstig bleiben, so sieht man einer noch lebendigern Geschäftszeit entgegen.

Denselben Aufschwung hat der Handel in den Woll- und Worsted-Distrikten erfahren. Die Eigner des rohen Materials fordern höhere Preise, und Spinner und Fabrikanten müssen um so williger darauf eingehen, als sie ziemlich starke Aufträge in Händen haben und bei der frühern schlechten Geschäftszeit wenig in Vorrath arbeiteten.

Französische Republik.
12 Paris, 2. Dcbr.

Eine Heerschau über die neuen Minister ist nicht so leicht, als man vermuthete. Außer Odilon-Barrot, der seine Berühmtheit einzig dem Plutarch und dem Aristides zu danken hat, und den man hinlänglich schon aus der Juli-Revolution kennt, sind die andern nur durch ihre Bekanntschaft mit Thiers und Molé bekannt. Thiers und Molé kennen sie; sie kennen Thiers und Molé und darauf beruft man sich, um sie dem Publikum als die neuen Minister anzupreisen. Es ist dies eine gute Empfehlung für sie und das Publikum, das Publikum der Bourgeois natürlich; denn die Proletarier sind wieder unsichtbar geworden, nachdem sie Cavaignac beseitigt und an die Spitze Frankreichs die bürgerliche Nullheit mit Odilon-Barrot an der Spitze gestellt haben. Was die Partei des Nationals betrifft; so bleibt weiter keiner als Herr Marrast übrig, der als Präsident der Nationalversammlung, dem Präsidenten Napoleon gegenüber, den Republikaner „als solcher“ vertritt, dabei muß dieser Republikaner als solcher nach jedem Monat sich neuerdings der Wahl unterziehen, um in der Eigenschaft eines Kammerpräsidenten fortexistiren zu können. O du schöne Zeit, wo neben dem Präsidentengehalte noch eine Beilage von 6000 Fr. bewilligt wurde, damit Herr Marrast glänzende Soirées geben, durch die glänzenden Soirées den Handel und Wandel befördern, und durch beides die Republik „als solche“ vertreten konnte. Das ist Alles vorbei; und von dem schönen Traume ist weiter nichts geblieben als die Verfallzeit der Wechsel, welche Marrast und Konsorten neben ihren Gehalten auf die Fortdauer „ihrer Republik“ und ihrer glänzenden Stellungen gezogen hatten. Sie haben ihre schönste Zeit verlebt. Dagegen taucht Herr von Malleville auf. Was ist dieser Malleville? Minister des Innern! Und worin bestehn die innern Angelegenheiten der Bourgeois? Alle die Präfekten, Unterpräfekten, Kommissarien und Prokuratoren der Revolution abzusetzen, die zu lange in ihrer Amtswohnung geblieben sein sollten. Aber Herr Malleville wird keine reiche Razzia machen; höchstens wird er einige verlorene Aehren aus der Februar-Aernte aufzulesen finden. Herr von Malleville ist ein geborner Royalist; aber er hatte sich eines Morgens mit Louis Philipp und mit Duchatel überworfen — die in ihm einen in jeder Hinsicht untauglichen Beamten fanden, und der mit dem besten Willen, der Politik des Privilegiums zu dienen, weder Talent noch Erfahrung genug besaß, um sich lange halten zu können. Da trat [unleserliches Material]er denn in ein Bündniß mit der Partei der Wahlreform und machte sich bemerkbar auf dem Bankett von Chateau-Rouge. In den Februartagen selbst ist er an keinem von den entscheidenden Kampfplätzen gesehn worden; Alles, was man aus dieser Periode von ihm weiß, das ist seine Bereitwilligkeit, einer Regence zu dienen.

Wer wohnt in dem Hotel „des Capucins“? der Minister der äußern Angelegenheiten! Ein gewisser Drouyn de Lhuys. Wer ist dieser Mann? Ein Franzose würde antworten: parlez au portie[unleserliches Material]! In jedem Pariser Hause nämlich ist eine Loge, wo der Pförtner wohnt, und an den man sich wenden muß, ehe man zu den Hausbewohnern gelangen kann. Der Pförtner des Ministeriums ist wirklich in diesem Augenblicke die einzige Behörde, die Auskunft über den Drouyn de Lhuys geben kann; gerade wie in der letzten Zeit der Herr Guizot, wo der Pförtner des Herrn Guizot allein den mit Telegraphen aus weiter Ferne her verschriebenen Jayr kannte. — Auch er hatte sich eines Tags mit Guizot überworfen, und da nahm ihn die Partei Odilon-Thiers unter ihre Flügel. Aber Rulhières, der Ex-Oberst der 35er, das ist der eigentliche Held; er ist bekannt durch seine Schlachten gegen die Emeutiers von Grenoble und Toulouse. Herr Falloux, der Minister des Unterrichts, ist der Auserlesene aller Sakristeien und der Liebling schwärmerischer Nonnen. Was soll man nun weiter von dem Finanzminister Passy sagen, wenn man weiß, daß selbst ein Fould vorausgesehn, daß mit solchen Ministern nichts zu machen ist. Fould, den man als Finanzminister vorgeschlagen, ist, wie man weiß, ein Banquier aus grauen Zeiten, und mit den Interessen der kleinern Bourgeois vollkommen vertraut; um so vertrauter, da, wie man behauptet, das Haus Fould durch seine frühern Zahlungseinstellungen seine Zahlungsfähigkeit gewonnen hat. Mit einem solchen Ministerium ist Napoleon umgeben. Noch sind die Proletarier unsichtbar geblieben. Man hatte zwischen dem Ochsen und Schurken zu wählen: der Ochse ist gewählt worden, und wenn die Bauern und Arbeiter einst dem Ochsen gegenübertreten, so muß er entweder scheu oder wild werden. Wird er scheu, ist er gleich verloren; wird er dagegen wild, dann kann er sich einzig nur noch retten, daß er mit seinen wildgewordenen Verfolgern heraustritt aus den engen Schranken des französischen Gebietes.

236 Paris, 26. Dez.

Ledru-Rollin bekam neulich eine Adresse aus dem Königreiche Sachsen, worin es hieß: „Verehrter Bürger und Bruder, Mann des Volkes! Seitdem die Februarrevolution Sie auf die Scene rief, sehen die deutschen Demokraten mit Freuden auf Sie. Die Theilnahme welche Sie und ein Theil der französischen Nation bei Gelegenheit unsres gemeuchelten Bruders Robert Blum für Deutschland's Freiheitsstreben an den Tag legten, zeigt wieder, mit welcher Wärme Sie nach der Verbrüderung der Völker trachten. Hiefür unsern Dank, und die Versicherung unsrer Hochachtung für Sie, für Frankreich's Demokraten und unsre Landsleute zu Paris. Namens des 758 Mitglieder starken Demokratenvereins der Stadt Frenen: Karl Böhme, Präsident. Moriz Schanz, Sekretär.“

„Es ist gut, bei Jahresablauf die Thaten und Leiden der demokratischen Partei rückschauend zu betrachten (sagt „Le Peuple souverain“ in Lyon), und da finden wir gar jämmerliche Sünden der Zaghaftigkeit, des schlaffsten Edelmuths, der großherzigsten Gimpelei. Heute ist sie soweit herunter, daß der Soldatenvater Bugeaud an die Alpenarmee von Paris aus einen Tagesbefehl ergehen lassen kann, worin er von „Ordnung“ und „wahrer Freiheit“ deklamirt, in Phrasen, die buchstäblich in seinen Tagesbefehlen unter Louis Philipp geprunkt haben. Daß dieser Beduinentriumphator keineswegs den Oestreichern etwas zu leide thun, vielmehr eines heitern Wintermorgens vor Lyon aufmarschiren und etliche Dutzend Bomben auf Frankreich's zweite Hauptstadt werfen lassen wird, um das verfluchte demokratische Schlangennest zu säubern und Junischändlichkeiten zu wiederholen: das ist uns klar wie zwei mal zwei. Aber wie dem auch sei, diese böse Zeit wird vorüber gehen, und die Demokraten Deutschland's werden uns nicht im Stich lassen.“ Die Verbrüderung mit letztern ist in der That im besten Gange. Am Sonntag fand endlich das seit jener, zu

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 181 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>Freitag 29. Dezember 1848.</docDate>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p>Herren &#x201E;Reichstruppen&#x201C; mit uns zu theilen sich herabläßt. Wir sind gute, geduldige Leute in unserm Reich; drum lebe die Einquartirung!</p>
          <p>Zu Frankfurt am Main haben die Herren in der reformirten Kirche die sogenannten &#x201E;Grundrechte&#x201C; des deutschen Volkes vom Stapel gelassen. &#x201E;Grundrechte&#x201C; hat man sie betitelt, weil mittelst ihrer das deutsche Volk zu Grund gerichtet werden soll. Der Anfang dazu ist wenigstens ganz erbaulich. Der Herr Gagern und Konsorten haben die Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten (mit andern Worten: den neu aufgewärmten Bundestag) zu einer gemeinschaftlichen Sitzung eingeladen. Weshalb? Ei, um denselben die Grundrechte des deutschen Volkes vorzulegen und zu fragen, ob die hohen Regierungen wohl so gnädig sein würden, sie zu genehmigen und zu publiziren? Und die Bevollmächtigten schmunzelten seelenvergnügt: das sei ihren hohen Regierungen ganz genehm. Mit Belagerungszuständen, haarscharfgeschliffenen Schwertern, Verfassungsoctroyirungen etc. kann man solche Kurzweil, wie die Grundrechte des deutschen Volkes schon nebenher laufen lassen. Sachsen und Hannover erklärten, sie wollten erst die Zustimmung ihrer Landtage einholen. Baiern hatte keine &#x2014; Vollmacht und schwieg. Oesterreich lehnte jede Publikation und Einführung der Grundrechte kurzweg ab, weil Windischgrätz und Jellachich sie längst auf summarischem Wege zur vollsten Geltung gebracht haben. Preußen dagegen war ungemein fidel und bereitwillig. Meinem Herrn und Meister, dachte der Bevollmächtigte bei sich, kommt's auf ein Stückchen Papier mehr oder weniger, eben so wenig als auf ein paar feierliche Zusagen oder Eidschwüre nicht an. Wir publiziren die Grundrechte frischweg; Wrangel und Colomb, Hinckeldey, Stößer und Bürger Drigalski werden schon für die gehörige Auslegung sorgen. Nur auf dem Papiere immer hübsch freisinnig! Das sei vor wie nach der hohenzollern'sche Wahlspruch! Und der edle Hr. Gagern begab sich seelenvergnügt nach Hause, rieb sich die Hände, zählte die Häupter seiner Lieben und berechnete, wie viel preußische Staatspapiere er zu Neujahr dafür umwechseln könne.</p>
          <p>In Sigmaringen wird ein Buß- und Bettag ausgeschrieben. Die Leute hatten dort bislang nicht an ihre große Sündhaftigkeit glauben wollen. Seitdem sich aber ihr geliebter, erst ein Mal verjagter Landesvater nach Berlin begeben, um &#x201E;sein&#x201C; Land nebst allen darin befindlichen Schaafen, Eseln, Schweinen, christlichen Unterthansseelen und Ochsen an Preußen abzutreten: sind sie in sich gegangen und wollen Buße thun im Sack und in der Asche. Es frägt sich aber sehr, ob der Zorn des Herrn sie loslassen wird.</p>
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        <head>Ungarn.</head>
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          <head>Semlin, 14. Dez.</head>
          <p>Der Donner der Kanonen drang vorgestern vom Banat bis zu unseren Ohren. Voll banger Ungewißheit sahen wir Nachrichten entgegen. Ein Augenzeuge, der herüberfloh, erzählte, die Magyaren, 20,000 an der Zahl, mit 40 Stück Geschütz, hätten das Alibunarer Lager gestürmt, und da das Auxiliarkorps unter dem Hauptmann Baraich schwach war und aus treubrüchigen Walächen bestand, die beim ersten Angriffe die Flucht ergriffen, konnte auch der Lagerkommandant, Michael Ivannovich, der kaum 3000 Mann und 10 Stück Kanonen hatte, sich nicht lange halten, und sah sich daher gezwungen, das Lager zu verlassen und sich bis Petrowo Selo zurückzuziehen.</p>
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        <head>Großbritannien.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 24. Dez.</head>
          <p>Wie jedes Mal um diese Zeit, setzt jetzt das Weihnachtsfest alle Welt in Bewegung. Der sogenannte Yule-clog, ein Eichen- oder Buchenstamm, muß im Kamine die Kohle ersetzen. Spiegel und Schränke werden mit Hülsenblätterlaub geschmückt und über der Thür hängt der berüchtigte missle-ton, ein grüner Zweig, unter dem jeder junge Bursche ein Mädchen umarmen und küssen darf.</p>
          <p>Roast-beef und Plum-pudding fehlen natürlich nicht, und mancher ehrliche John Bull hält es für seine Pflicht, sich in diesen Tagen nach der Väter Sitte einmal von Grund aus an Port und Sherry zu erholen. In Windsor wird auf dem Tisch der Königin wie immer, ein Baron of Beef aufgetragen, ein Rücken- und Hinterviertel-Ochsen-Stück. Der diesjährige Baron of Beef ist von einem außerordentlichen Ochsen, der eine Büffelkuh zu seiner Mutter, und einen Ochsen aus Ayrshire zu seinem Vater hat und auf einer flemischen Meierei des Prinzen Albert in der Nähe von Windsor erzogen wurde. Besagter Ochse war gerade 4 Jahre alt, als er neulich geschlachtet wurde. Man hielt ihn für das schönste Stück Vieh in ganz Alt-England. Der für den Tisch der Königin bestimmte Braten dieses Ochsen wiegt 94 Stein oder 152 Pfd. und wird 10 Studen lang geröstet werden.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 25. Dez.</head>
          <p>In seiner jüngsten Botschaft äußert sich der Präsident <hi rendition="#g">Polk</hi> in Betreff des mexikanischen Krieges folgender Maaßen:</p>
          <p>&#x201E;Eins der wichtigsten Ergebnisse des Krieges, zu welchem wir kürzlich gegen eine benachbarte Nation gezwungen waren, ist der Beweis, welche militärische Kraft unser Land besitzt. Vor dem letzten Kriege mit Mexiko hatten europäische und andere fremde Mächte unvollständige und irrthümliche Ansichten bezüglich unserer physischen Stärke als Nation und unserer Fähigkeit, einen Krieg, besonders außerhalb unseres Landes, zu führen. Sie sahen, daß unsere Armee auf dem Kriegsfuße nicht mehr als 10,000 Mann betrug. Bei sich gewöhnt, zum Schutz ihrer Throne gegen die Unterthanen sowohl als gegen fremde Angriffe, große stehende Heere in Friedenszeiten zu unterhalten: glaubten sie nicht an die Möglichkeit, daß eine Nation ohne eine solche wohldisziplinirte und langgediente Armee mit glücklichem Erfolg Krieg führen könne: Von unserer Miliz dachten sie gering und hielten sie nur für zeitweise Defensiv-Operationen, im Fall unser eigenes Land von einer Invasion betroffen würde, für anwendbar. Die letzten Kriegsereignisse haben jenen Irrthum beseitigt, der auch in gewissem Grade von einem Theil unserer Landsleute getheilt wurde. Jener Krieg hat dargethan, daß beim Ausbruch unerwarteter Feindseligkeiten, für die keinerlei Vorbereitungen getroffen waren, in kurzer Zeit und in erforderlicher Zahl eine Freiwilligen-Armee von Bürger-Soldaten ins Feld gestellt werden kann, die einer Veteranen-Armee nicht nachsteht. Wir waren nicht, wie's in jedem andern Lande vorgekommen wäre, zu Aushebungen oder Konskriptionen genöthigt. Im Gegentheil boten so viel Freiwillige ihre Dienste an, daß die Hauptschwierigkeit in der Auswahl bestand. Unsere Bürger-Soldaten gehören allen möglichen Gewerben und Lebensbeschäftigungen an. Es sind Farmers, Juristen, Aerzte, Kaufleute, Fabrikanten, Fabrikarbeiter und Bauern, und zwar in den Reihen der Offiziere, wie der gewähnlichen Soldaten. Unsere Bürger-Soldaten sind bewaffnet und von Jugend auf an Führung der Feuerwaffen gewöhnt. Ein großer Theil, besonders im Westen und den neuen Staaten, zeichnen sich als erfahrene Scharfschützen aus. Es sind Leute, die durch ihr gutes Betragen im Felde ihren guten Ruf in der Heimath zu wahren haben.</p>
          <p>Sie sind intelligent und in ihren Reihen zeigt sich eine Mannigfaltigkeit der Charaktere, wie nirgends sonst in einer Armee. In jeder Schlacht kämpft ebensowohl der gewöhnliche Soldat wie der Offizier nicht allein für sein Land, sondern für Ruhm und Auszeichnung unter seinen Mitbürgern, für den Fall, daß er glücklich ins bürgerliche Leben zurückkehrt.</p>
          <p>Die Stärke unserer Institutionen hat sich nicht blos durch die Tapferkeit und das Geschick unserer Truppen, sondern eben so in der Organisation jener Verwaltungszweige an den Tag gelegt, die mit der Oberleitung und Führung des Krieges beauftragt waren. Während unsern Offizieren und Soldaten, die unsere Schlachten ausfochten, nicht hohes Lob genug ertheilt werden kann: wäre es doch unrecht, die gebührende Anerkennung jenen aus Nothwendigkeit daheim gebliebenen Offizieren zu versagen, denen es oblag, die Armee zu gehöriger Zeit und gehörigen Orts mit der nöthigen Kriegsmunition und allem übrigen zur Wirksamkeit im Felde unentbehrlichen Proviant zu versehen. Die Anerkennung muß um so größer sein, als noch keine Armee weder in alter noch neuer Zeit besser mit allem Nöthigen versehen war, als die unsrige in Mexico. Da unsere Armee in einem feindlichen Lande, 2000 Meilen weit vom Sitz der Central-Regierung operirte und die verschiedenen Corps über eine ungeheure Fläche zerstreut waren und hunderte ja tausende von Meilen von einander entfernt ihre Operationen verfolgten: so bedurfte es ganz der unermüdlichen Energie jener Beamten, um die Armee auf allen Punkten und zur gehörigen Zeit mit den zum Kriegsdienst erforderlichen Gegenständen zu versorgen &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Der mexikanische Krieg hat demnach die Fähigkeit republikanischer Regierungen bewiesen, einen gerechten und unvermeidlichen Krieg in der Fremde mit all jener Energie zu führen, die gewöhnlich nur den mehr willkürlichen Regierungsformen beigemessen wird. Der Krieg, den wir 1812 mit England und größtentheils innerhalb unserer Grenzen führten, hellte diesen Gegenstand wenig auf. Aber der Krieg, den wir eben durch einen ehrenvollen Frieden beendigt: er ist der zweifelloseste Beweis, daß eine volksthümliche Regierung jedem Ereigniß gewachsen ist, das in den Angelegenheiten einer Nation auftauchen kann. Durch jenen Krieg ist aber noch ein zweiter hervorstechender Charakterzug unserer Institutionen erkennbar geworden: Es ist der, daß wir im Schooße unserer Staatsgesellschaft von freien Männern, ohne Kosten für die Regierung und ohne Gefahr für unsre Freiheiten, eine stehende Armee von 2 Millionen Bürgersoldaten für jeden gerechten und nothwendigen Krieg bereit haben.&#x201C;</p>
          <p>Ueber die Resultate des mexikanischen Kriegs enthält die Botschaft folgende Aeußerungen:</p>
          <p>&#x201E;Die großen Resultate dieses Krieges werden für die Zukunft unseres Landes von unberechenbarer Wichtigkeit sein. Sie werden mächtig dazu beitragen, uns vor fremden Collisionen zu bewahren und uns die Verfolgung der uns liebgewordenen Politik: Friede mit allen Nationen; verstrickende Allianzen mit keiner&#x201C; ohne Unterbrechung im Auge zu behalten. Innerhalb 4 Jahren ist die Einverleibung von Texas in die Union vollzogen, jeder streitige Anspruch auf das Oregon-Gebiet südlich des 49° N. Br. ist beseitigt und Neu-Mexico und Ober-Californien vertragsmäßig erworben worden. Die Oberfläche dieser Gebiete beträgt 1 Mill. 193,061 Geviert-Meilen oder 763 Mill. 559,043 Acres (Morgen), während die Oberfläche der bisherigen 29 Staaten und des östlich vom Felsengebirge noch nicht in Staaten organisirten Gebiets 2 Mill. 59,513 Geviert-Meilen oder 1,318 Mill. 12<gap reason="illegible"/>,058 Morgen umfaßt. Die Abschätzungen und Messungen zeigen, daß das neu erworbene Land um die Hälfte größer ist, als das zuvor von der Union besessene Gebiet. Es kommt dem von ganz Europa gleich, mit Ausschluß Rußlands. Der Mississippi, kürzlich noch die Gränze unseres Landes, ist jetzt dessen Mittelpunkt geworden. Rechnet man die neuen Erwerbungen hinzu, so sind die Vereinigten Staaten ziemlich so groß, wie ganz Europa. Nach dem Anschlage des Ober-Küsten-Vermessers erstreckt sich die Meeresküste von Texas im Golf von Mexiko auf mehr als 400 (engl.) Meilen; die Küste von Ober-Kalifornien am Stillen Ozean mehr als 970 Meilen und die Oregon-Küste, mit Inbegriff der Fucastraße, 650 Meil. Die ganze Ausdehnung am Stillen Ozean beläuft sich auf 1620 M. und diejenige am mexikanischen Golf hinzugenommen, auf 2020 Meilen. Am atlantischen Ozean dagegen erstreckt sich die Küste vom nördlichsten Punkte der Union rund um das Cap von Florida bis zum Sabinefluß auf 3,100 M., so daß unsere jetzige Seeküste fast 2 mal größer ist, als unsre frühere. Die jetzige Küstenausdehnung unseres Landes ist gleich 5000 (engl.) Meilen. Hierbei sind die Buchten, Sunde und sonstige Unregelmäßigkeiten des Küstenlaufs nicht gerechnet. Denn würde das alles hinzugenommen, so betrüge die Küstenerstreckung 33,063 Meilen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar181b_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London.</head>
          <p>Ein medicinisches Journal, &#x201E;The Lancet&#x201C;, berichtet in einer neueren Nummer über das gräßliche Umsichgreifen des Opiumessens unter den arbeitenden Klassen Großbritanniens. Die Paupers in Lincolnshire geben von einem Wochenlohn von 3 Schillingen durchschnittlich 2 1/2 Schill. für Opium aus, ein Grad von Hingebung an dies unselige Laster, der selbst Coleridge oder de Quincey (Verfasser der &#x201E;Bekenntnisse eines Opiumessers&#x201C;) mit Grausen erfüllen würde. In Irland ist die Consumtion ebenfall s auf schaudererregende Weise im Zunehmen begriffen. Ein einziger Droguist, ein Bekannter des Herausgebers der &#x201E;Lancet&#x201C;, hat in diesem Jahre für 400 Pfund Sterling mehr Opium nach Irland verkauft, als in frühern Jahren. Nach den in voriger Woche veröffentlichten Berichten des Board of Trade sind bloß im letzten Monat October 8000 Pfund Opium eingeführt worden, was verhältnißmäßig noch kein großes Quantum ist, da es Monate gibt, in welchen bis zu 32,000 Pfund dieses Lethe's der Armuth importirt werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar181b_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 25. Dez.</head>
          <p>Vice-Admiral Parker wird binnen Kurzem das Oberkommando im Mittelmeer abgeben. Obgleich sonst noch körperlich und geistig gesund, leidet er an den Augrn, deren immer mehr abnehmende Sehkraft ihm bald im Dienste sehr hinderlich sein würde.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Manchester, 23. Dez.</head>
          <p>Nach dem lebendigen Geschäft der vorigen Woche, war es nicht anders zu erwarten, als daß es in dieser Woche etwas ruhiger sein würde. Die Vorräthe von baumwollen Garn und von baumwollen Zeugen sind bedeutend geräumt und Spinner und Fabrikanten rüsten sich zu flotter Produktion. Die Preise der genannten Artikel sind naturlich höher gegangen, und da die Nachrichten aus Indien und China günstig bleiben, so sieht man einer noch lebendigern Geschäftszeit entgegen.</p>
          <p>Denselben Aufschwung hat der Handel in den Woll- und Worsted-Distrikten erfahren. Die Eigner des rohen Materials fordern höhere Preise, und Spinner und Fabrikanten müssen um so williger darauf eingehen, als sie ziemlich starke Aufträge in Händen haben und bei der frühern schlechten Geschäftszeit wenig in Vorrath arbeiteten.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 2. Dcbr.</head>
          <p>Eine Heerschau über die neuen Minister ist nicht so leicht, als man vermuthete. Außer Odilon-Barrot, der seine Berühmtheit einzig dem Plutarch und dem Aristides zu danken hat, und den man hinlänglich schon aus der Juli-Revolution kennt, sind die andern nur durch ihre Bekanntschaft mit Thiers und Molé bekannt. Thiers und Molé kennen sie; sie kennen Thiers und Molé und darauf beruft man sich, um sie dem Publikum als die neuen Minister anzupreisen. Es ist dies eine gute Empfehlung für sie und das Publikum, das Publikum der Bourgeois natürlich; denn die Proletarier sind wieder unsichtbar geworden, nachdem sie Cavaignac beseitigt und an die Spitze Frankreichs die bürgerliche Nullheit mit Odilon-Barrot an der Spitze gestellt haben. Was die Partei des Nationals betrifft; so bleibt weiter keiner als Herr Marrast übrig, der als Präsident der Nationalversammlung, dem Präsidenten Napoleon gegenüber, den Republikaner &#x201E;<hi rendition="#g">als solcher</hi>&#x201C; vertritt, dabei muß dieser Republikaner als solcher nach jedem Monat sich neuerdings der Wahl unterziehen, um in der Eigenschaft eines Kammerpräsidenten fortexistiren zu können. O du schöne Zeit, wo neben dem Präsidentengehalte noch eine Beilage von 6000 Fr. bewilligt wurde, damit Herr Marrast glänzende Soirées geben, durch die glänzenden Soirées den Handel und Wandel befördern, und durch beides die <hi rendition="#g">Republik &#x201E;als solche&#x201C;</hi> vertreten konnte. Das ist Alles vorbei; und von dem schönen Traume ist weiter nichts geblieben als die Verfallzeit der Wechsel, welche Marrast und Konsorten neben ihren Gehalten auf die Fortdauer &#x201E;ihrer Republik&#x201C; und ihrer glänzenden Stellungen gezogen hatten. Sie haben ihre schönste Zeit verlebt. Dagegen taucht Herr von Malleville auf. Was ist dieser Malleville? Minister des Innern! Und worin bestehn die innern Angelegenheiten der Bourgeois? Alle die Präfekten, Unterpräfekten, Kommissarien und Prokuratoren der Revolution abzusetzen, die zu lange in ihrer Amtswohnung geblieben sein sollten. Aber Herr Malleville wird keine reiche Razzia machen; höchstens wird er einige verlorene Aehren aus der Februar-Aernte aufzulesen finden. Herr von Malleville ist ein geborner Royalist; aber er hatte sich eines Morgens mit Louis Philipp und mit Duchatel überworfen &#x2014; die in ihm einen in jeder Hinsicht untauglichen Beamten fanden, und der mit dem besten Willen, der Politik des Privilegiums zu dienen, weder Talent noch Erfahrung genug besaß, um sich lange halten zu können. Da trat <gap reason="illegible"/>er denn in ein Bündniß mit der Partei der Wahlreform und machte sich bemerkbar auf dem Bankett von Chateau-Rouge. In den Februartagen selbst ist er an keinem von den entscheidenden Kampfplätzen gesehn worden; Alles, was man aus dieser Periode von ihm weiß, das ist seine Bereitwilligkeit, einer Regence zu dienen.</p>
          <p>Wer wohnt in dem Hotel &#x201E;des Capucins&#x201C;? der Minister der äußern Angelegenheiten! Ein gewisser Drouyn de Lhuys. Wer ist dieser Mann? Ein Franzose würde antworten: parlez au portie<gap reason="illegible"/>! In jedem Pariser Hause nämlich ist eine Loge, wo der Pförtner wohnt, und an den man sich wenden muß, ehe man zu den Hausbewohnern gelangen kann. Der Pförtner des Ministeriums ist wirklich in diesem Augenblicke die einzige Behörde, die Auskunft über den Drouyn de Lhuys geben kann; gerade wie in der letzten Zeit der Herr Guizot, wo der Pförtner des Herrn Guizot allein den mit Telegraphen aus weiter Ferne her verschriebenen Jayr kannte. &#x2014; Auch er hatte sich eines Tags mit Guizot überworfen, und da nahm ihn die Partei Odilon-Thiers unter ihre Flügel. Aber Rulhières, der Ex-Oberst der 35er, das ist der eigentliche Held; er ist bekannt durch seine Schlachten gegen die Emeutiers von Grenoble und Toulouse. Herr Falloux, der Minister des Unterrichts, ist der Auserlesene aller Sakristeien und der Liebling schwärmerischer Nonnen. Was soll man nun weiter von dem Finanzminister Passy sagen, wenn man weiß, daß selbst ein Fould vorausgesehn, daß mit solchen Ministern nichts zu machen ist. Fould, den man als Finanzminister vorgeschlagen, ist, wie man weiß, ein Banquier aus grauen Zeiten, und mit den Interessen der kleinern Bourgeois vollkommen vertraut; um so vertrauter, da, wie man behauptet, das Haus Fould durch seine frühern Zahlungseinstellungen seine Zahlungsfähigkeit gewonnen hat. Mit einem solchen Ministerium ist Napoleon umgeben. Noch sind die Proletarier unsichtbar geblieben. Man hatte zwischen dem Ochsen und Schurken zu wählen: der Ochse ist gewählt worden, und wenn die Bauern und Arbeiter einst dem Ochsen gegenübertreten, so muß er entweder scheu oder wild werden. Wird er scheu, ist er gleich verloren; wird er dagegen wild, dann kann er sich einzig nur noch retten, daß er mit seinen wildgewordenen Verfolgern heraustritt aus den engen Schranken des französischen Gebietes.</p>
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          <head><bibl><author>236</author></bibl> Paris, 26. Dez.</head>
          <p>Ledru-Rollin bekam neulich eine Adresse aus dem Königreiche Sachsen, worin es hieß: &#x201E;Verehrter Bürger und Bruder, Mann des Volkes! Seitdem die Februarrevolution Sie auf die Scene rief, sehen die deutschen Demokraten mit Freuden auf Sie. Die Theilnahme welche Sie und ein Theil der französischen Nation bei Gelegenheit unsres gemeuchelten Bruders Robert Blum für Deutschland's Freiheitsstreben an den Tag legten, zeigt wieder, mit welcher Wärme Sie nach der Verbrüderung der Völker trachten. Hiefür unsern Dank, und die Versicherung unsrer Hochachtung für Sie, für Frankreich's Demokraten und unsre Landsleute zu Paris. Namens des 758 Mitglieder starken Demokratenvereins der Stadt Frenen: Karl <hi rendition="#g">Böhme,</hi> Präsident. Moriz <hi rendition="#g">Schanz,</hi> Sekretär.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Es ist gut, bei Jahresablauf die Thaten und Leiden der demokratischen Partei rückschauend zu betrachten (sagt &#x201E;Le Peuple souverain&#x201C; in Lyon), und da finden wir gar jämmerliche Sünden der Zaghaftigkeit, des schlaffsten Edelmuths, der großherzigsten Gimpelei. Heute ist sie soweit herunter, daß der Soldatenvater Bugeaud an die Alpenarmee von Paris aus einen Tagesbefehl ergehen lassen kann, worin er von &#x201E;Ordnung&#x201C; und &#x201E;wahrer Freiheit&#x201C; deklamirt, in Phrasen, die buchstäblich in seinen Tagesbefehlen unter Louis Philipp geprunkt haben. Daß dieser Beduinentriumphator keineswegs den Oestreichern etwas zu leide thun, vielmehr eines heitern Wintermorgens vor Lyon aufmarschiren und etliche Dutzend Bomben auf Frankreich's zweite Hauptstadt werfen lassen wird, um das verfluchte demokratische Schlangennest zu säubern und Junischändlichkeiten zu wiederholen: das ist uns klar wie zwei mal zwei. Aber wie dem auch sei, diese böse Zeit wird vorüber gehen, und die Demokraten Deutschland's werden uns nicht im Stich lassen.&#x201C; Die Verbrüderung mit letztern ist in der That im besten Gange. Am Sonntag fand endlich das seit jener, zu
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[0977/0001] Beilage zu Nr. 181 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Freitag 29. Dezember 1848. [Deutschland] Herren „Reichstruppen“ mit uns zu theilen sich herabläßt. Wir sind gute, geduldige Leute in unserm Reich; drum lebe die Einquartirung! Zu Frankfurt am Main haben die Herren in der reformirten Kirche die sogenannten „Grundrechte“ des deutschen Volkes vom Stapel gelassen. „Grundrechte“ hat man sie betitelt, weil mittelst ihrer das deutsche Volk zu Grund gerichtet werden soll. Der Anfang dazu ist wenigstens ganz erbaulich. Der Herr Gagern und Konsorten haben die Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten (mit andern Worten: den neu aufgewärmten Bundestag) zu einer gemeinschaftlichen Sitzung eingeladen. Weshalb? Ei, um denselben die Grundrechte des deutschen Volkes vorzulegen und zu fragen, ob die hohen Regierungen wohl so gnädig sein würden, sie zu genehmigen und zu publiziren? Und die Bevollmächtigten schmunzelten seelenvergnügt: das sei ihren hohen Regierungen ganz genehm. Mit Belagerungszuständen, haarscharfgeschliffenen Schwertern, Verfassungsoctroyirungen etc. kann man solche Kurzweil, wie die Grundrechte des deutschen Volkes schon nebenher laufen lassen. Sachsen und Hannover erklärten, sie wollten erst die Zustimmung ihrer Landtage einholen. Baiern hatte keine — Vollmacht und schwieg. Oesterreich lehnte jede Publikation und Einführung der Grundrechte kurzweg ab, weil Windischgrätz und Jellachich sie längst auf summarischem Wege zur vollsten Geltung gebracht haben. Preußen dagegen war ungemein fidel und bereitwillig. Meinem Herrn und Meister, dachte der Bevollmächtigte bei sich, kommt's auf ein Stückchen Papier mehr oder weniger, eben so wenig als auf ein paar feierliche Zusagen oder Eidschwüre nicht an. Wir publiziren die Grundrechte frischweg; Wrangel und Colomb, Hinckeldey, Stößer und Bürger Drigalski werden schon für die gehörige Auslegung sorgen. Nur auf dem Papiere immer hübsch freisinnig! Das sei vor wie nach der hohenzollern'sche Wahlspruch! Und der edle Hr. Gagern begab sich seelenvergnügt nach Hause, rieb sich die Hände, zählte die Häupter seiner Lieben und berechnete, wie viel preußische Staatspapiere er zu Neujahr dafür umwechseln könne. In Sigmaringen wird ein Buß- und Bettag ausgeschrieben. Die Leute hatten dort bislang nicht an ihre große Sündhaftigkeit glauben wollen. Seitdem sich aber ihr geliebter, erst ein Mal verjagter Landesvater nach Berlin begeben, um „sein“ Land nebst allen darin befindlichen Schaafen, Eseln, Schweinen, christlichen Unterthansseelen und Ochsen an Preußen abzutreten: sind sie in sich gegangen und wollen Buße thun im Sack und in der Asche. Es frägt sich aber sehr, ob der Zorn des Herrn sie loslassen wird. Ungarn. Semlin, 14. Dez. Der Donner der Kanonen drang vorgestern vom Banat bis zu unseren Ohren. Voll banger Ungewißheit sahen wir Nachrichten entgegen. Ein Augenzeuge, der herüberfloh, erzählte, die Magyaren, 20,000 an der Zahl, mit 40 Stück Geschütz, hätten das Alibunarer Lager gestürmt, und da das Auxiliarkorps unter dem Hauptmann Baraich schwach war und aus treubrüchigen Walächen bestand, die beim ersten Angriffe die Flucht ergriffen, konnte auch der Lagerkommandant, Michael Ivannovich, der kaum 3000 Mann und 10 Stück Kanonen hatte, sich nicht lange halten, und sah sich daher gezwungen, das Lager zu verlassen und sich bis Petrowo Selo zurückzuziehen. Großbritannien. * London, 24. Dez. Wie jedes Mal um diese Zeit, setzt jetzt das Weihnachtsfest alle Welt in Bewegung. Der sogenannte Yule-clog, ein Eichen- oder Buchenstamm, muß im Kamine die Kohle ersetzen. Spiegel und Schränke werden mit Hülsenblätterlaub geschmückt und über der Thür hängt der berüchtigte missle-ton, ein grüner Zweig, unter dem jeder junge Bursche ein Mädchen umarmen und küssen darf. Roast-beef und Plum-pudding fehlen natürlich nicht, und mancher ehrliche John Bull hält es für seine Pflicht, sich in diesen Tagen nach der Väter Sitte einmal von Grund aus an Port und Sherry zu erholen. In Windsor wird auf dem Tisch der Königin wie immer, ein Baron of Beef aufgetragen, ein Rücken- und Hinterviertel-Ochsen-Stück. Der diesjährige Baron of Beef ist von einem außerordentlichen Ochsen, der eine Büffelkuh zu seiner Mutter, und einen Ochsen aus Ayrshire zu seinem Vater hat und auf einer flemischen Meierei des Prinzen Albert in der Nähe von Windsor erzogen wurde. Besagter Ochse war gerade 4 Jahre alt, als er neulich geschlachtet wurde. Man hielt ihn für das schönste Stück Vieh in ganz Alt-England. Der für den Tisch der Königin bestimmte Braten dieses Ochsen wiegt 94 Stein oder 152 Pfd. und wird 10 Studen lang geröstet werden. * London, 25. Dez. In seiner jüngsten Botschaft äußert sich der Präsident Polk in Betreff des mexikanischen Krieges folgender Maaßen: „Eins der wichtigsten Ergebnisse des Krieges, zu welchem wir kürzlich gegen eine benachbarte Nation gezwungen waren, ist der Beweis, welche militärische Kraft unser Land besitzt. Vor dem letzten Kriege mit Mexiko hatten europäische und andere fremde Mächte unvollständige und irrthümliche Ansichten bezüglich unserer physischen Stärke als Nation und unserer Fähigkeit, einen Krieg, besonders außerhalb unseres Landes, zu führen. Sie sahen, daß unsere Armee auf dem Kriegsfuße nicht mehr als 10,000 Mann betrug. Bei sich gewöhnt, zum Schutz ihrer Throne gegen die Unterthanen sowohl als gegen fremde Angriffe, große stehende Heere in Friedenszeiten zu unterhalten: glaubten sie nicht an die Möglichkeit, daß eine Nation ohne eine solche wohldisziplinirte und langgediente Armee mit glücklichem Erfolg Krieg führen könne: Von unserer Miliz dachten sie gering und hielten sie nur für zeitweise Defensiv-Operationen, im Fall unser eigenes Land von einer Invasion betroffen würde, für anwendbar. Die letzten Kriegsereignisse haben jenen Irrthum beseitigt, der auch in gewissem Grade von einem Theil unserer Landsleute getheilt wurde. Jener Krieg hat dargethan, daß beim Ausbruch unerwarteter Feindseligkeiten, für die keinerlei Vorbereitungen getroffen waren, in kurzer Zeit und in erforderlicher Zahl eine Freiwilligen-Armee von Bürger-Soldaten ins Feld gestellt werden kann, die einer Veteranen-Armee nicht nachsteht. Wir waren nicht, wie's in jedem andern Lande vorgekommen wäre, zu Aushebungen oder Konskriptionen genöthigt. Im Gegentheil boten so viel Freiwillige ihre Dienste an, daß die Hauptschwierigkeit in der Auswahl bestand. Unsere Bürger-Soldaten gehören allen möglichen Gewerben und Lebensbeschäftigungen an. Es sind Farmers, Juristen, Aerzte, Kaufleute, Fabrikanten, Fabrikarbeiter und Bauern, und zwar in den Reihen der Offiziere, wie der gewähnlichen Soldaten. Unsere Bürger-Soldaten sind bewaffnet und von Jugend auf an Führung der Feuerwaffen gewöhnt. Ein großer Theil, besonders im Westen und den neuen Staaten, zeichnen sich als erfahrene Scharfschützen aus. Es sind Leute, die durch ihr gutes Betragen im Felde ihren guten Ruf in der Heimath zu wahren haben. Sie sind intelligent und in ihren Reihen zeigt sich eine Mannigfaltigkeit der Charaktere, wie nirgends sonst in einer Armee. In jeder Schlacht kämpft ebensowohl der gewöhnliche Soldat wie der Offizier nicht allein für sein Land, sondern für Ruhm und Auszeichnung unter seinen Mitbürgern, für den Fall, daß er glücklich ins bürgerliche Leben zurückkehrt. Die Stärke unserer Institutionen hat sich nicht blos durch die Tapferkeit und das Geschick unserer Truppen, sondern eben so in der Organisation jener Verwaltungszweige an den Tag gelegt, die mit der Oberleitung und Führung des Krieges beauftragt waren. Während unsern Offizieren und Soldaten, die unsere Schlachten ausfochten, nicht hohes Lob genug ertheilt werden kann: wäre es doch unrecht, die gebührende Anerkennung jenen aus Nothwendigkeit daheim gebliebenen Offizieren zu versagen, denen es oblag, die Armee zu gehöriger Zeit und gehörigen Orts mit der nöthigen Kriegsmunition und allem übrigen zur Wirksamkeit im Felde unentbehrlichen Proviant zu versehen. Die Anerkennung muß um so größer sein, als noch keine Armee weder in alter noch neuer Zeit besser mit allem Nöthigen versehen war, als die unsrige in Mexico. Da unsere Armee in einem feindlichen Lande, 2000 Meilen weit vom Sitz der Central-Regierung operirte und die verschiedenen Corps über eine ungeheure Fläche zerstreut waren und hunderte ja tausende von Meilen von einander entfernt ihre Operationen verfolgten: so bedurfte es ganz der unermüdlichen Energie jener Beamten, um die Armee auf allen Punkten und zur gehörigen Zeit mit den zum Kriegsdienst erforderlichen Gegenständen zu versorgen ‥… Der mexikanische Krieg hat demnach die Fähigkeit republikanischer Regierungen bewiesen, einen gerechten und unvermeidlichen Krieg in der Fremde mit all jener Energie zu führen, die gewöhnlich nur den mehr willkürlichen Regierungsformen beigemessen wird. Der Krieg, den wir 1812 mit England und größtentheils innerhalb unserer Grenzen führten, hellte diesen Gegenstand wenig auf. Aber der Krieg, den wir eben durch einen ehrenvollen Frieden beendigt: er ist der zweifelloseste Beweis, daß eine volksthümliche Regierung jedem Ereigniß gewachsen ist, das in den Angelegenheiten einer Nation auftauchen kann. Durch jenen Krieg ist aber noch ein zweiter hervorstechender Charakterzug unserer Institutionen erkennbar geworden: Es ist der, daß wir im Schooße unserer Staatsgesellschaft von freien Männern, ohne Kosten für die Regierung und ohne Gefahr für unsre Freiheiten, eine stehende Armee von 2 Millionen Bürgersoldaten für jeden gerechten und nothwendigen Krieg bereit haben.“ Ueber die Resultate des mexikanischen Kriegs enthält die Botschaft folgende Aeußerungen: „Die großen Resultate dieses Krieges werden für die Zukunft unseres Landes von unberechenbarer Wichtigkeit sein. Sie werden mächtig dazu beitragen, uns vor fremden Collisionen zu bewahren und uns die Verfolgung der uns liebgewordenen Politik: Friede mit allen Nationen; verstrickende Allianzen mit keiner“ ohne Unterbrechung im Auge zu behalten. Innerhalb 4 Jahren ist die Einverleibung von Texas in die Union vollzogen, jeder streitige Anspruch auf das Oregon-Gebiet südlich des 49° N. Br. ist beseitigt und Neu-Mexico und Ober-Californien vertragsmäßig erworben worden. Die Oberfläche dieser Gebiete beträgt 1 Mill. 193,061 Geviert-Meilen oder 763 Mill. 559,043 Acres (Morgen), während die Oberfläche der bisherigen 29 Staaten und des östlich vom Felsengebirge noch nicht in Staaten organisirten Gebiets 2 Mill. 59,513 Geviert-Meilen oder 1,318 Mill. 12_ ,058 Morgen umfaßt. Die Abschätzungen und Messungen zeigen, daß das neu erworbene Land um die Hälfte größer ist, als das zuvor von der Union besessene Gebiet. Es kommt dem von ganz Europa gleich, mit Ausschluß Rußlands. Der Mississippi, kürzlich noch die Gränze unseres Landes, ist jetzt dessen Mittelpunkt geworden. Rechnet man die neuen Erwerbungen hinzu, so sind die Vereinigten Staaten ziemlich so groß, wie ganz Europa. Nach dem Anschlage des Ober-Küsten-Vermessers erstreckt sich die Meeresküste von Texas im Golf von Mexiko auf mehr als 400 (engl.) Meilen; die Küste von Ober-Kalifornien am Stillen Ozean mehr als 970 Meilen und die Oregon-Küste, mit Inbegriff der Fucastraße, 650 Meil. Die ganze Ausdehnung am Stillen Ozean beläuft sich auf 1620 M. und diejenige am mexikanischen Golf hinzugenommen, auf 2020 Meilen. Am atlantischen Ozean dagegen erstreckt sich die Küste vom nördlichsten Punkte der Union rund um das Cap von Florida bis zum Sabinefluß auf 3,100 M., so daß unsere jetzige Seeküste fast 2 mal größer ist, als unsre frühere. Die jetzige Küstenausdehnung unseres Landes ist gleich 5000 (engl.) Meilen. Hierbei sind die Buchten, Sunde und sonstige Unregelmäßigkeiten des Küstenlaufs nicht gerechnet. Denn würde das alles hinzugenommen, so betrüge die Küstenerstreckung 33,063 Meilen. * London. Ein medicinisches Journal, „The Lancet“, berichtet in einer neueren Nummer über das gräßliche Umsichgreifen des Opiumessens unter den arbeitenden Klassen Großbritanniens. Die Paupers in Lincolnshire geben von einem Wochenlohn von 3 Schillingen durchschnittlich 2 1/2 Schill. für Opium aus, ein Grad von Hingebung an dies unselige Laster, der selbst Coleridge oder de Quincey (Verfasser der „Bekenntnisse eines Opiumessers“) mit Grausen erfüllen würde. In Irland ist die Consumtion ebenfall s auf schaudererregende Weise im Zunehmen begriffen. Ein einziger Droguist, ein Bekannter des Herausgebers der „Lancet“, hat in diesem Jahre für 400 Pfund Sterling mehr Opium nach Irland verkauft, als in frühern Jahren. Nach den in voriger Woche veröffentlichten Berichten des Board of Trade sind bloß im letzten Monat October 8000 Pfund Opium eingeführt worden, was verhältnißmäßig noch kein großes Quantum ist, da es Monate gibt, in welchen bis zu 32,000 Pfund dieses Lethe's der Armuth importirt werden. * London, 25. Dez. Vice-Admiral Parker wird binnen Kurzem das Oberkommando im Mittelmeer abgeben. Obgleich sonst noch körperlich und geistig gesund, leidet er an den Augrn, deren immer mehr abnehmende Sehkraft ihm bald im Dienste sehr hinderlich sein würde. * Manchester, 23. Dez. Nach dem lebendigen Geschäft der vorigen Woche, war es nicht anders zu erwarten, als daß es in dieser Woche etwas ruhiger sein würde. Die Vorräthe von baumwollen Garn und von baumwollen Zeugen sind bedeutend geräumt und Spinner und Fabrikanten rüsten sich zu flotter Produktion. Die Preise der genannten Artikel sind naturlich höher gegangen, und da die Nachrichten aus Indien und China günstig bleiben, so sieht man einer noch lebendigern Geschäftszeit entgegen. Denselben Aufschwung hat der Handel in den Woll- und Worsted-Distrikten erfahren. Die Eigner des rohen Materials fordern höhere Preise, und Spinner und Fabrikanten müssen um so williger darauf eingehen, als sie ziemlich starke Aufträge in Händen haben und bei der frühern schlechten Geschäftszeit wenig in Vorrath arbeiteten. Französische Republik. 12 Paris, 2. Dcbr. Eine Heerschau über die neuen Minister ist nicht so leicht, als man vermuthete. Außer Odilon-Barrot, der seine Berühmtheit einzig dem Plutarch und dem Aristides zu danken hat, und den man hinlänglich schon aus der Juli-Revolution kennt, sind die andern nur durch ihre Bekanntschaft mit Thiers und Molé bekannt. Thiers und Molé kennen sie; sie kennen Thiers und Molé und darauf beruft man sich, um sie dem Publikum als die neuen Minister anzupreisen. Es ist dies eine gute Empfehlung für sie und das Publikum, das Publikum der Bourgeois natürlich; denn die Proletarier sind wieder unsichtbar geworden, nachdem sie Cavaignac beseitigt und an die Spitze Frankreichs die bürgerliche Nullheit mit Odilon-Barrot an der Spitze gestellt haben. Was die Partei des Nationals betrifft; so bleibt weiter keiner als Herr Marrast übrig, der als Präsident der Nationalversammlung, dem Präsidenten Napoleon gegenüber, den Republikaner „als solcher“ vertritt, dabei muß dieser Republikaner als solcher nach jedem Monat sich neuerdings der Wahl unterziehen, um in der Eigenschaft eines Kammerpräsidenten fortexistiren zu können. O du schöne Zeit, wo neben dem Präsidentengehalte noch eine Beilage von 6000 Fr. bewilligt wurde, damit Herr Marrast glänzende Soirées geben, durch die glänzenden Soirées den Handel und Wandel befördern, und durch beides die Republik „als solche“ vertreten konnte. Das ist Alles vorbei; und von dem schönen Traume ist weiter nichts geblieben als die Verfallzeit der Wechsel, welche Marrast und Konsorten neben ihren Gehalten auf die Fortdauer „ihrer Republik“ und ihrer glänzenden Stellungen gezogen hatten. Sie haben ihre schönste Zeit verlebt. Dagegen taucht Herr von Malleville auf. Was ist dieser Malleville? Minister des Innern! Und worin bestehn die innern Angelegenheiten der Bourgeois? Alle die Präfekten, Unterpräfekten, Kommissarien und Prokuratoren der Revolution abzusetzen, die zu lange in ihrer Amtswohnung geblieben sein sollten. Aber Herr Malleville wird keine reiche Razzia machen; höchstens wird er einige verlorene Aehren aus der Februar-Aernte aufzulesen finden. Herr von Malleville ist ein geborner Royalist; aber er hatte sich eines Morgens mit Louis Philipp und mit Duchatel überworfen — die in ihm einen in jeder Hinsicht untauglichen Beamten fanden, und der mit dem besten Willen, der Politik des Privilegiums zu dienen, weder Talent noch Erfahrung genug besaß, um sich lange halten zu können. Da trat _ er denn in ein Bündniß mit der Partei der Wahlreform und machte sich bemerkbar auf dem Bankett von Chateau-Rouge. In den Februartagen selbst ist er an keinem von den entscheidenden Kampfplätzen gesehn worden; Alles, was man aus dieser Periode von ihm weiß, das ist seine Bereitwilligkeit, einer Regence zu dienen. Wer wohnt in dem Hotel „des Capucins“? der Minister der äußern Angelegenheiten! Ein gewisser Drouyn de Lhuys. Wer ist dieser Mann? Ein Franzose würde antworten: parlez au portie_ ! In jedem Pariser Hause nämlich ist eine Loge, wo der Pförtner wohnt, und an den man sich wenden muß, ehe man zu den Hausbewohnern gelangen kann. Der Pförtner des Ministeriums ist wirklich in diesem Augenblicke die einzige Behörde, die Auskunft über den Drouyn de Lhuys geben kann; gerade wie in der letzten Zeit der Herr Guizot, wo der Pförtner des Herrn Guizot allein den mit Telegraphen aus weiter Ferne her verschriebenen Jayr kannte. — Auch er hatte sich eines Tags mit Guizot überworfen, und da nahm ihn die Partei Odilon-Thiers unter ihre Flügel. Aber Rulhières, der Ex-Oberst der 35er, das ist der eigentliche Held; er ist bekannt durch seine Schlachten gegen die Emeutiers von Grenoble und Toulouse. Herr Falloux, der Minister des Unterrichts, ist der Auserlesene aller Sakristeien und der Liebling schwärmerischer Nonnen. Was soll man nun weiter von dem Finanzminister Passy sagen, wenn man weiß, daß selbst ein Fould vorausgesehn, daß mit solchen Ministern nichts zu machen ist. Fould, den man als Finanzminister vorgeschlagen, ist, wie man weiß, ein Banquier aus grauen Zeiten, und mit den Interessen der kleinern Bourgeois vollkommen vertraut; um so vertrauter, da, wie man behauptet, das Haus Fould durch seine frühern Zahlungseinstellungen seine Zahlungsfähigkeit gewonnen hat. Mit einem solchen Ministerium ist Napoleon umgeben. Noch sind die Proletarier unsichtbar geblieben. Man hatte zwischen dem Ochsen und Schurken zu wählen: der Ochse ist gewählt worden, und wenn die Bauern und Arbeiter einst dem Ochsen gegenübertreten, so muß er entweder scheu oder wild werden. Wird er scheu, ist er gleich verloren; wird er dagegen wild, dann kann er sich einzig nur noch retten, daß er mit seinen wildgewordenen Verfolgern heraustritt aus den engen Schranken des französischen Gebietes. 236 Paris, 26. Dez. Ledru-Rollin bekam neulich eine Adresse aus dem Königreiche Sachsen, worin es hieß: „Verehrter Bürger und Bruder, Mann des Volkes! Seitdem die Februarrevolution Sie auf die Scene rief, sehen die deutschen Demokraten mit Freuden auf Sie. Die Theilnahme welche Sie und ein Theil der französischen Nation bei Gelegenheit unsres gemeuchelten Bruders Robert Blum für Deutschland's Freiheitsstreben an den Tag legten, zeigt wieder, mit welcher Wärme Sie nach der Verbrüderung der Völker trachten. Hiefür unsern Dank, und die Versicherung unsrer Hochachtung für Sie, für Frankreich's Demokraten und unsre Landsleute zu Paris. Namens des 758 Mitglieder starken Demokratenvereins der Stadt Frenen: Karl Böhme, Präsident. Moriz Schanz, Sekretär.“ „Es ist gut, bei Jahresablauf die Thaten und Leiden der demokratischen Partei rückschauend zu betrachten (sagt „Le Peuple souverain“ in Lyon), und da finden wir gar jämmerliche Sünden der Zaghaftigkeit, des schlaffsten Edelmuths, der großherzigsten Gimpelei. Heute ist sie soweit herunter, daß der Soldatenvater Bugeaud an die Alpenarmee von Paris aus einen Tagesbefehl ergehen lassen kann, worin er von „Ordnung“ und „wahrer Freiheit“ deklamirt, in Phrasen, die buchstäblich in seinen Tagesbefehlen unter Louis Philipp geprunkt haben. Daß dieser Beduinentriumphator keineswegs den Oestreichern etwas zu leide thun, vielmehr eines heitern Wintermorgens vor Lyon aufmarschiren und etliche Dutzend Bomben auf Frankreich's zweite Hauptstadt werfen lassen wird, um das verfluchte demokratische Schlangennest zu säubern und Junischändlichkeiten zu wiederholen: das ist uns klar wie zwei mal zwei. Aber wie dem auch sei, diese böse Zeit wird vorüber gehen, und die Demokraten Deutschland's werden uns nicht im Stich lassen.“ Die Verbrüderung mit letztern ist in der That im besten Gange. Am Sonntag fand endlich das seit jener, zu

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 181. Köln, 29. Dezember 1848. Beilage, S. 0977. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz181b_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.