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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 217. Köln, 9. Februar 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 217. Köln, Freitag den 9. Februar. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Freisprechung der "N. Rh. Z." -- Wahlnotizen.) Kreis Gummersbach, Elberfeld, Trier, Kreu[z]nach, Herford. (Wahlen.) Rheydt. (Mißhandlung von Wahlmännern) Berlin. (Wahlen. -- Preßprozesse. -- Die Galgenzeitung. -- Justizkommissar Streber.) Liegnitz, Oels, [unleserliches Material] (Wahlen.) Aus der Grafschaft Glatz. (Der Teufel als Wahlkandidat.) Oldenburg. (Die Dotationsfrage) Kremsi[unleserliches Material]r. (Eine Interpellation) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Ungarn. Aus Ungarn. (Siege der Magyaren.)

Französische Republik. Paris. (Die Enquete und die Minister: -- Vermischtes. -- Die Legitimisten. -- Die Junigefangenen. -- National-Versammlung.)

Belgien. Brüssel. (Die Gefangenen in Huy. -- Der Pauperismus.)

Italien. (Die Bewegungen Radetzki's.) Rom. (Die Wahlen. -- Latour. -- Die Schweizer.) Florenz. (Die 1. Kammer und der Großherzog für die Constituante. -- Die Ruhe nicht weiter gestört.) Turin. (Kammer-Eröffnung. -- Thronrede. -- Reaktionäre Maßregel Gioberti's. -- Manöver bei Valenze.)

Großbritannien. London. (Parlament.) Glasgow. (10 Stundenbill-Meeting.)

Dänemark. Kopenhagen. (Reichstag.)

Amerika. New-York. (Die Staatsgüter, Staatsschulden und Steuern der Union. -- Californien.)

Westindien. (Die Passage über Chagres nach Californien.)

Deutschland.
068 Köln, 8. Februar.

Wie wir bereits in einigen Exemplaren unserer gestrigen Nummer mittheilten, ist in der gestrigen Assisensitzung die Anklage gegen den Redakteur en chef Marx, den Redakteur Engels und den Geranten der "Neuen Rheinischen Zeitung" wegen des Artikels ** Köln, 4. Juli (in der Nummer vom 5. Juli 1848) verhandelt worden. Der Artikel betraf die Verhaftung des Hrn. Anneke und hatte eine Anklage auf Verläumdung der die Verhaftung vollziehenden Gensd'armen (Art. 367 des Code penal) und auf Beleidigung des Oberprokurators Zweiffel (Art. 222 des Code penal) veranlaßt. Die Beschuldigten wurden von den Geschwornen nach kurzer Berathung freigesprochen.

Dieser Prozeß, der älteste der vielen gegen die N. Rh. Z. anhängig gemachten Preßprozesse, ist dadurch von Wichtigkeit, daß die oben angeführten Art. 222 und 367 (in Verbindung mit Art. 370) diesmal in der Entscheidung der Geschwornen ganz anders ausgelegt und angewandt worden sind, als dies früher von den rheinischen Zuchtpolizeigerichten zu geschehen pflegte. Die Art. 222 und 367 sind aber, außer denen über direkte Aufforderung zum Bürgerkrieg und zur Rebellion, die einzigen, die es dem Scharfsinne der rheinischen Parkets bis jetzt gelungen ist, auf die Presse anzuwenden. Das freisprechende Verdikt der Geschwornen ist also eine neue Garantie für die Freiheit der Presse in Rheinpreußen.

Wir werden die Verhandlungen so rasch wie möglich im Auszuge mittheilen.

Heute steht Marx abermals vor den Geschwornen, zusammen mit Schneider, dem Abgeordneten von Köln, und Schapper, wegen einer Aufforderung zur Steuerverweigerung, die sie als Mitglieder des demokratischen Kreisausschusses erlassen hatten.

068 Köln, 8. Februar, Mittags 1 Uhr.

So eben sind Marx, Schneider II. und Schapper von den Geschwornen freigesprochen worden.

* Köln, 8. Febr.

In den meisten Exemplaren unserer gestrigen Nummer konnten wir unter den "Neuesten Nachrichten" noch aus Geldern mittheilen, daß dort außer Aeg. Arntz, F. Staud, Assessor, (opposit.) und K. Putz, Heuler, zu Abgeordnrten gewählt worden. Blos die Zersplitterung der demokratischen Partei, die leider an so vielen Orten sich ohne alle Partei-Disziplin und ohne Einsicht in das, was dem gottbegnadeten Königthum und seinen Spießgesellen gegenüber noththut, gezeigt hat, machte die Wahl des ebengedachten Heulers möglich.

In Wittlich wurden gewählt: Adv.-Anwalt Borchardt aus Köln und Dr. K. Grün zu Trier.

In Prüm: J. B. Schwickrath und Advokat Messerich. (Beide Steuerverweigerer!)

In Saarburg: Steuerverweigerer Friedensrichter Kaul.

In Merzig: Louis Simon (Deputirter in Frankfurt).

101 Aus dem Kreise Gummersbach, 6. Febr.

Bei der Wahl unserer beiden Abgeordneten ist uns ein Prasser-Reaktionär in der Person des Regierungsraths v. Seckendorf aufgeklüngelt worden, der zweite Abgeordnete ist Regierungsrath Wiethaus von Wipperfürt (jetziger Deputirter in Frankfurt), ein mehr gemäßigter Heuler. Für v. Seckendorf lagen von "hohen Beamten" (Agenten der Firma Eichhorn-Ladenberg) mindestens 10 Empfehlungsschreiben vor, dabei drängte sich derselbe bei der vorgestrigen Vorwahl mit seiner höchsteigenen liebenswürdigen Persönlichkeit als Wahlkandidat auf die Tribüne, und posaunte mit Donnerstimme einen Kanzelvortrag herunter, der auf die "gemüthlichen" Zuhörer, die sich in eine Kirche versetzt glaubten, Eindruck machte. Die vielen anwesenden Aristokraten ließen ein Bravogebrüll erschallen, daß sich gewiß mehrere ein Lungenübel dadurch zugezogen haben. -- Als Gegenkandidat des Schneckendorf war von mehreren demokratischen Wahlmännern Richter Fischbach aus Bensberg (Vice-Präsident des demokratischen Vereins daselbst) vorgeschlagen und zur Vorwahl eingeladen worden. Als er jedoch um's Wort bat, um sein politisches Glaubensbekenntniß abzulegen, wurde ihm dies vom präsidirenden Dr. Winkel auf eine sehr crasse Weise -- verweigert! -- Dabei lag ein Schmähbrief gegen Fischbach vor, worin er auf's scheußlichste verläumdet wurde! Jeder rechtlich Denkende wird schon aus dieser Verfahrungsweise die Mittel, welche sich unsere viel gepriesenen "Konstitutionellen" zur Erreichung ihrer Zwecke bedienen, zu würdigen wissen.

Schließlich eine Interpellation an Herrn Lieutenant Voigt in Bensberg: Ist es wahr und sind Sie befugt, Schmähbriefe als "Militaria", also portofrei, zu versenden? Wollen Sie die Sache gefälligst nicht mit Stillschweigen übergehen, bitte, Herr Lieutenant!

14 Elberfeld, 7. Febr.

Parturiunt montes, nascetur ridi culusmus! können wir ausrufen im Rückblick auf unsere Wahlen für die zweite Kammer. Die einzige Konzession, welche von unserer Bourgeoisie erreicht worden, ist die Wahl eines Arbeiters, deren Bedeutung indeß wiederum annullirt wird durch die Gesinnung dieses Mannes. Wir brauchen nur anzuführen, daß der Gewählte, Weber Joh. Abr. Schmidt, das Amt des Sekretärs im hiesigen "Landwehrvereine" bekleidet, um die Beeinflussung der Arbeiter durch die Partei der Schwarz-weißen ins klare Licht zu setzen. Schade, daß die Arbeiter sich zu solchen Zwecken haben benutzen lassen: sie konnten siegen, und werden nun, des abgegebenen Votums eingedenk, zu spät einsehen, daß sie die Vehikel der besitzenden Klasse und nichts weiter gewesen.

Bezeichnend bleibt es indeß, daß Se. Exc. von der Heydt nur an der Seite eines Webers seine Wahl durchsetzen konnte. Die Arbeiter haben diesmal ihre Macht entfaltet, aber sie haben sie nicht zu benutzen verstanden. Die Zwischenzeit bis zur nächsten Wahl wird ihnen auch in dieser Beziehung praktische Lektionen in Menge geben.

103 Rheidt.

Der 5. Febr. bleibt für die Annalen dieser Stadt, bei deren Eintritt der Wanderer die erbauliche Inschrift lesen kann, "mit Gott für König und Vaterland," ein ewig denkwürdiger Tag. In dieser königl. preuß. Stadt hat bei der Wahlhandlung trotz Stricken und Ketten die Opposition entschieden gesiegt und der Ritter ohne Furcht und Tadel hat zweimal einen unerquick[l]ichen Durchfall erlitten! Also der herzzerreißende Gesang der Draußenstehenden "ich bin ein Preuße etc.," der königlich geschmückte und bekränzte Saal, also nicht die Stimmzähler auf breitester Grundlage haben auf die Demokraten den beabsichtigten Erfolg gehabt.

Doch für diese Rücksichtlosigkeit mußten die Wahlmänner spezifisch malträtirt werden und die Drohungen während der Wahl sollten seltsam ernst werden. Glücklich erreichten die Wahlmänner indeß ihren Gasthof, um sich auf ihren Sieg etwas zu Gute zu thun; aber das sollte ihnen versagt sein und eine Horde in tiefster Ehrfurcht ersterbender Royalisten rückte alsbald den Wahlmännern auf den Leib. Zum Glück ertönte plötzlich Trommelschlag, um die selige Bürgerwehr noch einmal ins Leben zurückzurufen. Sie schützte die Wahlmänner vor den beabsichtigten schwarz-weißen Mißhandlungen.

Wurden zwar die Wahlmänner hierdurch in Rheidt selbst geschützt, so war doch manchen auf ihrer Heimreise ein trauriges Loos beschieden. Ein Wahlmann aus dem Kreis Gr. wurde auf das schmählichste mißhandelt und zu Boden geschlagen unter dem Zuruf: nieder mit den Demokraten, es ist nichts verloren! Sein Begleiter, der sich des wehrlos Niedergeschlagenen annehmen wollte, wurde ebenfalls mit Knitteln derart verarbeitet, daß er blutend mit seinem Leidensgefährten zum nächsten Orte gebracht werden mußte.

Andere Wahlmänner wurden in den Schwesterorten mit dem Lied "ich bin ein Preuße" empfangen und mit Steinen traktirt. Dem kühnen Muthe eines Reiters hatten es diese zu verdanken, daß sie mit heiler Haut davonkamen.

So hat die Wahl in dem Ländchen "mit Gott für König und Vaterland" geendigt.

27 Kreuznach, 6. Febr.

Die Manteuffel'sche Politik hat ihre Früchte getragen. Gestern sind hier 2 Reaktionäre reinsten Wassers als Abgeordnete aus der Wahlurne hervorgegangen: Dötsch aus Münster bei Bingen, eine sonst unbekannte Größe, und -- Sames aus Kirchberg, einer der Fortgelaufenen. Das sind unsere Volksvertreter! (Wir theilten dies Resultat schon gestern mit.) Es hat sich bei der Wahl gezeigt, daß der größte Theil der Wahlmänner des Kreises Kreuznach demokratisch gesinnt war; aber die Hunsrücker hatten die Pfaffen so bearbeitet, daß nichts zu machen war. Bei der Wahl selbst wurden die bäuerlichen Wahlmänner von den Pfaffen überwacht. Auch hatten Coblenzer Regierungsräthe die Reisekosten nicht gescheut, jene zwei Individuen überall anzuempfehlen.

Zur Charakterisirung unserer Gegner will ich noch Folgendes anführen:

Die freisinnigen Wahlmänner Kreuznachs hatten ein Programm aufgestellt, nach welchem sie die octroyirte Verfassung nicht als Gesetz anerkennen. Die Reaktionäre setzten nun einen Protest auf, um die Wahl derselben ungültig zu machen. Als Grund gaben sie natürlich an, jene hätten auf Grund des Wahlgesetzes und der Verfassung mitgewählt und die Wahl angenommen; also müßten sie auch die Verfassung anerkennen, sonst wäre die Wahl ungültig. Sie ließen diesen Protest bei den "guten" Bürgern zum Unterschreiben herumtragen. Doch selbst diese scheuten sich, und so kamen nur 58 Unterschriften zusammen. -- Dies ist eine neue Art, um Brandenburg - Manteuffel'sche Principien zur Geltung zu bringen.

102 Trier, 6. Februar.

Die Herren Bourgeois, die bis auf den letzten Moment noch die Hoffnung nicht aufgegeben hatten, sind hier total und für immer geschlagen. Alle Intriguen, alle Bestechungen, alle Traktätlein mit Gott für König und Junkerschaft, halfen Nichts. Die Emissäre der Bourgeois, die seit acht Tagen auf dem Lande herumkutschirten, um Stimmen für ihren Protege Zell -- den Frankfurter Centrier -- zu sammeln, hatten alles Mögliche aufgeboten; sie ließen die Wahlmänner in ihren Kutschen nach der Stadt abholen, was dieselben sich denn auch natürlich recht gern gefallen ließen. Des Abends vor dem Wahltage gaben Lintz und der schon von mir besprochene "Dreckmüller" nebst Heulergenossen einen Schmauß bei Recking und traktirten die guten Landleute mit "Laberdan", vorgebend es sei Schellfisch. Aber, wie gesagt, Alles half nichts. (Dies erledigt zugleich einen Artikel der heutigen Kölnischen Zeitung, der über die grausamen und unmenschlichen Wahlmannöver der Opposition in Trier die Hände über dem Kopfe zusammenschlägt.)

Da Ludwig Simon das erforderliche Alter von 30 Jahren erst gegen Ende dieses Monats erreicht, und um uns daher für alle Fälle sicher zu stellen, wählten wir gestern dessen Vater, den Professor Simon zum Abgeordneten. Dieser wird jedoch, sobald sein Sohn die oktroyirten 30 Jahre erreicht hat, austreten, um Letztern an seine Stelle wählen zu lassen.

Die gestrigen Wahlen werden bei uns auch Einfluß auf die Wahlen für die erste Kammer haben, indem viele der gestrigen Wahlmänner vom Lande auch für Letztere zu wählen haben. Wir glauben deßhalb, auch unsern Kandidaten für die erste Kammer, den Geh. Revisionsrath Esser, gleichfalls durchzubringen.

095 Herford, 6. Februar.

Die Wahl der beiden Abgeordneten des Minden-Ravensbergischen Wahlbezirks ist wiederum auf die bekannten Vereinbarer v. Borries zu Herford und Dellmann zu Elverdissen gefallen. Man würde sich sehr irren, wenn man aus dieser Wahl einen Schluß ziehen wollte auf die Zustimmung der hiesigen städtischen Bevölkerung zu dem Verhalten der beiden Herren auf der seligen Nationalversammlung. Das Gegentheil beweist eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauensadresse, die sie von hieraus erhielten, als sie dem Hrn. Brandenburg nachliefen, das Gegentheil beweisen die Wahlen in der Stadt, welche zum großen Theile in demokratischem Sinne ausfielen, während der Hr. v. Bories es in seinem Wahlbezirke nur auf zwei Stimmen bringen konnte. Nur der unbeschränkte Einfluß der pietistischen Geistlichkeit auf das Landvolk, das bei den Wahlen allein den Ausschlag giebt, im Bunde mit der Empfehlung treu gehorsamer Amtmänner und Ortsvorsteher haben seine Wahl bewirkt. Dafür sprach sich denn auch der Hr. v. Bories in seiner Rede, die er nach der Wahl an die Wahlmänner hielt, zur sichtbaren Freude der zahlreichen Pietisten dahin aus, daß er stets an dem Grundsatze festhalten werde: "Fürchte Gott und ehre den König!" Der Rechte des Volks und der Ehrfurcht vor demselben geschah natürlich keine Erwähnung. Dann trat Hr. Dallmann auf. Es wäre Schade, wenn seine Rede nicht der Nachwelt aufbewahrt würde. In plattdeutscher Sprache redete Hr. Dallmann:

"Ich bin ein Bauer, und da die Meisten in dieser Versammlung Bauern sind, so will ich plattdeutsch reden. Ich will als Euer Abgeordneter festhalten an dem evangelisch-apostolischen Glauben, um einst gehörig Rechenschaft ablegen zu können vor meinem ewigen Richter. Dann halte ich es nicht mit der Republik (!), mit der Anarchie (!!), mit der Willkür (!!!), -- ich halte es mit Ruhe und Ordnung (schlaf Kindlein etc. etc.!), ich halte es mit einem starken Königthum. Das soll kein Strohmann sein, den Ihr auf die Felder stellt, um die Raubvögel zu verscheuchen. Anfangs fürchten sich die Vögel von dem Strohmann, dann aber fassen sie Muth, und setzen sich auf ihn. Nein, ich will ein Königthum des ganzen Preußischen und meinethalben auch des deutschen Volks."

So sprach der plattdeutsche Demosthenes und das Volk hing an seinen Munde! Sie sehen, daß Hr. Dallmann sein Rednertalent in der Nationalversammlung, wo er zu den beharrlich Schweigenden gehörte, sehr ausgebildet hat. Am Abend des glorreichen Tages brachten sechszehn Fackelträger dem Hrn. v. Borries einen glänzenden Fackelzug. Die Freude darüber soll ihm dadurch sehr getrübt sein, daß ein durch Neugierde herbeigezogener Wahlmann ihn naiv ermahnte, doch diesmal nicht wieder fortzulaufen. Die dem eine Stunde von hier wohnenden Herrn Dallmann zugedachte Ehrenbezeugung mußte leider unterbleiben, da muthwilligerweise Jemand die Lüntze aus dem Wagen gezogen hatte, auf denen die Fackelträger saßen, so daß plötzlich der Wagen von den Rädern herabrutschte und die ganze Gesellschaft im Dreck sitzen blieb.

X Berlin, 6. Dez.

So weit man das Resultat der Wahlen in der Mark Brandenburg kennt, ist es, wie bei dem Ueberwiegen der ländlichen, unter dem Einfluß der reaktionären Gutsbesitzer stehenden, Bevölkerung zu erwarten war, streng konservativ ausgefallen.

In Prenzlau: Grabow und Arnim Boitzenburg. -- In Landsberg a. W.: Schreck und Fehmel. -- In Küstrin: Nesselhoff und Wagner. -- In Luckau gelang es der Opposition, einen Kandidaten, Pastor Schellenberg, durchzusetzen, während andererseits die Reaktion, in Folge der unablässigen Werbungen und Bemühungen des Landraths von Manteuffel die Wahl seines Bruders, des Ministers, errang, jedoch nur mit zwei Stimmen Majorität (153 von 303). -- In Frankfurt a. O. dagegen sind die Wahlen ganz demokratisch ausgefallen. Der Präsident des demokratischen Klubs und ein Assessor aus Fürstenwalde sind gewählt. Auch in Crossen und in Cottbus sollen Demokraten gewählt sein.

Aus Schlesien kennt man bis jetzt hier nur die Wahlen von Breslau und Liegnitz. Die Stadt Breslau hat zwei Demokraten gewählt, Seim und Pflücker. Der Landkreis Breslau dagegen sendet zwei Reaktionäre vom reinsten Wasser, den Bäckermeister Ludwig und Graf Ziethen. In Liegnitz wurden zwei Demokraten gewählt.

Die Stettiner Wahlen sind reaktionär ausgefallen.

Es hat hier Aufsehen erregt, daß unser, in politischen Dingen sonst ziemlich säumiger Magistrat das Resultat der hiesigen Wahlen

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 217. Köln, Freitag den 9. Februar. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Freisprechung der „N. Rh. Z.“ — Wahlnotizen.) Kreis Gummersbach, Elberfeld, Trier, Kreu[z]nach, Herford. (Wahlen.) Rheydt. (Mißhandlung von Wahlmännern) Berlin. (Wahlen. — Preßprozesse. — Die Galgenzeitung. — Justizkommissar Streber.) Liegnitz, Oels, [unleserliches Material] (Wahlen.) Aus der Grafschaft Glatz. (Der Teufel als Wahlkandidat.) Oldenburg. (Die Dotationsfrage) Kremsi[unleserliches Material]r. (Eine Interpellation) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Ungarn. Aus Ungarn. (Siege der Magyaren.)

Französische Republik. Paris. (Die Enquête und die Minister: — Vermischtes. — Die Legitimisten. — Die Junigefangenen. — National-Versammlung.)

Belgien. Brüssel. (Die Gefangenen in Huy. — Der Pauperismus.)

Italien. (Die Bewegungen Radetzki's.) Rom. (Die Wahlen. — Latour. — Die Schweizer.) Florenz. (Die 1. Kammer und der Großherzog für die Constituante. — Die Ruhe nicht weiter gestört.) Turin. (Kammer-Eröffnung. — Thronrede. — Reaktionäre Maßregel Gioberti's. — Manöver bei Valenze.)

Großbritannien. London. (Parlament.) Glasgow. (10 Stundenbill-Meeting.)

Dänemark. Kopenhagen. (Reichstag.)

Amerika. New-York. (Die Staatsgüter, Staatsschulden und Steuern der Union. — Californien.)

Westindien. (Die Passage über Chagres nach Californien.)

Deutschland.
068 Köln, 8. Februar.

Wie wir bereits in einigen Exemplaren unserer gestrigen Nummer mittheilten, ist in der gestrigen Assisensitzung die Anklage gegen den Redakteur en chef Marx, den Redakteur Engels und den Geranten der „Neuen Rheinischen Zeitung“ wegen des Artikels ** Köln, 4. Juli (in der Nummer vom 5. Juli 1848) verhandelt worden. Der Artikel betraf die Verhaftung des Hrn. Anneke und hatte eine Anklage auf Verläumdung der die Verhaftung vollziehenden Gensd'armen (Art. 367 des Code pénal) und auf Beleidigung des Oberprokurators Zweiffel (Art. 222 des Code pénal) veranlaßt. Die Beschuldigten wurden von den Geschwornen nach kurzer Berathung freigesprochen.

Dieser Prozeß, der älteste der vielen gegen die N. Rh. Z. anhängig gemachten Preßprozesse, ist dadurch von Wichtigkeit, daß die oben angeführten Art. 222 und 367 (in Verbindung mit Art. 370) diesmal in der Entscheidung der Geschwornen ganz anders ausgelegt und angewandt worden sind, als dies früher von den rheinischen Zuchtpolizeigerichten zu geschehen pflegte. Die Art. 222 und 367 sind aber, außer denen über direkte Aufforderung zum Bürgerkrieg und zur Rebellion, die einzigen, die es dem Scharfsinne der rheinischen Parkets bis jetzt gelungen ist, auf die Presse anzuwenden. Das freisprechende Verdikt der Geschwornen ist also eine neue Garantie für die Freiheit der Presse in Rheinpreußen.

Wir werden die Verhandlungen so rasch wie möglich im Auszuge mittheilen.

Heute steht Marx abermals vor den Geschwornen, zusammen mit Schneider, dem Abgeordneten von Köln, und Schapper, wegen einer Aufforderung zur Steuerverweigerung, die sie als Mitglieder des demokratischen Kreisausschusses erlassen hatten.

068 Köln, 8. Februar, Mittags 1 Uhr.

So eben sind Marx, Schneider II. und Schapper von den Geschwornen freigesprochen worden.

* Köln, 8. Febr.

In den meisten Exemplaren unserer gestrigen Nummer konnten wir unter den „Neuesten Nachrichten“ noch aus Geldern mittheilen, daß dort außer Aeg. Arntz, F. Staud, Assessor, (opposit.) und K. Putz, Heuler, zu Abgeordnrten gewählt worden. Blos die Zersplitterung der demokratischen Partei, die leider an so vielen Orten sich ohne alle Partei-Disziplin und ohne Einsicht in das, was dem gottbegnadeten Königthum und seinen Spießgesellen gegenüber noththut, gezeigt hat, machte die Wahl des ebengedachten Heulers möglich.

In Wittlich wurden gewählt: Adv.-Anwalt Borchardt aus Köln und Dr. K. Grün zu Trier.

In Prüm: J. B. Schwickrath und Advokat Messerich. (Beide Steuerverweigerer!)

In Saarburg: Steuerverweigerer Friedensrichter Kaul.

In Merzig: Louis Simon (Deputirter in Frankfurt).

101 Aus dem Kreise Gummersbach, 6. Febr.

Bei der Wahl unserer beiden Abgeordneten ist uns ein Prasser-Reaktionär in der Person des Regierungsraths v. Seckendorf aufgeklüngelt worden, der zweite Abgeordnete ist Regierungsrath Wiethaus von Wipperfürt (jetziger Deputirter in Frankfurt), ein mehr gemäßigter Heuler. Für v. Seckendorf lagen von „hohen Beamten“ (Agenten der Firma Eichhorn-Ladenberg) mindestens 10 Empfehlungsschreiben vor, dabei drängte sich derselbe bei der vorgestrigen Vorwahl mit seiner höchsteigenen liebenswürdigen Persönlichkeit als Wahlkandidat auf die Tribüne, und posaunte mit Donnerstimme einen Kanzelvortrag herunter, der auf die „gemüthlichen“ Zuhörer, die sich in eine Kirche versetzt glaubten, Eindruck machte. Die vielen anwesenden Aristokraten ließen ein Bravogebrüll erschallen, daß sich gewiß mehrere ein Lungenübel dadurch zugezogen haben. — Als Gegenkandidat des Schneckendorf war von mehreren demokratischen Wahlmännern Richter Fischbach aus Bensberg (Vice-Präsident des demokratischen Vereins daselbst) vorgeschlagen und zur Vorwahl eingeladen worden. Als er jedoch um's Wort bat, um sein politisches Glaubensbekenntniß abzulegen, wurde ihm dies vom präsidirenden Dr. Winkel auf eine sehr crasse Weise — verweigert! — Dabei lag ein Schmähbrief gegen Fischbach vor, worin er auf's scheußlichste verläumdet wurde! Jeder rechtlich Denkende wird schon aus dieser Verfahrungsweise die Mittel, welche sich unsere viel gepriesenen „Konstitutionellen“ zur Erreichung ihrer Zwecke bedienen, zu würdigen wissen.

Schließlich eine Interpellation an Herrn Lieutenant Voigt in Bensberg: Ist es wahr und sind Sie befugt, Schmähbriefe als „Militaria“, also portofrei, zu versenden? Wollen Sie die Sache gefälligst nicht mit Stillschweigen übergehen, bitte, Herr Lieutenant!

14 Elberfeld, 7. Febr.

Parturiunt montes, nascetur ridi culusmus! können wir ausrufen im Rückblick auf unsere Wahlen für die zweite Kammer. Die einzige Konzession, welche von unserer Bourgeoisie erreicht worden, ist die Wahl eines Arbeiters, deren Bedeutung indeß wiederum annullirt wird durch die Gesinnung dieses Mannes. Wir brauchen nur anzuführen, daß der Gewählte, Weber Joh. Abr. Schmidt, das Amt des Sekretärs im hiesigen „Landwehrvereine“ bekleidet, um die Beeinflussung der Arbeiter durch die Partei der Schwarz-weißen ins klare Licht zu setzen. Schade, daß die Arbeiter sich zu solchen Zwecken haben benutzen lassen: sie konnten siegen, und werden nun, des abgegebenen Votums eingedenk, zu spät einsehen, daß sie die Vehikel der besitzenden Klasse und nichts weiter gewesen.

Bezeichnend bleibt es indeß, daß Se. Exc. von der Heydt nur an der Seite eines Webers seine Wahl durchsetzen konnte. Die Arbeiter haben diesmal ihre Macht entfaltet, aber sie haben sie nicht zu benutzen verstanden. Die Zwischenzeit bis zur nächsten Wahl wird ihnen auch in dieser Beziehung praktische Lektionen in Menge geben.

103 Rheidt.

Der 5. Febr. bleibt für die Annalen dieser Stadt, bei deren Eintritt der Wanderer die erbauliche Inschrift lesen kann, „mit Gott für König und Vaterland,“ ein ewig denkwürdiger Tag. In dieser königl. preuß. Stadt hat bei der Wahlhandlung trotz Stricken und Ketten die Opposition entschieden gesiegt und der Ritter ohne Furcht und Tadel hat zweimal einen unerquick[l]ichen Durchfall erlitten! Also der herzzerreißende Gesang der Draußenstehenden „ich bin ein Preuße etc.,“ der königlich geschmückte und bekränzte Saal, also nicht die Stimmzähler auf breitester Grundlage haben auf die Demokraten den beabsichtigten Erfolg gehabt.

Doch für diese Rücksichtlosigkeit mußten die Wahlmänner spezifisch malträtirt werden und die Drohungen während der Wahl sollten seltsam ernst werden. Glücklich erreichten die Wahlmänner indeß ihren Gasthof, um sich auf ihren Sieg etwas zu Gute zu thun; aber das sollte ihnen versagt sein und eine Horde in tiefster Ehrfurcht ersterbender Royalisten rückte alsbald den Wahlmännern auf den Leib. Zum Glück ertönte plötzlich Trommelschlag, um die selige Bürgerwehr noch einmal ins Leben zurückzurufen. Sie schützte die Wahlmänner vor den beabsichtigten schwarz-weißen Mißhandlungen.

Wurden zwar die Wahlmänner hierdurch in Rheidt selbst geschützt, so war doch manchen auf ihrer Heimreise ein trauriges Loos beschieden. Ein Wahlmann aus dem Kreis Gr. wurde auf das schmählichste mißhandelt und zu Boden geschlagen unter dem Zuruf: nieder mit den Demokraten, es ist nichts verloren! Sein Begleiter, der sich des wehrlos Niedergeschlagenen annehmen wollte, wurde ebenfalls mit Knitteln derart verarbeitet, daß er blutend mit seinem Leidensgefährten zum nächsten Orte gebracht werden mußte.

Andere Wahlmänner wurden in den Schwesterorten mit dem Lied „ich bin ein Preuße“ empfangen und mit Steinen traktirt. Dem kühnen Muthe eines Reiters hatten es diese zu verdanken, daß sie mit heiler Haut davonkamen.

So hat die Wahl in dem Ländchen „mit Gott für König und Vaterland“ geendigt.

27 Kreuznach, 6. Febr.

Die Manteuffel'sche Politik hat ihre Früchte getragen. Gestern sind hier 2 Reaktionäre reinsten Wassers als Abgeordnete aus der Wahlurne hervorgegangen: Dötsch aus Münster bei Bingen, eine sonst unbekannte Größe, und — Sames aus Kirchberg, einer der Fortgelaufenen. Das sind unsere Volksvertreter! (Wir theilten dies Resultat schon gestern mit.) Es hat sich bei der Wahl gezeigt, daß der größte Theil der Wahlmänner des Kreises Kreuznach demokratisch gesinnt war; aber die Hunsrücker hatten die Pfaffen so bearbeitet, daß nichts zu machen war. Bei der Wahl selbst wurden die bäuerlichen Wahlmänner von den Pfaffen überwacht. Auch hatten Coblenzer Regierungsräthe die Reisekosten nicht gescheut, jene zwei Individuen überall anzuempfehlen.

Zur Charakterisirung unserer Gegner will ich noch Folgendes anführen:

Die freisinnigen Wahlmänner Kreuznachs hatten ein Programm aufgestellt, nach welchem sie die octroyirte Verfassung nicht als Gesetz anerkennen. Die Reaktionäre setzten nun einen Protest auf, um die Wahl derselben ungültig zu machen. Als Grund gaben sie natürlich an, jene hätten auf Grund des Wahlgesetzes und der Verfassung mitgewählt und die Wahl angenommen; also müßten sie auch die Verfassung anerkennen, sonst wäre die Wahl ungültig. Sie ließen diesen Protest bei den „guten“ Bürgern zum Unterschreiben herumtragen. Doch selbst diese scheuten sich, und so kamen nur 58 Unterschriften zusammen. — Dies ist eine neue Art, um Brandenburg - Manteuffel'sche Principien zur Geltung zu bringen.

102 Trier, 6. Februar.

Die Herren Bourgeois, die bis auf den letzten Moment noch die Hoffnung nicht aufgegeben hatten, sind hier total und für immer geschlagen. Alle Intriguen, alle Bestechungen, alle Traktätlein mit Gott für König und Junkerschaft, halfen Nichts. Die Emissäre der Bourgeois, die seit acht Tagen auf dem Lande herumkutschirten, um Stimmen für ihren Protegé Zell — den Frankfurter Centrier — zu sammeln, hatten alles Mögliche aufgeboten; sie ließen die Wahlmänner in ihren Kutschen nach der Stadt abholen, was dieselben sich denn auch natürlich recht gern gefallen ließen. Des Abends vor dem Wahltage gaben Lintz und der schon von mir besprochene „Dreckmüller“ nebst Heulergenossen einen Schmauß bei Recking und traktirten die guten Landleute mit „Laberdan“, vorgebend es sei Schellfisch. Aber, wie gesagt, Alles half nichts. (Dies erledigt zugleich einen Artikel der heutigen Kölnischen Zeitung, der über die grausamen und unmenschlichen Wahlmannöver der Opposition in Trier die Hände über dem Kopfe zusammenschlägt.)

Da Ludwig Simon das erforderliche Alter von 30 Jahren erst gegen Ende dieses Monats erreicht, und um uns daher für alle Fälle sicher zu stellen, wählten wir gestern dessen Vater, den Professor Simon zum Abgeordneten. Dieser wird jedoch, sobald sein Sohn die oktroyirten 30 Jahre erreicht hat, austreten, um Letztern an seine Stelle wählen zu lassen.

Die gestrigen Wahlen werden bei uns auch Einfluß auf die Wahlen für die erste Kammer haben, indem viele der gestrigen Wahlmänner vom Lande auch für Letztere zu wählen haben. Wir glauben deßhalb, auch unsern Kandidaten für die erste Kammer, den Geh. Revisionsrath Esser, gleichfalls durchzubringen.

095 Herford, 6. Februar.

Die Wahl der beiden Abgeordneten des Minden-Ravensbergischen Wahlbezirks ist wiederum auf die bekannten Vereinbarer v. Borries zu Herford und Dellmann zu Elverdissen gefallen. Man würde sich sehr irren, wenn man aus dieser Wahl einen Schluß ziehen wollte auf die Zustimmung der hiesigen städtischen Bevölkerung zu dem Verhalten der beiden Herren auf der seligen Nationalversammlung. Das Gegentheil beweist eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauensadresse, die sie von hieraus erhielten, als sie dem Hrn. Brandenburg nachliefen, das Gegentheil beweisen die Wahlen in der Stadt, welche zum großen Theile in demokratischem Sinne ausfielen, während der Hr. v. Bories es in seinem Wahlbezirke nur auf zwei Stimmen bringen konnte. Nur der unbeschränkte Einfluß der pietistischen Geistlichkeit auf das Landvolk, das bei den Wahlen allein den Ausschlag giebt, im Bunde mit der Empfehlung treu gehorsamer Amtmänner und Ortsvorsteher haben seine Wahl bewirkt. Dafür sprach sich denn auch der Hr. v. Bories in seiner Rede, die er nach der Wahl an die Wahlmänner hielt, zur sichtbaren Freude der zahlreichen Pietisten dahin aus, daß er stets an dem Grundsatze festhalten werde: „Fürchte Gott und ehre den König!“ Der Rechte des Volks und der Ehrfurcht vor demselben geschah natürlich keine Erwähnung. Dann trat Hr. Dallmann auf. Es wäre Schade, wenn seine Rede nicht der Nachwelt aufbewahrt würde. In plattdeutscher Sprache redete Hr. Dallmann:

„Ich bin ein Bauer, und da die Meisten in dieser Versammlung Bauern sind, so will ich plattdeutsch reden. Ich will als Euer Abgeordneter festhalten an dem evangelisch-apostolischen Glauben, um einst gehörig Rechenschaft ablegen zu können vor meinem ewigen Richter. Dann halte ich es nicht mit der Republik (!), mit der Anarchie (!!), mit der Willkür (!!!), — ich halte es mit Ruhe und Ordnung (schlaf Kindlein etc. etc.!), ich halte es mit einem starken Königthum. Das soll kein Strohmann sein, den Ihr auf die Felder stellt, um die Raubvögel zu verscheuchen. Anfangs fürchten sich die Vögel von dem Strohmann, dann aber fassen sie Muth, und setzen sich auf ihn. Nein, ich will ein Königthum des ganzen Preußischen und meinethalben auch des deutschen Volks.“

So sprach der plattdeutsche Demosthenes und das Volk hing an seinen Munde! Sie sehen, daß Hr. Dallmann sein Rednertalent in der Nationalversammlung, wo er zu den beharrlich Schweigenden gehörte, sehr ausgebildet hat. Am Abend des glorreichen Tages brachten sechszehn Fackelträger dem Hrn. v. Borries einen glänzenden Fackelzug. Die Freude darüber soll ihm dadurch sehr getrübt sein, daß ein durch Neugierde herbeigezogener Wahlmann ihn naiv ermahnte, doch diesmal nicht wieder fortzulaufen. Die dem eine Stunde von hier wohnenden Herrn Dallmann zugedachte Ehrenbezeugung mußte leider unterbleiben, da muthwilligerweise Jemand die Lüntze aus dem Wagen gezogen hatte, auf denen die Fackelträger saßen, so daß plötzlich der Wagen von den Rädern herabrutschte und die ganze Gesellschaft im Dreck sitzen blieb.

X Berlin, 6. Dez.

So weit man das Resultat der Wahlen in der Mark Brandenburg kennt, ist es, wie bei dem Ueberwiegen der ländlichen, unter dem Einfluß der reaktionären Gutsbesitzer stehenden, Bevölkerung zu erwarten war, streng konservativ ausgefallen.

In Prenzlau: Grabow und Arnim Boitzenburg. — In Landsberg a. W.: Schreck und Fehmel. — In Küstrin: Nesselhoff und Wagner. — In Luckau gelang es der Opposition, einen Kandidaten, Pastor Schellenberg, durchzusetzen, während andererseits die Reaktion, in Folge der unablässigen Werbungen und Bemühungen des Landraths von Manteuffel die Wahl seines Bruders, des Ministers, errang, jedoch nur mit zwei Stimmen Majorität (153 von 303). — In Frankfurt a. O. dagegen sind die Wahlen ganz demokratisch ausgefallen. Der Präsident des demokratischen Klubs und ein Assessor aus Fürstenwalde sind gewählt. Auch in Crossen und in Cottbus sollen Demokraten gewählt sein.

Aus Schlesien kennt man bis jetzt hier nur die Wahlen von Breslau und Liegnitz. Die Stadt Breslau hat zwei Demokraten gewählt, Seim und Pflücker. Der Landkreis Breslau dagegen sendet zwei Reaktionäre vom reinsten Wasser, den Bäckermeister Ludwig und Graf Ziethen. In Liegnitz wurden zwei Demokraten gewählt.

Die Stettiner Wahlen sind reaktionär ausgefallen.

Es hat hier Aufsehen erregt, daß unser, in politischen Dingen sonst ziemlich säumiger Magistrat das Resultat der hiesigen Wahlen

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 217. Köln, Freitag den 9. Februar. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p>
        <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Freisprechung der &#x201E;N. Rh. Z.&#x201C; &#x2014; Wahlnotizen.) Kreis Gummersbach, Elberfeld, Trier, Kreu[z]nach, Herford. (Wahlen.) Rheydt. (Mißhandlung von Wahlmännern) Berlin. (Wahlen. &#x2014; Preßprozesse. &#x2014; Die Galgenzeitung. &#x2014; Justizkommissar Streber.) Liegnitz, Oels, <gap reason="illegible"/> (Wahlen.) Aus der Grafschaft Glatz. (Der Teufel als Wahlkandidat.) Oldenburg. (Die Dotationsfrage) Kremsi<gap reason="illegible"/>r. (Eine Interpellation) Frankfurt. (National-Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Aus Ungarn. (Siege der Magyaren.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Die Enquête und die Minister: &#x2014; Vermischtes. &#x2014; Die Legitimisten. &#x2014; Die Junigefangenen. &#x2014; National-Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Belgien</hi>. Brüssel. (Die Gefangenen in Huy. &#x2014; Der Pauperismus.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Die Bewegungen Radetzki's.) Rom. (Die Wahlen. &#x2014; Latour. &#x2014; Die Schweizer.) Florenz. (Die 1. Kammer und der Großherzog für die Constituante. &#x2014; Die Ruhe nicht weiter gestört.) Turin. (Kammer-Eröffnung. &#x2014; Thronrede. &#x2014; Reaktionäre Maßregel Gioberti's. &#x2014; Manöver bei Valenze.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Parlament.) Glasgow. (10 Stundenbill-Meeting.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Dänemark</hi>. Kopenhagen. (Reichstag.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika</hi>. New-York. (Die Staatsgüter, Staatsschulden und Steuern der Union. &#x2014; Californien.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Westindien</hi>. (Die Passage über Chagres nach Californien.)</p>
      </div>
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        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar217_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 8. Februar.</head>
          <p>Wie wir bereits in einigen Exemplaren unserer gestrigen Nummer mittheilten, ist in der gestrigen Assisensitzung die Anklage gegen den Redakteur en chef <hi rendition="#g">Marx,</hi> den Redakteur <hi rendition="#g">Engels</hi> und den Geranten der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; wegen des Artikels ** Köln, 4. Juli (in der Nummer vom 5. Juli 1848) verhandelt worden. Der Artikel betraf die Verhaftung des Hrn. Anneke und hatte eine Anklage auf Verläumdung der die Verhaftung vollziehenden Gensd'armen (Art. 367 des Code pénal) und auf Beleidigung des Oberprokurators Zweiffel (Art. 222 des Code pénal) veranlaßt. Die Beschuldigten wurden von den Geschwornen nach kurzer Berathung <hi rendition="#g">freigesprochen</hi>.</p>
          <p>Dieser Prozeß, der älteste der vielen gegen die N. Rh. Z. anhängig gemachten Preßprozesse, ist dadurch von Wichtigkeit, daß die oben angeführten Art. 222 und 367 (in Verbindung mit Art. 370) diesmal in der Entscheidung der Geschwornen ganz anders ausgelegt und angewandt worden sind, als dies früher von den rheinischen Zuchtpolizeigerichten zu geschehen pflegte. Die Art. 222 und 367 sind aber, außer denen über direkte Aufforderung zum Bürgerkrieg und zur Rebellion, die einzigen, die es dem Scharfsinne der rheinischen Parkets bis jetzt gelungen ist, auf die Presse anzuwenden. Das freisprechende Verdikt der Geschwornen ist also eine neue Garantie für die Freiheit der Presse in Rheinpreußen.</p>
          <p>Wir werden die Verhandlungen so rasch wie möglich im Auszuge mittheilen.</p>
          <p>Heute steht <hi rendition="#g">Marx</hi> abermals vor den Geschwornen, zusammen mit <hi rendition="#g">Schneider</hi>, dem Abgeordneten von Köln, und <hi rendition="#g">Schapper,</hi> wegen einer Aufforderung zur <hi rendition="#b">Steuerverweigerung</hi>, die sie als Mitglieder des demokratischen Kreisausschusses erlassen hatten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 8. Februar, Mittags 1 Uhr.</head>
          <p>So eben sind <hi rendition="#b">Marx, Schneider II.</hi> und <hi rendition="#b">Schapper</hi> von den Geschwornen <hi rendition="#b">freigesprochen</hi> worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 8. Febr.</head>
          <p>In den meisten Exemplaren unserer gestrigen Nummer konnten wir unter den &#x201E;Neuesten Nachrichten&#x201C; noch aus <hi rendition="#g">Geldern</hi> mittheilen, daß dort außer <hi rendition="#g">Aeg. Arntz, F. Staud</hi>, Assessor, (opposit.) und K. <hi rendition="#g">Putz,</hi> Heuler, zu Abgeordnrten gewählt worden. Blos die Zersplitterung der demokratischen Partei, die leider an so vielen Orten sich ohne alle Partei-Disziplin und ohne Einsicht in das, was dem gottbegnadeten Königthum und seinen Spießgesellen gegenüber noththut, gezeigt hat, machte die Wahl des ebengedachten Heulers möglich.</p>
          <p>In <hi rendition="#g">Wittlich</hi> wurden gewählt: Adv.-Anwalt <hi rendition="#g">Borchardt</hi> aus Köln und Dr. K. <hi rendition="#g">Grün</hi> zu Trier.</p>
          <p>In <hi rendition="#g">Prüm:</hi> J. B. <hi rendition="#g">Schwickrath</hi> und Advokat <hi rendition="#g">Messerich</hi>. (Beide Steuerverweigerer!)</p>
          <p>In <hi rendition="#g">Saarburg:</hi> Steuerverweigerer Friedensrichter <hi rendition="#g">Kaul</hi>.</p>
          <p>In <hi rendition="#g">Merzig: Louis Simon</hi> (Deputirter in Frankfurt).</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>101</author></bibl> Aus dem Kreise Gummersbach, 6. Febr.</head>
          <p>Bei der Wahl unserer beiden Abgeordneten ist uns ein Prasser-Reaktionär in der Person des Regierungsraths v. Seckendorf <hi rendition="#g">aufgeklüngelt</hi> worden, der zweite Abgeordnete ist Regierungsrath Wiethaus von Wipperfürt (jetziger Deputirter in Frankfurt), ein mehr gemäßigter Heuler. Für v. Seckendorf lagen von &#x201E;<hi rendition="#g">hohen Beamten</hi>&#x201C; (Agenten der Firma Eichhorn-Ladenberg) mindestens 10 Empfehlungsschreiben vor, dabei drängte sich derselbe bei der vorgestrigen Vorwahl mit seiner höchsteigenen liebenswürdigen Persönlichkeit als Wahlkandidat auf die Tribüne, und posaunte mit Donnerstimme einen <hi rendition="#g">Kanzelvortrag</hi> herunter, der auf die &#x201E;<hi rendition="#g">gemüthlichen</hi>&#x201C; Zuhörer, die sich in eine Kirche versetzt glaubten, Eindruck machte. Die vielen anwesenden Aristokraten ließen ein Bravogebrüll erschallen, daß sich gewiß mehrere ein Lungenübel dadurch zugezogen haben. &#x2014; Als Gegenkandidat des Schneckendorf war von mehreren demokratischen Wahlmännern Richter Fischbach aus Bensberg (Vice-Präsident des demokratischen Vereins daselbst) vorgeschlagen und zur Vorwahl eingeladen worden. Als er jedoch um's Wort bat, um sein politisches Glaubensbekenntniß abzulegen, wurde ihm dies vom präsidirenden Dr. Winkel auf eine sehr crasse Weise &#x2014; <hi rendition="#g">verweigert!</hi> &#x2014; Dabei lag ein Schmähbrief gegen Fischbach vor, worin er auf's scheußlichste verläumdet wurde! Jeder rechtlich Denkende wird schon aus dieser Verfahrungsweise die Mittel, welche sich unsere viel gepriesenen &#x201E;Konstitutionellen&#x201C; zur Erreichung ihrer Zwecke bedienen, zu würdigen wissen.</p>
          <p>Schließlich eine Interpellation an Herrn Lieutenant Voigt in Bensberg: Ist es wahr und sind Sie befugt, Schmähbriefe als &#x201E;Militaria&#x201C;, also portofrei, zu versenden? Wollen Sie die Sache gefälligst nicht mit Stillschweigen übergehen, bitte, Herr Lieutenant!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>14</author></bibl> Elberfeld, 7. Febr.</head>
          <p>Parturiunt montes, nascetur ridi culusmus! können wir ausrufen im Rückblick auf unsere Wahlen für die zweite Kammer. Die einzige Konzession, welche von unserer Bourgeoisie erreicht worden, ist die Wahl eines Arbeiters, deren Bedeutung indeß wiederum annullirt wird durch die Gesinnung dieses Mannes. Wir brauchen nur anzuführen, daß der Gewählte, Weber Joh. Abr. Schmidt, das Amt des Sekretärs im hiesigen &#x201E;Landwehrvereine&#x201C; bekleidet, um die Beeinflussung der Arbeiter durch die Partei der Schwarz-weißen ins klare Licht zu setzen. Schade, daß die Arbeiter sich zu solchen Zwecken haben benutzen lassen: sie konnten siegen, und werden nun, des abgegebenen Votums eingedenk, zu spät einsehen, daß sie die Vehikel der besitzenden Klasse und nichts weiter gewesen.</p>
          <p>Bezeichnend bleibt es indeß, daß Se. Exc. von der Heydt nur an der Seite eines <hi rendition="#g">Webers</hi> seine Wahl durchsetzen konnte. Die Arbeiter haben diesmal ihre Macht <hi rendition="#g">entfaltet,</hi> aber sie haben sie nicht zu benutzen verstanden. Die Zwischenzeit bis zur nächsten Wahl wird ihnen auch in dieser Beziehung praktische Lektionen in Menge geben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Rheidt.</head>
          <p>Der 5. Febr. bleibt für die Annalen dieser Stadt, bei deren Eintritt der Wanderer die erbauliche Inschrift lesen kann, &#x201E;mit Gott für König und Vaterland,&#x201C; ein ewig denkwürdiger Tag. In dieser königl. preuß. Stadt hat bei der Wahlhandlung trotz Stricken und Ketten die Opposition entschieden gesiegt und der Ritter ohne Furcht und Tadel hat zweimal einen unerquick[l]ichen Durchfall erlitten! Also der herzzerreißende Gesang der Draußenstehenden &#x201E;ich bin ein Preuße etc.,&#x201C; der königlich geschmückte und bekränzte Saal, also nicht die Stimmzähler auf breitester Grundlage haben auf die Demokraten den beabsichtigten Erfolg gehabt.</p>
          <p>Doch für diese Rücksichtlosigkeit mußten die Wahlmänner spezifisch malträtirt werden und die Drohungen während der Wahl sollten seltsam ernst werden. Glücklich erreichten die Wahlmänner indeß ihren Gasthof, um sich auf ihren Sieg etwas zu Gute zu thun; aber das sollte ihnen versagt sein und eine Horde in tiefster Ehrfurcht ersterbender Royalisten rückte alsbald den Wahlmännern auf den Leib. Zum Glück ertönte plötzlich Trommelschlag, um die selige Bürgerwehr noch einmal ins Leben zurückzurufen. Sie schützte die Wahlmänner vor den beabsichtigten schwarz-weißen Mißhandlungen.</p>
          <p>Wurden zwar die Wahlmänner hierdurch in Rheidt selbst geschützt, so war doch manchen auf ihrer Heimreise ein trauriges Loos beschieden. Ein Wahlmann aus dem Kreis Gr. wurde auf das schmählichste mißhandelt und zu Boden geschlagen unter dem Zuruf: nieder mit den Demokraten, es ist nichts verloren! Sein Begleiter, der sich des wehrlos Niedergeschlagenen annehmen wollte, wurde ebenfalls mit Knitteln derart verarbeitet, daß er blutend mit seinem Leidensgefährten zum nächsten Orte gebracht werden mußte.</p>
          <p>Andere Wahlmänner wurden in den Schwesterorten mit dem Lied &#x201E;ich bin ein Preuße&#x201C; empfangen und mit Steinen traktirt. Dem kühnen Muthe eines Reiters hatten es diese zu verdanken, daß sie mit heiler Haut davonkamen.</p>
          <p>So hat die Wahl in dem Ländchen &#x201E;mit Gott für König und Vaterland&#x201C; geendigt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>27</author></bibl> Kreuznach, 6. Febr.</head>
          <p>Die Manteuffel'sche Politik hat ihre Früchte getragen. Gestern sind hier 2 Reaktionäre reinsten Wassers als Abgeordnete aus der Wahlurne hervorgegangen: <hi rendition="#g">Dötsch</hi> aus Münster bei Bingen, eine sonst unbekannte Größe, und &#x2014; <hi rendition="#g">Sames</hi> aus Kirchberg, einer der Fortgelaufenen. Das sind unsere Volksvertreter! (Wir theilten dies Resultat schon gestern mit.) Es hat sich bei der Wahl gezeigt, daß der größte Theil der Wahlmänner des Kreises Kreuznach demokratisch gesinnt war; aber die Hunsrücker hatten die Pfaffen so bearbeitet, daß nichts zu machen war. Bei der Wahl selbst wurden die bäuerlichen Wahlmänner von den Pfaffen überwacht. Auch hatten Coblenzer Regierungsräthe die Reisekosten nicht gescheut, jene zwei Individuen überall anzuempfehlen.</p>
          <p>Zur Charakterisirung unserer Gegner will ich noch Folgendes anführen:</p>
          <p>Die freisinnigen Wahlmänner Kreuznachs hatten ein Programm aufgestellt, nach welchem sie die octroyirte Verfassung nicht als Gesetz anerkennen. Die Reaktionäre setzten nun einen Protest auf, um die Wahl derselben ungültig zu machen. Als Grund gaben sie natürlich an, jene hätten auf Grund des Wahlgesetzes und der Verfassung mitgewählt und die Wahl angenommen; also müßten sie auch die Verfassung anerkennen, sonst wäre die Wahl ungültig. Sie ließen diesen Protest bei den &#x201E;guten&#x201C; Bürgern zum Unterschreiben herumtragen. Doch selbst diese scheuten sich, und so kamen nur 58 Unterschriften zusammen. &#x2014; Dies ist eine neue Art, um Brandenburg - Manteuffel'sche Principien zur Geltung zu bringen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>102</author></bibl> Trier, 6. Februar.</head>
          <p>Die Herren Bourgeois, die bis auf den letzten Moment noch die Hoffnung nicht aufgegeben hatten, sind hier total und <hi rendition="#g">für immer</hi> geschlagen. Alle Intriguen, alle Bestechungen, alle Traktätlein mit Gott für König und Junkerschaft, halfen Nichts. Die Emissäre der Bourgeois, die seit acht Tagen auf dem Lande herumkutschirten, um Stimmen für ihren Protegé Zell &#x2014; den Frankfurter Centrier &#x2014; zu sammeln, hatten alles Mögliche aufgeboten; sie ließen die Wahlmänner in ihren Kutschen nach der Stadt abholen, was dieselben sich denn auch natürlich recht gern gefallen ließen. Des Abends vor dem Wahltage gaben <hi rendition="#g">Lintz</hi> und der schon von mir besprochene &#x201E;<hi rendition="#g">Dreckmüller</hi>&#x201C; nebst Heulergenossen einen Schmauß bei Recking und traktirten die guten Landleute mit &#x201E;Laberdan&#x201C;, vorgebend es sei Schellfisch. Aber, wie gesagt, Alles half nichts. (Dies erledigt zugleich einen Artikel der heutigen Kölnischen Zeitung, der über die grausamen und unmenschlichen Wahlmannöver der Opposition in Trier die Hände über dem Kopfe zusammenschlägt.)</p>
          <p>Da <hi rendition="#g">Ludwig Simon</hi> das erforderliche Alter von 30 Jahren erst gegen Ende dieses Monats erreicht, und um uns daher für alle Fälle sicher zu stellen, wählten wir gestern dessen Vater, den Professor <hi rendition="#g">Simon</hi> zum Abgeordneten. Dieser wird jedoch, sobald sein Sohn die oktroyirten 30 Jahre erreicht hat, austreten, um Letztern an seine Stelle wählen zu lassen.</p>
          <p>Die gestrigen Wahlen werden bei uns auch Einfluß auf die Wahlen für die erste Kammer haben, indem viele der gestrigen Wahlmänner vom Lande auch für Letztere zu wählen haben. Wir glauben deßhalb, auch unsern Kandidaten für die erste Kammer, den Geh. Revisionsrath Esser, gleichfalls durchzubringen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar217_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>095</author></bibl> Herford, 6. Februar.</head>
          <p>Die Wahl der beiden Abgeordneten des Minden-Ravensbergischen Wahlbezirks ist wiederum auf die bekannten Vereinbarer v. Borries zu Herford und Dellmann zu Elverdissen gefallen. Man würde sich sehr irren, wenn man aus dieser Wahl einen Schluß ziehen wollte auf die Zustimmung der hiesigen städtischen Bevölkerung zu dem Verhalten der beiden Herren auf der seligen Nationalversammlung. Das Gegentheil beweist eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauensadresse, die sie von hieraus erhielten, als sie dem Hrn. Brandenburg nachliefen, das Gegentheil beweisen die Wahlen in der Stadt, welche zum großen Theile in demokratischem Sinne ausfielen, während der Hr. v. Bories es in seinem Wahlbezirke nur auf <hi rendition="#g">zwei</hi> Stimmen bringen konnte. Nur der unbeschränkte Einfluß der pietistischen Geistlichkeit auf das Landvolk, das bei den Wahlen allein den Ausschlag giebt, im Bunde mit der Empfehlung treu gehorsamer Amtmänner und Ortsvorsteher haben seine Wahl bewirkt. Dafür sprach sich denn auch der Hr. v. Bories in seiner Rede, die er nach der Wahl an die Wahlmänner hielt, zur sichtbaren Freude der zahlreichen Pietisten dahin aus, daß er stets an dem Grundsatze festhalten werde: &#x201E;Fürchte Gott und ehre den König!&#x201C; Der Rechte des Volks und der Ehrfurcht vor demselben geschah natürlich keine Erwähnung. Dann trat Hr. Dallmann auf. Es wäre Schade, wenn seine Rede nicht der Nachwelt aufbewahrt würde. In <hi rendition="#g">plattdeutscher</hi> Sprache redete Hr. Dallmann:</p>
          <p>&#x201E;Ich bin ein Bauer, und da die Meisten in dieser Versammlung Bauern sind, so will ich plattdeutsch reden. Ich will als Euer Abgeordneter festhalten an dem evangelisch-apostolischen Glauben, um einst gehörig Rechenschaft ablegen zu können vor meinem ewigen Richter. Dann halte ich es nicht mit der Republik (!), mit der Anarchie (!!), mit der Willkür (!!!), &#x2014; ich halte es mit Ruhe und Ordnung (schlaf Kindlein etc. etc.!), ich halte es mit einem starken Königthum. Das soll kein Strohmann sein, den Ihr auf die Felder stellt, um die Raubvögel zu verscheuchen. Anfangs fürchten sich die Vögel von dem Strohmann, dann aber fassen sie Muth, und setzen sich auf ihn. Nein, ich will ein Königthum des ganzen Preußischen und meinethalben auch des deutschen Volks.&#x201C;</p>
          <p>So sprach der plattdeutsche Demosthenes und das Volk hing an seinen Munde! Sie sehen, daß Hr. Dallmann sein Rednertalent in der Nationalversammlung, wo er zu den beharrlich Schweigenden gehörte, sehr ausgebildet hat. Am Abend des glorreichen Tages brachten <hi rendition="#g">sechszehn</hi> Fackelträger dem Hrn. v. Borries einen glänzenden Fackelzug. Die Freude darüber soll ihm dadurch sehr getrübt sein, daß ein durch Neugierde herbeigezogener Wahlmann ihn naiv ermahnte, doch diesmal nicht <hi rendition="#g">wieder fortzulaufen</hi>. Die dem eine Stunde von hier wohnenden Herrn Dallmann zugedachte Ehrenbezeugung mußte leider unterbleiben, da muthwilligerweise Jemand die Lüntze aus dem Wagen gezogen hatte, auf denen die Fackelträger saßen, so daß plötzlich der Wagen von den Rädern herabrutschte und die ganze Gesellschaft im <hi rendition="#g">Dreck</hi> sitzen blieb.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 6. Dez.</head>
          <p>So weit man das Resultat der Wahlen in der Mark Brandenburg kennt, ist es, wie bei dem Ueberwiegen der ländlichen, unter dem Einfluß der reaktionären Gutsbesitzer stehenden, Bevölkerung zu erwarten war, streng konservativ ausgefallen.</p>
          <p>In Prenzlau: Grabow und Arnim Boitzenburg. &#x2014; In Landsberg a. W.: Schreck und Fehmel. &#x2014; In Küstrin: Nesselhoff und Wagner. &#x2014; In Luckau gelang es der Opposition, einen Kandidaten, Pastor Schellenberg, durchzusetzen, während andererseits die Reaktion, in Folge der unablässigen Werbungen und Bemühungen des Landraths von Manteuffel die Wahl seines Bruders, des Ministers, errang, jedoch nur mit zwei Stimmen Majorität (153 von 303). &#x2014; In Frankfurt a. O. dagegen sind die Wahlen ganz demokratisch ausgefallen. Der Präsident des demokratischen Klubs und ein Assessor aus Fürstenwalde sind gewählt. Auch in Crossen und in Cottbus sollen Demokraten gewählt sein.</p>
          <p>Aus Schlesien kennt man bis jetzt hier nur die Wahlen von Breslau und Liegnitz. Die Stadt Breslau hat zwei Demokraten gewählt, Seim und Pflücker. Der Landkreis Breslau dagegen sendet zwei Reaktionäre vom reinsten Wasser, den Bäckermeister Ludwig und Graf Ziethen. In Liegnitz wurden zwei Demokraten gewählt.</p>
          <p>Die Stettiner Wahlen sind reaktionär ausgefallen.</p>
          <p>Es hat hier Aufsehen erregt, daß unser, in politischen Dingen sonst ziemlich säumiger Magistrat das Resultat der hiesigen Wahlen
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[1187/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 217. Köln, Freitag den 9. Februar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Freisprechung der „N. Rh. Z.“ — Wahlnotizen.) Kreis Gummersbach, Elberfeld, Trier, Kreu[z]nach, Herford. (Wahlen.) Rheydt. (Mißhandlung von Wahlmännern) Berlin. (Wahlen. — Preßprozesse. — Die Galgenzeitung. — Justizkommissar Streber.) Liegnitz, Oels, _ (Wahlen.) Aus der Grafschaft Glatz. (Der Teufel als Wahlkandidat.) Oldenburg. (Die Dotationsfrage) Kremsi_ r. (Eine Interpellation) Frankfurt. (National-Versammlung.) Ungarn. Aus Ungarn. (Siege der Magyaren.) Französische Republik. Paris. (Die Enquête und die Minister: — Vermischtes. — Die Legitimisten. — Die Junigefangenen. — National-Versammlung.) Belgien. Brüssel. (Die Gefangenen in Huy. — Der Pauperismus.) Italien. (Die Bewegungen Radetzki's.) Rom. (Die Wahlen. — Latour. — Die Schweizer.) Florenz. (Die 1. Kammer und der Großherzog für die Constituante. — Die Ruhe nicht weiter gestört.) Turin. (Kammer-Eröffnung. — Thronrede. — Reaktionäre Maßregel Gioberti's. — Manöver bei Valenze.) Großbritannien. London. (Parlament.) Glasgow. (10 Stundenbill-Meeting.) Dänemark. Kopenhagen. (Reichstag.) Amerika. New-York. (Die Staatsgüter, Staatsschulden und Steuern der Union. — Californien.) Westindien. (Die Passage über Chagres nach Californien.) Deutschland. 068 Köln, 8. Februar. Wie wir bereits in einigen Exemplaren unserer gestrigen Nummer mittheilten, ist in der gestrigen Assisensitzung die Anklage gegen den Redakteur en chef Marx, den Redakteur Engels und den Geranten der „Neuen Rheinischen Zeitung“ wegen des Artikels ** Köln, 4. Juli (in der Nummer vom 5. Juli 1848) verhandelt worden. Der Artikel betraf die Verhaftung des Hrn. Anneke und hatte eine Anklage auf Verläumdung der die Verhaftung vollziehenden Gensd'armen (Art. 367 des Code pénal) und auf Beleidigung des Oberprokurators Zweiffel (Art. 222 des Code pénal) veranlaßt. Die Beschuldigten wurden von den Geschwornen nach kurzer Berathung freigesprochen. Dieser Prozeß, der älteste der vielen gegen die N. Rh. Z. anhängig gemachten Preßprozesse, ist dadurch von Wichtigkeit, daß die oben angeführten Art. 222 und 367 (in Verbindung mit Art. 370) diesmal in der Entscheidung der Geschwornen ganz anders ausgelegt und angewandt worden sind, als dies früher von den rheinischen Zuchtpolizeigerichten zu geschehen pflegte. Die Art. 222 und 367 sind aber, außer denen über direkte Aufforderung zum Bürgerkrieg und zur Rebellion, die einzigen, die es dem Scharfsinne der rheinischen Parkets bis jetzt gelungen ist, auf die Presse anzuwenden. Das freisprechende Verdikt der Geschwornen ist also eine neue Garantie für die Freiheit der Presse in Rheinpreußen. Wir werden die Verhandlungen so rasch wie möglich im Auszuge mittheilen. Heute steht Marx abermals vor den Geschwornen, zusammen mit Schneider, dem Abgeordneten von Köln, und Schapper, wegen einer Aufforderung zur Steuerverweigerung, die sie als Mitglieder des demokratischen Kreisausschusses erlassen hatten. 068 Köln, 8. Februar, Mittags 1 Uhr. So eben sind Marx, Schneider II. und Schapper von den Geschwornen freigesprochen worden. * Köln, 8. Febr. In den meisten Exemplaren unserer gestrigen Nummer konnten wir unter den „Neuesten Nachrichten“ noch aus Geldern mittheilen, daß dort außer Aeg. Arntz, F. Staud, Assessor, (opposit.) und K. Putz, Heuler, zu Abgeordnrten gewählt worden. Blos die Zersplitterung der demokratischen Partei, die leider an so vielen Orten sich ohne alle Partei-Disziplin und ohne Einsicht in das, was dem gottbegnadeten Königthum und seinen Spießgesellen gegenüber noththut, gezeigt hat, machte die Wahl des ebengedachten Heulers möglich. In Wittlich wurden gewählt: Adv.-Anwalt Borchardt aus Köln und Dr. K. Grün zu Trier. In Prüm: J. B. Schwickrath und Advokat Messerich. (Beide Steuerverweigerer!) In Saarburg: Steuerverweigerer Friedensrichter Kaul. In Merzig: Louis Simon (Deputirter in Frankfurt). 101 Aus dem Kreise Gummersbach, 6. Febr. Bei der Wahl unserer beiden Abgeordneten ist uns ein Prasser-Reaktionär in der Person des Regierungsraths v. Seckendorf aufgeklüngelt worden, der zweite Abgeordnete ist Regierungsrath Wiethaus von Wipperfürt (jetziger Deputirter in Frankfurt), ein mehr gemäßigter Heuler. Für v. Seckendorf lagen von „hohen Beamten“ (Agenten der Firma Eichhorn-Ladenberg) mindestens 10 Empfehlungsschreiben vor, dabei drängte sich derselbe bei der vorgestrigen Vorwahl mit seiner höchsteigenen liebenswürdigen Persönlichkeit als Wahlkandidat auf die Tribüne, und posaunte mit Donnerstimme einen Kanzelvortrag herunter, der auf die „gemüthlichen“ Zuhörer, die sich in eine Kirche versetzt glaubten, Eindruck machte. Die vielen anwesenden Aristokraten ließen ein Bravogebrüll erschallen, daß sich gewiß mehrere ein Lungenübel dadurch zugezogen haben. — Als Gegenkandidat des Schneckendorf war von mehreren demokratischen Wahlmännern Richter Fischbach aus Bensberg (Vice-Präsident des demokratischen Vereins daselbst) vorgeschlagen und zur Vorwahl eingeladen worden. Als er jedoch um's Wort bat, um sein politisches Glaubensbekenntniß abzulegen, wurde ihm dies vom präsidirenden Dr. Winkel auf eine sehr crasse Weise — verweigert! — Dabei lag ein Schmähbrief gegen Fischbach vor, worin er auf's scheußlichste verläumdet wurde! Jeder rechtlich Denkende wird schon aus dieser Verfahrungsweise die Mittel, welche sich unsere viel gepriesenen „Konstitutionellen“ zur Erreichung ihrer Zwecke bedienen, zu würdigen wissen. Schließlich eine Interpellation an Herrn Lieutenant Voigt in Bensberg: Ist es wahr und sind Sie befugt, Schmähbriefe als „Militaria“, also portofrei, zu versenden? Wollen Sie die Sache gefälligst nicht mit Stillschweigen übergehen, bitte, Herr Lieutenant! 14 Elberfeld, 7. Febr. Parturiunt montes, nascetur ridi culusmus! können wir ausrufen im Rückblick auf unsere Wahlen für die zweite Kammer. Die einzige Konzession, welche von unserer Bourgeoisie erreicht worden, ist die Wahl eines Arbeiters, deren Bedeutung indeß wiederum annullirt wird durch die Gesinnung dieses Mannes. Wir brauchen nur anzuführen, daß der Gewählte, Weber Joh. Abr. Schmidt, das Amt des Sekretärs im hiesigen „Landwehrvereine“ bekleidet, um die Beeinflussung der Arbeiter durch die Partei der Schwarz-weißen ins klare Licht zu setzen. Schade, daß die Arbeiter sich zu solchen Zwecken haben benutzen lassen: sie konnten siegen, und werden nun, des abgegebenen Votums eingedenk, zu spät einsehen, daß sie die Vehikel der besitzenden Klasse und nichts weiter gewesen. Bezeichnend bleibt es indeß, daß Se. Exc. von der Heydt nur an der Seite eines Webers seine Wahl durchsetzen konnte. Die Arbeiter haben diesmal ihre Macht entfaltet, aber sie haben sie nicht zu benutzen verstanden. Die Zwischenzeit bis zur nächsten Wahl wird ihnen auch in dieser Beziehung praktische Lektionen in Menge geben. 103 Rheidt. Der 5. Febr. bleibt für die Annalen dieser Stadt, bei deren Eintritt der Wanderer die erbauliche Inschrift lesen kann, „mit Gott für König und Vaterland,“ ein ewig denkwürdiger Tag. In dieser königl. preuß. Stadt hat bei der Wahlhandlung trotz Stricken und Ketten die Opposition entschieden gesiegt und der Ritter ohne Furcht und Tadel hat zweimal einen unerquick[l]ichen Durchfall erlitten! Also der herzzerreißende Gesang der Draußenstehenden „ich bin ein Preuße etc.,“ der königlich geschmückte und bekränzte Saal, also nicht die Stimmzähler auf breitester Grundlage haben auf die Demokraten den beabsichtigten Erfolg gehabt. Doch für diese Rücksichtlosigkeit mußten die Wahlmänner spezifisch malträtirt werden und die Drohungen während der Wahl sollten seltsam ernst werden. Glücklich erreichten die Wahlmänner indeß ihren Gasthof, um sich auf ihren Sieg etwas zu Gute zu thun; aber das sollte ihnen versagt sein und eine Horde in tiefster Ehrfurcht ersterbender Royalisten rückte alsbald den Wahlmännern auf den Leib. Zum Glück ertönte plötzlich Trommelschlag, um die selige Bürgerwehr noch einmal ins Leben zurückzurufen. Sie schützte die Wahlmänner vor den beabsichtigten schwarz-weißen Mißhandlungen. Wurden zwar die Wahlmänner hierdurch in Rheidt selbst geschützt, so war doch manchen auf ihrer Heimreise ein trauriges Loos beschieden. Ein Wahlmann aus dem Kreis Gr. wurde auf das schmählichste mißhandelt und zu Boden geschlagen unter dem Zuruf: nieder mit den Demokraten, es ist nichts verloren! Sein Begleiter, der sich des wehrlos Niedergeschlagenen annehmen wollte, wurde ebenfalls mit Knitteln derart verarbeitet, daß er blutend mit seinem Leidensgefährten zum nächsten Orte gebracht werden mußte. Andere Wahlmänner wurden in den Schwesterorten mit dem Lied „ich bin ein Preuße“ empfangen und mit Steinen traktirt. Dem kühnen Muthe eines Reiters hatten es diese zu verdanken, daß sie mit heiler Haut davonkamen. So hat die Wahl in dem Ländchen „mit Gott für König und Vaterland“ geendigt. 27 Kreuznach, 6. Febr. Die Manteuffel'sche Politik hat ihre Früchte getragen. Gestern sind hier 2 Reaktionäre reinsten Wassers als Abgeordnete aus der Wahlurne hervorgegangen: Dötsch aus Münster bei Bingen, eine sonst unbekannte Größe, und — Sames aus Kirchberg, einer der Fortgelaufenen. Das sind unsere Volksvertreter! (Wir theilten dies Resultat schon gestern mit.) Es hat sich bei der Wahl gezeigt, daß der größte Theil der Wahlmänner des Kreises Kreuznach demokratisch gesinnt war; aber die Hunsrücker hatten die Pfaffen so bearbeitet, daß nichts zu machen war. Bei der Wahl selbst wurden die bäuerlichen Wahlmänner von den Pfaffen überwacht. Auch hatten Coblenzer Regierungsräthe die Reisekosten nicht gescheut, jene zwei Individuen überall anzuempfehlen. Zur Charakterisirung unserer Gegner will ich noch Folgendes anführen: Die freisinnigen Wahlmänner Kreuznachs hatten ein Programm aufgestellt, nach welchem sie die octroyirte Verfassung nicht als Gesetz anerkennen. Die Reaktionäre setzten nun einen Protest auf, um die Wahl derselben ungültig zu machen. Als Grund gaben sie natürlich an, jene hätten auf Grund des Wahlgesetzes und der Verfassung mitgewählt und die Wahl angenommen; also müßten sie auch die Verfassung anerkennen, sonst wäre die Wahl ungültig. Sie ließen diesen Protest bei den „guten“ Bürgern zum Unterschreiben herumtragen. Doch selbst diese scheuten sich, und so kamen nur 58 Unterschriften zusammen. — Dies ist eine neue Art, um Brandenburg - Manteuffel'sche Principien zur Geltung zu bringen. 102 Trier, 6. Februar. Die Herren Bourgeois, die bis auf den letzten Moment noch die Hoffnung nicht aufgegeben hatten, sind hier total und für immer geschlagen. Alle Intriguen, alle Bestechungen, alle Traktätlein mit Gott für König und Junkerschaft, halfen Nichts. Die Emissäre der Bourgeois, die seit acht Tagen auf dem Lande herumkutschirten, um Stimmen für ihren Protegé Zell — den Frankfurter Centrier — zu sammeln, hatten alles Mögliche aufgeboten; sie ließen die Wahlmänner in ihren Kutschen nach der Stadt abholen, was dieselben sich denn auch natürlich recht gern gefallen ließen. Des Abends vor dem Wahltage gaben Lintz und der schon von mir besprochene „Dreckmüller“ nebst Heulergenossen einen Schmauß bei Recking und traktirten die guten Landleute mit „Laberdan“, vorgebend es sei Schellfisch. Aber, wie gesagt, Alles half nichts. (Dies erledigt zugleich einen Artikel der heutigen Kölnischen Zeitung, der über die grausamen und unmenschlichen Wahlmannöver der Opposition in Trier die Hände über dem Kopfe zusammenschlägt.) Da Ludwig Simon das erforderliche Alter von 30 Jahren erst gegen Ende dieses Monats erreicht, und um uns daher für alle Fälle sicher zu stellen, wählten wir gestern dessen Vater, den Professor Simon zum Abgeordneten. Dieser wird jedoch, sobald sein Sohn die oktroyirten 30 Jahre erreicht hat, austreten, um Letztern an seine Stelle wählen zu lassen. Die gestrigen Wahlen werden bei uns auch Einfluß auf die Wahlen für die erste Kammer haben, indem viele der gestrigen Wahlmänner vom Lande auch für Letztere zu wählen haben. Wir glauben deßhalb, auch unsern Kandidaten für die erste Kammer, den Geh. Revisionsrath Esser, gleichfalls durchzubringen. 095 Herford, 6. Februar. Die Wahl der beiden Abgeordneten des Minden-Ravensbergischen Wahlbezirks ist wiederum auf die bekannten Vereinbarer v. Borries zu Herford und Dellmann zu Elverdissen gefallen. Man würde sich sehr irren, wenn man aus dieser Wahl einen Schluß ziehen wollte auf die Zustimmung der hiesigen städtischen Bevölkerung zu dem Verhalten der beiden Herren auf der seligen Nationalversammlung. Das Gegentheil beweist eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Mißtrauensadresse, die sie von hieraus erhielten, als sie dem Hrn. Brandenburg nachliefen, das Gegentheil beweisen die Wahlen in der Stadt, welche zum großen Theile in demokratischem Sinne ausfielen, während der Hr. v. Bories es in seinem Wahlbezirke nur auf zwei Stimmen bringen konnte. Nur der unbeschränkte Einfluß der pietistischen Geistlichkeit auf das Landvolk, das bei den Wahlen allein den Ausschlag giebt, im Bunde mit der Empfehlung treu gehorsamer Amtmänner und Ortsvorsteher haben seine Wahl bewirkt. Dafür sprach sich denn auch der Hr. v. Bories in seiner Rede, die er nach der Wahl an die Wahlmänner hielt, zur sichtbaren Freude der zahlreichen Pietisten dahin aus, daß er stets an dem Grundsatze festhalten werde: „Fürchte Gott und ehre den König!“ Der Rechte des Volks und der Ehrfurcht vor demselben geschah natürlich keine Erwähnung. Dann trat Hr. Dallmann auf. Es wäre Schade, wenn seine Rede nicht der Nachwelt aufbewahrt würde. In plattdeutscher Sprache redete Hr. Dallmann: „Ich bin ein Bauer, und da die Meisten in dieser Versammlung Bauern sind, so will ich plattdeutsch reden. Ich will als Euer Abgeordneter festhalten an dem evangelisch-apostolischen Glauben, um einst gehörig Rechenschaft ablegen zu können vor meinem ewigen Richter. Dann halte ich es nicht mit der Republik (!), mit der Anarchie (!!), mit der Willkür (!!!), — ich halte es mit Ruhe und Ordnung (schlaf Kindlein etc. etc.!), ich halte es mit einem starken Königthum. Das soll kein Strohmann sein, den Ihr auf die Felder stellt, um die Raubvögel zu verscheuchen. Anfangs fürchten sich die Vögel von dem Strohmann, dann aber fassen sie Muth, und setzen sich auf ihn. Nein, ich will ein Königthum des ganzen Preußischen und meinethalben auch des deutschen Volks.“ So sprach der plattdeutsche Demosthenes und das Volk hing an seinen Munde! Sie sehen, daß Hr. Dallmann sein Rednertalent in der Nationalversammlung, wo er zu den beharrlich Schweigenden gehörte, sehr ausgebildet hat. Am Abend des glorreichen Tages brachten sechszehn Fackelträger dem Hrn. v. Borries einen glänzenden Fackelzug. Die Freude darüber soll ihm dadurch sehr getrübt sein, daß ein durch Neugierde herbeigezogener Wahlmann ihn naiv ermahnte, doch diesmal nicht wieder fortzulaufen. Die dem eine Stunde von hier wohnenden Herrn Dallmann zugedachte Ehrenbezeugung mußte leider unterbleiben, da muthwilligerweise Jemand die Lüntze aus dem Wagen gezogen hatte, auf denen die Fackelträger saßen, so daß plötzlich der Wagen von den Rädern herabrutschte und die ganze Gesellschaft im Dreck sitzen blieb. X Berlin, 6. Dez. So weit man das Resultat der Wahlen in der Mark Brandenburg kennt, ist es, wie bei dem Ueberwiegen der ländlichen, unter dem Einfluß der reaktionären Gutsbesitzer stehenden, Bevölkerung zu erwarten war, streng konservativ ausgefallen. In Prenzlau: Grabow und Arnim Boitzenburg. — In Landsberg a. W.: Schreck und Fehmel. — In Küstrin: Nesselhoff und Wagner. — In Luckau gelang es der Opposition, einen Kandidaten, Pastor Schellenberg, durchzusetzen, während andererseits die Reaktion, in Folge der unablässigen Werbungen und Bemühungen des Landraths von Manteuffel die Wahl seines Bruders, des Ministers, errang, jedoch nur mit zwei Stimmen Majorität (153 von 303). — In Frankfurt a. O. dagegen sind die Wahlen ganz demokratisch ausgefallen. Der Präsident des demokratischen Klubs und ein Assessor aus Fürstenwalde sind gewählt. Auch in Crossen und in Cottbus sollen Demokraten gewählt sein. Aus Schlesien kennt man bis jetzt hier nur die Wahlen von Breslau und Liegnitz. Die Stadt Breslau hat zwei Demokraten gewählt, Seim und Pflücker. Der Landkreis Breslau dagegen sendet zwei Reaktionäre vom reinsten Wasser, den Bäckermeister Ludwig und Graf Ziethen. In Liegnitz wurden zwei Demokraten gewählt. Die Stettiner Wahlen sind reaktionär ausgefallen. Es hat hier Aufsehen erregt, daß unser, in politischen Dingen sonst ziemlich säumiger Magistrat das Resultat der hiesigen Wahlen

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 217. Köln, 9. Februar 1849, S. 1187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz217_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.