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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 219. Köln, 11. Februar 1849.

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in allen Häusern vertheilt, und die Hausherren oder Stellvertreter sind verpflichtet, dieselbe allen Inwohnern kund zu machen, auch wird solche an allen Schranken angeheftet, damit Zureisende Kenntniß davon erlangen. Am 3. Februar d. J., wo alle Einwohner von dieser Anordnung bereits verständigt sein müssen, tritt dieselbe in Kraft und Wirksamkeit. Ofen, am 31. Januar 1849. Ladislaus Graf Wrbna m. p. Feldmarschall-Lieutenant und Kommandant des 2. Armeekorps."

Der k. k. Kommissar Havas hat folgende Kundmachung erlassen:

"Obwohl in Folge der am 16. des vorigen M. kundgemachten Aufforderung bedeutende Vorräthe von Montursstücken von den hiesigen Handwerkern und anderen Lieferanten eingeliefert wurden, es jedoch möglich ist, daß in der Erfüllung der diesfalls Jedermann ohne Unterschied auferlegten Pflicht einige annoch saumselig waren, so wird ein letzter Termin von acht Tagen, von heute an gezählt, mit dem weitern Zusatz festgestellt, daß, bei wem nach Verlauf dieser Frist noch Montursstücke oder was immer für andere das k. k. Militär-Aerar betreffende Gegenstände entdeckt werden, derselbe außer der Konfiskation noch schwere persönliche Ahndung unausbleiblich zu gewärtigen habe."

Dieser Tage wurde ein Müller Namens Csömy aus dem Komorner Komitat, 36 Jahre alt, weil er in einem Gasthause "Lästerungen gegen den Kaiser ausgestoßen", mit Pulver und Blei hingerichtet.

Hermannstadt, 18. Jan.

Heute früh wurde unsere Stadt durch dumpfe Gerüchte alarmirt, Mediasch sei nach einem für unsere Waffen ungünstigen Gefecht von unsern Truppen geräumt und von den ungarischen Insurgenten eingenommen. Das Unglaubliche bestätigt sich.

(Ostd. P.)
Polen.
Lemberg, 30. Januar.

Die hiesige offizielle Zeitung veröffentlichte gestern die Steckbriefe gegen General Bem und den Grafen Kas. Batthyany zuletzt Kommandanten der Festung Esseg.

Französische Republik.
17 Paris, 8. Febr.

Die Kammer geht also Ende April oder Anfang Mai auseinander. Die Royalisten jubiliren, aber mir dünkt, zu früh. Allerdings hat das Volk von Paris heute und gestern die Herausforderung des Royalismus nicht angenommen; aber wenn es morgen oder übermorgen den Handschuh aufhebt: werden dann die Herren Royalisten auch noch jubeln? Inzwischen strengt die Demokratie sich an, durch populäre Schriften die Finsterniß in den Bauerngemüthern aufzuhellen. Eine Menge Volkskalender sind zu diesem Zweck verbreitet. In der Str. Coquilliere Nr. 15 fungirt seit zwei Monaten das Bureau der Propagande socialiste, welches alte schon gelesene demokratische Zeitungsnummern aus der ganzen Stadt sammelt, ordnet und an demokratische Agenten auf dem Lande versendet. Der deutsche Verein ist diesem Unternehmen beigetreten. Wie die demokratische Volksbelehrung energisch in diesen Kalendern und Almanachen betrieben wird, davon hier einige Beispiele. F. V. Raspail publicirt aus seinem Kerker vn Vincennes einen reißend gelesenen Almanach, worin es am Schluß heißt: "Der Schatten des unglücklichen R. Blum ruft vor den Richterstuhl Gottes alle Könige Deutschlands und deren Knechte. Ha! diese mit Legitimität prahlenden Caligulas erfrechen sich wohl noch gar, sich hinter dem Königsmördergesetze zu verschanzen? O die Verruchten! einst werden sie sich glücklich preisen, wenn das Volk sie nicht aburtheilt und standrechtet wie gemeine Meuchelmörder." Originell ist folgendes Zwiegespräch zwischen dem Jesuitismus und den Gläubigen von Frankreich: "Ehrwürdiger Vater, was muß ich thun, um fromm und selig zu werden?" -- "Du mußt die Ungläubigen vertilgen, bis an die Mutterbrust sie verfolgen; also hat Moses gethan." -- "Ehrwürdiger Vater, mir deucht Moses lebte im Gesetz des alten Bundes oder der Furcht, und wir leben im Neuen Bund, im Gesetze der Liebe?" -- "O mein geliebter Sohn, du bist nahe dran ein Ungläubiger zu werden, du räsonnirst und das ist alles Unheils Anfang. Du vergißt, daß du allem Eigensinn und Eigenwillen entsagt hast." -- "Verzeihung, ehrwürdiger Vater! Verzeihung! ich irrte... ich bereue jetzt. Ha! wartet nur einen Augenblick, ich bin gleich fertig (streift die Hemdärmel auf und ergreift das Messer): so, ehrwürdiger Vater; wen habe ich jetzt zu schlagen?"

Anno 1793: "Sieh, mein Sohn, diese Republikaner; sie sind arm, sprenge du aus sie seien reich. Sie sind mild und freundlich, sprenge du aus sie seien grausam. Lauf' und mache, daß das Volk sie niederschlage als Edelleute und Royalisten, und daß die Königspartei sie niederschlage als Räuber und Blutsäufer." -- "Ehrwürdiger Vater, erlaubt mir eine bescheidene Bemerkung: sie scheinen mir ganz gute Leute, sie sind brav als Bürger, Krieger und Familienmitglieder." -- "Geliebter Sohn, sie räsonniren, du mußt sie folglich schlagen. Geh, und nimm meinen Segen." -- "Ehrwürdiger Vater, ich that nach Eurem Befehl; ich verkleidete mich eines Tages als Sanscülott und Tags drauf als feiner Herr von der sogenannten goldenen Jugend (jeunesse doree), ich schlug also zwei Mal."

Anno 1815. "Lieber Sohn! siehst du diese alten Schnurrbärte? diese bartlosen Jünglinge? siehst du sie knirschen und weinen? sie wollen den Kaiser Napoleon nicht fallen lassen, sie meinen das Vaterland werde fallen, wenn er fällt." -- "Ehrwürdiger Vater, ist das zu meinen eine Sünde? ich muß gestehen, mein Auge ist auch dabei feucht geworden." -- "Lieber Sohn, sie tragen auf dem Hut den kaiserlichen Adler, aber in der Brust immer noch die alte Freiheitsmütze von 93; du mußt jetzt umherlaufen und sagen daß sie plündern und brennen, Gütertheilung und Abschaffung der heiligen katholischen Religion wollen... Geh und verfolge sie mit Stock, Stein, Schwert, Dolch, Flinten und Kartätschen, Kerker und Schaffot; ich segne dich, geliebter Sohn, im Voraus!" -- "Ehrwürdigster, ich habe es gethan; Pointu, Quatrestaillou, Trestaillou haben mir wacker geholfen. Die Leichen der Mameluken des Kaisers, Frauen und Kinder, schwimmen auf dem Hafen von Marseille. Die Provinzen Vauclüse und Gard sind Zeugen unsrer Heldenthaten für die heilige Religion. Den kaiserlichen General Ramel erdolchten wir zu Toulouse, den General Lagarde erschossen wir zu Nimes, den Feldmarschall Brüne im Wirthshause zu Avignon hieben wir zu Boden; die republikanischen Beamten Lareole, zwei Zwillinge, schlugen wir mit Knütteln und schleiften sie durch ein langes, marterndes Gefängniß zum Richtplatz; die Gebrüder Faucher, zwei Generale, desgleichen. In Paris brachten wir den Feldmarschall Michael Ney und General Labedoyere durch Pulver und Blei zu Tode; in Grenoble den Brevot und Buisson, und (daß ich es nicht vergesse) in Paris noch die sogenannten Vaterlandsfreunde Carbonneau, Plaignier, Talleron und General Chateau, und den Adjudanten Michton.

Und zu Lyon und Montpellier -- oh da gab es weidlich zu thun im Namen der heiligen Religion, nach Eurem Befehl, ehrwürdiger Vater. Gott belohnt uns doch dafür?" -- "Wie, mein Sohn, es scheint ein unheiliger Zweifel in dir zu entstehen! hier nimm meinen Segen." -- "Das genügt, Ehrwürdigster." -- Anno 1830: "Ehrwürdiger Vater, wo seid Ihr? versteckt? und weshalb? -- "Thu deinen Säbel und Gürtel ab, lieber Sohn, wir sind in diesem Augenblicke die Schwächeren. Laß uns vorjetzt nichts mehr niedermetzeln. Kommt Zeit, kommt Rath. Die heilige Religion wird uns schon wieder nöthig haben. Schon recht, ehrwürdiger Vater; wir wollen uns mit der Louis Philipp'schen Polizei gut stellen, sie liebt uns im Stillen. Wir wollen Emeuten anstiften, damit die dummen Herrn Republikaner aus ihren Löchern hervorkriechen und uns beistehen, aber wenn es Ernst wird, dann verschwinden wir und lassen die Dummköpfe im Netz; sie sind ehrlich und hochherzig. Seid Ihr damit zufrieden, ehrwürdiger Vater?" "Gewiß, liebsterSohn, du hast meine geheimen Wünsche errathen. Ich segne dich. Haltet euch alle bereit für Monat Juni 1832; dann soll es klappen und dies Republikanerblut soll spritzen!" -- Anno 1848, 24. Febr.: "Ha, ha, ha! er ist endlich gestürzt! ha, ha, ha! auf die Nase gefallen! Die Republik hat ihm einen Tritt gegeben! Da liegt er! Ha, ha, ha!" "Aber Ehrwürdigster." -- "Nun, mein lieber Sohn, es versteht sich, daß wir bald die Madame Republik stürzen, wie sie den Monsieur Louis Philipp stürzte: in Blut und Koth! Das versteht sich." -- "Aber, Ehrwürdigster, diese Demokraten sind sehr tapfer, sehr aufopfernd." -- "Thut nichts, wir sind sehr gewandt und sehr geduldig. Also flugs blaue Blousen her, verkleidet euch, lauft in ihre Klubs und rumort und treibt Alles auf die Spitze, ohne Rücksicht auf Zeit, Ort und Mittel. Verekelt dem Lande die Republik. Schüchtert das Land vor der Republik ein. Laßt das Stadthaus nicht aus den Augen, nicht aus den Händen. Vernichtet den Handel und Wandel, erschöpft den Fabrikanten, den Kaufmann, den Bourgeois dadurch, daß ihr ihm den Kredit abschneidet, eure Geldkisten dreifach zuriegelt und in die Erde grabt. Vor Allem macht keine Bestellungen mehr; so treibt ihr am schnellsten die Meister und Arbeiter zum Hasse gegen die Republik. Wir inzwischen preisen auf Kanzeln und in Beichtstühlen die heiligen Männer des Throns, und unsere Wahlkandidaten; wir verlästern und verspotten die der Demokraten. Gelder haben wir ja stets für solche wahrhaft nützliche Dinge. Mit dem sogenannten allgemeinen Stimmrecht wollen wir schon umspringen; und sollte das noch nicht genügen, nun so hetzen wir Demokraten gegen Demokraten, lassen sie zwei Tage und Nächte sich morden und wenn sie müde sind, erscheinen wir, frisch und wohlgemuth. Wer überlebt, den schlagen wir mit dem Exil. Gott der Strafe und Gerechtigkeit! stehe uns bei, zu deiner Ehre wollen wir alsdann mächtige Brandopfer darbringen." So seltsam die hier vorgetragene Anschauung, als ob die Pfaffen Schuld an allem Uebel seien, auch aussieht, so wird sie ihren Effekt auf die Bauern doch nicht verfehlen. -- Die Napoleonisten haben auch einen Almanach, aber er ist sehr langweilig und dumm. Ihre Hofzeitung "Evenement" ist unlesbar; der Poet Victor Hugo verfällt in ihr komplet in Faselei; Alexander Dumas verlangte gestern unter Anderm: "Herstellung der Erblichkeit der Exekutive." Beide Schriftsteller drehen sich so selber den Laternenstrick, sich und vielleicht auch ihrem gefeierten Champagnerprinzen. Diese Bonaparte's sind bereits grade so frech, wie das andere Prätendentengeschmeiß; die Murat's z. B. fordern jetzt in bester Form, das Land solle ihnen das kolossale Vermögen des Joachim von Neapel ersetzen!! Der Hauptheld aller Bonaparte's, groß und klein, ist und bleibt aber einstweilen der Präsident. Ich besah mir sein kolossales Konterfei neulich an einem Schaufenster des Boulevards; ein junger Blousenmann mit seinem Mädchen kam hinzu und nach einer Weile rief dieses halb verwundert, halb spöttisch: a-t-il l'air canaille! Der Arbeiter verwies ihr diese unkluge Offenherzigkeit, und sie sagte ärgerlich: eh bien, alors il a l'air voyou!

12 Paris, 8. Febr.

Soll die Kammer auf Stück oder auf Tagelohn arbeiten? So muß man die Frage in Betracht des Lanjuinais'schen Antrages stellen, und nur von diesem Standpunkte aus wird die Art und Weise der Besprechung in der Kammer deutlich. Wenn die Kammer auf Tagelohn arbeitet, auf wie viele Tage noch soll sie gemiethet werden? Wenn die Kammer auf Stück arbeitet, wie viel Stück Brandenburger Röcke, republikanische Westen und organische Gesetze soll sie noch zusammennähen? Der Lanjuinais'sche Antrag hat den Vortheil, daß er Stück-Arbeit und Lohnarbeit verbindet, und indem er neben der Anfertigung der organischen Gesetze die Anfertigung der neuen Wahllisten für die neue legislative Kammer verordnet, bildet er gleichsam eine neue Kammer unter der Hand, eine neue Kammer, die wie eine neue Haut unter der alten kranken Haut hervorgehen soll. Die Auflösung verwandelt sich in eine Ablösung; die alte Kammer soll sich häuten und bis zu dem Tage ihrer Häutung soll sie fortbestehen durch Stückarbeit.

Was sagt Lanjuinais zur Begründung seiner Vereinbarungstheorie?

Seht, wir haben einen Fehler begangen. Wir haben den Präsidenten der Republik zu früh gewählt. Wir hatten die organischen Gesetze noch nicht fertig, ohne welche die Constitution nicht fungiren kann, und wir haben einen Präsidenten eingesetzt, mit der Mission, regelmäßig zu fungiren. Wie ist das möglich? Wie kann die eine Gewalt, der Präsident der Republik regelmäßig fungiren, wenn die beiden andern Gewalten, deren Attributionen noch nicht festgesetzt sind, noch nicht regelmäßig fungiren können?

Was ist die Conclusion des Lanjuinais'schen Antrags? Wir müssen uns beeilen, die Lücke zu ergänzen, damit die drei Gewalten neben einander fungiren können und das Spiel der Institutionen gut von Statten gehe.

Die Kammer soll dieses Spiel fertig machen, aber auch bloß um während der Zeit ein Spielzeug in Händen zu haben, und nicht da zu stehn, als wolle man sie wie Kinder nach Hause schicken. Unter der Zeit kann sie, wie gesagt, sich ablösen, sich häuten, und der Präsident, der zu frühe eingesetzt worden, der die Hände in den Schooß legen muß, hat Zeit, eine Haut zu gewinnen. Die wesentlichen organischen Gesetze sind sehr kurz und Kammer und Ministerium und Napoleon bleiben während der kurzen Zeit in der besten Eintracht.

Nun kommt aber Guichard mit einer Frage heran, die wichtiger als Konstitution, Kammer und Napoleon ist, die Budgetfrage, die Finanzfrage, in welcher alle Gewalten aufgehen, von der sie allein ihr Leben ziehen. Wer soll über das Budget entscheiden? Wer soll über die Staatskosten entscheiden? Wird nun aber über die Kosten zur Bestreitung des Staates debattirt, so kommt der Staat abermals in die Debatte mit all seinem Zubehör. Welcher Staat soll unterhalten werden? Der alte reaktionäre monarchische Staat, oder der republikanische konservative Staat? Das erstere kann nur eine neue Kammer, wie sie Barrot und die alte Partei Thiers-Mole herbeiwünschen. Das zweite kann nur die Kammer des National's, die Kammer Cavaignac's, die Kammer, wie sie jetzt mit genauer Noth zur Beschützung der Bourgeois-Republik besteht. Was Guichard will, daß die Kammer alle finanziellen Reformen im Sinne der Revolution vornehme, das kann nur eine Kammer, die aus einer revolutionären Regierung hervorgegangen ist. Wenn nun aber die jetzige Bourgeois-Kammer auch nur im Interesse der Bourgeoisrepublik die Finanzen ordnen will, müssen da nicht wieder alle Institutionen, die ganze Konstitution, Ministerium, Staatsrath u. s. w. als Besoldete, und Bauern und Bürger und Proletarier als Besteuerte zur Sprache kommen?

Nun, bedenke man, sollen erst noch die organischen Gesetze über die Bildung des Staatsrath u. s. w. berathen, zweitens soll der aus den organischen Gesetzen hervorgegangene Staatsrath bei Gelegenheit des Budgets auf seinen wahren Werth, auf seinen Geldwerth reduzirt werden. Während also durch die Besprechung des Budgets die ganze Konstitution mit ihren organischen und nicht organischen Gesetzen abermals in der Kammer debattirt werden soll, was wird da aus Napoleon, Barrot und Faucher? Und alle diese Vota über das Budget, die Bewilligung der verschiedenen Posten -- das sind wieder weiter nichts wie Vertrauensvota, die man dem Ministerium geben soll. Und das Ministerium, in der Befürchtung neuer Mißtrauensvota, will diese Vertrauensvota en detail umgehen, und verlangt, daß die Kammer ihm von vornherein ein Vertrauensvotum en gros ertheile und die Besprechung des Budgets der neuen Kammer überlasse.

Man sieht, die Spaltung tritt von allen Seiten ein, und wie wir früher gesagt, die offizielle Welt ist bereits so weit gekommen, daß sie keine Frage mehr anregen kann, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Das Spiel der Institutionen wird jedesmal in der Kammer aufs Neue aufs Spiel gesetzt, und jedesmal sind es die bestehenden Gewalten, die sich bei diesem Spiele moralisch vernichten, bis das Proletariat durch eine neue Revolution dem Spiel ein Ende macht.

Felix Pyat war der einzige Redner, der wirklich revolutionär auftrat. Die Kammer ihrerselbst wegen ist nicht werth, vertheidigt zu werden. Dem Volke gegenüber ist sie immer reaktionär aufgetreten. Aber wenn sie von einem Ministerium Barrot angegriffen wird, dann muß er, der Redner des Berges, sie in Schutz nehmen gegen die noch reaktionärere Partei der Monarchie. "Wir sind erstaunt, die Kammer von denjenigen so mißhandelt zu sehen, denen sie so wohl gedient hat. Diese Kammer, die nach Barrot's Ausdruck so viel für die Ruhe und Ordnung gethan, die, in der That, seit acht Monaten nichts gemacht hat, als Gesetze für den Belagerungszustand, für Transportation, Kautionen, für die 45-Centimensteuer und für die Beschränkung der Klubs, die Nationalversammlung, sage ich, die lauter konservative Zwangsgesetze gemacht für Aufrechthaltung des sogenannten Vertrauens, die der Staatsgewalt alle Waffen in die Hände gegeben zur Bekämpfung der sogenannten Anarchie, die die Freiheit der Presse, der Associationen, der Petition, die mit einem Worte alle Freiheiten geopfert hat zur Aufrechthaltung der sogenannten Ruhe und Ordnung, die aus Achtung für die Rechte der Vergangenheit die Rechte der Revolution geschmälert, die die Gleichheit mittelst der Almosen, die Freiheit mittelst der Diktatur, und die Brüderlichkeit mittelst der Kanonen zu bewerkstelligen suchte, die den Hunger bekämpft und die Amnestie verweigert hat, die die Selbstverläugnung soweit getrieben, daß sie die Zufriedenen von heute den Ausgehungerten von gestern vorzog, die die Gefälligkeit soweit ausgedehnt, daß sie die nachgelassenen Minister Louis Philipp's gleichzeitig empfängt mit den Auferstandenen vom Sonderbund und der Legitimität -- diese Kammer hat mit Allem dem die Contrerevolution noch nicht zufrieden gestellt!

"Vom Tage an, wo die Versammlung, um die Unversöhnlichen zu versöhnen das Recht dem Privilegium, die Arbeit dem Kapital, die Kleinen den Großen geopfert hat da konnte man ihr voraussagen, was ihr geschehen würde.

.... "Die legislative Versammlung, welche die Reaktionäre verlangen, soll nur ein Werkzeug der Restauration für sie werden; die Republik ist für sie nur ein Provisorium, der Präsident bewahrt nur interimistisch den Platz; ein Hut, der der Krone einstweilen den Platz offen hält.

"Wenn Hubert schuldig ist, so ist Barrot noch schuldiger als Hubert: Für Hubert waret Ihr nicht republikanisch genug, für Barrot seid Ihr zu republikanisch. Beide haben Euch den Abschied gegeben; Hubert im Namen des Volkes, Barrot im Namen des Präsidenten.

"Wenn wir siegen wollten wie Ihr, durch die Gewalt, so stimmten wir für den Antrag Rateau's: denn der Vorschlag Rateau's, das ist eine neue Revolution und Vorläuferin der sozialen demokratischen Republik -- nach der legislativen Versammlung der Konvent!"

Das ist die Sprache Pyat's, die Sprache "des Berges." Was Pyat der Kammer zur Schande anrechnet, daraus macht Lamartine ihr ein Lob. Lamartine's "versöhnende Politik" in poetischer Sprache vorgetragen, erregt selbst die Mißbilligung des Journal des Debats. Wir werden darauf speziell zurückkommen.

Pyat, wie aus seiner Rede hervorgeht, und mit ihm der ganze Berg, haben die Nothwendigkeit einer neuen Revolution vor Augen. Was Pyat bestimmte, für die Kammer aufzutreten, ist nicht die Furcht vor dem allgemeinen Stimmrecht, sondern die Furcht, daß der Ausübung dieses allgemeinen Stimmrechtes ein Staatsstreich zuvorkomme, der dasselbe schmälern könnte. Er will die Kammer so lange hinhalten, bis die Ausübung des allgemeinen Stimmrechts sich durch eine neue Revolution Geltung verschaffen kann.

Paris, 8. Februar.

Die Rateaudebatte nahm gestern Abend, kurz vor Sitzungsschluß, eine ganz eigenthümliche Wendung. Dezeimeris wies nämlich die Nothwendigkeit nach: das Budget von 1849 noch zu berathen, ohne (im Gegensatze zu Santeyra's Antrage) die Dauer der Nationalversammlung zu verlängern. Dezeimeris, ein praktischer Arzt und tüchtiger Landwirth, prophezeite der Kammer, daß sie 7 bis 8 pCt. Zinsen werde zahlen müssen, wenn sie noch länger zögere. Die Staats-Einnahmen würden schwerlich über 1249 Millionen betragen, und das gefürchtete Defizit um die Kleinigkeit von 300 Millionen Franken anschwellen. Wodurch glauben Sie das Defizit zu decken? fragte Dezeimeris die ungeduldige Versammlung. Durch Anleihen? Aber wer wird Ihnen bei den heutigen Börsencoursen Geld leihen? Sie bestimmen z. B. 193 Millionen Franken pro 1850 zur Beschäftigung des Proletariats durch Staatsbauten. Wie aber, wenn Sie keine 193 Millionen in der Kasse zum Verbauen haben?..... Mit 445 gegen 373 Stimmen wurde hierauf das Budget zu den Wahlgesetz-, Staatsrathsgesetz- und Verantwortlichkeitsgesetz-Entwürfen hinzugefügt und man trennte sich erst um 7 Uhr.

-- Das Journal des Debats dankt der Majorität der Nationalversammlung, daß sie sich ein Ziel gesetzt. "So sehr wir geneigt sind -- sagt es -- der Weisheit der Nationalversammlung Gerechtigkeit zu zollen, so groß ist der Ekel, den uns die miserablen Ausflüchte der Minorität einflößen. Wir können es freilich den Herren Repräsentanten nicht verdenken, daß sie sich ökonomisch berühmt machen wollen. Das soll ihnen bei den Wählern nützen. Aber im Hintergrunde soll ihnen das Budget nur als Mittel dienen, sich zu verewigen. Darum äußerte einer der Ihrigen schon gestern Abend sehr treffend: "Wir reisen ab; aber wir bleiben!".... Indessen darf die Budgetdebatte unmöglich etwas in der Hauptsache ändern."

-- Der Constitutionnel, vor Ungeduld brennend, die Nationalversammlung abreisen zu sehen, ist über die Hinzufügung des Budgets sehr mürrisch. Er nennt sie unlogisch und bedauerungswürdig. Das Budget, das die Nationalversammlung votiren wolle, werde ein Budget bacle -- ein Budget im Sturmschritt sein.

-- Die "Revolution" meint: "Die Auserwählten des 23. April brauchen wirklich eine Veranlassung, um sich mit ihren Vollmachtsgebern auszusöhnen. Das Budget verschafft ihnen diese Veranlassung. Mögen sie selbige gut benutzen, indem sie die Steuerlast des Landes erleichtern und tüchtige Ersparnisse einführen. Auf diese Weise haben sie die Wiederwahl in den Händen."

-- Peuple sagt: "Wir dachten, unsere junge Republik bedürfe des Unvorhergesehenen, um ihre Schicksale zu erfüllen. Daß sie selbige erfüllen wird, haben wir niemals bezweifelt; aber vielleicht geht das nicht so rasch, als wir es wünschen. Der gestrige Beschluß der Kammer, auch noch das Budget zu votiren, versetzt uns auf 5 bis 6 Monate in einen Schlaf. Schlaf oder Ruhe sind aber den (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

in allen Häusern vertheilt, und die Hausherren oder Stellvertreter sind verpflichtet, dieselbe allen Inwohnern kund zu machen, auch wird solche an allen Schranken angeheftet, damit Zureisende Kenntniß davon erlangen. Am 3. Februar d. J., wo alle Einwohner von dieser Anordnung bereits verständigt sein müssen, tritt dieselbe in Kraft und Wirksamkeit. Ofen, am 31. Januar 1849. Ladislaus Graf Wrbna m. p. Feldmarschall-Lieutenant und Kommandant des 2. Armeekorps.“

Der k. k. Kommissar Havas hat folgende Kundmachung erlassen:

„Obwohl in Folge der am 16. des vorigen M. kundgemachten Aufforderung bedeutende Vorräthe von Montursstücken von den hiesigen Handwerkern und anderen Lieferanten eingeliefert wurden, es jedoch möglich ist, daß in der Erfüllung der diesfalls Jedermann ohne Unterschied auferlegten Pflicht einige annoch saumselig waren, so wird ein letzter Termin von acht Tagen, von heute an gezählt, mit dem weitern Zusatz festgestellt, daß, bei wem nach Verlauf dieser Frist noch Montursstücke oder was immer für andere das k. k. Militär-Aerar betreffende Gegenstände entdeckt werden, derselbe außer der Konfiskation noch schwere persönliche Ahndung unausbleiblich zu gewärtigen habe.“

Dieser Tage wurde ein Müller Namens Csömy aus dem Komorner Komitat, 36 Jahre alt, weil er in einem Gasthause „Lästerungen gegen den Kaiser ausgestoßen“, mit Pulver und Blei hingerichtet.

Hermannstadt, 18. Jan.

Heute früh wurde unsere Stadt durch dumpfe Gerüchte alarmirt, Mediasch sei nach einem für unsere Waffen ungünstigen Gefecht von unsern Truppen geräumt und von den ungarischen Insurgenten eingenommen. Das Unglaubliche bestätigt sich.

(Ostd. P.)
Polen.
Lemberg, 30. Januar.

Die hiesige offizielle Zeitung veröffentlichte gestern die Steckbriefe gegen General Bem und den Grafen Kas. Batthyany zuletzt Kommandanten der Festung Esseg.

Französische Republik.
17 Paris, 8. Febr.

Die Kammer geht also Ende April oder Anfang Mai auseinander. Die Royalisten jubiliren, aber mir dünkt, zu früh. Allerdings hat das Volk von Paris heute und gestern die Herausforderung des Royalismus nicht angenommen; aber wenn es morgen oder übermorgen den Handschuh aufhebt: werden dann die Herren Royalisten auch noch jubeln? Inzwischen strengt die Demokratie sich an, durch populäre Schriften die Finsterniß in den Bauerngemüthern aufzuhellen. Eine Menge Volkskalender sind zu diesem Zweck verbreitet. In der Str. Coquillière Nr. 15 fungirt seit zwei Monaten das Bureau der Propagande socialiste, welches alte schon gelesene demokratische Zeitungsnummern aus der ganzen Stadt sammelt, ordnet und an demokratische Agenten auf dem Lande versendet. Der deutsche Verein ist diesem Unternehmen beigetreten. Wie die demokratische Volksbelehrung energisch in diesen Kalendern und Almanachen betrieben wird, davon hier einige Beispiele. F. V. Raspail publicirt aus seinem Kerker vn Vincennes einen reißend gelesenen Almanach, worin es am Schluß heißt: „Der Schatten des unglücklichen R. Blum ruft vor den Richterstuhl Gottes alle Könige Deutschlands und deren Knechte. Ha! diese mit Legitimität prahlenden Caligulas erfrechen sich wohl noch gar, sich hinter dem Königsmördergesetze zu verschanzen? O die Verruchten! einst werden sie sich glücklich preisen, wenn das Volk sie nicht aburtheilt und standrechtet wie gemeine Meuchelmörder.“ Originell ist folgendes Zwiegespräch zwischen dem Jesuitismus und den Gläubigen von Frankreich: „Ehrwürdiger Vater, was muß ich thun, um fromm und selig zu werden?“ — „Du mußt die Ungläubigen vertilgen, bis an die Mutterbrust sie verfolgen; also hat Moses gethan.“ — „Ehrwürdiger Vater, mir deucht Moses lebte im Gesetz des alten Bundes oder der Furcht, und wir leben im Neuen Bund, im Gesetze der Liebe?“ — „O mein geliebter Sohn, du bist nahe dran ein Ungläubiger zu werden, du räsonnirst und das ist alles Unheils Anfang. Du vergißt, daß du allem Eigensinn und Eigenwillen entsagt hast.“ — „Verzeihung, ehrwürdiger Vater! Verzeihung! ich irrte… ich bereue jetzt. Ha! wartet nur einen Augenblick, ich bin gleich fertig (streift die Hemdärmel auf und ergreift das Messer): so, ehrwürdiger Vater; wen habe ich jetzt zu schlagen?“

Anno 1793: „Sieh, mein Sohn, diese Republikaner; sie sind arm, sprenge du aus sie seien reich. Sie sind mild und freundlich, sprenge du aus sie seien grausam. Lauf' und mache, daß das Volk sie niederschlage als Edelleute und Royalisten, und daß die Königspartei sie niederschlage als Räuber und Blutsäufer.“ — „Ehrwürdiger Vater, erlaubt mir eine bescheidene Bemerkung: sie scheinen mir ganz gute Leute, sie sind brav als Bürger, Krieger und Familienmitglieder.“ — „Geliebter Sohn, sie räsonniren, du mußt sie folglich schlagen. Geh, und nimm meinen Segen.“ — „Ehrwürdiger Vater, ich that nach Eurem Befehl; ich verkleidete mich eines Tages als Sanscülott und Tags drauf als feiner Herr von der sogenannten goldenen Jugend (jeunesse dorée), ich schlug also zwei Mal.“

Anno 1815. „Lieber Sohn! siehst du diese alten Schnurrbärte? diese bartlosen Jünglinge? siehst du sie knirschen und weinen? sie wollen den Kaiser Napoleon nicht fallen lassen, sie meinen das Vaterland werde fallen, wenn er fällt.“ — „Ehrwürdiger Vater, ist das zu meinen eine Sünde? ich muß gestehen, mein Auge ist auch dabei feucht geworden.“ — „Lieber Sohn, sie tragen auf dem Hut den kaiserlichen Adler, aber in der Brust immer noch die alte Freiheitsmütze von 93; du mußt jetzt umherlaufen und sagen daß sie plündern und brennen, Gütertheilung und Abschaffung der heiligen katholischen Religion wollen… Geh und verfolge sie mit Stock, Stein, Schwert, Dolch, Flinten und Kartätschen, Kerker und Schaffot; ich segne dich, geliebter Sohn, im Voraus!“ — „Ehrwürdigster, ich habe es gethan; Pointu, Quatrestaillou, Trestaillou haben mir wacker geholfen. Die Leichen der Mameluken des Kaisers, Frauen und Kinder, schwimmen auf dem Hafen von Marseille. Die Provinzen Vauclüse und Gard sind Zeugen unsrer Heldenthaten für die heilige Religion. Den kaiserlichen General Ramel erdolchten wir zu Toulouse, den General Lagarde erschossen wir zu Nimes, den Feldmarschall Brüne im Wirthshause zu Avignon hieben wir zu Boden; die republikanischen Beamten Lareole, zwei Zwillinge, schlugen wir mit Knütteln und schleiften sie durch ein langes, marterndes Gefängniß zum Richtplatz; die Gebrüder Faucher, zwei Generale, desgleichen. In Paris brachten wir den Feldmarschall Michael Ney und General Labedoyere durch Pulver und Blei zu Tode; in Grenoble den Brevot und Buisson, und (daß ich es nicht vergesse) in Paris noch die sogenannten Vaterlandsfreunde Carbonneau, Plaignier, Talleron und General Chateau, und den Adjudanten Michton.

Und zu Lyon und Montpellier — oh da gab es weidlich zu thun im Namen der heiligen Religion, nach Eurem Befehl, ehrwürdiger Vater. Gott belohnt uns doch dafür?“ — „Wie, mein Sohn, es scheint ein unheiliger Zweifel in dir zu entstehen! hier nimm meinen Segen.“ — „Das genügt, Ehrwürdigster.“ — Anno 1830: „Ehrwürdiger Vater, wo seid Ihr? versteckt? und weshalb? — „Thu deinen Säbel und Gürtel ab, lieber Sohn, wir sind in diesem Augenblicke die Schwächeren. Laß uns vorjetzt nichts mehr niedermetzeln. Kommt Zeit, kommt Rath. Die heilige Religion wird uns schon wieder nöthig haben. Schon recht, ehrwürdiger Vater; wir wollen uns mit der Louis Philipp'schen Polizei gut stellen, sie liebt uns im Stillen. Wir wollen Emeuten anstiften, damit die dummen Herrn Republikaner aus ihren Löchern hervorkriechen und uns beistehen, aber wenn es Ernst wird, dann verschwinden wir und lassen die Dummköpfe im Netz; sie sind ehrlich und hochherzig. Seid Ihr damit zufrieden, ehrwürdiger Vater?“ „Gewiß, liebsterSohn, du hast meine geheimen Wünsche errathen. Ich segne dich. Haltet euch alle bereit für Monat Juni 1832; dann soll es klappen und dies Republikanerblut soll spritzen!“ — Anno 1848, 24. Febr.: „Ha, ha, ha! er ist endlich gestürzt! ha, ha, ha! auf die Nase gefallen! Die Republik hat ihm einen Tritt gegeben! Da liegt er! Ha, ha, ha!“ „Aber Ehrwürdigster.“ — „Nun, mein lieber Sohn, es versteht sich, daß wir bald die Madame Republik stürzen, wie sie den Monsieur Louis Philipp stürzte: in Blut und Koth! Das versteht sich.“ — „Aber, Ehrwürdigster, diese Demokraten sind sehr tapfer, sehr aufopfernd.“ — „Thut nichts, wir sind sehr gewandt und sehr geduldig. Also flugs blaue Blousen her, verkleidet euch, lauft in ihre Klubs und rumort und treibt Alles auf die Spitze, ohne Rücksicht auf Zeit, Ort und Mittel. Verekelt dem Lande die Republik. Schüchtert das Land vor der Republik ein. Laßt das Stadthaus nicht aus den Augen, nicht aus den Händen. Vernichtet den Handel und Wandel, erschöpft den Fabrikanten, den Kaufmann, den Bourgeois dadurch, daß ihr ihm den Kredit abschneidet, eure Geldkisten dreifach zuriegelt und in die Erde grabt. Vor Allem macht keine Bestellungen mehr; so treibt ihr am schnellsten die Meister und Arbeiter zum Hasse gegen die Republik. Wir inzwischen preisen auf Kanzeln und in Beichtstühlen die heiligen Männer des Throns, und unsere Wahlkandidaten; wir verlästern und verspotten die der Demokraten. Gelder haben wir ja stets für solche wahrhaft nützliche Dinge. Mit dem sogenannten allgemeinen Stimmrecht wollen wir schon umspringen; und sollte das noch nicht genügen, nun so hetzen wir Demokraten gegen Demokraten, lassen sie zwei Tage und Nächte sich morden und wenn sie müde sind, erscheinen wir, frisch und wohlgemuth. Wer überlebt, den schlagen wir mit dem Exil. Gott der Strafe und Gerechtigkeit! stehe uns bei, zu deiner Ehre wollen wir alsdann mächtige Brandopfer darbringen.“ So seltsam die hier vorgetragene Anschauung, als ob die Pfaffen Schuld an allem Uebel seien, auch aussieht, so wird sie ihren Effekt auf die Bauern doch nicht verfehlen. — Die Napoleonisten haben auch einen Almanach, aber er ist sehr langweilig und dumm. Ihre Hofzeitung „Evenement“ ist unlesbar; der Poet Victor Hugo verfällt in ihr komplet in Faselei; Alexander Dumas verlangte gestern unter Anderm: „Herstellung der Erblichkeit der Exekutive.“ Beide Schriftsteller drehen sich so selber den Laternenstrick, sich und vielleicht auch ihrem gefeierten Champagnerprinzen. Diese Bonaparte's sind bereits grade so frech, wie das andere Prätendentengeschmeiß; die Murat's z. B. fordern jetzt in bester Form, das Land solle ihnen das kolossale Vermögen des Joachim von Neapel ersetzen!! Der Hauptheld aller Bonaparte's, groß und klein, ist und bleibt aber einstweilen der Präsident. Ich besah mir sein kolossales Konterfei neulich an einem Schaufenster des Boulevards; ein junger Blousenmann mit seinem Mädchen kam hinzu und nach einer Weile rief dieses halb verwundert, halb spöttisch: a-t-il l'air canaille! Der Arbeiter verwies ihr diese unkluge Offenherzigkeit, und sie sagte ärgerlich: eh bien, alors il a l'air voyou!

12 Paris, 8. Febr.

Soll die Kammer auf Stück oder auf Tagelohn arbeiten? So muß man die Frage in Betracht des Lanjuinais'schen Antrages stellen, und nur von diesem Standpunkte aus wird die Art und Weise der Besprechung in der Kammer deutlich. Wenn die Kammer auf Tagelohn arbeitet, auf wie viele Tage noch soll sie gemiethet werden? Wenn die Kammer auf Stück arbeitet, wie viel Stück Brandenburger Röcke, republikanische Westen und organische Gesetze soll sie noch zusammennähen? Der Lanjuinais'sche Antrag hat den Vortheil, daß er Stück-Arbeit und Lohnarbeit verbindet, und indem er neben der Anfertigung der organischen Gesetze die Anfertigung der neuen Wahllisten für die neue legislative Kammer verordnet, bildet er gleichsam eine neue Kammer unter der Hand, eine neue Kammer, die wie eine neue Haut unter der alten kranken Haut hervorgehen soll. Die Auflösung verwandelt sich in eine Ablösung; die alte Kammer soll sich häuten und bis zu dem Tage ihrer Häutung soll sie fortbestehen durch Stückarbeit.

Was sagt Lanjuinais zur Begründung seiner Vereinbarungstheorie?

Seht, wir haben einen Fehler begangen. Wir haben den Präsidenten der Republik zu früh gewählt. Wir hatten die organischen Gesetze noch nicht fertig, ohne welche die Constitution nicht fungiren kann, und wir haben einen Präsidenten eingesetzt, mit der Mission, regelmäßig zu fungiren. Wie ist das möglich? Wie kann die eine Gewalt, der Präsident der Republik regelmäßig fungiren, wenn die beiden andern Gewalten, deren Attributionen noch nicht festgesetzt sind, noch nicht regelmäßig fungiren können?

Was ist die Conclusion des Lanjuinais'schen Antrags? Wir müssen uns beeilen, die Lücke zu ergänzen, damit die drei Gewalten neben einander fungiren können und das Spiel der Institutionen gut von Statten gehe.

Die Kammer soll dieses Spiel fertig machen, aber auch bloß um während der Zeit ein Spielzeug in Händen zu haben, und nicht da zu stehn, als wolle man sie wie Kinder nach Hause schicken. Unter der Zeit kann sie, wie gesagt, sich ablösen, sich häuten, und der Präsident, der zu frühe eingesetzt worden, der die Hände in den Schooß legen muß, hat Zeit, eine Haut zu gewinnen. Die wesentlichen organischen Gesetze sind sehr kurz und Kammer und Ministerium und Napoleon bleiben während der kurzen Zeit in der besten Eintracht.

Nun kommt aber Guichard mit einer Frage heran, die wichtiger als Konstitution, Kammer und Napoleon ist, die Budgetfrage, die Finanzfrage, in welcher alle Gewalten aufgehen, von der sie allein ihr Leben ziehen. Wer soll über das Budget entscheiden? Wer soll über die Staatskosten entscheiden? Wird nun aber über die Kosten zur Bestreitung des Staates debattirt, so kommt der Staat abermals in die Debatte mit all seinem Zubehör. Welcher Staat soll unterhalten werden? Der alte reaktionäre monarchische Staat, oder der republikanische konservative Staat? Das erstere kann nur eine neue Kammer, wie sie Barrot und die alte Partei Thiers-Molé herbeiwünschen. Das zweite kann nur die Kammer des National's, die Kammer Cavaignac's, die Kammer, wie sie jetzt mit genauer Noth zur Beschützung der Bourgeois-Republik besteht. Was Guichard will, daß die Kammer alle finanziellen Reformen im Sinne der Revolution vornehme, das kann nur eine Kammer, die aus einer revolutionären Regierung hervorgegangen ist. Wenn nun aber die jetzige Bourgeois-Kammer auch nur im Interesse der Bourgeoisrepublik die Finanzen ordnen will, müssen da nicht wieder alle Institutionen, die ganze Konstitution, Ministerium, Staatsrath u. s. w. als Besoldete, und Bauern und Bürger und Proletarier als Besteuerte zur Sprache kommen?

Nun, bedenke man, sollen erst noch die organischen Gesetze über die Bildung des Staatsrath u. s. w. berathen, zweitens soll der aus den organischen Gesetzen hervorgegangene Staatsrath bei Gelegenheit des Budgets auf seinen wahren Werth, auf seinen Geldwerth reduzirt werden. Während also durch die Besprechung des Budgets die ganze Konstitution mit ihren organischen und nicht organischen Gesetzen abermals in der Kammer debattirt werden soll, was wird da aus Napoleon, Barrot und Faucher? Und alle diese Vota über das Budget, die Bewilligung der verschiedenen Posten — das sind wieder weiter nichts wie Vertrauensvota, die man dem Ministerium geben soll. Und das Ministerium, in der Befürchtung neuer Mißtrauensvota, will diese Vertrauensvota en detail umgehen, und verlangt, daß die Kammer ihm von vornherein ein Vertrauensvotum en gros ertheile und die Besprechung des Budgets der neuen Kammer überlasse.

Man sieht, die Spaltung tritt von allen Seiten ein, und wie wir früher gesagt, die offizielle Welt ist bereits so weit gekommen, daß sie keine Frage mehr anregen kann, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Das Spiel der Institutionen wird jedesmal in der Kammer aufs Neue aufs Spiel gesetzt, und jedesmal sind es die bestehenden Gewalten, die sich bei diesem Spiele moralisch vernichten, bis das Proletariat durch eine neue Revolution dem Spiel ein Ende macht.

Felix Pyat war der einzige Redner, der wirklich revolutionär auftrat. Die Kammer ihrerselbst wegen ist nicht werth, vertheidigt zu werden. Dem Volke gegenüber ist sie immer reaktionär aufgetreten. Aber wenn sie von einem Ministerium Barrot angegriffen wird, dann muß er, der Redner des Berges, sie in Schutz nehmen gegen die noch reaktionärere Partei der Monarchie. „Wir sind erstaunt, die Kammer von denjenigen so mißhandelt zu sehen, denen sie so wohl gedient hat. Diese Kammer, die nach Barrot's Ausdruck so viel für die Ruhe und Ordnung gethan, die, in der That, seit acht Monaten nichts gemacht hat, als Gesetze für den Belagerungszustand, für Transportation, Kautionen, für die 45-Centimensteuer und für die Beschränkung der Klubs, die Nationalversammlung, sage ich, die lauter konservative Zwangsgesetze gemacht für Aufrechthaltung des sogenannten Vertrauens, die der Staatsgewalt alle Waffen in die Hände gegeben zur Bekämpfung der sogenannten Anarchie, die die Freiheit der Presse, der Associationen, der Petition, die mit einem Worte alle Freiheiten geopfert hat zur Aufrechthaltung der sogenannten Ruhe und Ordnung, die aus Achtung für die Rechte der Vergangenheit die Rechte der Revolution geschmälert, die die Gleichheit mittelst der Almosen, die Freiheit mittelst der Diktatur, und die Brüderlichkeit mittelst der Kanonen zu bewerkstelligen suchte, die den Hunger bekämpft und die Amnestie verweigert hat, die die Selbstverläugnung soweit getrieben, daß sie die Zufriedenen von heute den Ausgehungerten von gestern vorzog, die die Gefälligkeit soweit ausgedehnt, daß sie die nachgelassenen Minister Louis Philipp's gleichzeitig empfängt mit den Auferstandenen vom Sonderbund und der Legitimität — diese Kammer hat mit Allem dem die Contrerevolution noch nicht zufrieden gestellt!

„Vom Tage an, wo die Versammlung, um die Unversöhnlichen zu versöhnen das Recht dem Privilegium, die Arbeit dem Kapital, die Kleinen den Großen geopfert hat da konnte man ihr voraussagen, was ihr geschehen würde.

‥‥ „Die legislative Versammlung, welche die Reaktionäre verlangen, soll nur ein Werkzeug der Restauration für sie werden; die Republik ist für sie nur ein Provisorium, der Präsident bewahrt nur interimistisch den Platz; ein Hut, der der Krone einstweilen den Platz offen hält.

„Wenn Hubert schuldig ist, so ist Barrot noch schuldiger als Hubert: Für Hubert waret Ihr nicht republikanisch genug, für Barrot seid Ihr zu republikanisch. Beide haben Euch den Abschied gegeben; Hubert im Namen des Volkes, Barrot im Namen des Präsidenten.

„Wenn wir siegen wollten wie Ihr, durch die Gewalt, so stimmten wir für den Antrag Rateau's: denn der Vorschlag Rateau's, das ist eine neue Revolution und Vorläuferin der sozialen demokratischen Republik — nach der legislativen Versammlung der Konvent!

Das ist die Sprache Pyat's, die Sprache „des Berges.“ Was Pyat der Kammer zur Schande anrechnet, daraus macht Lamartine ihr ein Lob. Lamartine's „versöhnende Politik“ in poetischer Sprache vorgetragen, erregt selbst die Mißbilligung des Journal des Debats. Wir werden darauf speziell zurückkommen.

Pyat, wie aus seiner Rede hervorgeht, und mit ihm der ganze Berg, haben die Nothwendigkeit einer neuen Revolution vor Augen. Was Pyat bestimmte, für die Kammer aufzutreten, ist nicht die Furcht vor dem allgemeinen Stimmrecht, sondern die Furcht, daß der Ausübung dieses allgemeinen Stimmrechtes ein Staatsstreich zuvorkomme, der dasselbe schmälern könnte. Er will die Kammer so lange hinhalten, bis die Ausübung des allgemeinen Stimmrechts sich durch eine neue Revolution Geltung verschaffen kann.

Paris, 8. Februar.

Die Rateaudebatte nahm gestern Abend, kurz vor Sitzungsschluß, eine ganz eigenthümliche Wendung. Dezeimeris wies nämlich die Nothwendigkeit nach: das Budget von 1849 noch zu berathen, ohne (im Gegensatze zu Santeyra's Antrage) die Dauer der Nationalversammlung zu verlängern. Dezeimeris, ein praktischer Arzt und tüchtiger Landwirth, prophezeite der Kammer, daß sie 7 bis 8 pCt. Zinsen werde zahlen müssen, wenn sie noch länger zögere. Die Staats-Einnahmen würden schwerlich über 1249 Millionen betragen, und das gefürchtete Defizit um die Kleinigkeit von 300 Millionen Franken anschwellen. Wodurch glauben Sie das Defizit zu decken? fragte Dezeimeris die ungeduldige Versammlung. Durch Anleihen? Aber wer wird Ihnen bei den heutigen Börsencoursen Geld leihen? Sie bestimmen z. B. 193 Millionen Franken pro 1850 zur Beschäftigung des Proletariats durch Staatsbauten. Wie aber, wenn Sie keine 193 Millionen in der Kasse zum Verbauen haben?‥… Mit 445 gegen 373 Stimmen wurde hierauf das Budget zu den Wahlgesetz-, Staatsrathsgesetz- und Verantwortlichkeitsgesetz-Entwürfen hinzugefügt und man trennte sich erst um 7 Uhr.

— Das Journal des Debats dankt der Majorität der Nationalversammlung, daß sie sich ein Ziel gesetzt. „So sehr wir geneigt sind — sagt es — der Weisheit der Nationalversammlung Gerechtigkeit zu zollen, so groß ist der Ekel, den uns die miserablen Ausflüchte der Minorität einflößen. Wir können es freilich den Herren Repräsentanten nicht verdenken, daß sie sich ökonomisch berühmt machen wollen. Das soll ihnen bei den Wählern nützen. Aber im Hintergrunde soll ihnen das Budget nur als Mittel dienen, sich zu verewigen. Darum äußerte einer der Ihrigen schon gestern Abend sehr treffend: „Wir reisen ab; aber wir bleiben!“‥‥ Indessen darf die Budgetdebatte unmöglich etwas in der Hauptsache ändern.“

— Der Constitutionnel, vor Ungeduld brennend, die Nationalversammlung abreisen zu sehen, ist über die Hinzufügung des Budgets sehr mürrisch. Er nennt sie unlogisch und bedauerungswürdig. Das Budget, das die Nationalversammlung votiren wolle, werde ein Budget baclé — ein Budget im Sturmschritt sein.

— Die „Revolution“ meint: „Die Auserwählten des 23. April brauchen wirklich eine Veranlassung, um sich mit ihren Vollmachtsgebern auszusöhnen. Das Budget verschafft ihnen diese Veranlassung. Mögen sie selbige gut benutzen, indem sie die Steuerlast des Landes erleichtern und tüchtige Ersparnisse einführen. Auf diese Weise haben sie die Wiederwahl in den Händen.“

— Peuple sagt: „Wir dachten, unsere junge Republik bedürfe des Unvorhergesehenen, um ihre Schicksale zu erfüllen. Daß sie selbige erfüllen wird, haben wir niemals bezweifelt; aber vielleicht geht das nicht so rasch, als wir es wünschen. Der gestrige Beschluß der Kammer, auch noch das Budget zu votiren, versetzt uns auf 5 bis 6 Monate in einen Schlaf. Schlaf oder Ruhe sind aber den (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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in allen Häusern vertheilt, und die Hausherren oder Stellvertreter sind verpflichtet, dieselbe allen Inwohnern kund zu machen, auch wird solche an allen Schranken angeheftet, damit Zureisende Kenntniß davon erlangen. Am 3. Februar d. J., wo alle Einwohner von dieser Anordnung bereits verständigt sein müssen, tritt dieselbe in Kraft und Wirksamkeit. Ofen, am 31. Januar 1849. Ladislaus Graf Wrbna m. p. Feldmarschall-Lieutenant und Kommandant des 2. Armeekorps.&#x201C;</p>
          <p>Der k. k. Kommissar <hi rendition="#g">Havas</hi> hat folgende Kundmachung erlassen:</p>
          <p>&#x201E;Obwohl in Folge der am 16. des vorigen M. kundgemachten Aufforderung bedeutende Vorräthe von Montursstücken von den hiesigen Handwerkern und anderen Lieferanten eingeliefert wurden, es jedoch möglich ist, daß in der Erfüllung der diesfalls Jedermann ohne Unterschied auferlegten Pflicht einige annoch saumselig waren, so wird ein letzter Termin von acht Tagen, von heute an gezählt, mit dem weitern Zusatz festgestellt, daß, bei wem nach Verlauf dieser Frist noch Montursstücke oder was immer für andere das k. k. Militär-Aerar betreffende Gegenstände entdeckt werden, derselbe außer der Konfiskation noch schwere persönliche Ahndung unausbleiblich zu gewärtigen habe.&#x201C;</p>
          <p>Dieser Tage wurde ein Müller Namens Csömy aus dem Komorner Komitat, 36 Jahre alt, weil er in einem Gasthause &#x201E;Lästerungen gegen den Kaiser ausgestoßen&#x201C;, mit Pulver und Blei hingerichtet.</p>
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          <head>Hermannstadt, 18. Jan.</head>
          <p>Heute früh wurde unsere Stadt durch dumpfe Gerüchte alarmirt, Mediasch sei nach einem für unsere Waffen ungünstigen Gefecht von unsern Truppen geräumt und von den ungarischen Insurgenten eingenommen. Das Unglaubliche bestätigt sich.</p>
          <bibl>(Ostd. P.)</bibl>
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        <head>Polen.</head>
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          <head>Lemberg, 30. Januar.</head>
          <p>Die hiesige offizielle Zeitung veröffentlichte gestern die Steckbriefe gegen General Bem und den Grafen Kas. Batthyany zuletzt Kommandanten der Festung Esseg.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 8. Febr.</head>
          <p>Die Kammer geht also Ende April oder Anfang Mai auseinander. Die Royalisten jubiliren, aber mir dünkt, zu früh. Allerdings hat das Volk von Paris heute und gestern die Herausforderung des Royalismus nicht angenommen; aber wenn es morgen oder übermorgen den Handschuh aufhebt: werden dann die Herren Royalisten auch noch jubeln? Inzwischen strengt die Demokratie sich an, durch populäre Schriften die Finsterniß in den Bauerngemüthern aufzuhellen. Eine Menge Volkskalender sind zu diesem Zweck verbreitet. In der Str. Coquillière Nr. 15 fungirt seit zwei Monaten das Bureau der Propagande socialiste, welches alte schon gelesene demokratische Zeitungsnummern aus der ganzen Stadt sammelt, ordnet und an demokratische Agenten auf dem Lande versendet. Der deutsche Verein ist diesem Unternehmen beigetreten. Wie die demokratische Volksbelehrung energisch in diesen Kalendern und Almanachen betrieben wird, davon hier einige Beispiele. F. V. Raspail publicirt aus seinem Kerker vn Vincennes einen reißend gelesenen Almanach, worin es am Schluß heißt: &#x201E;Der Schatten des unglücklichen R. Blum ruft vor den Richterstuhl Gottes alle Könige Deutschlands und deren Knechte. Ha! diese mit Legitimität prahlenden Caligulas erfrechen sich wohl noch gar, sich hinter dem Königsmördergesetze zu verschanzen? O die Verruchten! einst werden sie sich glücklich preisen, wenn das Volk sie nicht aburtheilt und standrechtet wie gemeine Meuchelmörder.&#x201C; Originell ist folgendes Zwiegespräch zwischen dem Jesuitismus und den Gläubigen von Frankreich: &#x201E;Ehrwürdiger Vater, was muß ich thun, um fromm und selig zu werden?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Du mußt die Ungläubigen vertilgen, bis an die Mutterbrust sie verfolgen; also hat Moses gethan.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ehrwürdiger Vater, mir deucht Moses lebte im Gesetz des alten Bundes oder der Furcht, und wir leben im Neuen Bund, im Gesetze der Liebe?&#x201C; &#x2014; &#x201E;O mein geliebter Sohn, du bist nahe dran ein Ungläubiger zu werden, du räsonnirst und das ist alles Unheils Anfang. Du vergißt, daß du allem Eigensinn und Eigenwillen entsagt hast.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Verzeihung, ehrwürdiger Vater! Verzeihung! ich irrte&#x2026; ich bereue jetzt. Ha! wartet nur einen Augenblick, ich bin gleich fertig (streift die Hemdärmel auf und ergreift das Messer): so, ehrwürdiger Vater; wen habe ich jetzt zu schlagen?&#x201C;</p>
          <p>Anno 1793: &#x201E;Sieh, mein Sohn, diese Republikaner; sie sind arm, sprenge du aus sie seien reich. Sie sind mild und freundlich, sprenge du aus sie seien grausam. Lauf' und mache, daß das Volk sie niederschlage als Edelleute und Royalisten, und daß die Königspartei sie niederschlage als Räuber und Blutsäufer.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ehrwürdiger Vater, erlaubt mir eine bescheidene Bemerkung: sie scheinen mir ganz gute Leute, sie sind brav als Bürger, Krieger und Familienmitglieder.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Geliebter Sohn, sie räsonniren, du mußt sie folglich schlagen. Geh, und nimm meinen Segen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ehrwürdiger Vater, ich that nach Eurem Befehl; ich verkleidete mich eines Tages als Sanscülott und Tags drauf als feiner Herr von der sogenannten goldenen Jugend (jeunesse dorée), ich schlug also zwei Mal.&#x201C;</p>
          <p>Anno 1815. &#x201E;Lieber Sohn! siehst du diese alten Schnurrbärte? diese bartlosen Jünglinge? siehst du sie knirschen und weinen? sie wollen den Kaiser Napoleon nicht fallen lassen, sie meinen das Vaterland werde fallen, wenn er fällt.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ehrwürdiger Vater, ist das zu meinen eine Sünde? ich muß gestehen, mein Auge ist auch dabei feucht geworden.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Lieber Sohn, sie tragen auf dem Hut den kaiserlichen Adler, aber in der Brust immer noch die alte Freiheitsmütze von 93; du mußt jetzt umherlaufen und sagen daß sie plündern und brennen, Gütertheilung und Abschaffung der heiligen katholischen Religion wollen&#x2026; Geh und verfolge sie mit Stock, Stein, Schwert, Dolch, Flinten und Kartätschen, Kerker und Schaffot; ich segne dich, geliebter Sohn, im Voraus!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ehrwürdigster, ich habe es gethan; Pointu, Quatrestaillou, Trestaillou haben mir wacker geholfen. Die Leichen der Mameluken des Kaisers, Frauen und Kinder, schwimmen auf dem Hafen von Marseille. Die Provinzen Vauclüse und Gard sind Zeugen unsrer Heldenthaten für die heilige Religion. Den kaiserlichen General Ramel erdolchten wir zu Toulouse, den General Lagarde erschossen wir zu Nimes, den Feldmarschall Brüne im Wirthshause zu Avignon hieben wir zu Boden; die republikanischen Beamten Lareole, zwei Zwillinge, schlugen wir mit Knütteln und schleiften sie durch ein langes, marterndes Gefängniß zum Richtplatz; die Gebrüder Faucher, zwei Generale, desgleichen. In Paris brachten wir den Feldmarschall Michael Ney und General Labedoyere durch Pulver und Blei zu Tode; in Grenoble den Brevot und Buisson, und (daß ich es nicht vergesse) in Paris noch die sogenannten Vaterlandsfreunde Carbonneau, Plaignier, Talleron und General Chateau, und den Adjudanten Michton.</p>
          <p>Und zu Lyon und Montpellier &#x2014; oh da gab es weidlich zu thun im Namen der heiligen Religion, nach Eurem Befehl, ehrwürdiger Vater. Gott belohnt uns doch dafür?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Wie, mein Sohn, es scheint ein unheiliger Zweifel in dir zu entstehen! hier nimm meinen Segen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Das genügt, Ehrwürdigster.&#x201C; &#x2014; Anno 1830: &#x201E;Ehrwürdiger Vater, wo seid Ihr? versteckt? und weshalb? &#x2014; &#x201E;Thu deinen Säbel und Gürtel ab, lieber Sohn, wir sind in diesem Augenblicke die Schwächeren. Laß uns vorjetzt nichts mehr niedermetzeln. Kommt Zeit, kommt Rath. Die heilige Religion wird uns schon wieder nöthig haben. Schon recht, ehrwürdiger Vater; wir wollen uns mit der Louis Philipp'schen Polizei gut stellen, sie liebt uns im Stillen. Wir wollen Emeuten anstiften, damit die dummen Herrn Republikaner aus ihren Löchern hervorkriechen und uns beistehen, aber wenn es Ernst wird, dann verschwinden wir und lassen die Dummköpfe im Netz; sie sind ehrlich und hochherzig. Seid Ihr damit zufrieden, ehrwürdiger Vater?&#x201C; &#x201E;Gewiß, liebsterSohn, du hast meine geheimen Wünsche errathen. Ich segne dich. Haltet euch alle bereit für Monat Juni 1832; dann soll es klappen und dies Republikanerblut soll spritzen!&#x201C; &#x2014; Anno 1848, 24. Febr.: &#x201E;Ha, ha, ha! er ist endlich gestürzt! ha, ha, ha! auf die Nase gefallen! Die Republik hat ihm einen Tritt gegeben! Da liegt er! Ha, ha, ha!&#x201C; &#x201E;Aber Ehrwürdigster.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Nun, mein lieber Sohn, es versteht sich, daß wir bald die Madame Republik stürzen, wie sie den Monsieur Louis Philipp stürzte: in Blut und Koth! Das versteht sich.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Aber, Ehrwürdigster, diese Demokraten sind sehr tapfer, sehr aufopfernd.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Thut nichts, wir sind sehr gewandt und sehr geduldig. Also flugs blaue Blousen her, verkleidet euch, lauft in ihre Klubs und rumort und treibt Alles auf die Spitze, ohne Rücksicht auf Zeit, Ort und Mittel. Verekelt dem Lande die Republik. Schüchtert das Land vor der Republik ein. Laßt das Stadthaus nicht aus den Augen, nicht aus den Händen. Vernichtet den Handel und Wandel, erschöpft den Fabrikanten, den Kaufmann, den Bourgeois dadurch, daß ihr ihm den Kredit abschneidet, eure Geldkisten dreifach zuriegelt und in die Erde grabt. Vor Allem macht keine Bestellungen mehr; so treibt ihr am schnellsten die Meister und Arbeiter zum Hasse gegen die Republik. Wir inzwischen preisen auf Kanzeln und in Beichtstühlen die heiligen Männer des Throns, und unsere Wahlkandidaten; wir verlästern und verspotten die der Demokraten. Gelder haben wir ja stets für solche wahrhaft nützliche Dinge. Mit dem sogenannten allgemeinen Stimmrecht wollen wir schon umspringen; und sollte das noch nicht genügen, nun so hetzen wir Demokraten gegen Demokraten, lassen sie zwei Tage und Nächte sich morden und wenn sie müde sind, erscheinen wir, frisch und wohlgemuth. Wer überlebt, den schlagen wir mit dem Exil. Gott der Strafe und Gerechtigkeit! stehe uns bei, zu deiner Ehre wollen wir alsdann mächtige Brandopfer darbringen.&#x201C; So seltsam die hier vorgetragene Anschauung, als ob die Pfaffen Schuld an allem Uebel seien, auch aussieht, so wird sie ihren Effekt auf die Bauern doch nicht verfehlen. &#x2014; Die Napoleonisten haben auch einen Almanach, aber er ist sehr langweilig und dumm. Ihre Hofzeitung &#x201E;Evenement&#x201C; ist unlesbar; der Poet Victor Hugo verfällt in ihr komplet in Faselei; Alexander Dumas verlangte gestern unter Anderm: &#x201E;Herstellung der Erblichkeit der Exekutive.&#x201C; Beide Schriftsteller drehen sich so selber den Laternenstrick, sich und vielleicht auch ihrem gefeierten Champagnerprinzen. Diese Bonaparte's sind bereits grade so frech, wie das andere Prätendentengeschmeiß; die Murat's z. B. fordern jetzt in bester Form, das Land solle ihnen das kolossale Vermögen des Joachim von Neapel ersetzen!! Der Hauptheld aller Bonaparte's, groß und klein, ist und bleibt aber einstweilen der Präsident. Ich besah mir sein kolossales Konterfei neulich an einem Schaufenster des Boulevards; ein junger Blousenmann mit seinem Mädchen kam hinzu und nach einer Weile rief dieses halb verwundert, halb spöttisch: a-t-il l'air canaille! Der Arbeiter verwies ihr diese unkluge Offenherzigkeit, und sie sagte ärgerlich: eh bien, alors il a l'air voyou!</p>
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          <p>Was sagt Lanjuinais zur Begründung seiner Vereinbarungstheorie?</p>
          <p>Seht, wir haben einen Fehler begangen. Wir haben den Präsidenten der Republik zu früh gewählt. Wir hatten die organischen Gesetze noch nicht fertig, ohne welche die Constitution nicht fungiren kann, und wir haben einen Präsidenten eingesetzt, mit der Mission, regelmäßig zu fungiren. Wie ist das möglich? Wie kann die eine Gewalt, der Präsident der Republik regelmäßig fungiren, wenn die beiden andern Gewalten, deren Attributionen noch nicht festgesetzt sind, noch nicht regelmäßig fungiren können?</p>
          <p>Was ist die Conclusion des Lanjuinais'schen Antrags? Wir müssen uns beeilen, die Lücke zu ergänzen, damit die drei Gewalten neben einander fungiren können und das Spiel der Institutionen gut von Statten gehe.</p>
          <p>Die Kammer soll dieses Spiel fertig machen, aber auch bloß um während der Zeit ein Spielzeug in Händen zu haben, und nicht da zu stehn, als wolle man sie wie Kinder nach Hause schicken. Unter der Zeit kann sie, wie gesagt, sich ablösen, sich häuten, und der Präsident, der zu frühe eingesetzt worden, der die Hände in den Schooß legen muß, hat Zeit, eine Haut zu gewinnen. Die wesentlichen organischen Gesetze sind sehr kurz und Kammer und Ministerium und Napoleon bleiben während der kurzen Zeit in der besten Eintracht.</p>
          <p>Nun kommt aber Guichard mit einer Frage heran, die wichtiger als Konstitution, Kammer und Napoleon ist, die Budgetfrage, die Finanzfrage, in welcher alle Gewalten aufgehen, von der sie allein ihr Leben ziehen. Wer soll über das Budget entscheiden? Wer soll über die Staatskosten entscheiden? Wird nun aber über die Kosten zur Bestreitung des Staates debattirt, so kommt der Staat abermals in die Debatte mit all seinem Zubehör. Welcher Staat soll unterhalten werden? Der alte reaktionäre monarchische Staat, oder der republikanische konservative Staat? Das erstere kann nur eine neue Kammer, wie sie Barrot und die alte Partei Thiers-Molé herbeiwünschen. Das zweite kann nur die Kammer des National's, die Kammer Cavaignac's, die Kammer, wie sie jetzt mit genauer Noth zur Beschützung der Bourgeois-Republik besteht. Was Guichard will, daß die Kammer alle finanziellen Reformen im Sinne der Revolution vornehme, das kann nur eine Kammer, die aus einer revolutionären Regierung hervorgegangen ist. Wenn nun aber die jetzige Bourgeois-Kammer auch nur im Interesse der Bourgeoisrepublik die Finanzen ordnen will, müssen da nicht wieder alle Institutionen, die ganze Konstitution, Ministerium, Staatsrath u. s. w. als Besoldete, und Bauern und Bürger und Proletarier als Besteuerte zur Sprache kommen?</p>
          <p>Nun, bedenke man, sollen erst noch die organischen Gesetze über die Bildung des Staatsrath u. s. w. berathen, zweitens soll der aus den organischen Gesetzen hervorgegangene Staatsrath bei Gelegenheit des Budgets auf seinen wahren Werth, auf seinen Geldwerth reduzirt werden. Während also durch die Besprechung des Budgets die ganze Konstitution mit ihren organischen und nicht organischen Gesetzen abermals in der Kammer debattirt werden soll, was wird da aus Napoleon, Barrot und Faucher? Und alle diese Vota über das Budget, die Bewilligung der verschiedenen Posten &#x2014; das sind wieder weiter nichts wie Vertrauensvota, die man dem Ministerium geben soll. Und das Ministerium, in der Befürchtung neuer Mißtrauensvota, will diese Vertrauensvota en detail umgehen, und verlangt, daß die Kammer ihm von vornherein ein Vertrauensvotum en gros ertheile und die Besprechung des Budgets der neuen Kammer überlasse.</p>
          <p>Man sieht, die Spaltung tritt von allen Seiten ein, und wie wir früher gesagt, die offizielle Welt ist bereits so weit gekommen, daß sie keine Frage mehr anregen kann, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Das Spiel der Institutionen wird jedesmal in der Kammer aufs Neue aufs Spiel gesetzt, und jedesmal sind es die bestehenden Gewalten, die sich bei diesem Spiele moralisch vernichten, bis das Proletariat durch eine neue Revolution dem Spiel ein Ende macht.</p>
          <p>Felix Pyat war der einzige Redner, der wirklich revolutionär auftrat. Die Kammer ihrerselbst wegen ist nicht werth, vertheidigt zu werden. Dem Volke gegenüber ist sie immer reaktionär aufgetreten. Aber wenn sie von einem Ministerium Barrot angegriffen wird, dann muß er, der Redner des Berges, sie in Schutz nehmen gegen die noch reaktionärere Partei der Monarchie. &#x201E;Wir sind erstaunt, die Kammer von denjenigen so mißhandelt zu sehen, denen sie so wohl gedient hat. Diese Kammer, die nach Barrot's Ausdruck so viel für die Ruhe und Ordnung gethan, die, in der That, seit acht Monaten nichts gemacht hat, als Gesetze für den Belagerungszustand, für Transportation, Kautionen, für die 45-Centimensteuer und für die Beschränkung der Klubs, die Nationalversammlung, sage ich, die lauter konservative Zwangsgesetze gemacht für Aufrechthaltung des sogenannten Vertrauens, die der Staatsgewalt alle Waffen in die Hände gegeben zur Bekämpfung der sogenannten Anarchie, die die Freiheit der Presse, der Associationen, der Petition, die mit einem Worte alle Freiheiten geopfert hat zur Aufrechthaltung der sogenannten Ruhe und Ordnung, die aus Achtung für die Rechte der Vergangenheit die Rechte der Revolution geschmälert, die die Gleichheit mittelst der Almosen, die Freiheit mittelst der Diktatur, und die Brüderlichkeit mittelst der Kanonen zu bewerkstelligen suchte, die den Hunger bekämpft und die Amnestie verweigert hat, die die Selbstverläugnung soweit getrieben, daß sie die Zufriedenen von heute den Ausgehungerten von gestern vorzog, die die Gefälligkeit soweit ausgedehnt, daß sie die nachgelassenen Minister Louis Philipp's gleichzeitig empfängt mit den Auferstandenen vom Sonderbund und der Legitimität &#x2014; diese Kammer hat mit Allem dem die Contrerevolution noch nicht zufrieden gestellt!</p>
          <p>&#x201E;Vom Tage an, wo die Versammlung, um die Unversöhnlichen zu versöhnen das Recht dem Privilegium, die Arbeit dem Kapital, die Kleinen den Großen geopfert hat da konnte man ihr voraussagen, was ihr geschehen würde.</p>
          <p>&#x2025;&#x2025; &#x201E;Die legislative Versammlung, welche die Reaktionäre verlangen, soll nur ein Werkzeug der Restauration für sie werden; die Republik ist für sie nur ein Provisorium, der Präsident bewahrt nur interimistisch den Platz; ein Hut, der der Krone einstweilen den Platz offen hält.</p>
          <p>&#x201E;Wenn Hubert schuldig ist, so ist Barrot noch schuldiger als Hubert: Für Hubert waret Ihr nicht republikanisch genug, für Barrot seid Ihr zu republikanisch. Beide haben Euch den Abschied gegeben; Hubert im Namen des Volkes, Barrot im Namen des Präsidenten.</p>
          <p>&#x201E;Wenn wir siegen wollten wie Ihr, durch die Gewalt, so stimmten wir für den Antrag Rateau's: denn der Vorschlag Rateau's, das ist eine neue Revolution und Vorläuferin der sozialen demokratischen Republik &#x2014; <hi rendition="#g">nach der legislativen Versammlung der Konvent!</hi>&#x201C;</p>
          <p>Das ist die Sprache Pyat's, die Sprache &#x201E;des Berges.&#x201C; Was Pyat der Kammer zur Schande anrechnet, daraus macht Lamartine ihr ein Lob. Lamartine's &#x201E;versöhnende Politik&#x201C; in poetischer Sprache vorgetragen, erregt selbst die Mißbilligung des Journal des Debats. Wir werden darauf speziell zurückkommen.</p>
          <p>Pyat, wie aus seiner Rede hervorgeht, und mit ihm der ganze Berg, haben die Nothwendigkeit einer neuen Revolution vor Augen. Was Pyat bestimmte, für die Kammer aufzutreten, ist nicht die Furcht vor dem allgemeinen Stimmrecht, sondern die Furcht, daß der Ausübung dieses allgemeinen Stimmrechtes ein Staatsstreich zuvorkomme, der dasselbe schmälern könnte. Er will die Kammer so lange hinhalten, bis die Ausübung des allgemeinen Stimmrechts sich durch eine neue Revolution Geltung verschaffen kann.</p>
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        <div xml:id="ar219-1_023" type="jArticle">
          <head>Paris, 8. Februar.</head>
          <p>Die Rateaudebatte nahm gestern Abend, kurz vor Sitzungsschluß, eine ganz eigenthümliche Wendung. Dezeimeris wies nämlich die Nothwendigkeit nach: das Budget von 1849 noch zu berathen, ohne (im Gegensatze zu Santeyra's Antrage) die Dauer der Nationalversammlung zu verlängern. Dezeimeris, ein praktischer Arzt und tüchtiger Landwirth, prophezeite der Kammer, daß sie 7 bis 8 pCt. Zinsen werde zahlen müssen, wenn sie noch länger zögere. Die Staats-Einnahmen würden schwerlich über 1249 Millionen betragen, und das gefürchtete Defizit um die Kleinigkeit von 300 Millionen Franken anschwellen. Wodurch glauben Sie das Defizit zu decken? fragte Dezeimeris die ungeduldige Versammlung. Durch Anleihen? Aber wer wird Ihnen bei den heutigen Börsencoursen Geld leihen? Sie bestimmen z. B. 193 Millionen Franken pro 1850 zur Beschäftigung des Proletariats durch Staatsbauten. Wie aber, wenn Sie keine 193 Millionen in der Kasse zum Verbauen haben?&#x2025;&#x2026; Mit 445 gegen 373 Stimmen wurde hierauf das <hi rendition="#g">Budget</hi> zu den Wahlgesetz-, Staatsrathsgesetz- und Verantwortlichkeitsgesetz-Entwürfen hinzugefügt und man trennte sich erst um 7 Uhr.</p>
          <p>&#x2014; Das Journal des Debats dankt der Majorität der Nationalversammlung, daß sie sich ein Ziel gesetzt. &#x201E;So sehr wir geneigt sind &#x2014; sagt es &#x2014; der Weisheit der Nationalversammlung Gerechtigkeit zu zollen, so groß ist der Ekel, den uns die miserablen Ausflüchte der Minorität einflößen. Wir können es freilich den Herren Repräsentanten nicht verdenken, daß sie sich ökonomisch berühmt machen wollen. Das soll ihnen bei den Wählern nützen. Aber im Hintergrunde soll ihnen das Budget nur als Mittel dienen, sich zu verewigen. Darum äußerte einer der Ihrigen schon gestern Abend sehr treffend: &#x201E;Wir reisen ab; aber wir bleiben!&#x201C;&#x2025;&#x2025; Indessen darf die Budgetdebatte unmöglich etwas in der Hauptsache ändern.&#x201C;</p>
          <p>&#x2014; Der Constitutionnel, vor Ungeduld brennend, die Nationalversammlung abreisen zu sehen, ist über die Hinzufügung des Budgets sehr mürrisch. Er nennt sie unlogisch und bedauerungswürdig. Das Budget, das die Nationalversammlung votiren wolle, werde ein Budget baclé &#x2014; ein Budget im Sturmschritt sein.</p>
          <p>&#x2014; Die &#x201E;Revolution&#x201C; meint: &#x201E;Die Auserwählten des 23. April brauchen wirklich eine Veranlassung, um sich mit ihren Vollmachtsgebern auszusöhnen. Das Budget verschafft ihnen diese Veranlassung. Mögen sie selbige gut benutzen, indem sie die Steuerlast des Landes erleichtern und tüchtige Ersparnisse einführen. Auf diese Weise haben sie die Wiederwahl in den Händen.&#x201C;</p>
          <p>&#x2014; Peuple sagt: &#x201E;Wir dachten, unsere junge Republik bedürfe des Unvorhergesehenen, um ihre Schicksale zu erfüllen. Daß sie selbige erfüllen wird, haben wir niemals bezweifelt; aber vielleicht geht das nicht so rasch, als wir es wünschen. Der gestrige Beschluß der Kammer, auch noch das Budget zu votiren, versetzt uns auf 5 bis 6 Monate in einen Schlaf. Schlaf oder Ruhe sind aber den     <ref type="link"><hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</hi></ref>                </p>
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</TEI>
[1199/0003] in allen Häusern vertheilt, und die Hausherren oder Stellvertreter sind verpflichtet, dieselbe allen Inwohnern kund zu machen, auch wird solche an allen Schranken angeheftet, damit Zureisende Kenntniß davon erlangen. Am 3. Februar d. J., wo alle Einwohner von dieser Anordnung bereits verständigt sein müssen, tritt dieselbe in Kraft und Wirksamkeit. Ofen, am 31. Januar 1849. Ladislaus Graf Wrbna m. p. Feldmarschall-Lieutenant und Kommandant des 2. Armeekorps.“ Der k. k. Kommissar Havas hat folgende Kundmachung erlassen: „Obwohl in Folge der am 16. des vorigen M. kundgemachten Aufforderung bedeutende Vorräthe von Montursstücken von den hiesigen Handwerkern und anderen Lieferanten eingeliefert wurden, es jedoch möglich ist, daß in der Erfüllung der diesfalls Jedermann ohne Unterschied auferlegten Pflicht einige annoch saumselig waren, so wird ein letzter Termin von acht Tagen, von heute an gezählt, mit dem weitern Zusatz festgestellt, daß, bei wem nach Verlauf dieser Frist noch Montursstücke oder was immer für andere das k. k. Militär-Aerar betreffende Gegenstände entdeckt werden, derselbe außer der Konfiskation noch schwere persönliche Ahndung unausbleiblich zu gewärtigen habe.“ Dieser Tage wurde ein Müller Namens Csömy aus dem Komorner Komitat, 36 Jahre alt, weil er in einem Gasthause „Lästerungen gegen den Kaiser ausgestoßen“, mit Pulver und Blei hingerichtet. Hermannstadt, 18. Jan. Heute früh wurde unsere Stadt durch dumpfe Gerüchte alarmirt, Mediasch sei nach einem für unsere Waffen ungünstigen Gefecht von unsern Truppen geräumt und von den ungarischen Insurgenten eingenommen. Das Unglaubliche bestätigt sich. (Ostd. P.) Polen. Lemberg, 30. Januar. Die hiesige offizielle Zeitung veröffentlichte gestern die Steckbriefe gegen General Bem und den Grafen Kas. Batthyany zuletzt Kommandanten der Festung Esseg. Französische Republik. 17 Paris, 8. Febr. Die Kammer geht also Ende April oder Anfang Mai auseinander. Die Royalisten jubiliren, aber mir dünkt, zu früh. Allerdings hat das Volk von Paris heute und gestern die Herausforderung des Royalismus nicht angenommen; aber wenn es morgen oder übermorgen den Handschuh aufhebt: werden dann die Herren Royalisten auch noch jubeln? Inzwischen strengt die Demokratie sich an, durch populäre Schriften die Finsterniß in den Bauerngemüthern aufzuhellen. Eine Menge Volkskalender sind zu diesem Zweck verbreitet. In der Str. Coquillière Nr. 15 fungirt seit zwei Monaten das Bureau der Propagande socialiste, welches alte schon gelesene demokratische Zeitungsnummern aus der ganzen Stadt sammelt, ordnet und an demokratische Agenten auf dem Lande versendet. Der deutsche Verein ist diesem Unternehmen beigetreten. Wie die demokratische Volksbelehrung energisch in diesen Kalendern und Almanachen betrieben wird, davon hier einige Beispiele. F. V. Raspail publicirt aus seinem Kerker vn Vincennes einen reißend gelesenen Almanach, worin es am Schluß heißt: „Der Schatten des unglücklichen R. Blum ruft vor den Richterstuhl Gottes alle Könige Deutschlands und deren Knechte. Ha! diese mit Legitimität prahlenden Caligulas erfrechen sich wohl noch gar, sich hinter dem Königsmördergesetze zu verschanzen? O die Verruchten! einst werden sie sich glücklich preisen, wenn das Volk sie nicht aburtheilt und standrechtet wie gemeine Meuchelmörder.“ Originell ist folgendes Zwiegespräch zwischen dem Jesuitismus und den Gläubigen von Frankreich: „Ehrwürdiger Vater, was muß ich thun, um fromm und selig zu werden?“ — „Du mußt die Ungläubigen vertilgen, bis an die Mutterbrust sie verfolgen; also hat Moses gethan.“ — „Ehrwürdiger Vater, mir deucht Moses lebte im Gesetz des alten Bundes oder der Furcht, und wir leben im Neuen Bund, im Gesetze der Liebe?“ — „O mein geliebter Sohn, du bist nahe dran ein Ungläubiger zu werden, du räsonnirst und das ist alles Unheils Anfang. Du vergißt, daß du allem Eigensinn und Eigenwillen entsagt hast.“ — „Verzeihung, ehrwürdiger Vater! Verzeihung! ich irrte… ich bereue jetzt. Ha! wartet nur einen Augenblick, ich bin gleich fertig (streift die Hemdärmel auf und ergreift das Messer): so, ehrwürdiger Vater; wen habe ich jetzt zu schlagen?“ Anno 1793: „Sieh, mein Sohn, diese Republikaner; sie sind arm, sprenge du aus sie seien reich. Sie sind mild und freundlich, sprenge du aus sie seien grausam. Lauf' und mache, daß das Volk sie niederschlage als Edelleute und Royalisten, und daß die Königspartei sie niederschlage als Räuber und Blutsäufer.“ — „Ehrwürdiger Vater, erlaubt mir eine bescheidene Bemerkung: sie scheinen mir ganz gute Leute, sie sind brav als Bürger, Krieger und Familienmitglieder.“ — „Geliebter Sohn, sie räsonniren, du mußt sie folglich schlagen. Geh, und nimm meinen Segen.“ — „Ehrwürdiger Vater, ich that nach Eurem Befehl; ich verkleidete mich eines Tages als Sanscülott und Tags drauf als feiner Herr von der sogenannten goldenen Jugend (jeunesse dorée), ich schlug also zwei Mal.“ Anno 1815. „Lieber Sohn! siehst du diese alten Schnurrbärte? diese bartlosen Jünglinge? siehst du sie knirschen und weinen? sie wollen den Kaiser Napoleon nicht fallen lassen, sie meinen das Vaterland werde fallen, wenn er fällt.“ — „Ehrwürdiger Vater, ist das zu meinen eine Sünde? ich muß gestehen, mein Auge ist auch dabei feucht geworden.“ — „Lieber Sohn, sie tragen auf dem Hut den kaiserlichen Adler, aber in der Brust immer noch die alte Freiheitsmütze von 93; du mußt jetzt umherlaufen und sagen daß sie plündern und brennen, Gütertheilung und Abschaffung der heiligen katholischen Religion wollen… Geh und verfolge sie mit Stock, Stein, Schwert, Dolch, Flinten und Kartätschen, Kerker und Schaffot; ich segne dich, geliebter Sohn, im Voraus!“ — „Ehrwürdigster, ich habe es gethan; Pointu, Quatrestaillou, Trestaillou haben mir wacker geholfen. Die Leichen der Mameluken des Kaisers, Frauen und Kinder, schwimmen auf dem Hafen von Marseille. Die Provinzen Vauclüse und Gard sind Zeugen unsrer Heldenthaten für die heilige Religion. Den kaiserlichen General Ramel erdolchten wir zu Toulouse, den General Lagarde erschossen wir zu Nimes, den Feldmarschall Brüne im Wirthshause zu Avignon hieben wir zu Boden; die republikanischen Beamten Lareole, zwei Zwillinge, schlugen wir mit Knütteln und schleiften sie durch ein langes, marterndes Gefängniß zum Richtplatz; die Gebrüder Faucher, zwei Generale, desgleichen. In Paris brachten wir den Feldmarschall Michael Ney und General Labedoyere durch Pulver und Blei zu Tode; in Grenoble den Brevot und Buisson, und (daß ich es nicht vergesse) in Paris noch die sogenannten Vaterlandsfreunde Carbonneau, Plaignier, Talleron und General Chateau, und den Adjudanten Michton. Und zu Lyon und Montpellier — oh da gab es weidlich zu thun im Namen der heiligen Religion, nach Eurem Befehl, ehrwürdiger Vater. Gott belohnt uns doch dafür?“ — „Wie, mein Sohn, es scheint ein unheiliger Zweifel in dir zu entstehen! hier nimm meinen Segen.“ — „Das genügt, Ehrwürdigster.“ — Anno 1830: „Ehrwürdiger Vater, wo seid Ihr? versteckt? und weshalb? — „Thu deinen Säbel und Gürtel ab, lieber Sohn, wir sind in diesem Augenblicke die Schwächeren. Laß uns vorjetzt nichts mehr niedermetzeln. Kommt Zeit, kommt Rath. Die heilige Religion wird uns schon wieder nöthig haben. Schon recht, ehrwürdiger Vater; wir wollen uns mit der Louis Philipp'schen Polizei gut stellen, sie liebt uns im Stillen. Wir wollen Emeuten anstiften, damit die dummen Herrn Republikaner aus ihren Löchern hervorkriechen und uns beistehen, aber wenn es Ernst wird, dann verschwinden wir und lassen die Dummköpfe im Netz; sie sind ehrlich und hochherzig. Seid Ihr damit zufrieden, ehrwürdiger Vater?“ „Gewiß, liebsterSohn, du hast meine geheimen Wünsche errathen. Ich segne dich. Haltet euch alle bereit für Monat Juni 1832; dann soll es klappen und dies Republikanerblut soll spritzen!“ — Anno 1848, 24. Febr.: „Ha, ha, ha! er ist endlich gestürzt! ha, ha, ha! auf die Nase gefallen! Die Republik hat ihm einen Tritt gegeben! Da liegt er! Ha, ha, ha!“ „Aber Ehrwürdigster.“ — „Nun, mein lieber Sohn, es versteht sich, daß wir bald die Madame Republik stürzen, wie sie den Monsieur Louis Philipp stürzte: in Blut und Koth! Das versteht sich.“ — „Aber, Ehrwürdigster, diese Demokraten sind sehr tapfer, sehr aufopfernd.“ — „Thut nichts, wir sind sehr gewandt und sehr geduldig. Also flugs blaue Blousen her, verkleidet euch, lauft in ihre Klubs und rumort und treibt Alles auf die Spitze, ohne Rücksicht auf Zeit, Ort und Mittel. Verekelt dem Lande die Republik. Schüchtert das Land vor der Republik ein. Laßt das Stadthaus nicht aus den Augen, nicht aus den Händen. Vernichtet den Handel und Wandel, erschöpft den Fabrikanten, den Kaufmann, den Bourgeois dadurch, daß ihr ihm den Kredit abschneidet, eure Geldkisten dreifach zuriegelt und in die Erde grabt. Vor Allem macht keine Bestellungen mehr; so treibt ihr am schnellsten die Meister und Arbeiter zum Hasse gegen die Republik. Wir inzwischen preisen auf Kanzeln und in Beichtstühlen die heiligen Männer des Throns, und unsere Wahlkandidaten; wir verlästern und verspotten die der Demokraten. Gelder haben wir ja stets für solche wahrhaft nützliche Dinge. Mit dem sogenannten allgemeinen Stimmrecht wollen wir schon umspringen; und sollte das noch nicht genügen, nun so hetzen wir Demokraten gegen Demokraten, lassen sie zwei Tage und Nächte sich morden und wenn sie müde sind, erscheinen wir, frisch und wohlgemuth. Wer überlebt, den schlagen wir mit dem Exil. Gott der Strafe und Gerechtigkeit! stehe uns bei, zu deiner Ehre wollen wir alsdann mächtige Brandopfer darbringen.“ So seltsam die hier vorgetragene Anschauung, als ob die Pfaffen Schuld an allem Uebel seien, auch aussieht, so wird sie ihren Effekt auf die Bauern doch nicht verfehlen. — Die Napoleonisten haben auch einen Almanach, aber er ist sehr langweilig und dumm. Ihre Hofzeitung „Evenement“ ist unlesbar; der Poet Victor Hugo verfällt in ihr komplet in Faselei; Alexander Dumas verlangte gestern unter Anderm: „Herstellung der Erblichkeit der Exekutive.“ Beide Schriftsteller drehen sich so selber den Laternenstrick, sich und vielleicht auch ihrem gefeierten Champagnerprinzen. Diese Bonaparte's sind bereits grade so frech, wie das andere Prätendentengeschmeiß; die Murat's z. B. fordern jetzt in bester Form, das Land solle ihnen das kolossale Vermögen des Joachim von Neapel ersetzen!! Der Hauptheld aller Bonaparte's, groß und klein, ist und bleibt aber einstweilen der Präsident. Ich besah mir sein kolossales Konterfei neulich an einem Schaufenster des Boulevards; ein junger Blousenmann mit seinem Mädchen kam hinzu und nach einer Weile rief dieses halb verwundert, halb spöttisch: a-t-il l'air canaille! Der Arbeiter verwies ihr diese unkluge Offenherzigkeit, und sie sagte ärgerlich: eh bien, alors il a l'air voyou! 12 Paris, 8. Febr. Soll die Kammer auf Stück oder auf Tagelohn arbeiten? So muß man die Frage in Betracht des Lanjuinais'schen Antrages stellen, und nur von diesem Standpunkte aus wird die Art und Weise der Besprechung in der Kammer deutlich. Wenn die Kammer auf Tagelohn arbeitet, auf wie viele Tage noch soll sie gemiethet werden? Wenn die Kammer auf Stück arbeitet, wie viel Stück Brandenburger Röcke, republikanische Westen und organische Gesetze soll sie noch zusammennähen? Der Lanjuinais'sche Antrag hat den Vortheil, daß er Stück-Arbeit und Lohnarbeit verbindet, und indem er neben der Anfertigung der organischen Gesetze die Anfertigung der neuen Wahllisten für die neue legislative Kammer verordnet, bildet er gleichsam eine neue Kammer unter der Hand, eine neue Kammer, die wie eine neue Haut unter der alten kranken Haut hervorgehen soll. Die Auflösung verwandelt sich in eine Ablösung; die alte Kammer soll sich häuten und bis zu dem Tage ihrer Häutung soll sie fortbestehen durch Stückarbeit. Was sagt Lanjuinais zur Begründung seiner Vereinbarungstheorie? Seht, wir haben einen Fehler begangen. Wir haben den Präsidenten der Republik zu früh gewählt. Wir hatten die organischen Gesetze noch nicht fertig, ohne welche die Constitution nicht fungiren kann, und wir haben einen Präsidenten eingesetzt, mit der Mission, regelmäßig zu fungiren. Wie ist das möglich? Wie kann die eine Gewalt, der Präsident der Republik regelmäßig fungiren, wenn die beiden andern Gewalten, deren Attributionen noch nicht festgesetzt sind, noch nicht regelmäßig fungiren können? Was ist die Conclusion des Lanjuinais'schen Antrags? Wir müssen uns beeilen, die Lücke zu ergänzen, damit die drei Gewalten neben einander fungiren können und das Spiel der Institutionen gut von Statten gehe. Die Kammer soll dieses Spiel fertig machen, aber auch bloß um während der Zeit ein Spielzeug in Händen zu haben, und nicht da zu stehn, als wolle man sie wie Kinder nach Hause schicken. Unter der Zeit kann sie, wie gesagt, sich ablösen, sich häuten, und der Präsident, der zu frühe eingesetzt worden, der die Hände in den Schooß legen muß, hat Zeit, eine Haut zu gewinnen. Die wesentlichen organischen Gesetze sind sehr kurz und Kammer und Ministerium und Napoleon bleiben während der kurzen Zeit in der besten Eintracht. Nun kommt aber Guichard mit einer Frage heran, die wichtiger als Konstitution, Kammer und Napoleon ist, die Budgetfrage, die Finanzfrage, in welcher alle Gewalten aufgehen, von der sie allein ihr Leben ziehen. Wer soll über das Budget entscheiden? Wer soll über die Staatskosten entscheiden? Wird nun aber über die Kosten zur Bestreitung des Staates debattirt, so kommt der Staat abermals in die Debatte mit all seinem Zubehör. Welcher Staat soll unterhalten werden? Der alte reaktionäre monarchische Staat, oder der republikanische konservative Staat? Das erstere kann nur eine neue Kammer, wie sie Barrot und die alte Partei Thiers-Molé herbeiwünschen. Das zweite kann nur die Kammer des National's, die Kammer Cavaignac's, die Kammer, wie sie jetzt mit genauer Noth zur Beschützung der Bourgeois-Republik besteht. Was Guichard will, daß die Kammer alle finanziellen Reformen im Sinne der Revolution vornehme, das kann nur eine Kammer, die aus einer revolutionären Regierung hervorgegangen ist. Wenn nun aber die jetzige Bourgeois-Kammer auch nur im Interesse der Bourgeoisrepublik die Finanzen ordnen will, müssen da nicht wieder alle Institutionen, die ganze Konstitution, Ministerium, Staatsrath u. s. w. als Besoldete, und Bauern und Bürger und Proletarier als Besteuerte zur Sprache kommen? Nun, bedenke man, sollen erst noch die organischen Gesetze über die Bildung des Staatsrath u. s. w. berathen, zweitens soll der aus den organischen Gesetzen hervorgegangene Staatsrath bei Gelegenheit des Budgets auf seinen wahren Werth, auf seinen Geldwerth reduzirt werden. Während also durch die Besprechung des Budgets die ganze Konstitution mit ihren organischen und nicht organischen Gesetzen abermals in der Kammer debattirt werden soll, was wird da aus Napoleon, Barrot und Faucher? Und alle diese Vota über das Budget, die Bewilligung der verschiedenen Posten — das sind wieder weiter nichts wie Vertrauensvota, die man dem Ministerium geben soll. Und das Ministerium, in der Befürchtung neuer Mißtrauensvota, will diese Vertrauensvota en detail umgehen, und verlangt, daß die Kammer ihm von vornherein ein Vertrauensvotum en gros ertheile und die Besprechung des Budgets der neuen Kammer überlasse. Man sieht, die Spaltung tritt von allen Seiten ein, und wie wir früher gesagt, die offizielle Welt ist bereits so weit gekommen, daß sie keine Frage mehr anregen kann, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Das Spiel der Institutionen wird jedesmal in der Kammer aufs Neue aufs Spiel gesetzt, und jedesmal sind es die bestehenden Gewalten, die sich bei diesem Spiele moralisch vernichten, bis das Proletariat durch eine neue Revolution dem Spiel ein Ende macht. Felix Pyat war der einzige Redner, der wirklich revolutionär auftrat. Die Kammer ihrerselbst wegen ist nicht werth, vertheidigt zu werden. Dem Volke gegenüber ist sie immer reaktionär aufgetreten. Aber wenn sie von einem Ministerium Barrot angegriffen wird, dann muß er, der Redner des Berges, sie in Schutz nehmen gegen die noch reaktionärere Partei der Monarchie. „Wir sind erstaunt, die Kammer von denjenigen so mißhandelt zu sehen, denen sie so wohl gedient hat. Diese Kammer, die nach Barrot's Ausdruck so viel für die Ruhe und Ordnung gethan, die, in der That, seit acht Monaten nichts gemacht hat, als Gesetze für den Belagerungszustand, für Transportation, Kautionen, für die 45-Centimensteuer und für die Beschränkung der Klubs, die Nationalversammlung, sage ich, die lauter konservative Zwangsgesetze gemacht für Aufrechthaltung des sogenannten Vertrauens, die der Staatsgewalt alle Waffen in die Hände gegeben zur Bekämpfung der sogenannten Anarchie, die die Freiheit der Presse, der Associationen, der Petition, die mit einem Worte alle Freiheiten geopfert hat zur Aufrechthaltung der sogenannten Ruhe und Ordnung, die aus Achtung für die Rechte der Vergangenheit die Rechte der Revolution geschmälert, die die Gleichheit mittelst der Almosen, die Freiheit mittelst der Diktatur, und die Brüderlichkeit mittelst der Kanonen zu bewerkstelligen suchte, die den Hunger bekämpft und die Amnestie verweigert hat, die die Selbstverläugnung soweit getrieben, daß sie die Zufriedenen von heute den Ausgehungerten von gestern vorzog, die die Gefälligkeit soweit ausgedehnt, daß sie die nachgelassenen Minister Louis Philipp's gleichzeitig empfängt mit den Auferstandenen vom Sonderbund und der Legitimität — diese Kammer hat mit Allem dem die Contrerevolution noch nicht zufrieden gestellt! „Vom Tage an, wo die Versammlung, um die Unversöhnlichen zu versöhnen das Recht dem Privilegium, die Arbeit dem Kapital, die Kleinen den Großen geopfert hat da konnte man ihr voraussagen, was ihr geschehen würde. ‥‥ „Die legislative Versammlung, welche die Reaktionäre verlangen, soll nur ein Werkzeug der Restauration für sie werden; die Republik ist für sie nur ein Provisorium, der Präsident bewahrt nur interimistisch den Platz; ein Hut, der der Krone einstweilen den Platz offen hält. „Wenn Hubert schuldig ist, so ist Barrot noch schuldiger als Hubert: Für Hubert waret Ihr nicht republikanisch genug, für Barrot seid Ihr zu republikanisch. Beide haben Euch den Abschied gegeben; Hubert im Namen des Volkes, Barrot im Namen des Präsidenten. „Wenn wir siegen wollten wie Ihr, durch die Gewalt, so stimmten wir für den Antrag Rateau's: denn der Vorschlag Rateau's, das ist eine neue Revolution und Vorläuferin der sozialen demokratischen Republik — nach der legislativen Versammlung der Konvent!“ Das ist die Sprache Pyat's, die Sprache „des Berges.“ Was Pyat der Kammer zur Schande anrechnet, daraus macht Lamartine ihr ein Lob. Lamartine's „versöhnende Politik“ in poetischer Sprache vorgetragen, erregt selbst die Mißbilligung des Journal des Debats. Wir werden darauf speziell zurückkommen. Pyat, wie aus seiner Rede hervorgeht, und mit ihm der ganze Berg, haben die Nothwendigkeit einer neuen Revolution vor Augen. Was Pyat bestimmte, für die Kammer aufzutreten, ist nicht die Furcht vor dem allgemeinen Stimmrecht, sondern die Furcht, daß der Ausübung dieses allgemeinen Stimmrechtes ein Staatsstreich zuvorkomme, der dasselbe schmälern könnte. Er will die Kammer so lange hinhalten, bis die Ausübung des allgemeinen Stimmrechts sich durch eine neue Revolution Geltung verschaffen kann. Paris, 8. Februar. Die Rateaudebatte nahm gestern Abend, kurz vor Sitzungsschluß, eine ganz eigenthümliche Wendung. Dezeimeris wies nämlich die Nothwendigkeit nach: das Budget von 1849 noch zu berathen, ohne (im Gegensatze zu Santeyra's Antrage) die Dauer der Nationalversammlung zu verlängern. Dezeimeris, ein praktischer Arzt und tüchtiger Landwirth, prophezeite der Kammer, daß sie 7 bis 8 pCt. Zinsen werde zahlen müssen, wenn sie noch länger zögere. Die Staats-Einnahmen würden schwerlich über 1249 Millionen betragen, und das gefürchtete Defizit um die Kleinigkeit von 300 Millionen Franken anschwellen. Wodurch glauben Sie das Defizit zu decken? fragte Dezeimeris die ungeduldige Versammlung. Durch Anleihen? Aber wer wird Ihnen bei den heutigen Börsencoursen Geld leihen? Sie bestimmen z. B. 193 Millionen Franken pro 1850 zur Beschäftigung des Proletariats durch Staatsbauten. Wie aber, wenn Sie keine 193 Millionen in der Kasse zum Verbauen haben?‥… Mit 445 gegen 373 Stimmen wurde hierauf das Budget zu den Wahlgesetz-, Staatsrathsgesetz- und Verantwortlichkeitsgesetz-Entwürfen hinzugefügt und man trennte sich erst um 7 Uhr. — Das Journal des Debats dankt der Majorität der Nationalversammlung, daß sie sich ein Ziel gesetzt. „So sehr wir geneigt sind — sagt es — der Weisheit der Nationalversammlung Gerechtigkeit zu zollen, so groß ist der Ekel, den uns die miserablen Ausflüchte der Minorität einflößen. Wir können es freilich den Herren Repräsentanten nicht verdenken, daß sie sich ökonomisch berühmt machen wollen. Das soll ihnen bei den Wählern nützen. Aber im Hintergrunde soll ihnen das Budget nur als Mittel dienen, sich zu verewigen. Darum äußerte einer der Ihrigen schon gestern Abend sehr treffend: „Wir reisen ab; aber wir bleiben!“‥‥ Indessen darf die Budgetdebatte unmöglich etwas in der Hauptsache ändern.“ — Der Constitutionnel, vor Ungeduld brennend, die Nationalversammlung abreisen zu sehen, ist über die Hinzufügung des Budgets sehr mürrisch. Er nennt sie unlogisch und bedauerungswürdig. Das Budget, das die Nationalversammlung votiren wolle, werde ein Budget baclé — ein Budget im Sturmschritt sein. — Die „Revolution“ meint: „Die Auserwählten des 23. April brauchen wirklich eine Veranlassung, um sich mit ihren Vollmachtsgebern auszusöhnen. Das Budget verschafft ihnen diese Veranlassung. Mögen sie selbige gut benutzen, indem sie die Steuerlast des Landes erleichtern und tüchtige Ersparnisse einführen. Auf diese Weise haben sie die Wiederwahl in den Händen.“ — Peuple sagt: „Wir dachten, unsere junge Republik bedürfe des Unvorhergesehenen, um ihre Schicksale zu erfüllen. Daß sie selbige erfüllen wird, haben wir niemals bezweifelt; aber vielleicht geht das nicht so rasch, als wir es wünschen. Der gestrige Beschluß der Kammer, auch noch das Budget zu votiren, versetzt uns auf 5 bis 6 Monate in einen Schlaf. Schlaf oder Ruhe sind aber den (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 219. Köln, 11. Februar 1849, S. 1199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz219i_1849/3>, abgerufen am 25.04.2024.