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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 244. Köln, 13. März 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 244. Köln, Dienstag, den 13 März 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.

Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.

Zeitungen und Briefe aus Wien, Breslau und Berlin sind gestern Abend ausgeblieben.

Uebersicht.

Deutschland Köln. (Wien und Frankfurt). Düsseldorf. (v. Mirbach). Elberfeld. (Dito). Berlin. (v. Vincke. -- Die Minister). Von der polnischen Gränze. (Die russischen Finanzen). Wien. (Das k. k. Manifest zur octroyirten Verfassung). Olmütz. (Die östreichische Verfassung). Aus Franken. (Assisen. -- Ronge. -- Belagerungszuständliches. -- Kroatenscenen. -- Die Czechen. -- Reibungen zwischen Bauern und Soldaten in Unterfranken). Bruchsal. (Protest mehrerer Gefangenen). Frankfurt. (National-Versammlung).

Franz. Republik. Paris. (Der Anklageakt gegen die Männer des 15. Mai. -- Petitionen. -- L. Bonaparte. -- Vermischtes. -- National-Versammlung). Bourges. (Gerichtsverhandlungen. -- Erklärungen).

Großbritannien. London. (Parlament. -- Die östr. Note über die italischen Verhältnisse).

Italien. (Römische Adresse an Frankreich. -- Die Constituante. -- Ministerielle Verordnungen. -- Zarboni. -- Scharmützel an der römisch-neapolitanischen Gränze). Rom. (Staatsdiener und Volksvertreter). Mailand. (Radetzky'sche Vermögensinquisition).

Deutschland.
068 Köln, 12. März.

Am 15. d. Mts. wollte der Reichstag in Kremsier an die Berathung des von der Kommission vollendeten Konstitutionsentwurf gehen. Damit war für die k. k. Standrechtsbestien der Augenblick gekommen, die längst fertig liegende Verfassung "von Gottes Gnaden" dem Reichstage entgegenzuschleudern und der ganzen bisher geduldeten Kremsierer Volksvertretungs-Komödie ein Ende zu machen.

Der ganze Octroyirungskniff wurde bereits im Sommer vorigen Jahres zwischen den gesalbten und ungesalbten Contrerevolutionärs in Schönbrunn-Wien, Potsdam-Berlin, London (wo Metternich als Kreuzspinne der heiligen Allianz im Mittelpunkt des um die zur Freiheit aufstehenden Völker langsam gesponnenen Netzes sitzt,) Paris in's Reine gebracht. Daß ihn der Potsdamer König zuerst in's Werk setzte, hing lediglich von den Umständen in Preußen ab, welche solchen Schritt früher, als in Oestreich, zuließen.

Im November schleuderte das offizielle Oestreich den Paulskirchnern das blutige Haupt Robert Blum's vor die Füße. Das saubere Reichskommissarien-Zwillingspaar, Welcker-Mosle, war einige Tage zuvor von der Windischgrätzigen Antichambre und der Abfütterung in Olmütz mit so viel Schmach bedeckt zurückgekommen, daß sich jeder Andere, außer Ehren-Welcker-Mosle, lieber einige Kugeln durch den Hirnkasten gejagt, als noch irgend einem Menschen auf Erden in's Auge zu schauen gewagt hätte. Statt dessen rühmte sich dieses diplomatische Bruderpaar noch seiner Kreuz- und Querfahrten.

Die Majorität der Nationalversammlung war "satisfait", war befriedigt, gleich wie die französische Kammer unter Louis Philipp auch bei den größten Niederträchtigkeiten, bei den schlagendsten Beweisen der Korruption, sich für satisfait, für befriedigt, erklärte.

Mochte den Paulskirchnern immerhin das Blut des gemordeten Robert Blum in's Gesicht spritzen. Es röthete sich zwar ihre Wange, aber nicht vor Schaam oder Wuth und tiefstem Zornausbruch, sondern mit der Farbe des Behagens und der Befriedigung. Freilich wurden neue Reichskommissarien nach Oestreich gesandt. Das von ihnen erzielte Resultat war aber lediglich eine Verdoppelung des Hohns, der von jener Seite schon zuvor auf die sogenannten Nationalversammelten und das von ihnen verrathene Deutschland gehäuft worden war.

"Mocht nix, 's is olles Aans!" war und blieb der Wahlspruch auch jener Herren.

Man erinnere sich, daß kurz vor den Gewaltstreichen der preußischen Regierung Bassermann, Simson und natürlich der "edle" Herr Gagern etc. als Reichskommissarien in Berlin waren

Und wiederum haben wir Reichskommissarien in Oestreich, in Olmütz, während hier, wie in Berlin, der Reichstag auseinandergejagt und dem Volk eine Verfassung "von Gottes Gnaden" mittelst Kroaten, Sereschanern, Hukulern etc. octroyirt wird.

Noch überall, wo die Volksfreiheit todtgeschlagen werden sollte, zeigen sich gleich, vorauswitternden Aasgeiern, Kommissarien der sogenannten Centralgewalt. Ihr Geruchsorgan hat sich stets bewährt.

Jetzt dürfte endlich der Frankfurter Froschteich inne werden, daß die Reihe nun bald an ihn kommt. Seine Sünden werden an ihm selber heimgesucht werden. Auf der am Orte seines heillosen Wirkens zu errichtenden Denktafel wird der Wanderer lesen: "Durch eigene Schuld, durch Feigheit, Professoren-Blödsinn und chronisch gewordene Erbärmlichkeit, theils unter rachekühlendem Hohnlachen, theils unter völliger Theilnahmlosigkeit des Volks zu Grunde gegangen."

Ein Theil jener armseligen Schächer wagt es indeß noch gegenwärtig, sich mit den aus der Fabrik zu Frankfurt hervorgegangenen "Grundrechten" zu brüsten und sich darauf, wie auf eine Großthat, etwas einzubilden. Mit "Grundrechten" schlugen sie sich wie die Scholastiker des Mittelalters, waschweiberredselig herum, während die "Grundgewalt" der heiligen Allianz und ihrer Spießgesellen sich immer enormer organisirte und immer lauter und lauter über das grundrechtliche Professoren- und Philistergeschwätz hohnlächelte. Jene befestigten ihre "Grundrechte" auf einem Wisch Papier; diese, die Herren der Contrerevolution, schrieben ihre "Grundgewalt" auf scharfgeschliffne Schwerter, Kanonen und slavische Rothmäntel.

Sobald das deutsche Volk in irgend einem Theil der germanischen Vaterländer von seinem Urgrundrechte, dem der Empörung wider feudale oder spießbürgerlich-konstitutionelle Tyrannei Gebrauch machte oder machen zu wollen schien: da sandte Frankfurt eiligst "Reichstruppen" ab, um das Volk durch Einquartierung, Plünderung, Massakres und Militärexzesse aller Art zu züchtigen und mürbe zu machen und die Werkzeuge der Contrerevolution gut im Stande zu erhalten, das heißt, auf Kosten des Volks und seiner "Grundrechte" gehörig auszufüttern und zu weitern Heldenthaten zu kräftigen.

In solchen Fällen besaßen die Frankfurter Herren jedesmal die nöthige Gewalt, dann sie erhielten sie leihweise aus den Reihen der oben berührten "Grundgewalt" unserer gnädigen Landesväter.

Somit ist's kein Wunder, daß der Frankfurter Froschteich gegen die gesalbten Herren, wann immer sie ihre "Grundrechte" proklamiren, ohnmächtig schweigen, machtlos zusehen muß, selbst wenn die Grundrechte der Herren "von Gottes Gnaden" direkt wider ihn gerichtet sind.

Er wird und muß daher auch ruhig zusehen, daß jetzt der östreichische Tamerlan seinen geliebten "Unterthanen", unter denen eine erkleckliche Zahl Deutscher, von Gottes und der Sophie Gnaden 13 Grundrechte und mit diesem Coup zugleich den Frankfurter Heroen abermals eine derbe Maulschelle octrroyirt hat. Und das von Rechtswegen!

307 Düsseldorf, 10. März.

Es freut mich, Ihnen einen Akt der Gerechtigkeit des Ministeriums Manteuffel mittheilen zu können. Das Ministerium scheint die gerechten Verdienste der Steuerverweigerer, und derjenigen, die sich an der Ausführung betheiligt haben, endlich anzuerkennen. Der Regierungsrath, Justiziarius etc. Frhr. v. Mirbach Hoch und Wohlgeboren, ist der Glückliche, den zuerst in dieser Zeit der Finsterniß ein Sonnenstrahl beglückt, und der sich dieser Gunst zu erfreuen hat. Lächeln Sie nicht, denn die Sache hat ihre Richtigkeit und verhält sich folgendermaßen. Am 13. November v. J. als der Polizei-Inspektor Zeller sich weigerte, starke Hand bei gewaltsamer Wegnahme von für Staatssteuern gepfändeten Mobilien zu leisten, und diese Erklärung der Regierung übersandte, verfügte diese Behörde in Anerkennung der Richtigkeit der in jener Erklärung angeführten Thatsachen:

daß in den nächsten acht Tagen keinerlei Steuern zwangsweise eingetrieben werden sollen.

Freilich wurde gegen den etc. Zeller wegen Ungehorsam und später gegen sechs Regierungsräthe wegen versuchter Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses die Untersuchung eingeleitet. Anders verhält es sich mit den Mitgliedern, welche vorstehende Verfügung erlassen und des Hrn. v. Mirbach, der dieselbe geschrieben hat. Denn Herr v. Mirbach wird für die wirkliche Betheiligung an der Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses, zur Trauer der ganzen Stadt, deren Bewohner denselben so innig lieben, als Abtheilungsdirigent nach Aachen dem Exminister Kühlwetter, seinem guten Freunde, auf die Nase gesetzt.

35 Elberfeld, 9. März.

Sie haben in Ihrem Blatte bereits der Bestallung des hiesigen Advokaten Hurter zum Direktor und k. Kommissar der bergisch-märkischen Eisenbahn erwähnt. Die Umstände dieser Bestallung verdienen eine größere Publizität, um so mehr, als daraus erhellet, daß es dem Hrn. Handelsminister selbst auf eine Gesetzesverletzung nicht ankommt, wenn treue Dienste zu belohnen sind.

Königl. Kommissar bei der bergisch-märkischen und Steele-Vohwinkeler Eisenbahn war seit vier Jahren der in Düsseldorf wohnende Regierungsrath v. Mirbach, welcher für diese doppelte Stelle, die ihn verpflichtete, mindestens einmal in einer Woche einen Tag in Elberfeld und einen in Langenberg zuzubringen, im Ganzen 300 Thlr. bezog. Mirbach war stets entschieden der v. d. Heydt'schen Anmaßung bei der Verwaltung der bergisch-märkischen Eisenbahn entgegengetreten, und hatte namentlich durch seine Stimmen den Pylades des Hrn. A. v. d. Heydt, A. Weyer, als Mitglied des Verwaltungsrathes durchfallen lassen. Mirbach wurde ohne irgend einen Grund seiner Stelle enthoben, und Hurter, der hier wohnt, mit 500 Thlr. angestellt. Diese verdient er damit, daß er wöchentlich einen Vormittag einer Sitzung der Direktion beiwohnt. Der Vormittag trägt ihm also 10 Thlr. ein! Für die Steele-Vohwinkeler Bahn wurde das Universalgenie v. Moeller als Kommissar bestellt, dieser unglückliche Märtyrer, der jetzt für die 1001 Stelle, die er verwaltet, mit seinen Diäten als Abgeordneter über 7000 Thlr. Gehalt bezieht. Sie sehen, wie sparsam der Herr Minister für Handel ist!

Hurter ist Advokat am hiesigen Landgericht. Nun sagt aber der Art. 18 des kaiserl. Dekrets vom 14. September 1810: "Die Advokatenprofession ist unvereinbar 1) mit den besoldeten Anstellungen. Hr. v. d. Heydt weiß dies recht wohl, noch besser Hurter, aber sie ignoriren es, oder glaubt der vorzugsweise konstitutionelle Hr. Handelsminister die Macht zu haben, Gesetze aufzuheben? Wir fragen deshalb den Generalprokurator, ob er von obigem Verhältniß Kenntniß, und event. den Muth hat, auch einer Excellenz gegenüber für die Aufrechthaltung der Gesetze zu sorgen? *)

216 Berlin, 8. März.

Es war der Antrag gestellt, daß die Portofreiheit für die Abgeordneten nicht auf das Gewicht von zwei Loth beschränkt bleibe, sondern auf alle Briefe und Drucksachen ausgedehnt werde, damit ein lebendiger Verkehr zwischen den Abgeordneten und dem Lande möglich sei. Als sich hierbei Einer auf die deutsche Nationalversammlung berief, sprang der muthvolle (?) Ritter v. Vincke, der heute überhaupt eine krautjunkerliche Flegelhaftigkeit an den Tag legte, mit der Bemerkung hervor, das Parlament zu Frankfurt habe sich nie mit solchen Lappalien befaßt. Diese Bemerkung wurde dahin berichtigt, daß bei der ersten Lesung der Verfassung für die deutschen Abgeordneten ausdrücklich die Portofreiheit festgestellt worden sei. Es erfolgte hierauf für den beschämten v. Vincke, der übrigens kein Schamgefühl zu besitzen scheint, der vielfache Zuruf: Sie haben sich also doch mit "Lappalien" befaßt. Ferner gestattete dieser Ritter heute auch einen klaren Blick auf den Boden seiner Gewissenhaftigkeit. Bei der Abstimmung über die von ihm angeregte Frage, ob eine Adresse auf die Thronrede erfolgen solle, ergab sich faktisch die Unbrauchbarkeit der Geschäftsordnung. Die Linke forderte aber die Aufrechthaltung des ihr aufgedrungenen Geschäftsreglements. Vincke und Konsorten, bestens unterstützt durch den Präsidenten Grabow, änderten nun in ihrem Interesse das Reglement unter dem Vorwande der Interpretation, obgleich in diesem Punkte keine Zweideutigkeit existirte. Als kurz darauf die Linke in einer andern Sache von dieser Auslegung auch für sich Gebrauch machen wollte, bemerkte der furchtlose (?) v. Vincke, die Geschäftsordnung dürfe nie abgeändert werden. Ein schöner, ehrlicher Mensch, dieser Ritter v. Vincke.

216 Berlin, 8. März.

Die Minister Brandenburg und Strotha erschienen heute in der 2. Kammer in Generalsuniform, mit den Schlachtmessern an der Seite. Die Linke wird beantragen, daß die gewaltigen Herren in Zukunft wenigstens die Mordinstrumente vor der Thüre lassen. Die Gesichter der Minister bilden der Art eigenthümliche Fratzen, daß ich denselben eine kurze Betrachtung glaube widmen zu dürfen. Die nach Oben strebende Nasenspitze des Hrn. v. Brandenburg [eine nicht vereinzelt stehende Eigenthümlichkeit der Hohenzollern] scheint zu sagen, mein Platz ist nicht hienieden in der Volkskammer. Das Antlitz des Kultusministers v. Ladenberg gleichet dem Gesichte eines Karnevalshelden am Aschermittwoch, das in seiner obern Hälfte vor Müdigkeit etwas zusammengesunken, sonst aber stark geröthet ist. Rintelen klemmt, wahrscheinlich um sich ein gewichtiges Ansehen zu geben, die Lippen fest zusammen und zieht hierbei die Mundwinkel so tief herunter, daß der Mund von Weitem ganz genau einem Eselshufeisen gleichsieht. v. Manteuffel präsentirt eine ähnliche Physiognomie. v. d. Heydt hat über der Glatze seines Scheitels in echt christlicher Zuneigung die Haare von beiden Seiten zu einer Schatten bringenden Laube zusammengefügt. Der Finanzminister Rabe ist wirklich schwarz wie ein Rabe; ob er auch die glänzenden Sachen, wie ein Rabe, bei Seite zu tragen gewohnt ist, das habe ich noch nicht erfahren können. Vielleicht kann die Frau des Ministers v. Ladenberg darüber Auskunft geben. Wir erwarten von Hrn. v. Ladenberg einen Kommentar zu Fouriers Paradoxen über die Ehe.

Von der polnischen Gränze, 5. März.

Laut kaiserl. Ukas sind alle Dikasterien und Staatsanstalten angewiesen worden, sich im Laufe des Jahres 1849 mit keinerlei Bittgesuchen um Erhöhung der Beamtengehalte oder sonstiger Geldunterstützungen an die Staatskasse zu wenden, weil das Land außerordentliche Geldbedürfnisse für die Mobilmachung der ganzen Armee nöthig habe. Wer diesem Ukas zuwider handelt, ist der härtesten Stafe ausgesetzt. Diese Anordnung ist in den gegenwärtigen Verhältnissen von großer Bedeutung, zumal ein solches Verbot seit Menschengedenken in den russischen Landen nicht vorkam, und daher deutlich zeigt, daß der Czar weit aussehende Pläne vorhat, für deren Ausführung er seine Finanzen zusammen zu halten sucht. Als eine der wichtigsten, in die nordischen Verhältnisse tief eingreifenden Maßnahmen dürfte das so eben kundgewordene Faktum zu betrachten sein, daß eine russische Escadre bereits Ordre erhalten habe, in die Ostsee auszulaufen.

[Börs.-H.]
* Wien, 8. März.

Die Motive, welche der oktroyirten Dezember-Verfassung voriges Jahr in Preußen und jetzt der k. k. östreichischen vom 4. März beigegeben wurden, sind gleich lügenhaft und heuchlerisch und nach einer Urschablone fabrizirt. Wie der preußische Staatsstreich sich hinter den lächerlichen Vorwand barg,

*) Man sieht, wie auch der Gerechte, ein Düsseldorfer v. Mirbach, heimgesucht wird. Es ist dies aber nur die Prüfung Gottes, die ihn zu größerm Ruhm treibt, wonach ihn auch größerer Lohn erwartet Vergl. unsere Düsseldorfer Korrespondenz. A. d. R.
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 244. Köln, Dienstag, den 13 März 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.

Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.

Zeitungen und Briefe aus Wien, Breslau und Berlin sind gestern Abend ausgeblieben.

Uebersicht.

Deutschland Köln. (Wien und Frankfurt). Düsseldorf. (v. Mirbach). Elberfeld. (Dito). Berlin. (v. Vincke. — Die Minister). Von der polnischen Gränze. (Die russischen Finanzen). Wien. (Das k. k. Manifest zur octroyirten Verfassung). Olmütz. (Die östreichische Verfassung). Aus Franken. (Assisen. — Ronge. — Belagerungszuständliches. — Kroatenscenen. — Die Czechen. — Reibungen zwischen Bauern und Soldaten in Unterfranken). Bruchsal. (Protest mehrerer Gefangenen). Frankfurt. (National-Versammlung).

Franz. Republik. Paris. (Der Anklageakt gegen die Männer des 15. Mai. — Petitionen. — L. Bonaparte. — Vermischtes. — National-Versammlung). Bourges. (Gerichtsverhandlungen. — Erklärungen).

Großbritannien. London. (Parlament. — Die östr. Note über die italischen Verhältnisse).

Italien. (Römische Adresse an Frankreich. — Die Constituante. — Ministerielle Verordnungen. — Zarboni. — Scharmützel an der römisch-neapolitanischen Gränze). Rom. (Staatsdiener und Volksvertreter). Mailand. (Radetzky'sche Vermögensinquisition).

Deutschland.
068 Köln, 12. März.

Am 15. d. Mts. wollte der Reichstag in Kremsier an die Berathung des von der Kommission vollendeten Konstitutionsentwurf gehen. Damit war für die k. k. Standrechtsbestien der Augenblick gekommen, die längst fertig liegende Verfassung „von Gottes Gnaden“ dem Reichstage entgegenzuschleudern und der ganzen bisher geduldeten Kremsierer Volksvertretungs-Komödie ein Ende zu machen.

Der ganze Octroyirungskniff wurde bereits im Sommer vorigen Jahres zwischen den gesalbten und ungesalbten Contrerevolutionärs in Schönbrunn-Wien, Potsdam-Berlin, London (wo Metternich als Kreuzspinne der heiligen Allianz im Mittelpunkt des um die zur Freiheit aufstehenden Völker langsam gesponnenen Netzes sitzt,) Paris in's Reine gebracht. Daß ihn der Potsdamer König zuerst in's Werk setzte, hing lediglich von den Umständen in Preußen ab, welche solchen Schritt früher, als in Oestreich, zuließen.

Im November schleuderte das offizielle Oestreich den Paulskirchnern das blutige Haupt Robert Blum's vor die Füße. Das saubere Reichskommissarien-Zwillingspaar, Welcker-Mosle, war einige Tage zuvor von der Windischgrätzigen Antichambre und der Abfütterung in Olmütz mit so viel Schmach bedeckt zurückgekommen, daß sich jeder Andere, außer Ehren-Welcker-Mosle, lieber einige Kugeln durch den Hirnkasten gejagt, als noch irgend einem Menschen auf Erden in's Auge zu schauen gewagt hätte. Statt dessen rühmte sich dieses diplomatische Bruderpaar noch seiner Kreuz- und Querfahrten.

Die Majorität der Nationalversammlung war «satisfait», war befriedigt, gleich wie die französische Kammer unter Louis Philipp auch bei den größten Niederträchtigkeiten, bei den schlagendsten Beweisen der Korruption, sich für satisfait, für befriedigt, erklärte.

Mochte den Paulskirchnern immerhin das Blut des gemordeten Robert Blum in's Gesicht spritzen. Es röthete sich zwar ihre Wange, aber nicht vor Schaam oder Wuth und tiefstem Zornausbruch, sondern mit der Farbe des Behagens und der Befriedigung. Freilich wurden neue Reichskommissarien nach Oestreich gesandt. Das von ihnen erzielte Resultat war aber lediglich eine Verdoppelung des Hohns, der von jener Seite schon zuvor auf die sogenannten Nationalversammelten und das von ihnen verrathene Deutschland gehäuft worden war.

„Mocht nix, 's is olles Aans!“ war und blieb der Wahlspruch auch jener Herren.

Man erinnere sich, daß kurz vor den Gewaltstreichen der preußischen Regierung Bassermann, Simson und natürlich der „edle“ Herr Gagern etc. als Reichskommissarien in Berlin waren

Und wiederum haben wir Reichskommissarien in Oestreich, in Olmütz, während hier, wie in Berlin, der Reichstag auseinandergejagt und dem Volk eine Verfassung „von Gottes Gnaden“ mittelst Kroaten, Sereschanern, Hukulern etc. octroyirt wird.

Noch überall, wo die Volksfreiheit todtgeschlagen werden sollte, zeigen sich gleich, vorauswitternden Aasgeiern, Kommissarien der sogenannten Centralgewalt. Ihr Geruchsorgan hat sich stets bewährt.

Jetzt dürfte endlich der Frankfurter Froschteich inne werden, daß die Reihe nun bald an ihn kommt. Seine Sünden werden an ihm selber heimgesucht werden. Auf der am Orte seines heillosen Wirkens zu errichtenden Denktafel wird der Wanderer lesen: „Durch eigene Schuld, durch Feigheit, Professoren-Blödsinn und chronisch gewordene Erbärmlichkeit, theils unter rachekühlendem Hohnlachen, theils unter völliger Theilnahmlosigkeit des Volks zu Grunde gegangen.“

Ein Theil jener armseligen Schächer wagt es indeß noch gegenwärtig, sich mit den aus der Fabrik zu Frankfurt hervorgegangenen „Grundrechten“ zu brüsten und sich darauf, wie auf eine Großthat, etwas einzubilden. Mit „Grundrechten“ schlugen sie sich wie die Scholastiker des Mittelalters, waschweiberredselig herum, während die „Grundgewalt“ der heiligen Allianz und ihrer Spießgesellen sich immer enormer organisirte und immer lauter und lauter über das grundrechtliche Professoren- und Philistergeschwätz hohnlächelte. Jene befestigten ihre „Grundrechte“ auf einem Wisch Papier; diese, die Herren der Contrerevolution, schrieben ihre „Grundgewalt“ auf scharfgeschliffne Schwerter, Kanonen und slavische Rothmäntel.

Sobald das deutsche Volk in irgend einem Theil der germanischen Vaterländer von seinem Urgrundrechte, dem der Empörung wider feudale oder spießbürgerlich-konstitutionelle Tyrannei Gebrauch machte oder machen zu wollen schien: da sandte Frankfurt eiligst „Reichstruppen“ ab, um das Volk durch Einquartierung, Plünderung, Massakres und Militärexzesse aller Art zu züchtigen und mürbe zu machen und die Werkzeuge der Contrerevolution gut im Stande zu erhalten, das heißt, auf Kosten des Volks und seiner „Grundrechte“ gehörig auszufüttern und zu weitern Heldenthaten zu kräftigen.

In solchen Fällen besaßen die Frankfurter Herren jedesmal die nöthige Gewalt, dann sie erhielten sie leihweise aus den Reihen der oben berührten „Grundgewalt“ unserer gnädigen Landesväter.

Somit ist's kein Wunder, daß der Frankfurter Froschteich gegen die gesalbten Herren, wann immer sie ihre „Grundrechte“ proklamiren, ohnmächtig schweigen, machtlos zusehen muß, selbst wenn die Grundrechte der Herren „von Gottes Gnaden“ direkt wider ihn gerichtet sind.

Er wird und muß daher auch ruhig zusehen, daß jetzt der östreichische Tamerlan seinen geliebten „Unterthanen“, unter denen eine erkleckliche Zahl Deutscher, von Gottes und der Sophie Gnaden 13 Grundrechte und mit diesem Coup zugleich den Frankfurter Heroen abermals eine derbe Maulschelle octrroyirt hat. Und das von Rechtswegen!

307 Düsseldorf, 10. März.

Es freut mich, Ihnen einen Akt der Gerechtigkeit des Ministeriums Manteuffel mittheilen zu können. Das Ministerium scheint die gerechten Verdienste der Steuerverweigerer, und derjenigen, die sich an der Ausführung betheiligt haben, endlich anzuerkennen. Der Regierungsrath, Justiziarius etc. Frhr. v. Mirbach Hoch und Wohlgeboren, ist der Glückliche, den zuerst in dieser Zeit der Finsterniß ein Sonnenstrahl beglückt, und der sich dieser Gunst zu erfreuen hat. Lächeln Sie nicht, denn die Sache hat ihre Richtigkeit und verhält sich folgendermaßen. Am 13. November v. J. als der Polizei-Inspektor Zeller sich weigerte, starke Hand bei gewaltsamer Wegnahme von für Staatssteuern gepfändeten Mobilien zu leisten, und diese Erklärung der Regierung übersandte, verfügte diese Behörde in Anerkennung der Richtigkeit der in jener Erklärung angeführten Thatsachen:

daß in den nächsten acht Tagen keinerlei Steuern zwangsweise eingetrieben werden sollen.

Freilich wurde gegen den etc. Zeller wegen Ungehorsam und später gegen sechs Regierungsräthe wegen versuchter Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses die Untersuchung eingeleitet. Anders verhält es sich mit den Mitgliedern, welche vorstehende Verfügung erlassen und des Hrn. v. Mirbach, der dieselbe geschrieben hat. Denn Herr v. Mirbach wird für die wirkliche Betheiligung an der Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses, zur Trauer der ganzen Stadt, deren Bewohner denselben so innig lieben, als Abtheilungsdirigent nach Aachen dem Exminister Kühlwetter, seinem guten Freunde, auf die Nase gesetzt.

35 Elberfeld, 9. März.

Sie haben in Ihrem Blatte bereits der Bestallung des hiesigen Advokaten Hurter zum Direktor und k. Kommissar der bergisch-märkischen Eisenbahn erwähnt. Die Umstände dieser Bestallung verdienen eine größere Publizität, um so mehr, als daraus erhellet, daß es dem Hrn. Handelsminister selbst auf eine Gesetzesverletzung nicht ankommt, wenn treue Dienste zu belohnen sind.

Königl. Kommissar bei der bergisch-märkischen und Steele-Vohwinkeler Eisenbahn war seit vier Jahren der in Düsseldorf wohnende Regierungsrath v. Mirbach, welcher für diese doppelte Stelle, die ihn verpflichtete, mindestens einmal in einer Woche einen Tag in Elberfeld und einen in Langenberg zuzubringen, im Ganzen 300 Thlr. bezog. Mirbach war stets entschieden der v. d. Heydt'schen Anmaßung bei der Verwaltung der bergisch-märkischen Eisenbahn entgegengetreten, und hatte namentlich durch seine Stimmen den Pylades des Hrn. A. v. d. Heydt, A. Weyer, als Mitglied des Verwaltungsrathes durchfallen lassen. Mirbach wurde ohne irgend einen Grund seiner Stelle enthoben, und Hurter, der hier wohnt, mit 500 Thlr. angestellt. Diese verdient er damit, daß er wöchentlich einen Vormittag einer Sitzung der Direktion beiwohnt. Der Vormittag trägt ihm also 10 Thlr. ein! Für die Steele-Vohwinkeler Bahn wurde das Universalgenie v. Moeller als Kommissar bestellt, dieser unglückliche Märtyrer, der jetzt für die 1001 Stelle, die er verwaltet, mit seinen Diäten als Abgeordneter über 7000 Thlr. Gehalt bezieht. Sie sehen, wie sparsam der Herr Minister für Handel ist!

Hurter ist Advokat am hiesigen Landgericht. Nun sagt aber der Art. 18 des kaiserl. Dekrets vom 14. September 1810: „Die Advokatenprofession ist unvereinbar 1) mit den besoldeten Anstellungen. Hr. v. d. Heydt weiß dies recht wohl, noch besser Hurter, aber sie ignoriren es, oder glaubt der vorzugsweise konstitutionelle Hr. Handelsminister die Macht zu haben, Gesetze aufzuheben? Wir fragen deshalb den Generalprokurator, ob er von obigem Verhältniß Kenntniß, und event. den Muth hat, auch einer Excellenz gegenüber für die Aufrechthaltung der Gesetze zu sorgen? *)

216 Berlin, 8. März.

Es war der Antrag gestellt, daß die Portofreiheit für die Abgeordneten nicht auf das Gewicht von zwei Loth beschränkt bleibe, sondern auf alle Briefe und Drucksachen ausgedehnt werde, damit ein lebendiger Verkehr zwischen den Abgeordneten und dem Lande möglich sei. Als sich hierbei Einer auf die deutsche Nationalversammlung berief, sprang der muthvolle (?) Ritter v. Vincke, der heute überhaupt eine krautjunkerliche Flegelhaftigkeit an den Tag legte, mit der Bemerkung hervor, das Parlament zu Frankfurt habe sich nie mit solchen Lappalien befaßt. Diese Bemerkung wurde dahin berichtigt, daß bei der ersten Lesung der Verfassung für die deutschen Abgeordneten ausdrücklich die Portofreiheit festgestellt worden sei. Es erfolgte hierauf für den beschämten v. Vincke, der übrigens kein Schamgefühl zu besitzen scheint, der vielfache Zuruf: Sie haben sich also doch mit „Lappalien“ befaßt. Ferner gestattete dieser Ritter heute auch einen klaren Blick auf den Boden seiner Gewissenhaftigkeit. Bei der Abstimmung über die von ihm angeregte Frage, ob eine Adresse auf die Thronrede erfolgen solle, ergab sich faktisch die Unbrauchbarkeit der Geschäftsordnung. Die Linke forderte aber die Aufrechthaltung des ihr aufgedrungenen Geschäftsreglements. Vincke und Konsorten, bestens unterstützt durch den Präsidenten Grabow, änderten nun in ihrem Interesse das Reglement unter dem Vorwande der Interpretation, obgleich in diesem Punkte keine Zweideutigkeit existirte. Als kurz darauf die Linke in einer andern Sache von dieser Auslegung auch für sich Gebrauch machen wollte, bemerkte der furchtlose (?) v. Vincke, die Geschäftsordnung dürfe nie abgeändert werden. Ein schöner, ehrlicher Mensch, dieser Ritter v. Vincke.

216 Berlin, 8. März.

Die Minister Brandenburg und Strotha erschienen heute in der 2. Kammer in Generalsuniform, mit den Schlachtmessern an der Seite. Die Linke wird beantragen, daß die gewaltigen Herren in Zukunft wenigstens die Mordinstrumente vor der Thüre lassen. Die Gesichter der Minister bilden der Art eigenthümliche Fratzen, daß ich denselben eine kurze Betrachtung glaube widmen zu dürfen. Die nach Oben strebende Nasenspitze des Hrn. v. Brandenburg [eine nicht vereinzelt stehende Eigenthümlichkeit der Hohenzollern] scheint zu sagen, mein Platz ist nicht hienieden in der Volkskammer. Das Antlitz des Kultusministers v. Ladenberg gleichet dem Gesichte eines Karnevalshelden am Aschermittwoch, das in seiner obern Hälfte vor Müdigkeit etwas zusammengesunken, sonst aber stark geröthet ist. Rintelen klemmt, wahrscheinlich um sich ein gewichtiges Ansehen zu geben, die Lippen fest zusammen und zieht hierbei die Mundwinkel so tief herunter, daß der Mund von Weitem ganz genau einem Eselshufeisen gleichsieht. v. Manteuffel präsentirt eine ähnliche Physiognomie. v. d. Heydt hat über der Glatze seines Scheitels in echt christlicher Zuneigung die Haare von beiden Seiten zu einer Schatten bringenden Laube zusammengefügt. Der Finanzminister Rabe ist wirklich schwarz wie ein Rabe; ob er auch die glänzenden Sachen, wie ein Rabe, bei Seite zu tragen gewohnt ist, das habe ich noch nicht erfahren können. Vielleicht kann die Frau des Ministers v. Ladenberg darüber Auskunft geben. Wir erwarten von Hrn. v. Ladenberg einen Kommentar zu Fouriers Paradoxen über die Ehe.

Von der polnischen Gränze, 5. März.

Laut kaiserl. Ukas sind alle Dikasterien und Staatsanstalten angewiesen worden, sich im Laufe des Jahres 1849 mit keinerlei Bittgesuchen um Erhöhung der Beamtengehalte oder sonstiger Geldunterstützungen an die Staatskasse zu wenden, weil das Land außerordentliche Geldbedürfnisse für die Mobilmachung der ganzen Armee nöthig habe. Wer diesem Ukas zuwider handelt, ist der härtesten Stafe ausgesetzt. Diese Anordnung ist in den gegenwärtigen Verhältnissen von großer Bedeutung, zumal ein solches Verbot seit Menschengedenken in den russischen Landen nicht vorkam, und daher deutlich zeigt, daß der Czar weit aussehende Pläne vorhat, für deren Ausführung er seine Finanzen zusammen zu halten sucht. Als eine der wichtigsten, in die nordischen Verhältnisse tief eingreifenden Maßnahmen dürfte das so eben kundgewordene Faktum zu betrachten sein, daß eine russische Escadre bereits Ordre erhalten habe, in die Ostsee auszulaufen.

[Börs.-H.]
* Wien, 8. März.

Die Motive, welche der oktroyirten Dezember-Verfassung voriges Jahr in Preußen und jetzt der k. k. östreichischen vom 4. März beigegeben wurden, sind gleich lügenhaft und heuchlerisch und nach einer Urschablone fabrizirt. Wie der preußische Staatsstreich sich hinter den lächerlichen Vorwand barg,

*) Man sieht, wie auch der Gerechte, ein Düsseldorfer v. Mirbach, heimgesucht wird. Es ist dies aber nur die Prüfung Gottes, die ihn zu größerm Ruhm treibt, wonach ihn auch größerer Lohn erwartet Vergl. unsere Düsseldorfer Korrespondenz. A. d. R.
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          <docDate>No 244. Köln, Dienstag, den 13 März 1849.</docDate>
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      <div type="jExpedition">
        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p>
        <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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      <div type="jExpedition">
        <p>Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das <hi rendition="#b">II.</hi> Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.</p>
        <p>Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.</p>
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      <div n="1">
        <p> <hi rendition="#b">Zeitungen und Briefe aus Wien, Breslau und Berlin sind gestern Abend ausgeblieben.</hi> </p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi> Köln. (Wien und Frankfurt). Düsseldorf. (v. Mirbach). Elberfeld. (Dito). Berlin. (v. Vincke. &#x2014; Die Minister). Von der polnischen Gränze. (Die russischen Finanzen). Wien. (Das k. k. Manifest zur octroyirten Verfassung). Olmütz. (Die östreichische Verfassung). Aus Franken. (Assisen. &#x2014; Ronge. &#x2014; Belagerungszuständliches. &#x2014; Kroatenscenen. &#x2014; Die Czechen. &#x2014; Reibungen zwischen Bauern und Soldaten in Unterfranken). Bruchsal. (Protest mehrerer Gefangenen). Frankfurt. (National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik</hi>. Paris. (Der Anklageakt gegen die Männer des 15. Mai. &#x2014; Petitionen. &#x2014; L. Bonaparte. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung). Bourges. (Gerichtsverhandlungen. &#x2014; Erklärungen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Parlament. &#x2014; Die östr. Note über die italischen Verhältnisse).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Römische Adresse an Frankreich. &#x2014; Die Constituante. &#x2014; Ministerielle Verordnungen. &#x2014; Zarboni. &#x2014; Scharmützel an der römisch-neapolitanischen Gränze). Rom. (Staatsdiener und Volksvertreter). Mailand. (Radetzky'sche Vermögensinquisition).</p>
      </div>
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        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar244_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 12. März.</head>
          <p>Am 15. d. Mts. wollte der Reichstag in Kremsier an die Berathung des von der Kommission vollendeten Konstitutionsentwurf gehen. Damit war für die k. k. Standrechtsbestien der Augenblick gekommen, die längst fertig liegende Verfassung &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; dem Reichstage entgegenzuschleudern und der ganzen bisher geduldeten Kremsierer Volksvertretungs-Komödie ein Ende zu machen.</p>
          <p>Der ganze Octroyirungskniff wurde bereits im Sommer vorigen Jahres zwischen den gesalbten und ungesalbten Contrerevolutionärs in Schönbrunn-Wien, Potsdam-Berlin, London (wo Metternich als Kreuzspinne der heiligen Allianz im Mittelpunkt des um die zur Freiheit aufstehenden Völker langsam gesponnenen Netzes sitzt,) Paris in's Reine gebracht. Daß ihn der Potsdamer König zuerst in's Werk setzte, hing lediglich von den Umständen in Preußen ab, welche solchen Schritt früher, als in Oestreich, zuließen.</p>
          <p>Im November schleuderte das offizielle Oestreich den Paulskirchnern das blutige Haupt Robert Blum's vor die Füße. Das saubere Reichskommissarien-Zwillingspaar, Welcker-Mosle, war einige Tage zuvor von der Windischgrätzigen Antichambre und der Abfütterung in Olmütz mit so viel Schmach bedeckt zurückgekommen, daß sich jeder Andere, außer Ehren-Welcker-Mosle, lieber einige Kugeln durch den Hirnkasten gejagt, als noch irgend einem Menschen auf Erden in's Auge zu schauen gewagt hätte. Statt dessen rühmte sich dieses diplomatische Bruderpaar noch seiner Kreuz- und Querfahrten.</p>
          <p>Die Majorität der Nationalversammlung war «satisfait», war befriedigt, gleich wie die französische Kammer unter Louis Philipp auch bei den größten Niederträchtigkeiten, bei den schlagendsten Beweisen der Korruption, sich für satisfait, für befriedigt, erklärte.</p>
          <p>Mochte den Paulskirchnern immerhin das Blut des gemordeten Robert Blum in's Gesicht spritzen. Es röthete sich zwar ihre Wange, aber nicht vor Schaam oder Wuth und tiefstem Zornausbruch, sondern mit der Farbe des Behagens und der Befriedigung. Freilich wurden neue Reichskommissarien nach Oestreich gesandt. Das von ihnen erzielte Resultat war aber lediglich eine Verdoppelung des Hohns, der von jener Seite schon zuvor auf die sogenannten Nationalversammelten und das von ihnen verrathene Deutschland gehäuft worden war.</p>
          <p>&#x201E;Mocht nix, 's is olles Aans!&#x201C; war und blieb der Wahlspruch auch jener Herren.</p>
          <p>Man erinnere sich, daß kurz vor den Gewaltstreichen der preußischen Regierung Bassermann, Simson und natürlich der &#x201E;edle&#x201C; Herr Gagern etc. als Reichskommissarien in Berlin waren</p>
          <p>Und wiederum haben wir Reichskommissarien in Oestreich, in Olmütz, während hier, wie in Berlin, der Reichstag auseinandergejagt und dem Volk eine Verfassung &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; mittelst Kroaten, Sereschanern, Hukulern etc. octroyirt wird.</p>
          <p>Noch überall, wo die Volksfreiheit todtgeschlagen werden sollte, zeigen sich gleich, vorauswitternden Aasgeiern, Kommissarien der sogenannten Centralgewalt. Ihr Geruchsorgan hat sich stets bewährt.</p>
          <p>Jetzt dürfte endlich der Frankfurter Froschteich inne werden, daß die Reihe nun bald an ihn kommt. Seine Sünden werden an ihm selber heimgesucht werden. Auf der am Orte seines heillosen Wirkens zu errichtenden Denktafel wird der Wanderer lesen: &#x201E;Durch eigene Schuld, durch Feigheit, Professoren-Blödsinn und chronisch gewordene Erbärmlichkeit, theils unter rachekühlendem Hohnlachen, theils unter völliger Theilnahmlosigkeit des Volks zu Grunde gegangen.&#x201C;</p>
          <p>Ein Theil jener armseligen Schächer wagt es indeß noch gegenwärtig, sich mit den aus der Fabrik zu Frankfurt hervorgegangenen &#x201E;Grundrechten&#x201C; zu brüsten und sich darauf, wie auf eine Großthat, etwas einzubilden. Mit &#x201E;Grund<hi rendition="#g">rechten</hi>&#x201C; schlugen sie sich wie die Scholastiker des Mittelalters, waschweiberredselig herum, während die &#x201E;<hi rendition="#g">Grundgewalt</hi>&#x201C; der heiligen Allianz und ihrer Spießgesellen sich immer enormer organisirte und immer lauter und lauter über das grundrechtliche Professoren- und Philistergeschwätz hohnlächelte. Jene befestigten ihre &#x201E;Grund<hi rendition="#g">rechte</hi>&#x201C; auf einem Wisch Papier; diese, die Herren der Contrerevolution, schrieben ihre &#x201E;Grund<hi rendition="#g">gewalt</hi>&#x201C; auf scharfgeschliffne Schwerter, Kanonen und slavische Rothmäntel.</p>
          <p>Sobald das deutsche Volk in irgend einem Theil der germanischen Vaterländer von seinem Urgrundrechte, dem der Empörung wider feudale oder spießbürgerlich-konstitutionelle Tyrannei Gebrauch machte oder machen zu wollen schien: da sandte Frankfurt eiligst &#x201E;Reichstruppen&#x201C; ab, um das Volk durch Einquartierung, Plünderung, Massakres und Militärexzesse aller Art zu züchtigen und mürbe zu machen und die Werkzeuge der Contrerevolution gut im Stande zu erhalten, das heißt, auf Kosten des Volks und seiner &#x201E;Grundrechte&#x201C; gehörig auszufüttern und zu weitern Heldenthaten zu kräftigen.</p>
          <p>In solchen Fällen besaßen die Frankfurter Herren jedesmal die nöthige Gewalt, dann sie erhielten sie leihweise aus den Reihen der oben berührten &#x201E;Grundgewalt&#x201C; unserer gnädigen Landesväter.</p>
          <p>Somit ist's kein Wunder, daß der Frankfurter Froschteich gegen die gesalbten Herren, wann immer sie <hi rendition="#g">ihre</hi> &#x201E;Grundrechte&#x201C; proklamiren, ohnmächtig schweigen, machtlos zusehen muß, selbst wenn die Grundrechte der Herren &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; direkt wider ihn gerichtet sind.</p>
          <p>Er wird und muß daher auch ruhig zusehen, daß jetzt der östreichische Tamerlan seinen geliebten &#x201E;Unterthanen&#x201C;, unter denen eine erkleckliche Zahl Deutscher, von Gottes und der Sophie Gnaden 13 Grundrechte und mit diesem Coup zugleich den Frankfurter Heroen abermals eine derbe Maulschelle octrroyirt hat. Und das von Rechtswegen!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar244_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>307</author></bibl> Düsseldorf, 10. März.</head>
          <p>Es freut mich, Ihnen einen Akt der Gerechtigkeit des Ministeriums Manteuffel mittheilen zu können. Das Ministerium scheint die gerechten Verdienste der Steuerverweigerer, und derjenigen, die sich an der Ausführung betheiligt haben, endlich anzuerkennen. Der Regierungsrath, Justiziarius etc. Frhr. v. Mirbach Hoch und Wohlgeboren, ist der Glückliche, den zuerst in dieser Zeit der Finsterniß ein Sonnenstrahl beglückt, und der sich dieser Gunst zu erfreuen hat. Lächeln Sie nicht, denn die Sache hat ihre Richtigkeit und verhält sich folgendermaßen. Am 13. November v. J. als der Polizei-Inspektor Zeller sich weigerte, starke Hand bei gewaltsamer Wegnahme von für Staatssteuern gepfändeten Mobilien zu leisten, und diese Erklärung der Regierung übersandte, verfügte diese Behörde in Anerkennung der Richtigkeit der in jener Erklärung angeführten Thatsachen:</p>
          <p rendition="#et">daß in den nächsten acht Tagen <hi rendition="#g">keinerlei Steuern zwangsweise</hi> eingetrieben werden sollen.</p>
          <p>Freilich wurde gegen den etc. Zeller wegen Ungehorsam und später gegen sechs Regierungsräthe wegen versuchter Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses die Untersuchung eingeleitet. Anders verhält es sich mit den Mitgliedern, welche vorstehende Verfügung erlassen und des Hrn. v. Mirbach, der dieselbe geschrieben hat. Denn Herr v. Mirbach wird für die wirkliche Betheiligung an der Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses, zur Trauer der ganzen Stadt, deren Bewohner denselben so innig lieben, als Abtheilungsdirigent nach Aachen dem Exminister Kühlwetter, seinem guten Freunde, auf die Nase gesetzt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar244_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>35</author></bibl> Elberfeld, 9. März.</head>
          <p>Sie haben in Ihrem Blatte bereits der Bestallung des hiesigen Advokaten Hurter zum Direktor und k. Kommissar der bergisch-märkischen Eisenbahn erwähnt. Die Umstände dieser Bestallung verdienen eine größere Publizität, um so mehr, als daraus erhellet, daß es dem Hrn. Handelsminister selbst auf eine Gesetzesverletzung nicht ankommt, wenn treue Dienste zu belohnen sind.</p>
          <p>Königl. Kommissar bei der bergisch-märkischen und Steele-Vohwinkeler Eisenbahn war seit vier Jahren der in Düsseldorf wohnende Regierungsrath v. Mirbach, welcher für diese doppelte Stelle, die ihn verpflichtete, mindestens einmal in einer Woche einen Tag in Elberfeld und einen in Langenberg zuzubringen, im Ganzen 300 Thlr. bezog. Mirbach war stets entschieden der v. d. Heydt'schen Anmaßung bei der Verwaltung der bergisch-märkischen Eisenbahn entgegengetreten, und hatte namentlich durch seine Stimmen den Pylades des Hrn. A. v. d. Heydt, A. Weyer, als Mitglied des Verwaltungsrathes durchfallen lassen. Mirbach wurde ohne irgend einen Grund seiner Stelle enthoben, und Hurter, der <hi rendition="#g">hier</hi> wohnt, mit <hi rendition="#g">500</hi> Thlr. angestellt. Diese verdient er damit, daß er wöchentlich einen Vormittag einer Sitzung der Direktion beiwohnt. Der Vormittag trägt ihm also 10 Thlr. ein! Für die Steele-Vohwinkeler Bahn wurde das Universalgenie v. Moeller als Kommissar bestellt, dieser unglückliche Märtyrer, der jetzt für die 1001 Stelle, die er verwaltet, mit seinen Diäten als Abgeordneter über <hi rendition="#g">7000</hi> Thlr. Gehalt bezieht. Sie sehen, wie sparsam der Herr Minister für Handel ist!</p>
          <p>Hurter ist Advokat am hiesigen Landgericht. Nun sagt aber der Art. 18 des kaiserl. Dekrets vom 14. September 1810: &#x201E;Die Advokatenprofession ist unvereinbar 1) mit den besoldeten Anstellungen. Hr. v. d. Heydt weiß dies recht wohl, noch besser Hurter, aber sie ignoriren es, oder glaubt der vorzugsweise konstitutionelle Hr. Handelsminister die Macht zu haben, Gesetze aufzuheben? Wir fragen deshalb den Generalprokurator, ob er von obigem Verhältniß Kenntniß, und event. den Muth hat, auch einer Excellenz gegenüber für die Aufrechthaltung der Gesetze zu sorgen? *) <note place="foot">*) Man sieht, wie auch der Gerechte, ein Düsseldorfer v. Mirbach, heimgesucht wird. Es ist dies aber nur die Prüfung Gottes, die ihn zu größerm Ruhm treibt, wonach ihn auch größerer Lohn erwartet Vergl. unsere Düsseldorfer Korrespondenz. A. d. R.</note>                </p>
        </div>
        <div xml:id="ar244_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>216</author></bibl> Berlin, 8. März.</head>
          <p>Es war der Antrag gestellt, daß die Portofreiheit für die Abgeordneten nicht auf das Gewicht von zwei Loth beschränkt bleibe, sondern auf alle Briefe und Drucksachen ausgedehnt werde, damit ein lebendiger Verkehr zwischen den Abgeordneten und dem Lande möglich sei. Als sich hierbei Einer auf die deutsche Nationalversammlung berief, sprang der muthvolle (?) Ritter v. Vincke, der heute überhaupt eine krautjunkerliche Flegelhaftigkeit an den Tag legte, mit der Bemerkung hervor, das Parlament zu Frankfurt habe sich nie mit solchen <hi rendition="#g">Lappalien</hi> befaßt. Diese Bemerkung wurde dahin berichtigt, daß bei der ersten Lesung der Verfassung für die deutschen Abgeordneten ausdrücklich die Portofreiheit festgestellt worden sei. Es erfolgte hierauf für den beschämten v. Vincke, der übrigens kein Schamgefühl zu besitzen scheint, der vielfache Zuruf: Sie haben sich also doch mit &#x201E;Lappalien&#x201C; befaßt. Ferner gestattete dieser Ritter heute auch einen klaren Blick auf den Boden seiner Gewissenhaftigkeit. Bei der Abstimmung über die von ihm angeregte Frage, ob eine Adresse auf die Thronrede erfolgen solle, ergab sich faktisch die Unbrauchbarkeit der Geschäftsordnung. Die Linke forderte aber die Aufrechthaltung des ihr aufgedrungenen Geschäftsreglements. Vincke und Konsorten, bestens unterstützt durch den Präsidenten Grabow, änderten nun in ihrem Interesse das Reglement unter dem Vorwande der Interpretation, obgleich in diesem Punkte keine Zweideutigkeit existirte. Als kurz darauf die Linke in einer andern Sache von dieser Auslegung auch für sich Gebrauch machen wollte, bemerkte der furchtlose (?) v. Vincke, die Geschäftsordnung dürfe nie abgeändert werden. Ein schöner, ehrlicher Mensch, dieser Ritter v. Vincke.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar244_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>216</author></bibl> Berlin, 8. März.</head>
          <p>Die Minister Brandenburg und Strotha erschienen heute in der 2. Kammer in Generalsuniform, mit den Schlachtmessern an der Seite. Die Linke wird beantragen, daß die gewaltigen Herren in Zukunft wenigstens die Mordinstrumente vor der Thüre lassen. Die Gesichter der Minister bilden der Art eigenthümliche Fratzen, daß ich denselben eine kurze Betrachtung glaube widmen zu dürfen. Die nach Oben strebende Nasenspitze des Hrn. v. Brandenburg [eine nicht vereinzelt stehende Eigenthümlichkeit der Hohenzollern] scheint zu sagen, mein Platz ist nicht hienieden in der Volkskammer. Das Antlitz des Kultusministers v. Ladenberg gleichet dem Gesichte eines Karnevalshelden am Aschermittwoch, das in seiner obern Hälfte vor Müdigkeit etwas zusammengesunken, sonst aber stark geröthet ist. Rintelen klemmt, wahrscheinlich um sich ein gewichtiges Ansehen zu geben, die Lippen fest zusammen und zieht hierbei die Mundwinkel so tief herunter, daß der Mund von Weitem ganz genau einem Eselshufeisen gleichsieht. v. Manteuffel präsentirt eine ähnliche Physiognomie. v. d. Heydt hat über der Glatze seines Scheitels in echt christlicher Zuneigung die Haare von beiden Seiten zu einer Schatten bringenden Laube zusammengefügt. Der Finanzminister Rabe ist wirklich schwarz wie ein Rabe; ob er auch die glänzenden Sachen, wie ein Rabe, bei Seite zu tragen gewohnt ist, das habe ich noch nicht erfahren können. Vielleicht kann die Frau des Ministers v. Ladenberg darüber Auskunft geben. Wir erwarten von Hrn. v. Ladenberg einen Kommentar zu Fouriers Paradoxen über die Ehe.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar244_006" type="jArticle">
          <head>Von der polnischen Gränze, 5. März.</head>
          <p>Laut kaiserl. Ukas sind alle Dikasterien und Staatsanstalten angewiesen worden, sich im Laufe des Jahres 1849 mit keinerlei Bittgesuchen um Erhöhung der Beamtengehalte oder sonstiger Geldunterstützungen an die Staatskasse zu wenden, weil das Land außerordentliche Geldbedürfnisse für die Mobilmachung der ganzen Armee nöthig habe. Wer diesem Ukas zuwider handelt, ist der härtesten Stafe ausgesetzt. Diese Anordnung ist in den gegenwärtigen Verhältnissen von großer Bedeutung, zumal ein solches Verbot seit Menschengedenken in den russischen Landen nicht vorkam, und daher deutlich zeigt, daß der Czar weit aussehende Pläne vorhat, für deren Ausführung er seine Finanzen zusammen zu halten sucht. Als eine der wichtigsten, in die nordischen Verhältnisse tief eingreifenden Maßnahmen dürfte das so eben kundgewordene Faktum zu betrachten sein, daß eine russische Escadre bereits Ordre erhalten habe, in die Ostsee auszulaufen.</p>
          <bibl>[Börs.-H.]</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar244_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 8. März.</head>
          <p>Die Motive, welche der oktroyirten Dezember-Verfassung voriges Jahr in Preußen und jetzt der k. k. östreichischen vom 4. März beigegeben wurden, sind gleich lügenhaft und heuchlerisch und nach einer Urschablone fabrizirt. Wie der preußische Staatsstreich sich hinter den lächerlichen Vorwand barg,
</p>
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[1353/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 244. Köln, Dienstag, den 13 März 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April-Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen. Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen. Zeitungen und Briefe aus Wien, Breslau und Berlin sind gestern Abend ausgeblieben. Uebersicht. Deutschland Köln. (Wien und Frankfurt). Düsseldorf. (v. Mirbach). Elberfeld. (Dito). Berlin. (v. Vincke. — Die Minister). Von der polnischen Gränze. (Die russischen Finanzen). Wien. (Das k. k. Manifest zur octroyirten Verfassung). Olmütz. (Die östreichische Verfassung). Aus Franken. (Assisen. — Ronge. — Belagerungszuständliches. — Kroatenscenen. — Die Czechen. — Reibungen zwischen Bauern und Soldaten in Unterfranken). Bruchsal. (Protest mehrerer Gefangenen). Frankfurt. (National-Versammlung). Franz. Republik. Paris. (Der Anklageakt gegen die Männer des 15. Mai. — Petitionen. — L. Bonaparte. — Vermischtes. — National-Versammlung). Bourges. (Gerichtsverhandlungen. — Erklärungen). Großbritannien. London. (Parlament. — Die östr. Note über die italischen Verhältnisse). Italien. (Römische Adresse an Frankreich. — Die Constituante. — Ministerielle Verordnungen. — Zarboni. — Scharmützel an der römisch-neapolitanischen Gränze). Rom. (Staatsdiener und Volksvertreter). Mailand. (Radetzky'sche Vermögensinquisition). Deutschland. 068 Köln, 12. März. Am 15. d. Mts. wollte der Reichstag in Kremsier an die Berathung des von der Kommission vollendeten Konstitutionsentwurf gehen. Damit war für die k. k. Standrechtsbestien der Augenblick gekommen, die längst fertig liegende Verfassung „von Gottes Gnaden“ dem Reichstage entgegenzuschleudern und der ganzen bisher geduldeten Kremsierer Volksvertretungs-Komödie ein Ende zu machen. Der ganze Octroyirungskniff wurde bereits im Sommer vorigen Jahres zwischen den gesalbten und ungesalbten Contrerevolutionärs in Schönbrunn-Wien, Potsdam-Berlin, London (wo Metternich als Kreuzspinne der heiligen Allianz im Mittelpunkt des um die zur Freiheit aufstehenden Völker langsam gesponnenen Netzes sitzt,) Paris in's Reine gebracht. Daß ihn der Potsdamer König zuerst in's Werk setzte, hing lediglich von den Umständen in Preußen ab, welche solchen Schritt früher, als in Oestreich, zuließen. Im November schleuderte das offizielle Oestreich den Paulskirchnern das blutige Haupt Robert Blum's vor die Füße. Das saubere Reichskommissarien-Zwillingspaar, Welcker-Mosle, war einige Tage zuvor von der Windischgrätzigen Antichambre und der Abfütterung in Olmütz mit so viel Schmach bedeckt zurückgekommen, daß sich jeder Andere, außer Ehren-Welcker-Mosle, lieber einige Kugeln durch den Hirnkasten gejagt, als noch irgend einem Menschen auf Erden in's Auge zu schauen gewagt hätte. Statt dessen rühmte sich dieses diplomatische Bruderpaar noch seiner Kreuz- und Querfahrten. Die Majorität der Nationalversammlung war «satisfait», war befriedigt, gleich wie die französische Kammer unter Louis Philipp auch bei den größten Niederträchtigkeiten, bei den schlagendsten Beweisen der Korruption, sich für satisfait, für befriedigt, erklärte. Mochte den Paulskirchnern immerhin das Blut des gemordeten Robert Blum in's Gesicht spritzen. Es röthete sich zwar ihre Wange, aber nicht vor Schaam oder Wuth und tiefstem Zornausbruch, sondern mit der Farbe des Behagens und der Befriedigung. Freilich wurden neue Reichskommissarien nach Oestreich gesandt. Das von ihnen erzielte Resultat war aber lediglich eine Verdoppelung des Hohns, der von jener Seite schon zuvor auf die sogenannten Nationalversammelten und das von ihnen verrathene Deutschland gehäuft worden war. „Mocht nix, 's is olles Aans!“ war und blieb der Wahlspruch auch jener Herren. Man erinnere sich, daß kurz vor den Gewaltstreichen der preußischen Regierung Bassermann, Simson und natürlich der „edle“ Herr Gagern etc. als Reichskommissarien in Berlin waren Und wiederum haben wir Reichskommissarien in Oestreich, in Olmütz, während hier, wie in Berlin, der Reichstag auseinandergejagt und dem Volk eine Verfassung „von Gottes Gnaden“ mittelst Kroaten, Sereschanern, Hukulern etc. octroyirt wird. Noch überall, wo die Volksfreiheit todtgeschlagen werden sollte, zeigen sich gleich, vorauswitternden Aasgeiern, Kommissarien der sogenannten Centralgewalt. Ihr Geruchsorgan hat sich stets bewährt. Jetzt dürfte endlich der Frankfurter Froschteich inne werden, daß die Reihe nun bald an ihn kommt. Seine Sünden werden an ihm selber heimgesucht werden. Auf der am Orte seines heillosen Wirkens zu errichtenden Denktafel wird der Wanderer lesen: „Durch eigene Schuld, durch Feigheit, Professoren-Blödsinn und chronisch gewordene Erbärmlichkeit, theils unter rachekühlendem Hohnlachen, theils unter völliger Theilnahmlosigkeit des Volks zu Grunde gegangen.“ Ein Theil jener armseligen Schächer wagt es indeß noch gegenwärtig, sich mit den aus der Fabrik zu Frankfurt hervorgegangenen „Grundrechten“ zu brüsten und sich darauf, wie auf eine Großthat, etwas einzubilden. Mit „Grundrechten“ schlugen sie sich wie die Scholastiker des Mittelalters, waschweiberredselig herum, während die „Grundgewalt“ der heiligen Allianz und ihrer Spießgesellen sich immer enormer organisirte und immer lauter und lauter über das grundrechtliche Professoren- und Philistergeschwätz hohnlächelte. Jene befestigten ihre „Grundrechte“ auf einem Wisch Papier; diese, die Herren der Contrerevolution, schrieben ihre „Grundgewalt“ auf scharfgeschliffne Schwerter, Kanonen und slavische Rothmäntel. Sobald das deutsche Volk in irgend einem Theil der germanischen Vaterländer von seinem Urgrundrechte, dem der Empörung wider feudale oder spießbürgerlich-konstitutionelle Tyrannei Gebrauch machte oder machen zu wollen schien: da sandte Frankfurt eiligst „Reichstruppen“ ab, um das Volk durch Einquartierung, Plünderung, Massakres und Militärexzesse aller Art zu züchtigen und mürbe zu machen und die Werkzeuge der Contrerevolution gut im Stande zu erhalten, das heißt, auf Kosten des Volks und seiner „Grundrechte“ gehörig auszufüttern und zu weitern Heldenthaten zu kräftigen. In solchen Fällen besaßen die Frankfurter Herren jedesmal die nöthige Gewalt, dann sie erhielten sie leihweise aus den Reihen der oben berührten „Grundgewalt“ unserer gnädigen Landesväter. Somit ist's kein Wunder, daß der Frankfurter Froschteich gegen die gesalbten Herren, wann immer sie ihre „Grundrechte“ proklamiren, ohnmächtig schweigen, machtlos zusehen muß, selbst wenn die Grundrechte der Herren „von Gottes Gnaden“ direkt wider ihn gerichtet sind. Er wird und muß daher auch ruhig zusehen, daß jetzt der östreichische Tamerlan seinen geliebten „Unterthanen“, unter denen eine erkleckliche Zahl Deutscher, von Gottes und der Sophie Gnaden 13 Grundrechte und mit diesem Coup zugleich den Frankfurter Heroen abermals eine derbe Maulschelle octrroyirt hat. Und das von Rechtswegen! 307 Düsseldorf, 10. März. Es freut mich, Ihnen einen Akt der Gerechtigkeit des Ministeriums Manteuffel mittheilen zu können. Das Ministerium scheint die gerechten Verdienste der Steuerverweigerer, und derjenigen, die sich an der Ausführung betheiligt haben, endlich anzuerkennen. Der Regierungsrath, Justiziarius etc. Frhr. v. Mirbach Hoch und Wohlgeboren, ist der Glückliche, den zuerst in dieser Zeit der Finsterniß ein Sonnenstrahl beglückt, und der sich dieser Gunst zu erfreuen hat. Lächeln Sie nicht, denn die Sache hat ihre Richtigkeit und verhält sich folgendermaßen. Am 13. November v. J. als der Polizei-Inspektor Zeller sich weigerte, starke Hand bei gewaltsamer Wegnahme von für Staatssteuern gepfändeten Mobilien zu leisten, und diese Erklärung der Regierung übersandte, verfügte diese Behörde in Anerkennung der Richtigkeit der in jener Erklärung angeführten Thatsachen: daß in den nächsten acht Tagen keinerlei Steuern zwangsweise eingetrieben werden sollen. Freilich wurde gegen den etc. Zeller wegen Ungehorsam und später gegen sechs Regierungsräthe wegen versuchter Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses die Untersuchung eingeleitet. Anders verhält es sich mit den Mitgliedern, welche vorstehende Verfügung erlassen und des Hrn. v. Mirbach, der dieselbe geschrieben hat. Denn Herr v. Mirbach wird für die wirkliche Betheiligung an der Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses, zur Trauer der ganzen Stadt, deren Bewohner denselben so innig lieben, als Abtheilungsdirigent nach Aachen dem Exminister Kühlwetter, seinem guten Freunde, auf die Nase gesetzt. 35 Elberfeld, 9. März. Sie haben in Ihrem Blatte bereits der Bestallung des hiesigen Advokaten Hurter zum Direktor und k. Kommissar der bergisch-märkischen Eisenbahn erwähnt. Die Umstände dieser Bestallung verdienen eine größere Publizität, um so mehr, als daraus erhellet, daß es dem Hrn. Handelsminister selbst auf eine Gesetzesverletzung nicht ankommt, wenn treue Dienste zu belohnen sind. Königl. Kommissar bei der bergisch-märkischen und Steele-Vohwinkeler Eisenbahn war seit vier Jahren der in Düsseldorf wohnende Regierungsrath v. Mirbach, welcher für diese doppelte Stelle, die ihn verpflichtete, mindestens einmal in einer Woche einen Tag in Elberfeld und einen in Langenberg zuzubringen, im Ganzen 300 Thlr. bezog. Mirbach war stets entschieden der v. d. Heydt'schen Anmaßung bei der Verwaltung der bergisch-märkischen Eisenbahn entgegengetreten, und hatte namentlich durch seine Stimmen den Pylades des Hrn. A. v. d. Heydt, A. Weyer, als Mitglied des Verwaltungsrathes durchfallen lassen. Mirbach wurde ohne irgend einen Grund seiner Stelle enthoben, und Hurter, der hier wohnt, mit 500 Thlr. angestellt. Diese verdient er damit, daß er wöchentlich einen Vormittag einer Sitzung der Direktion beiwohnt. Der Vormittag trägt ihm also 10 Thlr. ein! Für die Steele-Vohwinkeler Bahn wurde das Universalgenie v. Moeller als Kommissar bestellt, dieser unglückliche Märtyrer, der jetzt für die 1001 Stelle, die er verwaltet, mit seinen Diäten als Abgeordneter über 7000 Thlr. Gehalt bezieht. Sie sehen, wie sparsam der Herr Minister für Handel ist! Hurter ist Advokat am hiesigen Landgericht. Nun sagt aber der Art. 18 des kaiserl. Dekrets vom 14. September 1810: „Die Advokatenprofession ist unvereinbar 1) mit den besoldeten Anstellungen. Hr. v. d. Heydt weiß dies recht wohl, noch besser Hurter, aber sie ignoriren es, oder glaubt der vorzugsweise konstitutionelle Hr. Handelsminister die Macht zu haben, Gesetze aufzuheben? Wir fragen deshalb den Generalprokurator, ob er von obigem Verhältniß Kenntniß, und event. den Muth hat, auch einer Excellenz gegenüber für die Aufrechthaltung der Gesetze zu sorgen? *) 216 Berlin, 8. März. Es war der Antrag gestellt, daß die Portofreiheit für die Abgeordneten nicht auf das Gewicht von zwei Loth beschränkt bleibe, sondern auf alle Briefe und Drucksachen ausgedehnt werde, damit ein lebendiger Verkehr zwischen den Abgeordneten und dem Lande möglich sei. Als sich hierbei Einer auf die deutsche Nationalversammlung berief, sprang der muthvolle (?) Ritter v. Vincke, der heute überhaupt eine krautjunkerliche Flegelhaftigkeit an den Tag legte, mit der Bemerkung hervor, das Parlament zu Frankfurt habe sich nie mit solchen Lappalien befaßt. Diese Bemerkung wurde dahin berichtigt, daß bei der ersten Lesung der Verfassung für die deutschen Abgeordneten ausdrücklich die Portofreiheit festgestellt worden sei. Es erfolgte hierauf für den beschämten v. Vincke, der übrigens kein Schamgefühl zu besitzen scheint, der vielfache Zuruf: Sie haben sich also doch mit „Lappalien“ befaßt. Ferner gestattete dieser Ritter heute auch einen klaren Blick auf den Boden seiner Gewissenhaftigkeit. Bei der Abstimmung über die von ihm angeregte Frage, ob eine Adresse auf die Thronrede erfolgen solle, ergab sich faktisch die Unbrauchbarkeit der Geschäftsordnung. Die Linke forderte aber die Aufrechthaltung des ihr aufgedrungenen Geschäftsreglements. Vincke und Konsorten, bestens unterstützt durch den Präsidenten Grabow, änderten nun in ihrem Interesse das Reglement unter dem Vorwande der Interpretation, obgleich in diesem Punkte keine Zweideutigkeit existirte. Als kurz darauf die Linke in einer andern Sache von dieser Auslegung auch für sich Gebrauch machen wollte, bemerkte der furchtlose (?) v. Vincke, die Geschäftsordnung dürfe nie abgeändert werden. Ein schöner, ehrlicher Mensch, dieser Ritter v. Vincke. 216 Berlin, 8. März. Die Minister Brandenburg und Strotha erschienen heute in der 2. Kammer in Generalsuniform, mit den Schlachtmessern an der Seite. Die Linke wird beantragen, daß die gewaltigen Herren in Zukunft wenigstens die Mordinstrumente vor der Thüre lassen. Die Gesichter der Minister bilden der Art eigenthümliche Fratzen, daß ich denselben eine kurze Betrachtung glaube widmen zu dürfen. Die nach Oben strebende Nasenspitze des Hrn. v. Brandenburg [eine nicht vereinzelt stehende Eigenthümlichkeit der Hohenzollern] scheint zu sagen, mein Platz ist nicht hienieden in der Volkskammer. Das Antlitz des Kultusministers v. Ladenberg gleichet dem Gesichte eines Karnevalshelden am Aschermittwoch, das in seiner obern Hälfte vor Müdigkeit etwas zusammengesunken, sonst aber stark geröthet ist. Rintelen klemmt, wahrscheinlich um sich ein gewichtiges Ansehen zu geben, die Lippen fest zusammen und zieht hierbei die Mundwinkel so tief herunter, daß der Mund von Weitem ganz genau einem Eselshufeisen gleichsieht. v. Manteuffel präsentirt eine ähnliche Physiognomie. v. d. Heydt hat über der Glatze seines Scheitels in echt christlicher Zuneigung die Haare von beiden Seiten zu einer Schatten bringenden Laube zusammengefügt. Der Finanzminister Rabe ist wirklich schwarz wie ein Rabe; ob er auch die glänzenden Sachen, wie ein Rabe, bei Seite zu tragen gewohnt ist, das habe ich noch nicht erfahren können. Vielleicht kann die Frau des Ministers v. Ladenberg darüber Auskunft geben. Wir erwarten von Hrn. v. Ladenberg einen Kommentar zu Fouriers Paradoxen über die Ehe. Von der polnischen Gränze, 5. März. Laut kaiserl. Ukas sind alle Dikasterien und Staatsanstalten angewiesen worden, sich im Laufe des Jahres 1849 mit keinerlei Bittgesuchen um Erhöhung der Beamtengehalte oder sonstiger Geldunterstützungen an die Staatskasse zu wenden, weil das Land außerordentliche Geldbedürfnisse für die Mobilmachung der ganzen Armee nöthig habe. Wer diesem Ukas zuwider handelt, ist der härtesten Stafe ausgesetzt. Diese Anordnung ist in den gegenwärtigen Verhältnissen von großer Bedeutung, zumal ein solches Verbot seit Menschengedenken in den russischen Landen nicht vorkam, und daher deutlich zeigt, daß der Czar weit aussehende Pläne vorhat, für deren Ausführung er seine Finanzen zusammen zu halten sucht. Als eine der wichtigsten, in die nordischen Verhältnisse tief eingreifenden Maßnahmen dürfte das so eben kundgewordene Faktum zu betrachten sein, daß eine russische Escadre bereits Ordre erhalten habe, in die Ostsee auszulaufen. [Börs.-H.] * Wien, 8. März. Die Motive, welche der oktroyirten Dezember-Verfassung voriges Jahr in Preußen und jetzt der k. k. östreichischen vom 4. März beigegeben wurden, sind gleich lügenhaft und heuchlerisch und nach einer Urschablone fabrizirt. Wie der preußische Staatsstreich sich hinter den lächerlichen Vorwand barg, *) Man sieht, wie auch der Gerechte, ein Düsseldorfer v. Mirbach, heimgesucht wird. Es ist dies aber nur die Prüfung Gottes, die ihn zu größerm Ruhm treibt, wonach ihn auch größerer Lohn erwartet Vergl. unsere Düsseldorfer Korrespondenz. A. d. R.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 244. Köln, 13. März 1849, S. 1353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz244_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.