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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 252. Köln, 22. März 1849.

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die Tuilerien, so hatte die Grisette den Boulevard des Italien's erobert.

Da war Heulen und Zähneklappen in den Bureaus des Corsaire, und einstimmig beschloß die Redaktion, sich mit Todesverachtung der Contrerevolution in die Arme zu werfen. Der lasterhafte Corsaire that Buße. Die verlockenden Boudoirscenen verschwanden. Die Historiographen der galanten Abenteuer der jeunesse doree begeisterten sich plötzlich für Moral, Tugend und Familienglück, und richteten die ganze Entrüstung, deren ihr sittliches Gefühl fähig war, gegen die verderblichen Lehren der Sozialisten von der Ehe. Sie, die bisher durch allerlei oft ganz hübsch angelegte Spekulatiönchen den Champagner zu ihrem Dessert verdienen mußten, erhoben plötzlich ihre Stimmen für die Heiligkeit des Eigenthums gegenüber den sozialistischen "Räubern." Allerdings, die Schilderungen Fouriers aus dem ehelichen Leben sind noch viel ergötzlicher, als die pikantesten Loretten-Anekdoten des Corsaire, und mit den von demselben Fourier enthüllten alltäglichen Prellereien im Handel und Wandel können weder die im Corsaire geschilderten Börsencoups, noch die, von seinen Redakteuren selbst ausgeübten Geniestreiche konkurriren.

Mit einem Wort: der Corsaire wurde honett, und das war sein Untergang. Er mag jetzt mehr Abonnenten haben, aber er hat weniger Leser. Das thut aber Alles nichts; seine Redakteure, früher manchmal arme Schlucker, gehen jetzt seiner gekleidet, haben mehr Fonds, trinken mehr Champagner, und wo sie früher Eine junge Lorette hatten, haben sie jetzt zehn bejahrte Bourgeoisfrauen.

Ob auch bei der Redaktion der Neuen Preußischen Zeitung soviel herauskommt, ist ziemlich fraglich.

Die Neue Preußische Zeitung nun ist die Berliner Abspiegelung des Pariser Corsaire. In ihrer ersten Epoche, als der Bummler noch vorherrschte, war sie von Anfang bis zu Ende Skandalchronik, und man sah ihr an, wie sehr der "Ernst der Ereignisse" und die vorgebundene Maske der sittlichen Entrüstung diesen im Grunde ihres Herzens äußerst gutmüthigen Leuten zuwider war. Ihr Haß gegen die Revolution kam eigentlich bloß daher, weil die Revolution sie in der Bummelei gestört und auf das ennuyante Gebiet der Politik geschleudert hatte. Ihre Hingebung für das Haus Hohenzollern beschränkte sich auf die Gewöhnung an die interessirten Loyalitäts- und Contrerevolutionsphrasen, die die ganze Unterhaltung ausmachten in den Geheimrathsthees und in den Hungerfestins uckermärkischer Don Ranudo de Colibrados, in die sie sich hineingebummelt hatten. Natürlich! wer sollte nicht ein guter Preuße werden, wenn er wöchentlich mehrere Abende in Gesellschaften zubringt, wo zwanzig bis dreißig der edelsten Sprossen preußischer Ritterschaft sich an Einer kleinen Schüssel Häringsalat und Einer Flasche schlechten Moselweins laben!

Aber die hohen Protektoren des Blättchens scheinen allmählig mit dieser liederlichen Manier, gegen die Revolution loszuziehen, unzufrieden geworden zu sein. Der Ernst der Ereignisse, der die Geldbeutel der Herren Rittergutsbesitzer und die Existenz des Throns mehr und mehr bedrohte, machte sich täglich fühlbarer. Die Chefs der uckermärkischen Grandezza sind Familienväter und verstanden als solche auch nicht viel Spaß. Kurz, das Blättchen erfuhr selbst eine Revolution.

Die berlinische frivolkokettirende Renommage, die Anflüge verbummelter Flegelei verschwanden allmälig aus dem Gros der Zeitung und zogen sich ein für allemal ins Feuilleton zurück. Das Corpus des Blättchens wurde gewiegten, zuverlässigen christlich-germanischen Männern überantwortet, einem V. A. Huber (Ex-Janus), einem Stahl u. s. w., namentlich aber einem oder mehreren Consistorialräthen der evangelischen preußischen Ex-Landeskirche.

Diese Consistorialräthe haben sich mit einem wahrhaft gottseligen Eifer ans Werk gesetzt. Die würdigen Männer trugen schon lange so Manches auf dem Herzen, was sie in dieser schweren Trübsal, wo die Proletarier und andere Kinder der Finsterniß ihr Wesen trieben, in sich verschließen mußten. Sie waren stille und klein geworden und es schien fast als sei Zion zerstöret, und die Burg des Allerhöchsten von der Erde verschwunden. Da aber kam der Erzengel Michael im goldenen Helm und frisirten Schnurrbart, der Löwe Wrangel, und befreite die gedrückten Ex-Landeskirchner. Jetzt, als die Kinder der Finsterniß in ihre Höhlen zurückverjagt, die "Gnade Gottes" aus der Bedrängniß gerettet und der theure Mann Gottes Ladenberg, Kultusminister und Pabst der evangelischen Landeskirche geworden war, jetzt traten die großen Prediger des Wortes aus ihren Schlupfwinkeln wieder hervor und predigten, daß den Gottlosen die Ohren gellten.

Noch mehr. Wo ist der Kandidat der Theologie, der nicht bei der Lektüre des alten Testaments die alten Propheten beneidet hat, wenn sie kühn vor die Könige in Juda hintraten und ihnen im Namen des Allerhöchsten ihre Sünden vorhielten! Welch ein Abstand von dem gedrückten, pauvren, seit acht Jahren verlobten, und noch immer nicht angestellten Kandidaten der pauvren preußischen Landeskirche bis zu dem stolzen Propheten Jesaiah, der einen König Hiskiah mit dem Untergange bedroht, wenn er sich nicht bessert! Welch ein Unterschied zwischen dem Predigtamtskandidaten, der kaum bei seinen Jungen in der Kinderlehre Respekt hat, und dem Propheten, der über die himmlischen Heerschaaren kommandiren kann!

Die preußischen Theologen hatten immer das Unglück, unter so gottesfürchtigen Landesvätern zu stehen, daß sie nie Gelegenheit fanden, ihnen als bußepredigende Propheten mit dem Strafgericht des göttlichen Zorns zu drohen, und dadurch ihren Muth als Repräsentanten des Himmels gegenüber den Gewaltigen der Erde zu beweisen. Jetzt aber, als den Berliner Consistorialräthen die leitenden Artikel der Neuen Preußischen Zeitung überwiesen wurden, jetzt bot sich ihnen die langersehnte Gelegenheit, an dem Könige je nach Belieben zum Jesaias, Ezechiel oder Habakuk zu

[Deutschland]

[Fortsetzung] müssen wir bei der nächsten Gelegenheit zurückhaben:" das ist der nunmehr im schlesischen Landvolke umherwandelnde Gedanke, das ist die Forderung, die bereits in Tausenden von Dörfern laut ausgesprochen wird.

Das mehr und mehr sich ausbreitende Bewußtsein, daß wenn überhaupt von Entschädigung wegen der Feudallasten die Rede sein soll, die Bauern für den an ihnen begangenen ritterschaftlichen Raub entschädigt werden müssen: das ist eine "Errungenschaft," die bald ihre Früchte tragen wird. Sie läßt sich durch keinerlei Octroyirungskünste umstoßen. Die nächste Revolution wird ihr zur praktischen Geltung verhelfen, und die schlesischen Bauern werden dann wahrscheinlich ein Entschädigungsgesetz auszuarbeiten wissen, durch das nicht blos das geraubte Kapital, sondern auch die "landesüblichen" Interessen den Rückweg in die Taschen des Volkes finden.

* Köln, 21. März.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
102 Trier, 19. März.

Gestern feierten die hiesigen Demokraten die Erinnerung an den 18. und 19. März vorigen Jahres durch ein Bankett im Kufs'schen Saale, der die herbeigeströmte Menge nicht zu fassen vermochte; auch Damen betheiligten sich beim Feste.

Heute fand für die Berliner Gefallenen ein großes Oratorium Statt. Ein unübersehbarer Zug mit Trauerfahnen, Gesang u. s. w. bewegte sich nach der Mathiaskirche; die Glocken läuteten das Grabgeläute -- für die schon ungeboren begrabene Freiheit. -- Der 19. März ist übrigens auch ein Erinnerungstag für die Trierer. An ihm protestirten voriges Jahr die Bürger gegen den Abmarsch eines Bataillons vom 30. Regimente (Leute aus hiesiger Gegend), an dessen Stelle man uns mit einer Anzahl 26r beglücken wollte. Da vollbrachte denn "Mein herrliches Kriegsheer" die glänzende Waffenthat, einen wehrlosen Menschen ohne alle Veranlassung zu erschießen. Der in Folge der Untersuchung ermittelte Mörder, ein Unteroffizier aus Pommern, ward zur Strafe -- einfach -- versetzt und soll, wie man erzählt, kurz nachher zum Königl. Preuß. Feldwebel avancirt sein.

Unsere Heulerclique bot alles Mögliche auf, heute einen Krawall zu provociren, um Herrn Manteuffel einen neuen Beleg für die Nothwendigkeit seiner schmählichen Gesetzesvorlagen, bezüglich des Versammlungsrechtes, an die Hand zu liefern.

Die Kreaturen dieser Sippschaft verbreiteten seit einigen Tagen das Gerücht von einem neuen siegreichen Aufstande des Volkes in Berlin. Allein das Volk hier merkte die plumpe Falle und Alles verlief ohne Störung zum größten Aerger "der Gutgesinnten." Zur Entschädigung werden sie, wie bei Gelegenheit der Oktroyirten eine Dank-, so diesmal eine Zustimmungsadresse für die neuesten berüchtigten Gesetzesvorlagen an Manteuffel vom Stapel laufen lassen.

068 Berlin, 19. März.

Der von der Regierung gefürchtete Tag, ist ruhig vorübergegangen.

Um 4 Uhr gestern Nachmittags, wurde das Landsberger Thor nach dem Friedrichshain geschlossen. Eine Maßregel ganz geeignet den Unwillen zum offenen Widerstande aufzureigen. Nicht ohne Zusammenhang mit dieser Intention der Regierung steht das Benehmen eines Mannes von sehr zweifelhaftem politischen Rufe, des Stallmeisters Thomson, desselben Mannes, der am 16. Oktbr. darauf antrug, das Militär in die Stadt zu rufen, weil die Bürgerwehr die Barrikaden nicht nehmen könne oder nicht nehmen wolle. Dieserselbe erregte auf dem Alexanderplatz durch seinen eigenthümlichen Habitus mit einem grünen Lorbeerkranz um den Hut, zu Pferde, die Aufmerksamkeit der Menge. Er setzte sich nun an die Spitze derselben und wie eine Lawine schwoll der Zug an, der sich unter seiner Anführung bis zum Döhnhofsplatz bewegte, wo Thomson durch Konstabler vom Pferde gerissen und nebst seinem Pferde festgenommen wurde.

Im ganzen Laufe des Spätnachmittags und des Abends zeigte sich die Erbitterung des Volkes gegen die Konstabler. An vielen Stellen der Stadt wurden sie angegriffen, mehrere von ihnen ernstlich verwundet und zwei sogar getödtet. Dagegen sind aus dem Volke nur wenige und leicht verwundet. Es wurden aber 130 ungefähr verhaftet und in die Stadtvoigtei gebracht. In der Landesbergerstraße, welche mit Militär angefüllt war, machte man sogar den Versuch sich durch eine Barrikade gegen weitere Angriffe zu schützen.So wogte das Volk bis in die Nacht aufgeregt in den Straßen. Um Mitternacht etwa wurde noch in der Weberstraße die Konstablerwache gestürmt, sämmtliche darin befindlichen Mäntel zerrissen und unter die Anwesenden als Andenken vertheilt.

Während nun das Volk auf den Straßen durch diese verschiedenen sog. Excesse seinen Gefühlen Luft zu machen sucht, wurde der Jahrestag der Erhebung in vielen Localen durch Festmale und Reden gefeiert. Abg. Waldeck sprach im Maschinenbauerverein; im Handwerkerverein war ebenfalls eine festliche Gedenkfeier für ihre gefallenen Brüder.

Schon am Vormittag waren etwa hundert Studenten in feierlichem Zuge mit Trauerfloren und breiten schwarz-roth-goldnen Bändern geschmückt, hinaus gezogen nach dem Friedrichshain um auch ihren Commilitonen, welche vorm Jahr fielen, trotz Belagerungszustand und Konstablerherrschaft ein Zeichen der Erinnerung und Achtung zu geben. Selbst die rohe Gewalt Hinkeldeys und Konsorten scheuete sich dem entgegen zu treten.

Im Kafe de l'Europe fand großes Festmal statt. Von einem Abgeordneten wurde der Rache für diese Feier ein Hoch gebracht.

Bei Jaroschewitz versammelten sich die demokratischen jungen Kaufleute.

Nach Frankfurt a/O. waren von hier aus mehrere Abgeordnete abgereist. Ein feierlicher Gottesdienst wurde unter freiem Himmel abgehalten, bei dem der deutsch-katholische Prediger die Festrede hielt, die Innungen der Fleischer und Schneider waren bei dem Zuge mit rothen umflorten Binden erschienen.

Der Abg. Bodelschwingh giebt alle Morgen von 6 bis 8 Uhr Audienz. Trotz dieser frühen Stunde wird er von Client-Bittstellern so überlaufen, daß es ihm nie möglich ist alle anzuhören. So neigt man sich der aufgehenden Sonne zu.

Der "Publicist" erzählt, daß der Feuilletonist der Neuen Preußischen Zeitung, H. Gödsche, sich vor dem Untersuchungsrichter als Verfasser der "Enthüllungen" des Vereins zur Wahrung der Interessen in den Provinzen, erklärt habe. Die "Enthüllungen" sind, weil sie verbrecherische Handlungen behaupten, in Beziehung auf die darin namhaft gemachten Personen, zum Gegenstande gerichtlicher Verfolgungen gemacht worden. Hr. Gödsche soll Beweismittel beibringen wollen, um die Wahrheit seiner Behauptungen darzulegen.

Der Staatsanwalt hat vor acht Tagen, nach beendeter Voruntersuchung gegen die Mitglieder der aufgelösten Nat. Vers., welche den Steuerverweigerungsbeschluß auszuführen versucht haben, die Versetzung von neun Abgeordneten in den Anklagezustand wegen Hochverraths durch Anmaßung eines Hoheitsrechts beantragt, ist aber, wie der "Publiicst" meldet, von der Anklagekammer des Kammergerichts, bestehend aus den R. G. Räthen Striethorst, Heine und dem K. G. Assessor Oppenheim, zurückgewiesen worden. Die Gründe dieses Beschlusses sollen aussprechen, daß die Mitglieder der Nat. Vers., in dem guten Glauben gehandelt hätten, sie seien im Rechte, und daß sie für ihre Handlungen nur ihrem

die Tuilerien, so hatte die Grisette den Boulevard des Italien's erobert.

Da war Heulen und Zähneklappen in den Bureaus des Corsaire, und einstimmig beschloß die Redaktion, sich mit Todesverachtung der Contrerevolution in die Arme zu werfen. Der lasterhafte Corsaire that Buße. Die verlockenden Boudoirscenen verschwanden. Die Historiographen der galanten Abenteuer der jeunesse dorée begeisterten sich plötzlich für Moral, Tugend und Familienglück, und richteten die ganze Entrüstung, deren ihr sittliches Gefühl fähig war, gegen die verderblichen Lehren der Sozialisten von der Ehe. Sie, die bisher durch allerlei oft ganz hübsch angelegte Spekulatiönchen den Champagner zu ihrem Dessert verdienen mußten, erhoben plötzlich ihre Stimmen für die Heiligkeit des Eigenthums gegenüber den sozialistischen „Räubern.“ Allerdings, die Schilderungen Fouriers aus dem ehelichen Leben sind noch viel ergötzlicher, als die pikantesten Loretten-Anekdoten des Corsaire, und mit den von demselben Fourier enthüllten alltäglichen Prellereien im Handel und Wandel können weder die im Corsaire geschilderten Börsencoups, noch die, von seinen Redakteuren selbst ausgeübten Geniestreiche konkurriren.

Mit einem Wort: der Corsaire wurde honett, und das war sein Untergang. Er mag jetzt mehr Abonnenten haben, aber er hat weniger Leser. Das thut aber Alles nichts; seine Redakteure, früher manchmal arme Schlucker, gehen jetzt seiner gekleidet, haben mehr Fonds, trinken mehr Champagner, und wo sie früher Eine junge Lorette hatten, haben sie jetzt zehn bejahrte Bourgeoisfrauen.

Ob auch bei der Redaktion der Neuen Preußischen Zeitung soviel herauskommt, ist ziemlich fraglich.

Die Neue Preußische Zeitung nun ist die Berliner Abspiegelung des Pariser Corsaire. In ihrer ersten Epoche, als der Bummler noch vorherrschte, war sie von Anfang bis zu Ende Skandalchronik, und man sah ihr an, wie sehr der „Ernst der Ereignisse“ und die vorgebundene Maske der sittlichen Entrüstung diesen im Grunde ihres Herzens äußerst gutmüthigen Leuten zuwider war. Ihr Haß gegen die Revolution kam eigentlich bloß daher, weil die Revolution sie in der Bummelei gestört und auf das ennuyante Gebiet der Politik geschleudert hatte. Ihre Hingebung für das Haus Hohenzollern beschränkte sich auf die Gewöhnung an die interessirten Loyalitäts- und Contrerevolutionsphrasen, die die ganze Unterhaltung ausmachten in den Geheimrathsthees und in den Hungerfestins uckermärkischer Don Ranudo de Colibrados, in die sie sich hineingebummelt hatten. Natürlich! wer sollte nicht ein guter Preuße werden, wenn er wöchentlich mehrere Abende in Gesellschaften zubringt, wo zwanzig bis dreißig der edelsten Sprossen preußischer Ritterschaft sich an Einer kleinen Schüssel Häringsalat und Einer Flasche schlechten Moselweins laben!

Aber die hohen Protektoren des Blättchens scheinen allmählig mit dieser liederlichen Manier, gegen die Revolution loszuziehen, unzufrieden geworden zu sein. Der Ernst der Ereignisse, der die Geldbeutel der Herren Rittergutsbesitzer und die Existenz des Throns mehr und mehr bedrohte, machte sich täglich fühlbarer. Die Chefs der uckermärkischen Grandezza sind Familienväter und verstanden als solche auch nicht viel Spaß. Kurz, das Blättchen erfuhr selbst eine Revolution.

Die berlinische frivolkokettirende Renommage, die Anflüge verbummelter Flegelei verschwanden allmälig aus dem Gros der Zeitung und zogen sich ein für allemal ins Feuilleton zurück. Das Corpus des Blättchens wurde gewiegten, zuverlässigen christlich-germanischen Männern überantwortet, einem V. A. Huber (Ex-Janus), einem Stahl u. s. w., namentlich aber einem oder mehreren Consistorialräthen der evangelischen preußischen Ex-Landeskirche.

Diese Consistorialräthe haben sich mit einem wahrhaft gottseligen Eifer ans Werk gesetzt. Die würdigen Männer trugen schon lange so Manches auf dem Herzen, was sie in dieser schweren Trübsal, wo die Proletarier und andere Kinder der Finsterniß ihr Wesen trieben, in sich verschließen mußten. Sie waren stille und klein geworden und es schien fast als sei Zion zerstöret, und die Burg des Allerhöchsten von der Erde verschwunden. Da aber kam der Erzengel Michael im goldenen Helm und frisirten Schnurrbart, der Löwe Wrangel, und befreite die gedrückten Ex-Landeskirchner. Jetzt, als die Kinder der Finsterniß in ihre Höhlen zurückverjagt, die „Gnade Gottes“ aus der Bedrängniß gerettet und der theure Mann Gottes Ladenberg, Kultusminister und Pabst der evangelischen Landeskirche geworden war, jetzt traten die großen Prediger des Wortes aus ihren Schlupfwinkeln wieder hervor und predigten, daß den Gottlosen die Ohren gellten.

Noch mehr. Wo ist der Kandidat der Theologie, der nicht bei der Lektüre des alten Testaments die alten Propheten beneidet hat, wenn sie kühn vor die Könige in Juda hintraten und ihnen im Namen des Allerhöchsten ihre Sünden vorhielten! Welch ein Abstand von dem gedrückten, pauvren, seit acht Jahren verlobten, und noch immer nicht angestellten Kandidaten der pauvren preußischen Landeskirche bis zu dem stolzen Propheten Jesaiah, der einen König Hiskiah mit dem Untergange bedroht, wenn er sich nicht bessert! Welch ein Unterschied zwischen dem Predigtamtskandidaten, der kaum bei seinen Jungen in der Kinderlehre Respekt hat, und dem Propheten, der über die himmlischen Heerschaaren kommandiren kann!

Die preußischen Theologen hatten immer das Unglück, unter so gottesfürchtigen Landesvätern zu stehen, daß sie nie Gelegenheit fanden, ihnen als bußepredigende Propheten mit dem Strafgericht des göttlichen Zorns zu drohen, und dadurch ihren Muth als Repräsentanten des Himmels gegenüber den Gewaltigen der Erde zu beweisen. Jetzt aber, als den Berliner Consistorialräthen die leitenden Artikel der Neuen Preußischen Zeitung überwiesen wurden, jetzt bot sich ihnen die langersehnte Gelegenheit, an dem Könige je nach Belieben zum Jesaias, Ezechiel oder Habakuk zu

[Deutschland]

[Fortsetzung] müssen wir bei der nächsten Gelegenheit zurückhaben:“ das ist der nunmehr im schlesischen Landvolke umherwandelnde Gedanke, das ist die Forderung, die bereits in Tausenden von Dörfern laut ausgesprochen wird.

Das mehr und mehr sich ausbreitende Bewußtsein, daß wenn überhaupt von Entschädigung wegen der Feudallasten die Rede sein soll, die Bauern für den an ihnen begangenen ritterschaftlichen Raub entschädigt werden müssen: das ist eine „Errungenschaft,“ die bald ihre Früchte tragen wird. Sie läßt sich durch keinerlei Octroyirungskünste umstoßen. Die nächste Revolution wird ihr zur praktischen Geltung verhelfen, und die schlesischen Bauern werden dann wahrscheinlich ein Entschädigungsgesetz auszuarbeiten wissen, durch das nicht blos das geraubte Kapital, sondern auch die „landesüblichen“ Interessen den Rückweg in die Taschen des Volkes finden.

* Köln, 21. März.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
102 Trier, 19. März.

Gestern feierten die hiesigen Demokraten die Erinnerung an den 18. und 19. März vorigen Jahres durch ein Bankett im Kufs'schen Saale, der die herbeigeströmte Menge nicht zu fassen vermochte; auch Damen betheiligten sich beim Feste.

Heute fand für die Berliner Gefallenen ein großes Oratorium Statt. Ein unübersehbarer Zug mit Trauerfahnen, Gesang u. s. w. bewegte sich nach der Mathiaskirche; die Glocken läuteten das Grabgeläute — für die schon ungeboren begrabene Freiheit. — Der 19. März ist übrigens auch ein Erinnerungstag für die Trierer. An ihm protestirten voriges Jahr die Bürger gegen den Abmarsch eines Bataillons vom 30. Regimente (Leute aus hiesiger Gegend), an dessen Stelle man uns mit einer Anzahl 26r beglücken wollte. Da vollbrachte denn „Mein herrliches Kriegsheer“ die glänzende Waffenthat, einen wehrlosen Menschen ohne alle Veranlassung zu erschießen. Der in Folge der Untersuchung ermittelte Mörder, ein Unteroffizier aus Pommern, ward zur Strafe — einfach — versetzt und soll, wie man erzählt, kurz nachher zum Königl. Preuß. Feldwebel avancirt sein.

Unsere Heulerclique bot alles Mögliche auf, heute einen Krawall zu provociren, um Herrn Manteuffel einen neuen Beleg für die Nothwendigkeit seiner schmählichen Gesetzesvorlagen, bezüglich des Versammlungsrechtes, an die Hand zu liefern.

Die Kreaturen dieser Sippschaft verbreiteten seit einigen Tagen das Gerücht von einem neuen siegreichen Aufstande des Volkes in Berlin. Allein das Volk hier merkte die plumpe Falle und Alles verlief ohne Störung zum größten Aerger „der Gutgesinnten.“ Zur Entschädigung werden sie, wie bei Gelegenheit der Oktroyirten eine Dank-, so diesmal eine Zustimmungsadresse für die neuesten berüchtigten Gesetzesvorlagen an Manteuffel vom Stapel laufen lassen.

068 Berlin, 19. März.

Der von der Regierung gefürchtete Tag, ist ruhig vorübergegangen.

Um 4 Uhr gestern Nachmittags, wurde das Landsberger Thor nach dem Friedrichshain geschlossen. Eine Maßregel ganz geeignet den Unwillen zum offenen Widerstande aufzureigen. Nicht ohne Zusammenhang mit dieser Intention der Regierung steht das Benehmen eines Mannes von sehr zweifelhaftem politischen Rufe, des Stallmeisters Thomson, desselben Mannes, der am 16. Oktbr. darauf antrug, das Militär in die Stadt zu rufen, weil die Bürgerwehr die Barrikaden nicht nehmen könne oder nicht nehmen wolle. Dieserselbe erregte auf dem Alexanderplatz durch seinen eigenthümlichen Habitus mit einem grünen Lorbeerkranz um den Hut, zu Pferde, die Aufmerksamkeit der Menge. Er setzte sich nun an die Spitze derselben und wie eine Lawine schwoll der Zug an, der sich unter seiner Anführung bis zum Döhnhofsplatz bewegte, wo Thomson durch Konstabler vom Pferde gerissen und nebst seinem Pferde festgenommen wurde.

Im ganzen Laufe des Spätnachmittags und des Abends zeigte sich die Erbitterung des Volkes gegen die Konstabler. An vielen Stellen der Stadt wurden sie angegriffen, mehrere von ihnen ernstlich verwundet und zwei sogar getödtet. Dagegen sind aus dem Volke nur wenige und leicht verwundet. Es wurden aber 130 ungefähr verhaftet und in die Stadtvoigtei gebracht. In der Landesbergerstraße, welche mit Militär angefüllt war, machte man sogar den Versuch sich durch eine Barrikade gegen weitere Angriffe zu schützen.So wogte das Volk bis in die Nacht aufgeregt in den Straßen. Um Mitternacht etwa wurde noch in der Weberstraße die Konstablerwache gestürmt, sämmtliche darin befindlichen Mäntel zerrissen und unter die Anwesenden als Andenken vertheilt.

Während nun das Volk auf den Straßen durch diese verschiedenen sog. Excesse seinen Gefühlen Luft zu machen sucht, wurde der Jahrestag der Erhebung in vielen Localen durch Festmale und Reden gefeiert. Abg. Waldeck sprach im Maschinenbauerverein; im Handwerkerverein war ebenfalls eine festliche Gedenkfeier für ihre gefallenen Brüder.

Schon am Vormittag waren etwa hundert Studenten in feierlichem Zuge mit Trauerfloren und breiten schwarz-roth-goldnen Bändern geschmückt, hinaus gezogen nach dem Friedrichshain um auch ihren Commilitonen, welche vorm Jahr fielen, trotz Belagerungszustand und Konstablerherrschaft ein Zeichen der Erinnerung und Achtung zu geben. Selbst die rohe Gewalt Hinkeldeys und Konsorten scheuete sich dem entgegen zu treten.

Im Kafé de l'Europe fand großes Festmal statt. Von einem Abgeordneten wurde der Rache für diese Feier ein Hoch gebracht.

Bei Jaroschewitz versammelten sich die demokratischen jungen Kaufleute.

Nach Frankfurt a/O. waren von hier aus mehrere Abgeordnete abgereist. Ein feierlicher Gottesdienst wurde unter freiem Himmel abgehalten, bei dem der deutsch-katholische Prediger die Festrede hielt, die Innungen der Fleischer und Schneider waren bei dem Zuge mit rothen umflorten Binden erschienen.

Der Abg. Bodelschwingh giebt alle Morgen von 6 bis 8 Uhr Audienz. Trotz dieser frühen Stunde wird er von Client-Bittstellern so überlaufen, daß es ihm nie möglich ist alle anzuhören. So neigt man sich der aufgehenden Sonne zu.

Der „Publicist“ erzählt, daß der Feuilletonist der Neuen Preußischen Zeitung, H. Gödsche, sich vor dem Untersuchungsrichter als Verfasser der „Enthüllungen“ des Vereins zur Wahrung der Interessen in den Provinzen, erklärt habe. Die „Enthüllungen“ sind, weil sie verbrecherische Handlungen behaupten, in Beziehung auf die darin namhaft gemachten Personen, zum Gegenstande gerichtlicher Verfolgungen gemacht worden. Hr. Gödsche soll Beweismittel beibringen wollen, um die Wahrheit seiner Behauptungen darzulegen.

Der Staatsanwalt hat vor acht Tagen, nach beendeter Voruntersuchung gegen die Mitglieder der aufgelösten Nat. Vers., welche den Steuerverweigerungsbeschluß auszuführen versucht haben, die Versetzung von neun Abgeordneten in den Anklagezustand wegen Hochverraths durch Anmaßung eines Hoheitsrechts beantragt, ist aber, wie der „Publiicst“ meldet, von der Anklagekammer des Kammergerichts, bestehend aus den R. G. Räthen Striethorst, Heine und dem K. G. Assessor Oppenheim, zurückgewiesen worden. Die Gründe dieses Beschlusses sollen aussprechen, daß die Mitglieder der Nat. Vers., in dem guten Glauben gehandelt hätten, sie seien im Rechte, und daß sie für ihre Handlungen nur ihrem

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          <p>Aber die hohen Protektoren des Blättchens scheinen allmählig mit dieser liederlichen Manier, gegen die Revolution loszuziehen, unzufrieden geworden zu sein. Der Ernst der Ereignisse, der die Geldbeutel der Herren Rittergutsbesitzer und die Existenz des Throns mehr und mehr bedrohte, machte sich täglich fühlbarer. Die Chefs der uckermärkischen Grandezza sind Familienväter und verstanden als solche auch nicht viel Spaß. Kurz, das Blättchen erfuhr selbst eine Revolution.</p>
          <p>Die berlinische frivolkokettirende Renommage, die Anflüge verbummelter Flegelei verschwanden allmälig aus dem Gros der Zeitung und zogen sich ein für allemal ins Feuilleton zurück. Das Corpus des Blättchens wurde gewiegten, zuverlässigen christlich-germanischen Männern überantwortet, einem V. A. Huber (Ex-Janus), einem Stahl u. s. w., namentlich aber einem oder mehreren Consistorialräthen der evangelischen preußischen Ex-Landeskirche.</p>
          <p>Diese Consistorialräthe haben sich mit einem wahrhaft gottseligen Eifer ans Werk gesetzt. Die würdigen Männer trugen schon lange so Manches auf dem Herzen, was sie in dieser schweren Trübsal, wo die Proletarier und andere Kinder der Finsterniß ihr Wesen trieben, in sich verschließen mußten. Sie waren stille und klein geworden und es schien fast als sei Zion zerstöret, und die Burg des Allerhöchsten von der Erde verschwunden. Da aber kam der Erzengel Michael im goldenen Helm und frisirten Schnurrbart, der Löwe Wrangel, und befreite die gedrückten Ex-Landeskirchner. Jetzt, als die Kinder der Finsterniß in ihre Höhlen zurückverjagt, die &#x201E;Gnade Gottes&#x201C; aus der Bedrängniß gerettet und der theure Mann Gottes Ladenberg, Kultusminister und Pabst der evangelischen Landeskirche geworden war, jetzt traten die großen Prediger des Wortes aus ihren Schlupfwinkeln wieder hervor und predigten, daß den Gottlosen die Ohren gellten.</p>
          <p>Noch mehr. Wo ist der Kandidat der Theologie, der nicht bei der Lektüre des alten Testaments die alten Propheten beneidet hat, wenn sie kühn vor die Könige in Juda hintraten und ihnen im Namen des Allerhöchsten ihre Sünden vorhielten! Welch ein Abstand von dem gedrückten, pauvren, seit acht Jahren verlobten, und noch immer nicht angestellten Kandidaten der pauvren preußischen Landeskirche bis zu dem stolzen Propheten Jesaiah, der einen König Hiskiah mit dem Untergange bedroht, wenn er sich nicht bessert! Welch ein Unterschied zwischen dem Predigtamtskandidaten, der kaum bei seinen Jungen in der Kinderlehre Respekt hat, und dem Propheten, der über die himmlischen Heerschaaren kommandiren kann!</p>
          <p>Die preußischen Theologen hatten immer das Unglück, unter so gottesfürchtigen Landesvätern zu stehen, daß sie nie Gelegenheit fanden, ihnen als bußepredigende Propheten mit dem Strafgericht des göttlichen Zorns zu drohen, und dadurch ihren Muth als Repräsentanten des Himmels gegenüber den Gewaltigen der Erde zu beweisen. Jetzt aber, als den Berliner Consistorialräthen die leitenden Artikel der Neuen Preußischen Zeitung überwiesen wurden, jetzt bot sich ihnen die langersehnte Gelegenheit, an dem Könige je nach Belieben zum Jesaias, Ezechiel oder Habakuk zu</p>
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          <p>Das mehr und mehr sich ausbreitende Bewußtsein, daß wenn überhaupt von Entschädigung wegen der Feudallasten die Rede sein soll, die <hi rendition="#g">Bauern</hi> für den an ihnen begangenen ritterschaftlichen Raub <hi rendition="#g">entschädigt werden müssen</hi>: das ist eine &#x201E;Errungenschaft,&#x201C; die bald ihre Früchte tragen wird. Sie läßt sich durch keinerlei Octroyirungskünste umstoßen. Die nächste Revolution wird ihr zur praktischen Geltung verhelfen, und die schlesischen Bauern werden dann wahrscheinlich ein Entschädigungsgesetz auszuarbeiten wissen, durch das nicht blos das geraubte Kapital, sondern auch die &#x201E;landesüblichen&#x201C; Interessen den Rückweg in die Taschen des Volkes finden.</p>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Der Hohenzollersche Preßgesetzentwurf, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 21. März.</head>
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          <head><bibl><author>102</author></bibl> Trier, 19. März.</head>
          <p>Gestern feierten die hiesigen Demokraten die Erinnerung an den 18. und 19. März vorigen Jahres durch ein Bankett im Kufs'schen Saale, der die herbeigeströmte Menge nicht zu fassen vermochte; auch Damen betheiligten sich beim Feste.</p>
          <p>Heute fand für die Berliner Gefallenen ein großes Oratorium Statt. Ein unübersehbarer Zug mit Trauerfahnen, Gesang u. s. w. bewegte sich nach der Mathiaskirche; die Glocken läuteten das Grabgeläute &#x2014; für die schon ungeboren begrabene Freiheit. &#x2014; Der 19. März ist übrigens auch ein Erinnerungstag für die Trierer. An ihm protestirten voriges Jahr die Bürger gegen den Abmarsch eines Bataillons vom 30. Regimente (Leute aus hiesiger Gegend), an dessen Stelle man uns mit einer Anzahl 26r beglücken wollte. Da vollbrachte denn &#x201E;Mein herrliches Kriegsheer&#x201C; die glänzende Waffenthat, einen wehrlosen Menschen ohne alle Veranlassung zu erschießen. Der in Folge der Untersuchung ermittelte Mörder, ein Unteroffizier aus Pommern, ward zur Strafe &#x2014; einfach &#x2014; versetzt und soll, wie man erzählt, kurz nachher zum Königl. Preuß. Feldwebel avancirt sein.</p>
          <p>Unsere Heulerclique bot alles Mögliche auf, heute einen Krawall zu provociren, um Herrn Manteuffel einen neuen Beleg für die Nothwendigkeit seiner schmählichen Gesetzesvorlagen, bezüglich des Versammlungsrechtes, an die Hand zu liefern.</p>
          <p>Die Kreaturen dieser Sippschaft verbreiteten seit einigen Tagen das Gerücht von einem neuen siegreichen Aufstande des Volkes in Berlin. Allein das Volk hier merkte die plumpe Falle und Alles verlief ohne Störung zum größten Aerger &#x201E;der Gutgesinnten.&#x201C; Zur Entschädigung werden sie, wie bei Gelegenheit der Oktroyirten eine Dank-, so diesmal eine Zustimmungsadresse für die neuesten berüchtigten Gesetzesvorlagen an Manteuffel vom Stapel laufen lassen.</p>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Berlin, 19. März.</head>
          <p>Der von der Regierung gefürchtete Tag, ist ruhig vorübergegangen.</p>
          <p>Um 4 Uhr gestern Nachmittags, wurde das Landsberger Thor nach dem Friedrichshain geschlossen. Eine Maßregel ganz geeignet den Unwillen zum offenen Widerstande aufzureigen. Nicht ohne Zusammenhang mit dieser Intention der Regierung steht das Benehmen eines Mannes von sehr zweifelhaftem politischen Rufe, des Stallmeisters Thomson, desselben Mannes, der am 16. Oktbr. darauf antrug, das Militär in die Stadt zu rufen, weil die Bürgerwehr die Barrikaden nicht nehmen könne oder nicht nehmen wolle. Dieserselbe erregte auf dem Alexanderplatz durch seinen eigenthümlichen Habitus mit einem grünen Lorbeerkranz um den Hut, zu Pferde, die Aufmerksamkeit der Menge. Er setzte sich nun an die Spitze derselben und wie eine Lawine schwoll der Zug an, der sich unter seiner Anführung bis zum Döhnhofsplatz bewegte, wo Thomson durch Konstabler vom Pferde gerissen und nebst seinem Pferde festgenommen wurde.</p>
          <p>Im ganzen Laufe des Spätnachmittags und des Abends zeigte sich die Erbitterung des Volkes gegen die Konstabler. An vielen Stellen der Stadt wurden sie angegriffen, mehrere von ihnen ernstlich verwundet und zwei sogar getödtet. Dagegen sind aus dem Volke nur wenige und leicht verwundet. Es wurden aber 130 ungefähr verhaftet und in die Stadtvoigtei gebracht. In der Landesbergerstraße, welche mit Militär angefüllt war, machte man sogar den Versuch sich durch eine Barrikade gegen weitere Angriffe zu schützen.So wogte das Volk bis in die Nacht aufgeregt in den Straßen. Um Mitternacht etwa wurde noch in der Weberstraße die Konstablerwache gestürmt, sämmtliche darin befindlichen Mäntel zerrissen und unter die Anwesenden als Andenken vertheilt.</p>
          <p>Während nun das Volk auf den Straßen durch diese verschiedenen sog. Excesse seinen Gefühlen Luft zu machen sucht, wurde der Jahrestag der Erhebung in vielen Localen durch Festmale und Reden gefeiert. Abg. Waldeck sprach im Maschinenbauerverein; im Handwerkerverein war ebenfalls eine festliche Gedenkfeier für ihre gefallenen Brüder.</p>
          <p>Schon am Vormittag waren etwa hundert Studenten in feierlichem Zuge mit Trauerfloren und breiten schwarz-roth-goldnen Bändern geschmückt, hinaus gezogen nach dem Friedrichshain um auch ihren Commilitonen, welche vorm Jahr fielen, trotz Belagerungszustand und Konstablerherrschaft ein Zeichen der Erinnerung und Achtung zu geben. Selbst die rohe Gewalt Hinkeldeys und Konsorten scheuete sich dem entgegen zu treten.</p>
          <p>Im Kafé de l'Europe fand großes Festmal statt. Von einem Abgeordneten wurde der Rache für diese Feier ein Hoch gebracht.</p>
          <p>Bei Jaroschewitz versammelten sich die demokratischen jungen Kaufleute.</p>
          <p>Nach Frankfurt a/O. waren von hier aus mehrere Abgeordnete abgereist. Ein feierlicher Gottesdienst wurde unter freiem Himmel abgehalten, bei dem der deutsch-katholische Prediger die Festrede hielt, die Innungen der Fleischer und Schneider waren bei dem Zuge mit rothen umflorten Binden erschienen.</p>
          <p>Der Abg. Bodelschwingh giebt alle Morgen von 6 bis 8 Uhr Audienz. Trotz dieser frühen Stunde wird er von Client-Bittstellern so überlaufen, daß es ihm nie möglich ist alle anzuhören. So neigt man sich der aufgehenden Sonne zu.</p>
          <p>Der &#x201E;Publicist&#x201C; erzählt, daß der Feuilletonist der Neuen Preußischen Zeitung, H. Gödsche, sich vor dem Untersuchungsrichter als Verfasser der &#x201E;Enthüllungen&#x201C; des Vereins zur Wahrung der Interessen in den Provinzen, erklärt habe. Die &#x201E;Enthüllungen&#x201C; sind, weil sie verbrecherische Handlungen behaupten, in Beziehung auf die darin namhaft gemachten Personen, zum Gegenstande gerichtlicher Verfolgungen gemacht worden. Hr. Gödsche soll Beweismittel beibringen wollen, um die Wahrheit seiner Behauptungen darzulegen.</p>
          <p>Der Staatsanwalt hat vor acht Tagen, nach beendeter Voruntersuchung gegen die Mitglieder der aufgelösten Nat. Vers., welche den Steuerverweigerungsbeschluß auszuführen versucht haben, die Versetzung von neun Abgeordneten in den Anklagezustand wegen Hochverraths durch Anmaßung eines Hoheitsrechts beantragt, ist aber, wie der &#x201E;Publiicst&#x201C; meldet, von der Anklagekammer des Kammergerichts, bestehend aus den R. G. Räthen Striethorst, Heine und dem K. G. Assessor Oppenheim, zurückgewiesen worden. Die Gründe dieses Beschlusses sollen aussprechen, daß die Mitglieder der Nat. Vers., in dem guten Glauben gehandelt hätten, sie seien im Rechte, und daß sie für ihre Handlungen nur ihrem</p>
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[1412/0002] die Tuilerien, so hatte die Grisette den Boulevard des Italien's erobert. Da war Heulen und Zähneklappen in den Bureaus des Corsaire, und einstimmig beschloß die Redaktion, sich mit Todesverachtung der Contrerevolution in die Arme zu werfen. Der lasterhafte Corsaire that Buße. Die verlockenden Boudoirscenen verschwanden. Die Historiographen der galanten Abenteuer der jeunesse dorée begeisterten sich plötzlich für Moral, Tugend und Familienglück, und richteten die ganze Entrüstung, deren ihr sittliches Gefühl fähig war, gegen die verderblichen Lehren der Sozialisten von der Ehe. Sie, die bisher durch allerlei oft ganz hübsch angelegte Spekulatiönchen den Champagner zu ihrem Dessert verdienen mußten, erhoben plötzlich ihre Stimmen für die Heiligkeit des Eigenthums gegenüber den sozialistischen „Räubern.“ Allerdings, die Schilderungen Fouriers aus dem ehelichen Leben sind noch viel ergötzlicher, als die pikantesten Loretten-Anekdoten des Corsaire, und mit den von demselben Fourier enthüllten alltäglichen Prellereien im Handel und Wandel können weder die im Corsaire geschilderten Börsencoups, noch die, von seinen Redakteuren selbst ausgeübten Geniestreiche konkurriren. Mit einem Wort: der Corsaire wurde honett, und das war sein Untergang. Er mag jetzt mehr Abonnenten haben, aber er hat weniger Leser. Das thut aber Alles nichts; seine Redakteure, früher manchmal arme Schlucker, gehen jetzt seiner gekleidet, haben mehr Fonds, trinken mehr Champagner, und wo sie früher Eine junge Lorette hatten, haben sie jetzt zehn bejahrte Bourgeoisfrauen. Ob auch bei der Redaktion der Neuen Preußischen Zeitung soviel herauskommt, ist ziemlich fraglich. Die Neue Preußische Zeitung nun ist die Berliner Abspiegelung des Pariser Corsaire. In ihrer ersten Epoche, als der Bummler noch vorherrschte, war sie von Anfang bis zu Ende Skandalchronik, und man sah ihr an, wie sehr der „Ernst der Ereignisse“ und die vorgebundene Maske der sittlichen Entrüstung diesen im Grunde ihres Herzens äußerst gutmüthigen Leuten zuwider war. Ihr Haß gegen die Revolution kam eigentlich bloß daher, weil die Revolution sie in der Bummelei gestört und auf das ennuyante Gebiet der Politik geschleudert hatte. Ihre Hingebung für das Haus Hohenzollern beschränkte sich auf die Gewöhnung an die interessirten Loyalitäts- und Contrerevolutionsphrasen, die die ganze Unterhaltung ausmachten in den Geheimrathsthees und in den Hungerfestins uckermärkischer Don Ranudo de Colibrados, in die sie sich hineingebummelt hatten. Natürlich! wer sollte nicht ein guter Preuße werden, wenn er wöchentlich mehrere Abende in Gesellschaften zubringt, wo zwanzig bis dreißig der edelsten Sprossen preußischer Ritterschaft sich an Einer kleinen Schüssel Häringsalat und Einer Flasche schlechten Moselweins laben! Aber die hohen Protektoren des Blättchens scheinen allmählig mit dieser liederlichen Manier, gegen die Revolution loszuziehen, unzufrieden geworden zu sein. Der Ernst der Ereignisse, der die Geldbeutel der Herren Rittergutsbesitzer und die Existenz des Throns mehr und mehr bedrohte, machte sich täglich fühlbarer. Die Chefs der uckermärkischen Grandezza sind Familienväter und verstanden als solche auch nicht viel Spaß. Kurz, das Blättchen erfuhr selbst eine Revolution. Die berlinische frivolkokettirende Renommage, die Anflüge verbummelter Flegelei verschwanden allmälig aus dem Gros der Zeitung und zogen sich ein für allemal ins Feuilleton zurück. Das Corpus des Blättchens wurde gewiegten, zuverlässigen christlich-germanischen Männern überantwortet, einem V. A. Huber (Ex-Janus), einem Stahl u. s. w., namentlich aber einem oder mehreren Consistorialräthen der evangelischen preußischen Ex-Landeskirche. Diese Consistorialräthe haben sich mit einem wahrhaft gottseligen Eifer ans Werk gesetzt. Die würdigen Männer trugen schon lange so Manches auf dem Herzen, was sie in dieser schweren Trübsal, wo die Proletarier und andere Kinder der Finsterniß ihr Wesen trieben, in sich verschließen mußten. Sie waren stille und klein geworden und es schien fast als sei Zion zerstöret, und die Burg des Allerhöchsten von der Erde verschwunden. Da aber kam der Erzengel Michael im goldenen Helm und frisirten Schnurrbart, der Löwe Wrangel, und befreite die gedrückten Ex-Landeskirchner. Jetzt, als die Kinder der Finsterniß in ihre Höhlen zurückverjagt, die „Gnade Gottes“ aus der Bedrängniß gerettet und der theure Mann Gottes Ladenberg, Kultusminister und Pabst der evangelischen Landeskirche geworden war, jetzt traten die großen Prediger des Wortes aus ihren Schlupfwinkeln wieder hervor und predigten, daß den Gottlosen die Ohren gellten. Noch mehr. Wo ist der Kandidat der Theologie, der nicht bei der Lektüre des alten Testaments die alten Propheten beneidet hat, wenn sie kühn vor die Könige in Juda hintraten und ihnen im Namen des Allerhöchsten ihre Sünden vorhielten! Welch ein Abstand von dem gedrückten, pauvren, seit acht Jahren verlobten, und noch immer nicht angestellten Kandidaten der pauvren preußischen Landeskirche bis zu dem stolzen Propheten Jesaiah, der einen König Hiskiah mit dem Untergange bedroht, wenn er sich nicht bessert! Welch ein Unterschied zwischen dem Predigtamtskandidaten, der kaum bei seinen Jungen in der Kinderlehre Respekt hat, und dem Propheten, der über die himmlischen Heerschaaren kommandiren kann! Die preußischen Theologen hatten immer das Unglück, unter so gottesfürchtigen Landesvätern zu stehen, daß sie nie Gelegenheit fanden, ihnen als bußepredigende Propheten mit dem Strafgericht des göttlichen Zorns zu drohen, und dadurch ihren Muth als Repräsentanten des Himmels gegenüber den Gewaltigen der Erde zu beweisen. Jetzt aber, als den Berliner Consistorialräthen die leitenden Artikel der Neuen Preußischen Zeitung überwiesen wurden, jetzt bot sich ihnen die langersehnte Gelegenheit, an dem Könige je nach Belieben zum Jesaias, Ezechiel oder Habakuk zu [Deutschland] [Fortsetzung] müssen wir bei der nächsten Gelegenheit zurückhaben:“ das ist der nunmehr im schlesischen Landvolke umherwandelnde Gedanke, das ist die Forderung, die bereits in Tausenden von Dörfern laut ausgesprochen wird. Das mehr und mehr sich ausbreitende Bewußtsein, daß wenn überhaupt von Entschädigung wegen der Feudallasten die Rede sein soll, die Bauern für den an ihnen begangenen ritterschaftlichen Raub entschädigt werden müssen: das ist eine „Errungenschaft,“ die bald ihre Früchte tragen wird. Sie läßt sich durch keinerlei Octroyirungskünste umstoßen. Die nächste Revolution wird ihr zur praktischen Geltung verhelfen, und die schlesischen Bauern werden dann wahrscheinlich ein Entschädigungsgesetz auszuarbeiten wissen, durch das nicht blos das geraubte Kapital, sondern auch die „landesüblichen“ Interessen den Rückweg in die Taschen des Volkes finden. * Köln, 21. März. _ 102 Trier, 19. März. Gestern feierten die hiesigen Demokraten die Erinnerung an den 18. und 19. März vorigen Jahres durch ein Bankett im Kufs'schen Saale, der die herbeigeströmte Menge nicht zu fassen vermochte; auch Damen betheiligten sich beim Feste. Heute fand für die Berliner Gefallenen ein großes Oratorium Statt. Ein unübersehbarer Zug mit Trauerfahnen, Gesang u. s. w. bewegte sich nach der Mathiaskirche; die Glocken läuteten das Grabgeläute — für die schon ungeboren begrabene Freiheit. — Der 19. März ist übrigens auch ein Erinnerungstag für die Trierer. An ihm protestirten voriges Jahr die Bürger gegen den Abmarsch eines Bataillons vom 30. Regimente (Leute aus hiesiger Gegend), an dessen Stelle man uns mit einer Anzahl 26r beglücken wollte. Da vollbrachte denn „Mein herrliches Kriegsheer“ die glänzende Waffenthat, einen wehrlosen Menschen ohne alle Veranlassung zu erschießen. Der in Folge der Untersuchung ermittelte Mörder, ein Unteroffizier aus Pommern, ward zur Strafe — einfach — versetzt und soll, wie man erzählt, kurz nachher zum Königl. Preuß. Feldwebel avancirt sein. Unsere Heulerclique bot alles Mögliche auf, heute einen Krawall zu provociren, um Herrn Manteuffel einen neuen Beleg für die Nothwendigkeit seiner schmählichen Gesetzesvorlagen, bezüglich des Versammlungsrechtes, an die Hand zu liefern. Die Kreaturen dieser Sippschaft verbreiteten seit einigen Tagen das Gerücht von einem neuen siegreichen Aufstande des Volkes in Berlin. Allein das Volk hier merkte die plumpe Falle und Alles verlief ohne Störung zum größten Aerger „der Gutgesinnten.“ Zur Entschädigung werden sie, wie bei Gelegenheit der Oktroyirten eine Dank-, so diesmal eine Zustimmungsadresse für die neuesten berüchtigten Gesetzesvorlagen an Manteuffel vom Stapel laufen lassen. 068 Berlin, 19. März. Der von der Regierung gefürchtete Tag, ist ruhig vorübergegangen. Um 4 Uhr gestern Nachmittags, wurde das Landsberger Thor nach dem Friedrichshain geschlossen. Eine Maßregel ganz geeignet den Unwillen zum offenen Widerstande aufzureigen. Nicht ohne Zusammenhang mit dieser Intention der Regierung steht das Benehmen eines Mannes von sehr zweifelhaftem politischen Rufe, des Stallmeisters Thomson, desselben Mannes, der am 16. Oktbr. darauf antrug, das Militär in die Stadt zu rufen, weil die Bürgerwehr die Barrikaden nicht nehmen könne oder nicht nehmen wolle. Dieserselbe erregte auf dem Alexanderplatz durch seinen eigenthümlichen Habitus mit einem grünen Lorbeerkranz um den Hut, zu Pferde, die Aufmerksamkeit der Menge. Er setzte sich nun an die Spitze derselben und wie eine Lawine schwoll der Zug an, der sich unter seiner Anführung bis zum Döhnhofsplatz bewegte, wo Thomson durch Konstabler vom Pferde gerissen und nebst seinem Pferde festgenommen wurde. Im ganzen Laufe des Spätnachmittags und des Abends zeigte sich die Erbitterung des Volkes gegen die Konstabler. An vielen Stellen der Stadt wurden sie angegriffen, mehrere von ihnen ernstlich verwundet und zwei sogar getödtet. Dagegen sind aus dem Volke nur wenige und leicht verwundet. Es wurden aber 130 ungefähr verhaftet und in die Stadtvoigtei gebracht. In der Landesbergerstraße, welche mit Militär angefüllt war, machte man sogar den Versuch sich durch eine Barrikade gegen weitere Angriffe zu schützen.So wogte das Volk bis in die Nacht aufgeregt in den Straßen. Um Mitternacht etwa wurde noch in der Weberstraße die Konstablerwache gestürmt, sämmtliche darin befindlichen Mäntel zerrissen und unter die Anwesenden als Andenken vertheilt. Während nun das Volk auf den Straßen durch diese verschiedenen sog. Excesse seinen Gefühlen Luft zu machen sucht, wurde der Jahrestag der Erhebung in vielen Localen durch Festmale und Reden gefeiert. Abg. Waldeck sprach im Maschinenbauerverein; im Handwerkerverein war ebenfalls eine festliche Gedenkfeier für ihre gefallenen Brüder. Schon am Vormittag waren etwa hundert Studenten in feierlichem Zuge mit Trauerfloren und breiten schwarz-roth-goldnen Bändern geschmückt, hinaus gezogen nach dem Friedrichshain um auch ihren Commilitonen, welche vorm Jahr fielen, trotz Belagerungszustand und Konstablerherrschaft ein Zeichen der Erinnerung und Achtung zu geben. Selbst die rohe Gewalt Hinkeldeys und Konsorten scheuete sich dem entgegen zu treten. Im Kafé de l'Europe fand großes Festmal statt. Von einem Abgeordneten wurde der Rache für diese Feier ein Hoch gebracht. Bei Jaroschewitz versammelten sich die demokratischen jungen Kaufleute. Nach Frankfurt a/O. waren von hier aus mehrere Abgeordnete abgereist. Ein feierlicher Gottesdienst wurde unter freiem Himmel abgehalten, bei dem der deutsch-katholische Prediger die Festrede hielt, die Innungen der Fleischer und Schneider waren bei dem Zuge mit rothen umflorten Binden erschienen. Der Abg. Bodelschwingh giebt alle Morgen von 6 bis 8 Uhr Audienz. Trotz dieser frühen Stunde wird er von Client-Bittstellern so überlaufen, daß es ihm nie möglich ist alle anzuhören. So neigt man sich der aufgehenden Sonne zu. Der „Publicist“ erzählt, daß der Feuilletonist der Neuen Preußischen Zeitung, H. Gödsche, sich vor dem Untersuchungsrichter als Verfasser der „Enthüllungen“ des Vereins zur Wahrung der Interessen in den Provinzen, erklärt habe. Die „Enthüllungen“ sind, weil sie verbrecherische Handlungen behaupten, in Beziehung auf die darin namhaft gemachten Personen, zum Gegenstande gerichtlicher Verfolgungen gemacht worden. Hr. Gödsche soll Beweismittel beibringen wollen, um die Wahrheit seiner Behauptungen darzulegen. Der Staatsanwalt hat vor acht Tagen, nach beendeter Voruntersuchung gegen die Mitglieder der aufgelösten Nat. Vers., welche den Steuerverweigerungsbeschluß auszuführen versucht haben, die Versetzung von neun Abgeordneten in den Anklagezustand wegen Hochverraths durch Anmaßung eines Hoheitsrechts beantragt, ist aber, wie der „Publiicst“ meldet, von der Anklagekammer des Kammergerichts, bestehend aus den R. G. Räthen Striethorst, Heine und dem K. G. Assessor Oppenheim, zurückgewiesen worden. Die Gründe dieses Beschlusses sollen aussprechen, daß die Mitglieder der Nat. Vers., in dem guten Glauben gehandelt hätten, sie seien im Rechte, und daß sie für ihre Handlungen nur ihrem

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 252. Köln, 22. März 1849, S. 1412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz252_1849/2>, abgerufen am 24.04.2024.