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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 295. Köln, 11. Mai 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 295. Köln, Freitag, den 11. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. -- Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. -- Nur frankirte Briefe werden angenommen. -- Expedition in Aachen bei Ernst ter/ Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 294 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.

Uebersicht.

Deutschland Köln. (Landwehrgesetzgebung). Neuß. (Landwehragitation). Berlin. (Aus Sachsen. -- Klatsch). Dresden. (Der Kampf am 7. und 8. -- Telegraphische Depesche) Leipzig. (Der Kampf. -- Eine Studentenerklärung). Breslau. (Barrikaden. -- Der Bürgerwehroberst. -- Feigheit der Bourgeois. -- Der Jablunkapaß von den Magyaren genommen. -- Aus Oestreich). Wien. (Der Standrechtskaiser in Schönbrunn. -- Schwarz-gelbe Demonstration. -- Vermischtes). Schleswig-Holstein. (Bracklow. -- Ein durchgebrannter Kollektensammler. -- Der Kongreß in Neumünster). Kiel. (Die Zastrow'schen Rekognoscirungen). Kassel. (Reichsverfassung. -- Agitation). Frankfurt. (Der Märzverein).

Ungarn. (Vom Kriegsschauplatze).

Italien. (Nachtrag über den Kampf vor Rom -- Die Insurrektion in Livorno). Mestre. (Die Belagerung von Malghera).

Französische Republik. Paris. (Mort aux princes! -- Vermischtes. -- National-Versammlung vom 7. und 8).

Großbritannien. London. (Parlament).

Deutschland.
* Köln, 10. Mai.

Landwehrmänner!

Es heißt: A. im Gesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. Sept. 1814, Seite 79 der Gesetzsammlung:

§. 8.

Die Landwehr des 1. Aufgebots ist bei entstehendem Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres bestimmt, sie dient gleich diesem, im Kriege, im In- und Auslande; im Frieden ist sie dagegen, die zur Bildung und Uebung nöthige Zeit ausgenommen, in ihre Heimath entlassen.

B. In der Landwehrordnung vom 21. November 1815, Gesetzsammlung Seite 77:

§. 1.

Die Landwehr bildet einen Theil der bewaffneten Macht, sie tritt indeß nur bei ausbrechendem Kriege und bei den jährlichen Uebungen zusammen.

Mit Ausnahme des Stabes bei jedem Bataillon sind sämmtliche Mitglieder im Frieden in ihre Heimath und zu ihren Gewerben entlassen.

Landwehrmänner! Wenn Euch die brutale Gewalt gottbegnadeter Hochverräther zu ihren Söldnern pressen will, so erinnert Euch dieser Gesetzesstellen und haltet fest an Eurem guten Recht!

127 Neuß, 9. Mai.

Die auch von Ihrem Blatte gerüchtsweise mitgetheilten Exzesse in unserer Stadt beschränkten sich auf eine Volksversammlung und einen nichtssagenden Auflauf vor dem Hause eines Jemand, der in dieser Versammlung ein Hoch auf "unsern guten König" ausbrachte und dem dafür einige Fensterscheiben eingeworfen wurden.

Dagegen hat heute eine großartige Demonstration der Landwehr des Kreises, verbunden mit unsern demokratischen Bürgern stattgefunden. Auf eine Erklärung derselben, daß Keiner, bevor nicht die gesammte Mannschaft auf die Verfassung beeidigt und somit selbstredend die Verfassung von der preußischen Regierung angenommen sei, sich der ergangenen Aufforderung nach stellen und einkleiden lassen würde, -- auf diese Erklärung gab der Landwehrmajor die angsterpreßte Antwort:

"Man würde Niemand mit Gewalt zwingen, nur möge man niemand insultiren, der sich freiwillig stelle."

Hierauf folgte eine von Tausenden besuchte Volksversammlung, worin man versprach, Alle für Einen zu stehen, sobald die Umstände es erfordern; Ausschüsse in den verschiedenen Ortschaften zu bilden, welche sich mit einem Central-Ausschusse hier in Verbindung setzen und auf den ersten Ruf desselben bereit sein würden.

Ein ungeheurer Menschenzug bewegte sich unter Vortragen der schwarzrothgoldenen Fahne darauf durch die Stadt. Hoch's erschollen für unsere "Brüder die Soldaten". Werden diese noch länger ihre Brüder in Landwehr und Volk verläugnen?

X Berlin, 8. Mai.

Die Adressenwirthschaft fängt wieder ganz ähnlich der im November an. Auf amtlichen Wegen werden die Adressen, welche sich für das Ministerium aussprechen, gesammelt und wenn sie auch nur ein paar hundert Unterschriften haben, mit großem Pomp im Staatsanzeiger abgedruckt, während man die entgegengesetzten klüglich verschweigt, obwohl sie, wie wir selbst gesehen haben, oft mit vielen Tausenden von Unterschriften bedeckt sind. So wird z. B. auch jetzt, in den einzelnen Bezirken der Stadt, eine kurze energisch gefaßte Zustimmungsadresse an die Nationalversammlung in Frankfurt verbreitet, bei der sich fast alle Urwähler, Mann für Mann, mit sehr geringen Ausnahmen betheiligten.

Die Konstabler trieben gestern Abend wieder die Gruppen, welche sich auf dem Bahnhofe um die erzählenden Reisenden bildeten, sogleich auseinander, dagegen wurden den Soldaten die reaktionären Versionen mitgetheilt.

Auch von hier aus begibt sich trotz des Belagerungszustandes ein Freikorps nach Dresden, mit Waffen wohl versehen. Ihm gehören vorzüglich Maschinenbauer an. Wir möchten diesen muthigen Männern zurufen: macht erst die eigene Stadt frei, dann wird auch Dresden und Sachsen mit ihr nimmermehr fallen können.

Aus einer sonst ziemlich sicheren Quelle erfahren wir, daß man nur den Erfolg der preußischen Waffen in Sachsen erwartet, um mit dem neuen Wahlgesetz nach drei Steuerklassen und zugleich mit einer Modifikation des Kabinets hervorzutreten. Aus dem jetzigen Ministerium würden Simons und vielleicht auch Ladenberg in das neue übergehen. Graf Arnim-Boitzenburg wird nach dieser Combination Premier; Baron Schleinitz (!) Minister des Auswärtigen; Graf Schwerin hätte ebenfalls Aussichten einzutreten.

Die hier verbreitet gewesene Nachricht, Arnold Ruge sei bei den Leipziger Unruhen gefallen, hat sich nicht bestätigt. Dagegen soll Rud. Schramm (Abg. zur preuß. Nationalversammlung für Striegau und Präsident des Berliner demokratischen Clubs) sich in Dresden beim Kampfe lebhaft betheiligt haben und gefangen genommen sein.

Soeben, Nachmittags 4 Uhr, wird folgendes Plakat des Ministerium des Innern an die Ecken geschlagen:

"Gestern Mittag war etwas über die Hälfte der Altstadt in den Händen der preußischen und sächsischen Truppen. Dieselben sind bemüht, durch Vorrücken der Flügel die stark verbarrikadirte Schloßstraße und den alten Markt zu umgehen. Der rechte Flügel ist in diesen Bestrebungen bis zum Posthause, der linke bis zum Fleischscharren vorgedrungen. Noch heute hofft man in Besitz der ganzen Altstadt zu kommen.

Ministerium des Innern."

Aus Sachsen.

Mit dem Abendzuge kam nichts Neues aus Dresden, wohl aber Näheres aus Leipzig hier an. Den Reisenden zufolge hatte der erbärmliche deutsche Verein die ganze Spaltung veranlaßt, welche in einen offenen Kampf ausbrach, bei dem sich die Kommunalgarde, wie gewöhnlich, im höchsten Grade feig benommen hat. So wurde eine Barrikade von nur 14 schlecht bewaffneten Männern aus dem Volke gegen 100 Gardisten vertheidigt, welche sich noch 20 Schützen zu Hülfe holen mußten. Der getödtete Kaufmann heißt Goutard. Er wurde erschossen, weil er aus seiner Wohnung zuerst auf das Volk gefeuert. Für den Abend (des 7.) besorgte man wieder Unruhen, und es war den Kaufleuten anbefohlen worden, die Meßbuden hinwegzuräumen.

Um 9 3/4 Uhr Abends kam der direkte Zug aus Dresden an, woraus hervorgeht, daß die ganze Bahnstrecke wiederhergestellt ist. Es kamen mit demselben aber nur reaktionäre sächsische Flüchtlinge hier an, welche ihren Berichten eine sehr eigenthümliche Färbung gaben, ohne sie durch Thatsachen zu bewahrheiten. Freilich muß Dresden trotz seines heldenmüthigen Widerstandes doch endlich unterliegen, wenn Preußen feig genug ist, noch ferner zu dulden, daß seine Söhne die Erhebung Sachsens als gottbegnadete Mordbande im Blute des Volkes ersticken helfen.

Einem uns mitgetheilten Privatbriefe aus Leipzig vom 7. Abends, entnehmen wir Folgendes:

"Es wird in Dresden mit Lebensverachtung gekämpft. Im Souterrain des Schlosses steht das Volk, oben das Militär. Die schöne Bildergallerie soll bedeutend gelitten haben, und im Zwinger viele Kunstschatze verbrannt sein. Der Neumarkt sieht gräßlich aus, die Hotels de Rome und de Saxe sind demolirt. In der Neustadt ist das Standrecht proklamirt, die Zuzüge setzen deshalb schon vorher über die Elbe. Weder das Militär noch das Volk hat bis jetzt gesiegt, obgleich der Kampf schon 4 Tage währt. Nach den neuesten Berichten rücken die Preußen in Massen vor. Wie es heißt, ist Dresden cernirt, um die Zuzüge zu verhindern!"

Dresden, 7. Mai.

(Neustadt.) 11 Uhr Vormittags. Das Leipziger Heulerblatt, die "D. A. Z." berichtet:

Der Kampf dauert fort. Vor einer Stunde ist wieder ein Bataillon Preußen mit klingendem Spiele hier eingerückt. Es wird diesen Nachmittag am Angriff Theil nehmen. Verwundete Militärs sind diesen Vormittag sehr viele in das Hospital gebracht worden. Der Kanonendonner schweigt.

(Abends 10 Uhr.) Nach fünf durch den Kriegslärm gestörten Tagen haben wir hier in Neustadt die erste ruhige Nacht. Unsere militärischen Vorposten sind auf der meißner, großenhainer und bautzner Straße ziemlich weit vorgeschoben. Beide Eisenbahnhöfe, der Leipziger und Schlesische, sind militärisch besetzt. Nur Bewaffnete werden angehalten. Heute früh waren die Truppen von dem viertägigen Straßenbivouac und 36stündigen, fast unausgesetzten Kampfe todtmüde. Da kam aber wieder ein preußisches Grenadierbataillon an, rückte mit frischen Kräften ins Feuer und diesen Nachmittag haben die Truppen bedeutende Fortschritte gemacht. Der ganze östliche und nordöstliche Theil der Stadt bis an die Rosmaringasse, sowie andererseits das Gewandhaus und die Kreuzgasse, bis mit dem Kreuzthurme, ist in dem Besitz derselben. Morgen wird nöthigenfalls selbst schweres Geschütz in Anwendung gebracht werden. Uebrigens sind mehre der bekanntern Theilnehmer getödtet worden. Die Verluste des Militärs sind nicht näher anzugeben. Daß auf Seite der Aufständigen der Verlust am Ende noch bedeutender sein dürfte als beim Militär, das läßt sich nach der Erbitterung beurtheilen, mit der die Soldaten, nachdem so mancher Kamerad von ihnen geblieben, gekämpft haben.

Den 8 Mai (5 Uhr früh). Soeben rückt das dritte Bataillon des Regiments Alexander hier ein. Die Neustadt ist vollgestopft von Soldaten.

Schließlich theilen wir folgende Bekanntmachung mit:

"Es ist zur Kenntniß des unterzeichneten Ministeriums gekommeo, daß das Gerücht verbreitet worden sei, die Gesandten von England und Frankreich hätten gegen das Einrücken königl. preußischer Truppen in Sachsen Einsprache erhoben. Zur allgemeinen Benachrichtigung dient hiermit, daß eine derartige Dazwischenkunft in keiner Weise erfolgt ist.

Dresden, 7. Mai 1849.

Ministerium der auswärtigen Angelegenheit.

v. Beust."

Dresden, 8. Mai.

(Telegraphische Depesche.) Das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments, welches gestern Abends 6 1/2 Uhr von Berlin mit der Eisenbahn abgegangen war, ist heute Morgen 5 Uhr ohne Aufenthalt hier eingetroffen.

Die neuesten uns so eben zugekommenen Nachrichten bestätigen, daß der Kampf fortgesetzt wurde. Der Widerstand der Aufständischen war zwar sehr hartnäckig, namentlich von den Häusern aus, in welchen zum guten Theile die Zwischenmauern durchbrochen waren, so daß die Aufrührer, von den Truppen gedrängt, den Rückzug antreten konnten, indeß drangen die letzteren doch bis zum Altmarkt vor. Unter den Gefangenen befindet sich auch der Kommandant der revolutionairen Kommunal-Garde, Oberst-Lieutenant Heinze, welcher in seiner Wohnung ergriffen und sofort vor den Kriegs-Minister gebracht wurde, von welchem er beim Abgang dieser Nachrichten verhört wurde.

(Preuß. Staats-Anz.)
Leipzig, 7. Mai.

In verwichener Nacht kam's auch hier zum Aufstande. Nachdem das Volk durch mehrfache Brutalitäten Seitens der Bürgerwehr aufs Höchste erbittert worden, wandte es sich zum Barrikadenbau. Im Nu erscholl, sagt die "L. Z.", durch die ganze innere Stadt das Getöse der zu Barrikaden niedergeworfenen Meßstände und Waarenkisten und der Schläge gegen den Meißner'schen Gewehrladen im Thomasgäßchen, der erbrochen und geplündert wurde. Die Communalgarde gab zuerst an jener Ecke des Marktes Feuer. Die Wuth der Menge stieg. Es folgten sich mehrere Stunden lang, jedoch in längern Zwischenräumen, mehrere Pelotonfeuer, durch die man die Insurgenten zwang, die am Thomaskirchhof, an der Reichsstraße und am neuen Neumarkt errichteten Barrikaden zu räumen. Die größte und festeste Barrikade hatte man am Grimmaischen Thore am Cafe Francais errichtet. Nicht wenig wurde aber die Bestürzung der Stadt und das Schauerliche der ganzen Scene erhöht, als plötzlich vom Augustusplatz die helle Lohe emporschlug und das Gerücht sich verbreitete, man habe sämmtliche Buden die den Platz bedecken, in Brand gesteckt. Es stellte sich jedoch heraus, daß man nur einzelne Meßstände abgebrochen und zu einem Scheiterhaufen aufgethürmt hatte, um durch den Feuerschein die Dörfer zu alarmiren. Die Barrikade am Grimmaischen Thore wurde erst nach Tagesanbruch von der Communalgarde aus den Fenstern der anliegenden Häuser beschossen und von Freiwilligen erstürmt. Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht genau ermittelt, auf Seiten der Communalgarde allem Vernehmen nach unverhältnißmäßig stark, und zwar wurde von den Barrikaden aus mit Spitzkugelbüchsen gefeuert. Die Anzahl der zum Theil mit den Waffen in der Hand Verhafteten beträgt dem Vernehmen nach gegen sechzig.

Leipzig, 8. Mai.

Heute ist hier nachstehendes Plakat erschienen:

"An die Bürgerschaft Leipzigs. Die Studentenschaft hiesiger Stadt ist von den Behörden aufgefordert worden, die in den letzten Tagen erschöpfte Communalgarde zu unterstützen. Ein Theil der Studentenschaft ist dieser Aufforderung nachgekommen. Wir verabscheuen jeden, das Eigenthum und die Sicherheit der Person gefährdenden Straßenskandal. Andererseits aber müssen wir als unsere tiefste überzeugung aussprechen, daß diese aus reinerer Quelle entsprungene Bewegung durch die Mißgriffe der Behörden in diese unheilvolle Bahn geleitet worden ist. Die Behörden hatten durch die offizielle Anerkennung der Reichsverfassung zugleich die Verpflichtung übernommen, für dieselbe mit allen Kräften einzustehen. Die Behörden sind diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Behörden billigten weder die Schritte der alten, noch erkannten sie die Berechtigung der provisorischen Regierung an. Sie gewährten den Kampflustigen freie Fahrt nach Dresden und machten diese Gewährung durch Verweigerung von Waffen illusorisch; noch mehr, sie ließen die sich immer häufiger und dringender wiederholenden Forderungen nach Waffen durch Gewalt unterdrücken. Im Namen unserer für die Freiheit schon blutenden Brüder fühlen wir uns verpflichtet, für diese Unentschiedenheit und Halbheit der Behörden bewaffnet nicht einzustehen.

Leipzig, den 7. Mai 1849.

Im Namen von 139 Studenten:

Franz Roth. Eduard Mättig. Wilhelm Pückert.
S. Goldstandt. Franz Oberth."

61 Breslau, 7. Mai.

Auf meinem Rückwege von der Post stürzte mir eine Menge mit dem Rufe entgegen: "Man baut Barrikaden, das Militär schießt!" Die Menge zerstäubte in den Straßen. Der Versuch, Barrikaden zu bauen, wurde unter anderem an der Ecke des Rings und der Ohlauer Straße wirklich gemacht. Die Massen standen dort gedrängt, wichen aber vor den Militärkolonnen zurück. Es schien noch kein rechter Ernst in das führungslose Volk gekommen zu sein. Auf der Schuhbrücke soll auf eine durchziehende Patrouille von Jägern aus einem Hause geschossen worden sein. Der Sohn eines Buchbinders soll durch den Unterleib geschossen oder gestochen worden und heute gestorben sein. Als ich um 10 Uhr durch die Straßen ging, hatte sich die Menge zum großen Theile verlaufen, nur am Oderthore wurde der Widerstand, die gegenseitige Neckerei fortgesetzt und soll bis 2 Uhr in der Nacht gedauert haben. Die Bourgeoisie, obgleich allen deutschen Zeitungen nach die eigentlich aufständige Partei, ließ sich mit ihren Waffen nirgends blicken, und wünschte, die heißen Kastanien abermals vom Volke aus den glühenden Kohlen genommen zu sehen, um sie sich gratis dann recht wohlschmecken zu lassen. Das eigentliche Volk kümmerte sich gestern daher wenig um den Reichsbourgeoisverfassungsputsch, der sich

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 295. Köln, Freitag, den 11. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter/ Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 294 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.

Uebersicht.

Deutschland Köln. (Landwehrgesetzgebung). Neuß. (Landwehragitation). Berlin. (Aus Sachsen. — Klatsch). Dresden. (Der Kampf am 7. und 8. — Telegraphische Depesche) Leipzig. (Der Kampf. — Eine Studentenerklärung). Breslau. (Barrikaden. — Der Bürgerwehroberst. — Feigheit der Bourgeois. — Der Jablunkapaß von den Magyaren genommen. — Aus Oestreich). Wien. (Der Standrechtskaiser in Schönbrunn. — Schwarz-gelbe Demonstration. — Vermischtes). Schleswig-Holstein. (Bracklow. — Ein durchgebrannter Kollektensammler. — Der Kongreß in Neumünster). Kiel. (Die Zastrow'schen Rekognoscirungen). Kassel. (Reichsverfassung. — Agitation). Frankfurt. (Der Märzverein).

Ungarn. (Vom Kriegsschauplatze).

Italien. (Nachtrag über den Kampf vor Rom — Die Insurrektion in Livorno). Mestre. (Die Belagerung von Malghera).

Französische Republik. Paris. (Mort aux princes! — Vermischtes. — National-Versammlung vom 7. und 8).

Großbritannien. London. (Parlament).

Deutschland.
* Köln, 10. Mai.

Landwehrmänner!

Es heißt: A. im Gesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. Sept. 1814, Seite 79 der Gesetzsammlung:

§. 8.

Die Landwehr des 1. Aufgebots ist bei entstehendem Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres bestimmt, sie dient gleich diesem, im Kriege, im In- und Auslande; im Frieden ist sie dagegen, die zur Bildung und Uebung nöthige Zeit ausgenommen, in ihre Heimath entlassen.

B. In der Landwehrordnung vom 21. November 1815, Gesetzsammlung Seite 77:

§. 1.

Die Landwehr bildet einen Theil der bewaffneten Macht, sie tritt indeß nur bei ausbrechendem Kriege und bei den jährlichen Uebungen zusammen.

Mit Ausnahme des Stabes bei jedem Bataillon sind sämmtliche Mitglieder im Frieden in ihre Heimath und zu ihren Gewerben entlassen.

Landwehrmänner! Wenn Euch die brutale Gewalt gottbegnadeter Hochverräther zu ihren Söldnern pressen will, so erinnert Euch dieser Gesetzesstellen und haltet fest an Eurem guten Recht!

127 Neuß, 9. Mai.

Die auch von Ihrem Blatte gerüchtsweise mitgetheilten Exzesse in unserer Stadt beschränkten sich auf eine Volksversammlung und einen nichtssagenden Auflauf vor dem Hause eines Jemand, der in dieser Versammlung ein Hoch auf „unsern guten König“ ausbrachte und dem dafür einige Fensterscheiben eingeworfen wurden.

Dagegen hat heute eine großartige Demonstration der Landwehr des Kreises, verbunden mit unsern demokratischen Bürgern stattgefunden. Auf eine Erklärung derselben, daß Keiner, bevor nicht die gesammte Mannschaft auf die Verfassung beeidigt und somit selbstredend die Verfassung von der preußischen Regierung angenommen sei, sich der ergangenen Aufforderung nach stellen und einkleiden lassen würde, — auf diese Erklärung gab der Landwehrmajor die angsterpreßte Antwort:

„Man würde Niemand mit Gewalt zwingen, nur möge man niemand insultiren, der sich freiwillig stelle.“

Hierauf folgte eine von Tausenden besuchte Volksversammlung, worin man versprach, Alle für Einen zu stehen, sobald die Umstände es erfordern; Ausschüsse in den verschiedenen Ortschaften zu bilden, welche sich mit einem Central-Ausschusse hier in Verbindung setzen und auf den ersten Ruf desselben bereit sein würden.

Ein ungeheurer Menschenzug bewegte sich unter Vortragen der schwarzrothgoldenen Fahne darauf durch die Stadt. Hoch's erschollen für unsere „Brüder die Soldaten“. Werden diese noch länger ihre Brüder in Landwehr und Volk verläugnen?

X Berlin, 8. Mai.

Die Adressenwirthschaft fängt wieder ganz ähnlich der im November an. Auf amtlichen Wegen werden die Adressen, welche sich für das Ministerium aussprechen, gesammelt und wenn sie auch nur ein paar hundert Unterschriften haben, mit großem Pomp im Staatsanzeiger abgedruckt, während man die entgegengesetzten klüglich verschweigt, obwohl sie, wie wir selbst gesehen haben, oft mit vielen Tausenden von Unterschriften bedeckt sind. So wird z. B. auch jetzt, in den einzelnen Bezirken der Stadt, eine kurze energisch gefaßte Zustimmungsadresse an die Nationalversammlung in Frankfurt verbreitet, bei der sich fast alle Urwähler, Mann für Mann, mit sehr geringen Ausnahmen betheiligten.

Die Konstabler trieben gestern Abend wieder die Gruppen, welche sich auf dem Bahnhofe um die erzählenden Reisenden bildeten, sogleich auseinander, dagegen wurden den Soldaten die reaktionären Versionen mitgetheilt.

Auch von hier aus begibt sich trotz des Belagerungszustandes ein Freikorps nach Dresden, mit Waffen wohl versehen. Ihm gehören vorzüglich Maschinenbauer an. Wir möchten diesen muthigen Männern zurufen: macht erst die eigene Stadt frei, dann wird auch Dresden und Sachsen mit ihr nimmermehr fallen können.

Aus einer sonst ziemlich sicheren Quelle erfahren wir, daß man nur den Erfolg der preußischen Waffen in Sachsen erwartet, um mit dem neuen Wahlgesetz nach drei Steuerklassen und zugleich mit einer Modifikation des Kabinets hervorzutreten. Aus dem jetzigen Ministerium würden Simons und vielleicht auch Ladenberg in das neue übergehen. Graf Arnim-Boitzenburg wird nach dieser Combination Premier; Baron Schleinitz (!) Minister des Auswärtigen; Graf Schwerin hätte ebenfalls Aussichten einzutreten.

Die hier verbreitet gewesene Nachricht, Arnold Ruge sei bei den Leipziger Unruhen gefallen, hat sich nicht bestätigt. Dagegen soll Rud. Schramm (Abg. zur preuß. Nationalversammlung für Striegau und Präsident des Berliner demokratischen Clubs) sich in Dresden beim Kampfe lebhaft betheiligt haben und gefangen genommen sein.

Soeben, Nachmittags 4 Uhr, wird folgendes Plakat des Ministerium des Innern an die Ecken geschlagen:

„Gestern Mittag war etwas über die Hälfte der Altstadt in den Händen der preußischen und sächsischen Truppen. Dieselben sind bemüht, durch Vorrücken der Flügel die stark verbarrikadirte Schloßstraße und den alten Markt zu umgehen. Der rechte Flügel ist in diesen Bestrebungen bis zum Posthause, der linke bis zum Fleischscharren vorgedrungen. Noch heute hofft man in Besitz der ganzen Altstadt zu kommen.

Ministerium des Innern.“

Aus Sachsen.

Mit dem Abendzuge kam nichts Neues aus Dresden, wohl aber Näheres aus Leipzig hier an. Den Reisenden zufolge hatte der erbärmliche deutsche Verein die ganze Spaltung veranlaßt, welche in einen offenen Kampf ausbrach, bei dem sich die Kommunalgarde, wie gewöhnlich, im höchsten Grade feig benommen hat. So wurde eine Barrikade von nur 14 schlecht bewaffneten Männern aus dem Volke gegen 100 Gardisten vertheidigt, welche sich noch 20 Schützen zu Hülfe holen mußten. Der getödtete Kaufmann heißt Goutard. Er wurde erschossen, weil er aus seiner Wohnung zuerst auf das Volk gefeuert. Für den Abend (des 7.) besorgte man wieder Unruhen, und es war den Kaufleuten anbefohlen worden, die Meßbuden hinwegzuräumen.

Um 9 3/4 Uhr Abends kam der direkte Zug aus Dresden an, woraus hervorgeht, daß die ganze Bahnstrecke wiederhergestellt ist. Es kamen mit demselben aber nur reaktionäre sächsische Flüchtlinge hier an, welche ihren Berichten eine sehr eigenthümliche Färbung gaben, ohne sie durch Thatsachen zu bewahrheiten. Freilich muß Dresden trotz seines heldenmüthigen Widerstandes doch endlich unterliegen, wenn Preußen feig genug ist, noch ferner zu dulden, daß seine Söhne die Erhebung Sachsens als gottbegnadete Mordbande im Blute des Volkes ersticken helfen.

Einem uns mitgetheilten Privatbriefe aus Leipzig vom 7. Abends, entnehmen wir Folgendes:

„Es wird in Dresden mit Lebensverachtung gekämpft. Im Souterrain des Schlosses steht das Volk, oben das Militär. Die schöne Bildergallerie soll bedeutend gelitten haben, und im Zwinger viele Kunstschatze verbrannt sein. Der Neumarkt sieht gräßlich aus, die Hotels de Rome und de Saxe sind demolirt. In der Neustadt ist das Standrecht proklamirt, die Zuzüge setzen deshalb schon vorher über die Elbe. Weder das Militär noch das Volk hat bis jetzt gesiegt, obgleich der Kampf schon 4 Tage währt. Nach den neuesten Berichten rücken die Preußen in Massen vor. Wie es heißt, ist Dresden cernirt, um die Zuzüge zu verhindern!“

Dresden, 7. Mai.

(Neustadt.) 11 Uhr Vormittags. Das Leipziger Heulerblatt, die „D. A. Z.“ berichtet:

Der Kampf dauert fort. Vor einer Stunde ist wieder ein Bataillon Preußen mit klingendem Spiele hier eingerückt. Es wird diesen Nachmittag am Angriff Theil nehmen. Verwundete Militärs sind diesen Vormittag sehr viele in das Hospital gebracht worden. Der Kanonendonner schweigt.

(Abends 10 Uhr.) Nach fünf durch den Kriegslärm gestörten Tagen haben wir hier in Neustadt die erste ruhige Nacht. Unsere militärischen Vorposten sind auf der meißner, großenhainer und bautzner Straße ziemlich weit vorgeschoben. Beide Eisenbahnhöfe, der Leipziger und Schlesische, sind militärisch besetzt. Nur Bewaffnete werden angehalten. Heute früh waren die Truppen von dem viertägigen Straßenbivouac und 36stündigen, fast unausgesetzten Kampfe todtmüde. Da kam aber wieder ein preußisches Grenadierbataillon an, rückte mit frischen Kräften ins Feuer und diesen Nachmittag haben die Truppen bedeutende Fortschritte gemacht. Der ganze östliche und nordöstliche Theil der Stadt bis an die Rosmaringasse, sowie andererseits das Gewandhaus und die Kreuzgasse, bis mit dem Kreuzthurme, ist in dem Besitz derselben. Morgen wird nöthigenfalls selbst schweres Geschütz in Anwendung gebracht werden. Uebrigens sind mehre der bekanntern Theilnehmer getödtet worden. Die Verluste des Militärs sind nicht näher anzugeben. Daß auf Seite der Aufständigen der Verlust am Ende noch bedeutender sein dürfte als beim Militär, das läßt sich nach der Erbitterung beurtheilen, mit der die Soldaten, nachdem so mancher Kamerad von ihnen geblieben, gekämpft haben.

Den 8 Mai (5 Uhr früh). Soeben rückt das dritte Bataillon des Regiments Alexander hier ein. Die Neustadt ist vollgestopft von Soldaten.

Schließlich theilen wir folgende Bekanntmachung mit:

„Es ist zur Kenntniß des unterzeichneten Ministeriums gekommeo, daß das Gerücht verbreitet worden sei, die Gesandten von England und Frankreich hätten gegen das Einrücken königl. preußischer Truppen in Sachsen Einsprache erhoben. Zur allgemeinen Benachrichtigung dient hiermit, daß eine derartige Dazwischenkunft in keiner Weise erfolgt ist.

Dresden, 7. Mai 1849.

Ministerium der auswärtigen Angelegenheit.

v. Beust.“

Dresden, 8. Mai.

(Telegraphische Depesche.) Das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments, welches gestern Abends 6 1/2 Uhr von Berlin mit der Eisenbahn abgegangen war, ist heute Morgen 5 Uhr ohne Aufenthalt hier eingetroffen.

Die neuesten uns so eben zugekommenen Nachrichten bestätigen, daß der Kampf fortgesetzt wurde. Der Widerstand der Aufständischen war zwar sehr hartnäckig, namentlich von den Häusern aus, in welchen zum guten Theile die Zwischenmauern durchbrochen waren, so daß die Aufrührer, von den Truppen gedrängt, den Rückzug antreten konnten, indeß drangen die letzteren doch bis zum Altmarkt vor. Unter den Gefangenen befindet sich auch der Kommandant der revolutionairen Kommunal-Garde, Oberst-Lieutenant Heinze, welcher in seiner Wohnung ergriffen und sofort vor den Kriegs-Minister gebracht wurde, von welchem er beim Abgang dieser Nachrichten verhört wurde.

(Preuß. Staats-Anz.)
Leipzig, 7. Mai.

In verwichener Nacht kam's auch hier zum Aufstande. Nachdem das Volk durch mehrfache Brutalitäten Seitens der Bürgerwehr aufs Höchste erbittert worden, wandte es sich zum Barrikadenbau. Im Nu erscholl, sagt die „L. Z.“, durch die ganze innere Stadt das Getöse der zu Barrikaden niedergeworfenen Meßstände und Waarenkisten und der Schläge gegen den Meißner'schen Gewehrladen im Thomasgäßchen, der erbrochen und geplündert wurde. Die Communalgarde gab zuerst an jener Ecke des Marktes Feuer. Die Wuth der Menge stieg. Es folgten sich mehrere Stunden lang, jedoch in längern Zwischenräumen, mehrere Pelotonfeuer, durch die man die Insurgenten zwang, die am Thomaskirchhof, an der Reichsstraße und am neuen Neumarkt errichteten Barrikaden zu räumen. Die größte und festeste Barrikade hatte man am Grimmaischen Thore am Café Francais errichtet. Nicht wenig wurde aber die Bestürzung der Stadt und das Schauerliche der ganzen Scene erhöht, als plötzlich vom Augustusplatz die helle Lohe emporschlug und das Gerücht sich verbreitete, man habe sämmtliche Buden die den Platz bedecken, in Brand gesteckt. Es stellte sich jedoch heraus, daß man nur einzelne Meßstände abgebrochen und zu einem Scheiterhaufen aufgethürmt hatte, um durch den Feuerschein die Dörfer zu alarmiren. Die Barrikade am Grimmaischen Thore wurde erst nach Tagesanbruch von der Communalgarde aus den Fenstern der anliegenden Häuser beschossen und von Freiwilligen erstürmt. Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht genau ermittelt, auf Seiten der Communalgarde allem Vernehmen nach unverhältnißmäßig stark, und zwar wurde von den Barrikaden aus mit Spitzkugelbüchsen gefeuert. Die Anzahl der zum Theil mit den Waffen in der Hand Verhafteten beträgt dem Vernehmen nach gegen sechzig.

Leipzig, 8. Mai.

Heute ist hier nachstehendes Plakat erschienen:

„An die Bürgerschaft Leipzigs. Die Studentenschaft hiesiger Stadt ist von den Behörden aufgefordert worden, die in den letzten Tagen erschöpfte Communalgarde zu unterstützen. Ein Theil der Studentenschaft ist dieser Aufforderung nachgekommen. Wir verabscheuen jeden, das Eigenthum und die Sicherheit der Person gefährdenden Straßenskandal. Andererseits aber müssen wir als unsere tiefste überzeugung aussprechen, daß diese aus reinerer Quelle entsprungene Bewegung durch die Mißgriffe der Behörden in diese unheilvolle Bahn geleitet worden ist. Die Behörden hatten durch die offizielle Anerkennung der Reichsverfassung zugleich die Verpflichtung übernommen, für dieselbe mit allen Kräften einzustehen. Die Behörden sind diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Behörden billigten weder die Schritte der alten, noch erkannten sie die Berechtigung der provisorischen Regierung an. Sie gewährten den Kampflustigen freie Fahrt nach Dresden und machten diese Gewährung durch Verweigerung von Waffen illusorisch; noch mehr, sie ließen die sich immer häufiger und dringender wiederholenden Forderungen nach Waffen durch Gewalt unterdrücken. Im Namen unserer für die Freiheit schon blutenden Brüder fühlen wir uns verpflichtet, für diese Unentschiedenheit und Halbheit der Behörden bewaffnet nicht einzustehen.

Leipzig, den 7. Mai 1849.

Im Namen von 139 Studenten:

Franz Roth. Eduard Mättig. Wilhelm Pückert.
S. Goldstandt. Franz Oberth.“

61 Breslau, 7. Mai.

Auf meinem Rückwege von der Post stürzte mir eine Menge mit dem Rufe entgegen: „Man baut Barrikaden, das Militär schießt!“ Die Menge zerstäubte in den Straßen. Der Versuch, Barrikaden zu bauen, wurde unter anderem an der Ecke des Rings und der Ohlauer Straße wirklich gemacht. Die Massen standen dort gedrängt, wichen aber vor den Militärkolonnen zurück. Es schien noch kein rechter Ernst in das führungslose Volk gekommen zu sein. Auf der Schuhbrücke soll auf eine durchziehende Patrouille von Jägern aus einem Hause geschossen worden sein. Der Sohn eines Buchbinders soll durch den Unterleib geschossen oder gestochen worden und heute gestorben sein. Als ich um 10 Uhr durch die Straßen ging, hatte sich die Menge zum großen Theile verlaufen, nur am Oderthore wurde der Widerstand, die gegenseitige Neckerei fortgesetzt und soll bis 2 Uhr in der Nacht gedauert haben. Die Bourgeoisie, obgleich allen deutschen Zeitungen nach die eigentlich aufständige Partei, ließ sich mit ihren Waffen nirgends blicken, und wünschte, die heißen Kastanien abermals vom Volke aus den glühenden Kohlen genommen zu sehen, um sie sich gratis dann recht wohlschmecken zu lassen. Das eigentliche Volk kümmerte sich gestern daher wenig um den Reichsbourgeoisverfassungsputsch, der sich

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No 295. Köln, Freitag, den 11. Mai. 1849.</docDate>
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      <div type="jExpedition">
        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2014; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2014; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2014; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter/ Meer;</hi> in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz</hi>, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
      </div>
      <div n="1">
        <p>Zu Nro. 294 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi> Köln. (Landwehrgesetzgebung). Neuß. (Landwehragitation). Berlin. (Aus Sachsen. &#x2014; Klatsch). Dresden. (Der Kampf am 7. und 8. &#x2014; Telegraphische Depesche) Leipzig. (Der Kampf. &#x2014; Eine Studentenerklärung). Breslau. (Barrikaden. &#x2014; Der Bürgerwehroberst. &#x2014; Feigheit der Bourgeois. &#x2014; Der Jablunkapaß von den Magyaren genommen. &#x2014; Aus Oestreich). Wien. (Der Standrechtskaiser in Schönbrunn. &#x2014; Schwarz-gelbe Demonstration. &#x2014; Vermischtes). Schleswig-Holstein. (Bracklow. &#x2014; Ein durchgebrannter Kollektensammler. &#x2014; Der Kongreß in Neumünster). Kiel. (Die Zastrow'schen Rekognoscirungen). Kassel. (Reichsverfassung. &#x2014; Agitation). Frankfurt. (Der Märzverein).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. (Vom Kriegsschauplatze).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Nachtrag über den Kampf vor Rom &#x2014; Die Insurrektion in Livorno). Mestre. (Die Belagerung von Malghera).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Mort aux princes! &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung vom 7. und 8).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Parlament).</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar295_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 10. Mai.</head>
          <p>Landwehrmänner!</p>
          <p>Es heißt: A. im Gesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. Sept. 1814, Seite 79 der Gesetzsammlung:</p>
          <p>§. 8.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Die Landwehr des 1. Aufgebots ist bei entstehendem Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres bestimmt, sie dient gleich diesem, <hi rendition="#b">im Kriege,</hi> im In- und Auslande;</hi> <hi rendition="#b">im Frieden ist sie dagegen, die zur Bildung und Uebung nöthige Zeit ausgenommen, in ihre Heimath entlassen.</hi> </p>
          <p>B. In der Landwehrordnung vom 21. November 1815, Gesetzsammlung Seite 77:</p>
          <p>§. 1.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Die Landwehr bildet einen Theil der bewaffneten Macht,</hi> <hi rendition="#b">sie tritt indeß nur bei ausbrechendem Kriege und bei den jährlichen Uebungen zusammen.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Mit Ausnahme des Stabes bei jedem Bataillon</hi> <hi rendition="#b">sind sämmtliche Mitglieder im Frieden in ihre Heimath und zu ihren Gewerben entlassen.</hi> </p>
          <p>Landwehrmänner! Wenn Euch die brutale Gewalt gottbegnadeter Hochverräther zu ihren Söldnern pressen will, so erinnert Euch dieser Gesetzesstellen und <hi rendition="#g">haltet fest an Eurem guten Recht!</hi> </p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>127</author></bibl> Neuß, 9. Mai.</head>
          <p>Die auch von Ihrem Blatte gerüchtsweise mitgetheilten Exzesse in unserer Stadt beschränkten sich auf eine Volksversammlung und einen nichtssagenden Auflauf vor dem Hause eines Jemand, der in dieser Versammlung ein Hoch auf &#x201E;unsern guten König&#x201C; ausbrachte und dem dafür einige Fensterscheiben eingeworfen wurden.</p>
          <p>Dagegen hat heute eine großartige Demonstration der Landwehr des Kreises, verbunden mit unsern demokratischen Bürgern stattgefunden. Auf eine Erklärung derselben, daß Keiner, bevor nicht die gesammte Mannschaft auf die Verfassung beeidigt und somit selbstredend die Verfassung von der preußischen Regierung angenommen sei, sich der ergangenen Aufforderung nach stellen und einkleiden lassen würde, &#x2014; auf diese Erklärung gab der Landwehrmajor die angsterpreßte Antwort:</p>
          <p>&#x201E;Man würde Niemand mit Gewalt zwingen, nur möge man niemand insultiren, der sich freiwillig stelle.&#x201C;</p>
          <p>Hierauf folgte eine von Tausenden besuchte Volksversammlung, worin man versprach, Alle für Einen zu stehen, sobald die Umstände es erfordern; Ausschüsse in den verschiedenen Ortschaften zu bilden, welche sich mit einem Central-Ausschusse hier in Verbindung setzen und auf den ersten Ruf desselben bereit sein würden.</p>
          <p>Ein ungeheurer Menschenzug bewegte sich unter Vortragen der schwarzrothgoldenen Fahne darauf durch die Stadt. Hoch's erschollen für unsere &#x201E;Brüder die Soldaten&#x201C;. Werden diese noch länger ihre Brüder in Landwehr und Volk verläugnen?</p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 8. Mai.</head>
          <p>Die Adressenwirthschaft fängt wieder ganz ähnlich der im November an. Auf amtlichen Wegen werden die Adressen, welche sich für das Ministerium aussprechen, gesammelt und wenn sie auch nur ein paar hundert Unterschriften haben, mit großem Pomp im Staatsanzeiger abgedruckt, während man die entgegengesetzten klüglich verschweigt, obwohl sie, wie wir selbst gesehen haben, oft mit vielen Tausenden von Unterschriften bedeckt sind. So wird z. B. auch jetzt, in den einzelnen Bezirken der Stadt, eine kurze energisch gefaßte Zustimmungsadresse an die Nationalversammlung in Frankfurt verbreitet, bei der sich fast alle Urwähler, Mann für Mann, mit sehr geringen Ausnahmen betheiligten.</p>
          <p>Die Konstabler trieben gestern Abend wieder die Gruppen, welche sich auf dem Bahnhofe um die erzählenden Reisenden bildeten, sogleich auseinander, dagegen wurden den Soldaten die reaktionären Versionen mitgetheilt.</p>
          <p>Auch von hier aus begibt sich trotz des Belagerungszustandes ein Freikorps nach Dresden, mit Waffen wohl versehen. Ihm gehören vorzüglich Maschinenbauer an. Wir möchten diesen muthigen Männern zurufen: macht erst die eigene Stadt frei, dann wird auch Dresden und Sachsen mit ihr nimmermehr fallen können.</p>
          <p>Aus einer sonst ziemlich sicheren Quelle erfahren wir, daß man nur den Erfolg der preußischen Waffen in Sachsen erwartet, um mit dem neuen Wahlgesetz nach drei Steuerklassen und zugleich mit einer Modifikation des Kabinets hervorzutreten. Aus dem jetzigen Ministerium würden Simons und vielleicht auch Ladenberg in das neue übergehen. Graf Arnim-Boitzenburg wird nach dieser Combination Premier; Baron Schleinitz (!) Minister des Auswärtigen; Graf Schwerin hätte ebenfalls Aussichten einzutreten.</p>
          <p>Die hier verbreitet gewesene Nachricht, Arnold Ruge sei bei den Leipziger Unruhen gefallen, hat sich nicht bestätigt. Dagegen soll Rud. Schramm (Abg. zur preuß. Nationalversammlung für Striegau und Präsident des Berliner demokratischen Clubs) sich in Dresden beim Kampfe lebhaft betheiligt haben und gefangen genommen sein.</p>
          <p>Soeben, Nachmittags 4 Uhr, wird folgendes Plakat des Ministerium des Innern an die Ecken geschlagen:</p>
          <p>&#x201E;Gestern Mittag war etwas über die Hälfte der Altstadt in den Händen der preußischen und sächsischen Truppen. Dieselben sind bemüht, durch Vorrücken der Flügel die stark verbarrikadirte Schloßstraße und den alten Markt zu umgehen. Der rechte Flügel ist in diesen Bestrebungen bis zum Posthause, der linke bis zum Fleischscharren vorgedrungen. Noch heute hofft man in Besitz der ganzen Altstadt zu kommen.</p>
          <p>Ministerium des Innern.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_004" type="jArticle">
          <head>Aus Sachsen.</head>
          <p>Mit dem Abendzuge kam nichts Neues aus Dresden, wohl aber Näheres aus Leipzig hier an. Den Reisenden zufolge hatte der erbärmliche deutsche Verein die ganze Spaltung veranlaßt, welche in einen offenen Kampf ausbrach, bei dem sich die Kommunalgarde, wie gewöhnlich, im höchsten Grade feig benommen hat. So wurde eine Barrikade von nur 14 schlecht bewaffneten Männern aus dem Volke gegen 100 Gardisten vertheidigt, welche sich noch 20 Schützen zu Hülfe holen mußten. Der getödtete Kaufmann heißt Goutard. Er wurde erschossen, weil er aus seiner Wohnung zuerst auf das Volk gefeuert. Für den Abend (des 7.) besorgte man wieder Unruhen, und es war den Kaufleuten anbefohlen worden, die Meßbuden hinwegzuräumen.</p>
          <p>Um 9 3/4 Uhr Abends kam der direkte Zug aus Dresden an, woraus hervorgeht, daß die ganze Bahnstrecke wiederhergestellt ist. Es kamen mit demselben aber nur reaktionäre sächsische Flüchtlinge hier an, welche ihren Berichten eine sehr eigenthümliche Färbung gaben, ohne sie durch Thatsachen zu bewahrheiten. Freilich muß Dresden trotz seines heldenmüthigen Widerstandes doch endlich unterliegen, wenn Preußen feig genug ist, noch ferner zu dulden, daß seine Söhne die Erhebung Sachsens als gottbegnadete Mordbande im Blute des Volkes ersticken helfen.</p>
          <p>Einem uns mitgetheilten Privatbriefe aus Leipzig vom 7. Abends, entnehmen wir Folgendes:</p>
          <p>&#x201E;Es wird in Dresden mit Lebensverachtung gekämpft. Im Souterrain des Schlosses steht das Volk, oben das Militär. Die schöne Bildergallerie soll bedeutend gelitten haben, und im Zwinger viele Kunstschatze verbrannt sein. Der Neumarkt sieht gräßlich aus, die Hotels de Rome und de Saxe sind demolirt. In der Neustadt ist das Standrecht proklamirt, die Zuzüge setzen deshalb schon vorher über die Elbe. Weder das Militär noch das Volk hat bis jetzt gesiegt, obgleich der Kampf schon 4 Tage währt. Nach den neuesten Berichten rücken die Preußen in Massen vor. Wie es heißt, ist Dresden cernirt, um die Zuzüge zu verhindern!&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_005" type="jArticle">
          <head>Dresden, 7. Mai.</head>
          <p>(Neustadt.) 11 Uhr Vormittags. Das Leipziger Heulerblatt, die &#x201E;<hi rendition="#g">D. A. Z.</hi>&#x201C; berichtet:</p>
          <p>Der Kampf dauert fort. Vor einer Stunde ist wieder ein Bataillon Preußen mit klingendem Spiele hier eingerückt. Es wird diesen Nachmittag am Angriff Theil nehmen. Verwundete Militärs sind diesen Vormittag sehr viele in das Hospital gebracht worden. Der Kanonendonner schweigt.</p>
          <p>(Abends 10 Uhr.) Nach fünf durch den Kriegslärm gestörten Tagen haben wir hier in <hi rendition="#g">Neustadt</hi> die erste ruhige Nacht. Unsere militärischen Vorposten sind auf der meißner, großenhainer und bautzner Straße ziemlich weit vorgeschoben. Beide Eisenbahnhöfe, der Leipziger und Schlesische, sind militärisch besetzt. Nur Bewaffnete werden angehalten. Heute früh waren die Truppen von dem viertägigen Straßenbivouac und 36stündigen, fast unausgesetzten Kampfe todtmüde. Da kam aber wieder ein preußisches Grenadierbataillon an, rückte mit frischen Kräften ins Feuer und diesen Nachmittag haben die Truppen bedeutende Fortschritte gemacht. Der ganze östliche und nordöstliche Theil der Stadt bis an die Rosmaringasse, sowie andererseits das Gewandhaus und die Kreuzgasse, bis mit dem Kreuzthurme, ist in dem Besitz derselben. Morgen wird nöthigenfalls selbst schweres Geschütz in Anwendung gebracht werden. Uebrigens sind mehre der bekanntern Theilnehmer getödtet worden. Die Verluste des Militärs sind nicht näher anzugeben. Daß auf Seite der Aufständigen der Verlust am Ende noch bedeutender sein dürfte als beim Militär, das läßt sich nach der Erbitterung beurtheilen, mit der die Soldaten, nachdem so mancher Kamerad von ihnen geblieben, gekämpft haben.</p>
          <p>Den 8 Mai (5 Uhr früh). Soeben rückt das dritte Bataillon des Regiments Alexander hier ein. Die Neustadt ist vollgestopft von Soldaten.</p>
          <p>Schließlich theilen wir folgende Bekanntmachung mit:</p>
          <p>&#x201E;Es ist zur Kenntniß des unterzeichneten Ministeriums gekommeo, daß das Gerücht verbreitet worden sei, die Gesandten von England und Frankreich hätten gegen das Einrücken königl. preußischer Truppen in Sachsen Einsprache erhoben. Zur allgemeinen Benachrichtigung dient hiermit, daß eine derartige Dazwischenkunft in keiner Weise erfolgt ist.</p>
          <p>Dresden, 7. Mai 1849.</p>
          <p>Ministerium der auswärtigen Angelegenheit.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Beust</hi>.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_006" type="jArticle">
          <head>Dresden, 8. Mai.</head>
          <p>(Telegraphische Depesche.) Das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments, welches gestern Abends 6 1/2 Uhr von Berlin mit der Eisenbahn abgegangen war, ist heute Morgen 5 Uhr ohne Aufenthalt hier eingetroffen.</p>
          <p>Die neuesten uns so eben zugekommenen Nachrichten bestätigen, daß der Kampf fortgesetzt wurde. Der Widerstand der Aufständischen war zwar sehr hartnäckig, namentlich von den Häusern aus, in welchen zum guten Theile die Zwischenmauern durchbrochen waren, so daß die Aufrührer, von den Truppen gedrängt, den Rückzug antreten konnten, indeß drangen die letzteren doch bis zum Altmarkt vor. Unter den Gefangenen befindet sich auch der Kommandant der revolutionairen Kommunal-Garde, Oberst-Lieutenant Heinze, welcher in seiner Wohnung ergriffen und sofort vor den Kriegs-Minister gebracht wurde, von welchem er beim Abgang dieser Nachrichten verhört wurde.</p>
          <bibl>(Preuß. Staats-Anz.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar295_007" type="jArticle">
          <head>Leipzig, 7. Mai.</head>
          <p>In verwichener Nacht kam's auch hier zum Aufstande. Nachdem das Volk durch mehrfache Brutalitäten Seitens der Bürgerwehr aufs Höchste erbittert worden, wandte es sich zum Barrikadenbau. Im Nu erscholl, sagt die &#x201E;L. Z.&#x201C;, durch die ganze innere Stadt das Getöse der zu Barrikaden niedergeworfenen Meßstände und Waarenkisten und der Schläge gegen den Meißner'schen Gewehrladen im Thomasgäßchen, der erbrochen und geplündert wurde. Die Communalgarde gab zuerst an jener Ecke des Marktes Feuer. Die Wuth der Menge stieg. Es folgten sich mehrere Stunden lang, jedoch in längern Zwischenräumen, mehrere Pelotonfeuer, durch die man die Insurgenten zwang, die am Thomaskirchhof, an der Reichsstraße und am neuen Neumarkt errichteten Barrikaden zu räumen. Die größte und festeste Barrikade hatte man am Grimmaischen Thore am Café Francais errichtet. Nicht wenig wurde aber die Bestürzung der Stadt und das Schauerliche der ganzen Scene erhöht, als plötzlich vom Augustusplatz die helle Lohe emporschlug und das Gerücht sich verbreitete, man habe sämmtliche Buden die den Platz bedecken, in Brand gesteckt. Es stellte sich jedoch heraus, daß man nur einzelne Meßstände abgebrochen und zu einem Scheiterhaufen aufgethürmt hatte, um durch den Feuerschein die Dörfer zu alarmiren. Die Barrikade am Grimmaischen Thore wurde erst nach Tagesanbruch von der Communalgarde aus den Fenstern der anliegenden Häuser beschossen und von Freiwilligen erstürmt. Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht genau ermittelt, auf Seiten der Communalgarde allem Vernehmen nach unverhältnißmäßig stark, und zwar wurde von den Barrikaden aus mit Spitzkugelbüchsen gefeuert. Die Anzahl der zum Theil mit den Waffen in der Hand Verhafteten beträgt dem Vernehmen nach gegen sechzig.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_008" type="jArticle">
          <head>Leipzig, 8. Mai.</head>
          <p>Heute ist hier nachstehendes Plakat erschienen:</p>
          <p>&#x201E;An die Bürgerschaft Leipzigs. Die Studentenschaft hiesiger Stadt ist von den Behörden aufgefordert worden, die in den letzten Tagen erschöpfte Communalgarde zu unterstützen. Ein Theil der Studentenschaft ist dieser Aufforderung nachgekommen. Wir verabscheuen jeden, das Eigenthum und die Sicherheit der Person gefährdenden Straßenskandal. Andererseits aber müssen wir als unsere tiefste überzeugung aussprechen, daß diese aus reinerer Quelle entsprungene Bewegung durch die Mißgriffe der Behörden in diese unheilvolle Bahn geleitet worden ist. Die Behörden hatten durch die offizielle Anerkennung der Reichsverfassung zugleich die Verpflichtung übernommen, für dieselbe mit allen Kräften einzustehen. Die Behörden sind diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Behörden billigten weder die Schritte der alten, noch erkannten sie die Berechtigung der provisorischen Regierung an. Sie gewährten den Kampflustigen freie Fahrt nach Dresden und machten diese Gewährung durch Verweigerung von Waffen illusorisch; noch mehr, sie ließen die sich immer häufiger und dringender wiederholenden Forderungen nach Waffen durch Gewalt unterdrücken. Im Namen unserer für die Freiheit schon blutenden Brüder fühlen wir uns verpflichtet, für diese Unentschiedenheit und Halbheit der Behörden bewaffnet <hi rendition="#g">nicht</hi> einzustehen.</p>
          <p>Leipzig, den 7. Mai 1849.</p>
          <p>Im Namen von 139 Studenten:</p>
          <p rendition="#et">Franz Roth. Eduard Mättig. Wilhelm Pückert.<lb/>
S. Goldstandt. Franz Oberth.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar295_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 7. Mai.</head>
          <p>Auf meinem Rückwege von der Post stürzte mir eine Menge mit dem Rufe entgegen: &#x201E;Man baut Barrikaden, das Militär schießt!&#x201C; Die Menge zerstäubte in den Straßen. Der Versuch, Barrikaden zu bauen, wurde unter anderem an der Ecke des Rings und der Ohlauer Straße wirklich gemacht. Die Massen standen dort gedrängt, wichen aber vor den Militärkolonnen zurück. Es schien noch kein rechter Ernst in das führungslose Volk gekommen zu sein. Auf der Schuhbrücke soll auf eine durchziehende Patrouille von Jägern aus einem Hause geschossen worden sein. Der Sohn eines Buchbinders soll durch den Unterleib geschossen oder gestochen worden und heute gestorben sein. Als ich um 10 Uhr durch die Straßen ging, hatte sich die Menge zum großen Theile verlaufen, nur am Oderthore wurde der Widerstand, die gegenseitige Neckerei fortgesetzt und soll bis 2 Uhr in der Nacht gedauert haben. Die Bourgeoisie, obgleich allen deutschen Zeitungen nach die eigentlich aufständige Partei, ließ sich mit ihren Waffen nirgends blicken, und wünschte, die heißen Kastanien abermals vom Volke aus den glühenden Kohlen genommen zu sehen, um sie sich gratis dann recht wohlschmecken zu lassen. Das eigentliche Volk kümmerte sich gestern daher wenig um den Reichsbourgeoisverfassungsputsch, der sich
</p>
        </div>
      </div>
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[1673/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 295. Köln, Freitag, den 11. Mai. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter/ Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zu Nro. 294 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt. Uebersicht. Deutschland Köln. (Landwehrgesetzgebung). Neuß. (Landwehragitation). Berlin. (Aus Sachsen. — Klatsch). Dresden. (Der Kampf am 7. und 8. — Telegraphische Depesche) Leipzig. (Der Kampf. — Eine Studentenerklärung). Breslau. (Barrikaden. — Der Bürgerwehroberst. — Feigheit der Bourgeois. — Der Jablunkapaß von den Magyaren genommen. — Aus Oestreich). Wien. (Der Standrechtskaiser in Schönbrunn. — Schwarz-gelbe Demonstration. — Vermischtes). Schleswig-Holstein. (Bracklow. — Ein durchgebrannter Kollektensammler. — Der Kongreß in Neumünster). Kiel. (Die Zastrow'schen Rekognoscirungen). Kassel. (Reichsverfassung. — Agitation). Frankfurt. (Der Märzverein). Ungarn. (Vom Kriegsschauplatze). Italien. (Nachtrag über den Kampf vor Rom — Die Insurrektion in Livorno). Mestre. (Die Belagerung von Malghera). Französische Republik. Paris. (Mort aux princes! — Vermischtes. — National-Versammlung vom 7. und 8). Großbritannien. London. (Parlament). Deutschland. * Köln, 10. Mai. Landwehrmänner! Es heißt: A. im Gesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. Sept. 1814, Seite 79 der Gesetzsammlung: §. 8. Die Landwehr des 1. Aufgebots ist bei entstehendem Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres bestimmt, sie dient gleich diesem, im Kriege, im In- und Auslande; im Frieden ist sie dagegen, die zur Bildung und Uebung nöthige Zeit ausgenommen, in ihre Heimath entlassen. B. In der Landwehrordnung vom 21. November 1815, Gesetzsammlung Seite 77: §. 1. Die Landwehr bildet einen Theil der bewaffneten Macht, sie tritt indeß nur bei ausbrechendem Kriege und bei den jährlichen Uebungen zusammen. Mit Ausnahme des Stabes bei jedem Bataillon sind sämmtliche Mitglieder im Frieden in ihre Heimath und zu ihren Gewerben entlassen. Landwehrmänner! Wenn Euch die brutale Gewalt gottbegnadeter Hochverräther zu ihren Söldnern pressen will, so erinnert Euch dieser Gesetzesstellen und haltet fest an Eurem guten Recht! 127 Neuß, 9. Mai. Die auch von Ihrem Blatte gerüchtsweise mitgetheilten Exzesse in unserer Stadt beschränkten sich auf eine Volksversammlung und einen nichtssagenden Auflauf vor dem Hause eines Jemand, der in dieser Versammlung ein Hoch auf „unsern guten König“ ausbrachte und dem dafür einige Fensterscheiben eingeworfen wurden. Dagegen hat heute eine großartige Demonstration der Landwehr des Kreises, verbunden mit unsern demokratischen Bürgern stattgefunden. Auf eine Erklärung derselben, daß Keiner, bevor nicht die gesammte Mannschaft auf die Verfassung beeidigt und somit selbstredend die Verfassung von der preußischen Regierung angenommen sei, sich der ergangenen Aufforderung nach stellen und einkleiden lassen würde, — auf diese Erklärung gab der Landwehrmajor die angsterpreßte Antwort: „Man würde Niemand mit Gewalt zwingen, nur möge man niemand insultiren, der sich freiwillig stelle.“ Hierauf folgte eine von Tausenden besuchte Volksversammlung, worin man versprach, Alle für Einen zu stehen, sobald die Umstände es erfordern; Ausschüsse in den verschiedenen Ortschaften zu bilden, welche sich mit einem Central-Ausschusse hier in Verbindung setzen und auf den ersten Ruf desselben bereit sein würden. Ein ungeheurer Menschenzug bewegte sich unter Vortragen der schwarzrothgoldenen Fahne darauf durch die Stadt. Hoch's erschollen für unsere „Brüder die Soldaten“. Werden diese noch länger ihre Brüder in Landwehr und Volk verläugnen? X Berlin, 8. Mai. Die Adressenwirthschaft fängt wieder ganz ähnlich der im November an. Auf amtlichen Wegen werden die Adressen, welche sich für das Ministerium aussprechen, gesammelt und wenn sie auch nur ein paar hundert Unterschriften haben, mit großem Pomp im Staatsanzeiger abgedruckt, während man die entgegengesetzten klüglich verschweigt, obwohl sie, wie wir selbst gesehen haben, oft mit vielen Tausenden von Unterschriften bedeckt sind. So wird z. B. auch jetzt, in den einzelnen Bezirken der Stadt, eine kurze energisch gefaßte Zustimmungsadresse an die Nationalversammlung in Frankfurt verbreitet, bei der sich fast alle Urwähler, Mann für Mann, mit sehr geringen Ausnahmen betheiligten. Die Konstabler trieben gestern Abend wieder die Gruppen, welche sich auf dem Bahnhofe um die erzählenden Reisenden bildeten, sogleich auseinander, dagegen wurden den Soldaten die reaktionären Versionen mitgetheilt. Auch von hier aus begibt sich trotz des Belagerungszustandes ein Freikorps nach Dresden, mit Waffen wohl versehen. Ihm gehören vorzüglich Maschinenbauer an. Wir möchten diesen muthigen Männern zurufen: macht erst die eigene Stadt frei, dann wird auch Dresden und Sachsen mit ihr nimmermehr fallen können. Aus einer sonst ziemlich sicheren Quelle erfahren wir, daß man nur den Erfolg der preußischen Waffen in Sachsen erwartet, um mit dem neuen Wahlgesetz nach drei Steuerklassen und zugleich mit einer Modifikation des Kabinets hervorzutreten. Aus dem jetzigen Ministerium würden Simons und vielleicht auch Ladenberg in das neue übergehen. Graf Arnim-Boitzenburg wird nach dieser Combination Premier; Baron Schleinitz (!) Minister des Auswärtigen; Graf Schwerin hätte ebenfalls Aussichten einzutreten. Die hier verbreitet gewesene Nachricht, Arnold Ruge sei bei den Leipziger Unruhen gefallen, hat sich nicht bestätigt. Dagegen soll Rud. Schramm (Abg. zur preuß. Nationalversammlung für Striegau und Präsident des Berliner demokratischen Clubs) sich in Dresden beim Kampfe lebhaft betheiligt haben und gefangen genommen sein. Soeben, Nachmittags 4 Uhr, wird folgendes Plakat des Ministerium des Innern an die Ecken geschlagen: „Gestern Mittag war etwas über die Hälfte der Altstadt in den Händen der preußischen und sächsischen Truppen. Dieselben sind bemüht, durch Vorrücken der Flügel die stark verbarrikadirte Schloßstraße und den alten Markt zu umgehen. Der rechte Flügel ist in diesen Bestrebungen bis zum Posthause, der linke bis zum Fleischscharren vorgedrungen. Noch heute hofft man in Besitz der ganzen Altstadt zu kommen. Ministerium des Innern.“ Aus Sachsen. Mit dem Abendzuge kam nichts Neues aus Dresden, wohl aber Näheres aus Leipzig hier an. Den Reisenden zufolge hatte der erbärmliche deutsche Verein die ganze Spaltung veranlaßt, welche in einen offenen Kampf ausbrach, bei dem sich die Kommunalgarde, wie gewöhnlich, im höchsten Grade feig benommen hat. So wurde eine Barrikade von nur 14 schlecht bewaffneten Männern aus dem Volke gegen 100 Gardisten vertheidigt, welche sich noch 20 Schützen zu Hülfe holen mußten. Der getödtete Kaufmann heißt Goutard. Er wurde erschossen, weil er aus seiner Wohnung zuerst auf das Volk gefeuert. Für den Abend (des 7.) besorgte man wieder Unruhen, und es war den Kaufleuten anbefohlen worden, die Meßbuden hinwegzuräumen. Um 9 3/4 Uhr Abends kam der direkte Zug aus Dresden an, woraus hervorgeht, daß die ganze Bahnstrecke wiederhergestellt ist. Es kamen mit demselben aber nur reaktionäre sächsische Flüchtlinge hier an, welche ihren Berichten eine sehr eigenthümliche Färbung gaben, ohne sie durch Thatsachen zu bewahrheiten. Freilich muß Dresden trotz seines heldenmüthigen Widerstandes doch endlich unterliegen, wenn Preußen feig genug ist, noch ferner zu dulden, daß seine Söhne die Erhebung Sachsens als gottbegnadete Mordbande im Blute des Volkes ersticken helfen. Einem uns mitgetheilten Privatbriefe aus Leipzig vom 7. Abends, entnehmen wir Folgendes: „Es wird in Dresden mit Lebensverachtung gekämpft. Im Souterrain des Schlosses steht das Volk, oben das Militär. Die schöne Bildergallerie soll bedeutend gelitten haben, und im Zwinger viele Kunstschatze verbrannt sein. Der Neumarkt sieht gräßlich aus, die Hotels de Rome und de Saxe sind demolirt. In der Neustadt ist das Standrecht proklamirt, die Zuzüge setzen deshalb schon vorher über die Elbe. Weder das Militär noch das Volk hat bis jetzt gesiegt, obgleich der Kampf schon 4 Tage währt. Nach den neuesten Berichten rücken die Preußen in Massen vor. Wie es heißt, ist Dresden cernirt, um die Zuzüge zu verhindern!“ Dresden, 7. Mai. (Neustadt.) 11 Uhr Vormittags. Das Leipziger Heulerblatt, die „D. A. Z.“ berichtet: Der Kampf dauert fort. Vor einer Stunde ist wieder ein Bataillon Preußen mit klingendem Spiele hier eingerückt. Es wird diesen Nachmittag am Angriff Theil nehmen. Verwundete Militärs sind diesen Vormittag sehr viele in das Hospital gebracht worden. Der Kanonendonner schweigt. (Abends 10 Uhr.) Nach fünf durch den Kriegslärm gestörten Tagen haben wir hier in Neustadt die erste ruhige Nacht. Unsere militärischen Vorposten sind auf der meißner, großenhainer und bautzner Straße ziemlich weit vorgeschoben. Beide Eisenbahnhöfe, der Leipziger und Schlesische, sind militärisch besetzt. Nur Bewaffnete werden angehalten. Heute früh waren die Truppen von dem viertägigen Straßenbivouac und 36stündigen, fast unausgesetzten Kampfe todtmüde. Da kam aber wieder ein preußisches Grenadierbataillon an, rückte mit frischen Kräften ins Feuer und diesen Nachmittag haben die Truppen bedeutende Fortschritte gemacht. Der ganze östliche und nordöstliche Theil der Stadt bis an die Rosmaringasse, sowie andererseits das Gewandhaus und die Kreuzgasse, bis mit dem Kreuzthurme, ist in dem Besitz derselben. Morgen wird nöthigenfalls selbst schweres Geschütz in Anwendung gebracht werden. Uebrigens sind mehre der bekanntern Theilnehmer getödtet worden. Die Verluste des Militärs sind nicht näher anzugeben. Daß auf Seite der Aufständigen der Verlust am Ende noch bedeutender sein dürfte als beim Militär, das läßt sich nach der Erbitterung beurtheilen, mit der die Soldaten, nachdem so mancher Kamerad von ihnen geblieben, gekämpft haben. Den 8 Mai (5 Uhr früh). Soeben rückt das dritte Bataillon des Regiments Alexander hier ein. Die Neustadt ist vollgestopft von Soldaten. Schließlich theilen wir folgende Bekanntmachung mit: „Es ist zur Kenntniß des unterzeichneten Ministeriums gekommeo, daß das Gerücht verbreitet worden sei, die Gesandten von England und Frankreich hätten gegen das Einrücken königl. preußischer Truppen in Sachsen Einsprache erhoben. Zur allgemeinen Benachrichtigung dient hiermit, daß eine derartige Dazwischenkunft in keiner Weise erfolgt ist. Dresden, 7. Mai 1849. Ministerium der auswärtigen Angelegenheit. v. Beust.“ Dresden, 8. Mai. (Telegraphische Depesche.) Das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments, welches gestern Abends 6 1/2 Uhr von Berlin mit der Eisenbahn abgegangen war, ist heute Morgen 5 Uhr ohne Aufenthalt hier eingetroffen. Die neuesten uns so eben zugekommenen Nachrichten bestätigen, daß der Kampf fortgesetzt wurde. Der Widerstand der Aufständischen war zwar sehr hartnäckig, namentlich von den Häusern aus, in welchen zum guten Theile die Zwischenmauern durchbrochen waren, so daß die Aufrührer, von den Truppen gedrängt, den Rückzug antreten konnten, indeß drangen die letzteren doch bis zum Altmarkt vor. Unter den Gefangenen befindet sich auch der Kommandant der revolutionairen Kommunal-Garde, Oberst-Lieutenant Heinze, welcher in seiner Wohnung ergriffen und sofort vor den Kriegs-Minister gebracht wurde, von welchem er beim Abgang dieser Nachrichten verhört wurde. (Preuß. Staats-Anz.) Leipzig, 7. Mai. In verwichener Nacht kam's auch hier zum Aufstande. Nachdem das Volk durch mehrfache Brutalitäten Seitens der Bürgerwehr aufs Höchste erbittert worden, wandte es sich zum Barrikadenbau. Im Nu erscholl, sagt die „L. Z.“, durch die ganze innere Stadt das Getöse der zu Barrikaden niedergeworfenen Meßstände und Waarenkisten und der Schläge gegen den Meißner'schen Gewehrladen im Thomasgäßchen, der erbrochen und geplündert wurde. Die Communalgarde gab zuerst an jener Ecke des Marktes Feuer. Die Wuth der Menge stieg. Es folgten sich mehrere Stunden lang, jedoch in längern Zwischenräumen, mehrere Pelotonfeuer, durch die man die Insurgenten zwang, die am Thomaskirchhof, an der Reichsstraße und am neuen Neumarkt errichteten Barrikaden zu räumen. Die größte und festeste Barrikade hatte man am Grimmaischen Thore am Café Francais errichtet. Nicht wenig wurde aber die Bestürzung der Stadt und das Schauerliche der ganzen Scene erhöht, als plötzlich vom Augustusplatz die helle Lohe emporschlug und das Gerücht sich verbreitete, man habe sämmtliche Buden die den Platz bedecken, in Brand gesteckt. Es stellte sich jedoch heraus, daß man nur einzelne Meßstände abgebrochen und zu einem Scheiterhaufen aufgethürmt hatte, um durch den Feuerschein die Dörfer zu alarmiren. Die Barrikade am Grimmaischen Thore wurde erst nach Tagesanbruch von der Communalgarde aus den Fenstern der anliegenden Häuser beschossen und von Freiwilligen erstürmt. Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht genau ermittelt, auf Seiten der Communalgarde allem Vernehmen nach unverhältnißmäßig stark, und zwar wurde von den Barrikaden aus mit Spitzkugelbüchsen gefeuert. Die Anzahl der zum Theil mit den Waffen in der Hand Verhafteten beträgt dem Vernehmen nach gegen sechzig. Leipzig, 8. Mai. Heute ist hier nachstehendes Plakat erschienen: „An die Bürgerschaft Leipzigs. Die Studentenschaft hiesiger Stadt ist von den Behörden aufgefordert worden, die in den letzten Tagen erschöpfte Communalgarde zu unterstützen. Ein Theil der Studentenschaft ist dieser Aufforderung nachgekommen. Wir verabscheuen jeden, das Eigenthum und die Sicherheit der Person gefährdenden Straßenskandal. Andererseits aber müssen wir als unsere tiefste überzeugung aussprechen, daß diese aus reinerer Quelle entsprungene Bewegung durch die Mißgriffe der Behörden in diese unheilvolle Bahn geleitet worden ist. Die Behörden hatten durch die offizielle Anerkennung der Reichsverfassung zugleich die Verpflichtung übernommen, für dieselbe mit allen Kräften einzustehen. Die Behörden sind diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Behörden billigten weder die Schritte der alten, noch erkannten sie die Berechtigung der provisorischen Regierung an. Sie gewährten den Kampflustigen freie Fahrt nach Dresden und machten diese Gewährung durch Verweigerung von Waffen illusorisch; noch mehr, sie ließen die sich immer häufiger und dringender wiederholenden Forderungen nach Waffen durch Gewalt unterdrücken. Im Namen unserer für die Freiheit schon blutenden Brüder fühlen wir uns verpflichtet, für diese Unentschiedenheit und Halbheit der Behörden bewaffnet nicht einzustehen. Leipzig, den 7. Mai 1849. Im Namen von 139 Studenten: Franz Roth. Eduard Mättig. Wilhelm Pückert. S. Goldstandt. Franz Oberth.“ 61 Breslau, 7. Mai. Auf meinem Rückwege von der Post stürzte mir eine Menge mit dem Rufe entgegen: „Man baut Barrikaden, das Militär schießt!“ Die Menge zerstäubte in den Straßen. Der Versuch, Barrikaden zu bauen, wurde unter anderem an der Ecke des Rings und der Ohlauer Straße wirklich gemacht. Die Massen standen dort gedrängt, wichen aber vor den Militärkolonnen zurück. Es schien noch kein rechter Ernst in das führungslose Volk gekommen zu sein. Auf der Schuhbrücke soll auf eine durchziehende Patrouille von Jägern aus einem Hause geschossen worden sein. Der Sohn eines Buchbinders soll durch den Unterleib geschossen oder gestochen worden und heute gestorben sein. Als ich um 10 Uhr durch die Straßen ging, hatte sich die Menge zum großen Theile verlaufen, nur am Oderthore wurde der Widerstand, die gegenseitige Neckerei fortgesetzt und soll bis 2 Uhr in der Nacht gedauert haben. Die Bourgeoisie, obgleich allen deutschen Zeitungen nach die eigentlich aufständige Partei, ließ sich mit ihren Waffen nirgends blicken, und wünschte, die heißen Kastanien abermals vom Volke aus den glühenden Kohlen genommen zu sehen, um sie sich gratis dann recht wohlschmecken zu lassen. Das eigentliche Volk kümmerte sich gestern daher wenig um den Reichsbourgeoisverfassungsputsch, der sich

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 295. Köln, 11. Mai 1849, S. 1673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz295_1849/1>, abgerufen am 19.03.2024.