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[N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Schnee. Wenn sich Wolken bei einer Temperatur unter
0° bilden, so verwandeln sich die Wasserdünste in unendlich
kleine und nadelförmige Krystalle, von welchen sich immer
mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zusammensetzen,
wie die Nadeln des gefrierenden Wassers, und dadurch
sehr verschiedenartige Krystallgestalten (das Wasser
soll überhaupt nach Mitscherlich verschiedene Krystallformen
annehmen) vom schönsten Ansehen, bilden, welche einander
bei einem und demselben Schneewetter immer gleich sind.
Sie wachsen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen
sich oft zu grossen Flocken zusammen. Ueberhaupt gilt
vom Schnee alles das, was ich vom Regen gesagt habe,
und der Unterschied liegt blos in der Temperatur.

Bei einem windstillen und sehr kalten Tage fällt kein
Schnee, weil kein Wassergas gefällt werden kann, sondern
wenn es da schneien soll, muß aus eine weniger kalte
und feuchtere Luft zugeführt werden. Diese wird dann abge-
kühlt, setzt ihr Wasser ab und bildet Schnee. Daher
pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden,
als vorher. Gewöhnlich schreibt man diese Erscheinung der
Krystallisation des Wassers zu, wobei die Wärmestoff
des Gases frei würde; allein in diesem Falle würde der

Schnee. Wenn ſich Wolken bei einer Temperatur unter
0° bilden, ſo verwandeln ſich die Waſſerdünſte in unendlich
kleine und nadelförmige Kryſtalle, von welchen ſich immer
mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zuſammenſetzen,
wie die Nadeln des gefrierenden Waſſers, und dadurch
ſehr verſchiedenartige Kryſtallgeſtalten (das Waſſer
ſoll überhaupt nach Mitſcherlich verſchiedene Kryſtallformen
annehmen) vom ſchönſten Anſehen, bilden, welche einander
bei einem und demſelben Schneewetter immer gleich ſind.
Sie wachſen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen
ſich oft zu groſſen Flocken zuſammen. Ueberhaupt gilt
vom Schnee alles das, was ich vom Regen geſagt habe,
und der Unterſchied liegt blos in der Temperatur.

Bei einem windſtillen und ſehr kalten Tage fällt kein
Schnee, weil kein Waſſergas gefällt werden kann, ſondern
wenn es da ſchneien ſoll, muß aus eine weniger kalte
und feuchtere Luft zugeführt werden. Dieſe wird dann abge-
kühlt, ſetzt ihr Waſſer ab und bildet Schnee. Daher
pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden,
als vorher. Gewöhnlich ſchreibt man dieſe Erſcheinung der
Kryſtalliſation des Waſſers zu, wobei die Wärmeſtoff
des Gaſes frei würde; allein in dieſem Falle würde der

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[398./0404] Schnee. Wenn ſich Wolken bei einer Temperatur unter 0° bilden, ſo verwandeln ſich die Waſſerdünſte in unendlich kleine und nadelförmige Kryſtalle, von welchen ſich immer mehrere unter Winkeln von 60° und 120° zuſammenſetzen, wie die Nadeln des gefrierenden Waſſers, und dadurch ſehr verſchiedenartige Kryſtallgeſtalten /das Waſſer ſoll überhaupt nach Mitſcherlich verſchiedene Kryſtallformen annehmen/ vom ſchönſten Anſehen, bilden, welche einander bei einem und demſelben Schneewetter immer gleich ſind. Sie wachſen im Fallen, wie die Regentropfen, und häufen ſich oft zu groſſen Flocken zuſammen. Ueberhaupt gilt vom Schnee alles das, was ich vom Regen geſagt habe, und der Unterſchied liegt blos in der Temperatur. Bei einem windſtillen und ſehr kalten Tage fällt kein Schnee, weil kein Waſſergas gefällt werden kann, ſondern wenn es da ſchneien ſoll, muß aus eine weniger kalte und feuchtere Luft zugeführt werden. Dieſe wird dann abge- kühlt, ſetzt ihr Waſſer ab und bildet Schnee. Daher pflegt auch die Luft kurz vor dem Schneien milder zu werden, als vorher. Gewöhnlich ſchreibt man dieſe Erſcheinung der Kryſtalliſation des Waſſers zu, wobei die Wärmeſtoff des Gaſes frei würde; allein in dieſem Falle würde der

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Zitationshilfe: [N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 398.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_oktavgfeo79_1828/404>, abgerufen am 18.04.2024.