Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

geschächteten Kinde, sondern von dem Arbeiter Meursen her, welcher sich bei ihrer inzwischen erfolgten Benutzung am Finger verletzt hatte. Ueberdies handelt es sich dabei nur um erbsengroße Tropfen. Jeder Fachmann würde bekunden, daß das vorgefundene Blut in der Schürze und Streu höchstens 1/2 Pfund sein könnte, und drängt sich dann die Frage auf: Wo blieben dann die anderen 61/2 Pfund Blut, da ein gesundes Kind etwa 7 Pfund besitzen soll. Die Besichtigung der Schürze würde auch dargethan haben, daß der feige Mörder, bevor er den Zirkelschnitt kunstgerecht ausführte, mit dem Messer 2 Zentimeter tiefer angesetzt und dabei ein Stückchen von der Schürzenkrause abgeschnitten hat. Eine gründliche Durchsuchung des Stalles hat erst nach einem Vierteljahr stattgefunden, während man vorher - abgesehen von der oberflächlichen Besichtigung der Kommission - an eine solche gar nicht gedacht hat.

Der Herr Delegierte hätte auch Frl. Maria Küppers darüber befragen sollen, wie die Buschoffs am 29. Juni durch fortgesetzte belanglose Einkäufe im Küpperschen Laden verstanden haben, dieselbe andauernd vom Hinterhause und dem Stalle fern zu halten. Der Bube Siegmund Buschoff hatte sogar, was bei seinem fanatisch frommen Vater noch niemals vorgekommen war, dort unkoschere Zubrote geholt, während alle Küpperschen Hausinsassen, Frl. Maria ausgenommen, sich während der Vesper (1/23-3 Uhr) in den benachbarten Dom begeben hatten. Hierbei waren sie an Buschoffs Fenster vorübergegangen und von diesen bemerkt worden. Wahrscheinlich wird Herr Baumgardt uns die Aussagen des Bildhauers Koch vorwerfen, welcher behauptet, am Tage der That längere Zeit bei Buschoff gesessen und getrunken zu haben! Aber was will dies Zeugnis, dessen Beleuchtung wir uns noch vorbehalten, sagen, im Vergleich zu den Aussagen der Zeugen Mölders, Moll, Heister, Kernder u. s. w.? Oder will man wirklich glauben machen, ersterer sei unglaubwürdig, weil er bei schwerer Arbeit manchmal einen Schnaps tränke? Dann gäbe es am Ende glaubwürdige Zeugen auf dem flachen Lande gar nicht mehr.

Im übrigen sind unsere früheren Darlegungen unanfechtbar, und hat nunmehr der "Reichsanzeiger" das Wort. Was

geschächteten Kinde, sondern von dem Arbeiter Meursen her, welcher sich bei ihrer inzwischen erfolgten Benutzung am Finger verletzt hatte. Ueberdies handelt es sich dabei nur um erbsengroße Tropfen. Jeder Fachmann würde bekunden, daß das vorgefundene Blut in der Schürze und Streu höchstens ½ Pfund sein könnte, und drängt sich dann die Frage auf: Wo blieben dann die anderen 6½ Pfund Blut, da ein gesundes Kind etwa 7 Pfund besitzen soll. Die Besichtigung der Schürze würde auch dargethan haben, daß der feige Mörder, bevor er den Zirkelschnitt kunstgerecht ausführte, mit dem Messer 2 Zentimeter tiefer angesetzt und dabei ein Stückchen von der Schürzenkrause abgeschnitten hat. Eine gründliche Durchsuchung des Stalles hat erst nach einem Vierteljahr stattgefunden, während man vorher – abgesehen von der oberflächlichen Besichtigung der Kommission – an eine solche gar nicht gedacht hat.

Der Herr Delegierte hätte auch Frl. Maria Küppers darüber befragen sollen, wie die Buschoffs am 29. Juni durch fortgesetzte belanglose Einkäufe im Küpperschen Laden verstanden haben, dieselbe andauernd vom Hinterhause und dem Stalle fern zu halten. Der Bube Siegmund Buschoff hatte sogar, was bei seinem fanatisch frommen Vater noch niemals vorgekommen war, dort unkoschere Zubrote geholt, während alle Küpperschen Hausinsassen, Frl. Maria ausgenommen, sich während der Vesper (½3–3 Uhr) in den benachbarten Dom begeben hatten. Hierbei waren sie an Buschoffs Fenster vorübergegangen und von diesen bemerkt worden. Wahrscheinlich wird Herr Baumgardt uns die Aussagen des Bildhauers Koch vorwerfen, welcher behauptet, am Tage der That längere Zeit bei Buschoff gesessen und getrunken zu haben! Aber was will dies Zeugnis, dessen Beleuchtung wir uns noch vorbehalten, sagen, im Vergleich zu den Aussagen der Zeugen Mölders, Moll, Heister, Kernder u. s. w.? Oder will man wirklich glauben machen, ersterer sei unglaubwürdig, weil er bei schwerer Arbeit manchmal einen Schnaps tränke? Dann gäbe es am Ende glaubwürdige Zeugen auf dem flachen Lande gar nicht mehr.

Im übrigen sind unsere früheren Darlegungen unanfechtbar, und hat nunmehr der „Reichsanzeiger“ das Wort. Was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="15"/>
geschächteten Kinde, sondern von dem Arbeiter Meursen her, welcher sich bei ihrer inzwischen erfolgten Benutzung am Finger verletzt hatte. Ueberdies handelt es sich dabei nur um erbsengroße Tropfen. Jeder Fachmann würde bekunden, daß das vorgefundene Blut in der Schürze und Streu höchstens ½ Pfund sein könnte, und drängt sich dann die Frage auf: Wo blieben dann die anderen 6½ Pfund Blut, da ein gesundes Kind etwa 7 Pfund besitzen soll. Die Besichtigung der Schürze würde auch dargethan haben, daß der feige Mörder, bevor er den Zirkelschnitt kunstgerecht ausführte, mit dem Messer 2 Zentimeter tiefer angesetzt und dabei ein Stückchen von der Schürzenkrause abgeschnitten hat. Eine gründliche Durchsuchung des Stalles hat erst nach einem Vierteljahr stattgefunden, während man vorher &#x2013; abgesehen von der oberflächlichen Besichtigung der Kommission &#x2013; an eine solche gar nicht gedacht hat.</p>
        <p>Der Herr Delegierte hätte auch Frl. Maria Küppers darüber befragen sollen, wie die Buschoffs am 29. Juni durch fortgesetzte belanglose Einkäufe im Küpperschen Laden verstanden haben, dieselbe andauernd vom Hinterhause und dem Stalle fern zu halten. Der Bube Siegmund Buschoff hatte sogar, was bei seinem fanatisch frommen Vater noch niemals vorgekommen war, dort unkoschere Zubrote geholt, während alle Küpperschen Hausinsassen, Frl. Maria ausgenommen, sich während der Vesper (½3&#x2013;3 Uhr) in den benachbarten Dom begeben hatten. Hierbei waren sie an Buschoffs Fenster vorübergegangen und von diesen bemerkt worden. Wahrscheinlich wird Herr Baumgardt uns die Aussagen des Bildhauers Koch vorwerfen, welcher behauptet, am Tage der That längere Zeit bei Buschoff gesessen und getrunken zu haben! Aber was will dies Zeugnis, dessen Beleuchtung wir uns noch vorbehalten, sagen, im Vergleich zu den Aussagen der Zeugen Mölders, Moll, Heister, Kernder u. s. w.? Oder will man wirklich glauben machen, ersterer sei unglaubwürdig, weil er bei schwerer Arbeit manchmal einen Schnaps tränke? Dann gäbe es am Ende glaubwürdige Zeugen auf dem flachen Lande gar nicht mehr.</p>
        <p>Im übrigen sind unsere früheren Darlegungen unanfechtbar, und hat nunmehr der &#x201E;Reichsanzeiger&#x201C; das Wort. Was
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0015] geschächteten Kinde, sondern von dem Arbeiter Meursen her, welcher sich bei ihrer inzwischen erfolgten Benutzung am Finger verletzt hatte. Ueberdies handelt es sich dabei nur um erbsengroße Tropfen. Jeder Fachmann würde bekunden, daß das vorgefundene Blut in der Schürze und Streu höchstens ½ Pfund sein könnte, und drängt sich dann die Frage auf: Wo blieben dann die anderen 6½ Pfund Blut, da ein gesundes Kind etwa 7 Pfund besitzen soll. Die Besichtigung der Schürze würde auch dargethan haben, daß der feige Mörder, bevor er den Zirkelschnitt kunstgerecht ausführte, mit dem Messer 2 Zentimeter tiefer angesetzt und dabei ein Stückchen von der Schürzenkrause abgeschnitten hat. Eine gründliche Durchsuchung des Stalles hat erst nach einem Vierteljahr stattgefunden, während man vorher – abgesehen von der oberflächlichen Besichtigung der Kommission – an eine solche gar nicht gedacht hat. Der Herr Delegierte hätte auch Frl. Maria Küppers darüber befragen sollen, wie die Buschoffs am 29. Juni durch fortgesetzte belanglose Einkäufe im Küpperschen Laden verstanden haben, dieselbe andauernd vom Hinterhause und dem Stalle fern zu halten. Der Bube Siegmund Buschoff hatte sogar, was bei seinem fanatisch frommen Vater noch niemals vorgekommen war, dort unkoschere Zubrote geholt, während alle Küpperschen Hausinsassen, Frl. Maria ausgenommen, sich während der Vesper (½3–3 Uhr) in den benachbarten Dom begeben hatten. Hierbei waren sie an Buschoffs Fenster vorübergegangen und von diesen bemerkt worden. Wahrscheinlich wird Herr Baumgardt uns die Aussagen des Bildhauers Koch vorwerfen, welcher behauptet, am Tage der That längere Zeit bei Buschoff gesessen und getrunken zu haben! Aber was will dies Zeugnis, dessen Beleuchtung wir uns noch vorbehalten, sagen, im Vergleich zu den Aussagen der Zeugen Mölders, Moll, Heister, Kernder u. s. w.? Oder will man wirklich glauben machen, ersterer sei unglaubwürdig, weil er bei schwerer Arbeit manchmal einen Schnaps tränke? Dann gäbe es am Ende glaubwürdige Zeugen auf dem flachen Lande gar nicht mehr. Im übrigen sind unsere früheren Darlegungen unanfechtbar, und hat nunmehr der „Reichsanzeiger“ das Wort. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-16T08:25:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-16T08:25:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-16T08:25:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oberwinder_buschoff_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oberwinder_buschoff_1892/15
Zitationshilfe: Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oberwinder_buschoff_1892/15>, abgerufen am 19.04.2024.