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Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892.

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ihm irgendwie nahe treten zu wollen, darf behauptet werden, daß er offenbar seiner Stellung nicht mehr gewachsen ist. In den ihm nahestehenden gerichtlichen Kreisen zirkuliert über ihn sogar ein sathrisches Epitethon ornans, welches diese Thatsachen in etwas drastischer Form wiederspiegelt. Wie konnte man diesem alten Herrn überhaupt eine so schwierige Angelegenheit zur Abwickelung überlassen? Sollte das Verfahren wirklich wieder aufgenommen werden, so kann das Justiz-Ministerium gar nicht dringend genug ersucht werden, dasselbe diesmal einer ungleich bewährteren und mehr erfahrenen Kraft in die Hände zu legen. - Was andererseits den ersten Staatsanwalt Baumgardt angeht, so hat sich derselbe eben, wie bereits genügend nachgewiesen, von vornherein auf die gröblichste Weise verrannt. Ein öffentlicher Ankläger, welcher erst acht Tage (!) nach einem solchen grausigen Mord auf der Bildfläche erscheint, welcher unter Außerachtlassung der aller-elementarsten kriminalistischen Pflichten - von Anfang nur mit augenscheinlichem Widerstreben eingegriffen - welcher, anstatt, wie es doch seine Schuldigkeit war, die einwandfreien Belastungszeugen zu unterstützen, sein Bedenken trug, dieselben vielmehr durch ein barsches Wesen zu entmutigen, - ein solcher Ankläger ist sicherlich nicht die geeignete Persönlichkeit, um im vorliegenden Falle klaren Tisch zu schaffen. Herr Baumgardt hat es auch fertig gebracht, auf die Entdeckung des feigen Thäters in befremdlicher Einschränkung eine Belohnung bis (!) zwölfhundert Mark auszuschreiben, wodurch die öffentliche Meinung naturgemäß vor den Kopf gestoßen wurde. Oder sollte er sich dabei über den Unterschied von "von und bis" nicht genügend klar geworden sein? Er verfolgte auch steckbrieflich den Vagabonden Matje Degen, mit dem Vermerk, derselbe sei aus Mayen gebürtig, obwohl derselbe dort nachweislich nicht zu Hause ist! Auch hat Herr Baumgardt es garnicht verstanden, die juristische Seite des Falles Buschoff zu erfassen. Wie wollte er nun später, falls er zur Verhandlung gekommen wäre, die Anklage vertreten, wo er sich den Zeugen gegenüber in ein fast feindliches Verhältnis verrannt hat? Und glaubte er die schwer beunruhigte öffentliche

ihm irgendwie nahe treten zu wollen, darf behauptet werden, daß er offenbar seiner Stellung nicht mehr gewachsen ist. In den ihm nahestehenden gerichtlichen Kreisen zirkuliert über ihn sogar ein sathrisches Epitethon ornans, welches diese Thatsachen in etwas drastischer Form wiederspiegelt. Wie konnte man diesem alten Herrn überhaupt eine so schwierige Angelegenheit zur Abwickelung überlassen? Sollte das Verfahren wirklich wieder aufgenommen werden, so kann das Justiz-Ministerium gar nicht dringend genug ersucht werden, dasselbe diesmal einer ungleich bewährteren und mehr erfahrenen Kraft in die Hände zu legen. – Was andererseits den ersten Staatsanwalt Baumgardt angeht, so hat sich derselbe eben, wie bereits genügend nachgewiesen, von vornherein auf die gröblichste Weise verrannt. Ein öffentlicher Ankläger, welcher erst acht Tage (!) nach einem solchen grausigen Mord auf der Bildfläche erscheint, welcher unter Außerachtlassung der aller-elementarsten kriminalistischen Pflichten – von Anfang nur mit augenscheinlichem Widerstreben eingegriffen – welcher, anstatt, wie es doch seine Schuldigkeit war, die einwandfreien Belastungszeugen zu unterstützen, sein Bedenken trug, dieselben vielmehr durch ein barsches Wesen zu entmutigen, – ein solcher Ankläger ist sicherlich nicht die geeignete Persönlichkeit, um im vorliegenden Falle klaren Tisch zu schaffen. Herr Baumgardt hat es auch fertig gebracht, auf die Entdeckung des feigen Thäters in befremdlicher Einschränkung eine Belohnung bis (!) zwölfhundert Mark auszuschreiben, wodurch die öffentliche Meinung naturgemäß vor den Kopf gestoßen wurde. Oder sollte er sich dabei über den Unterschied von „von und bis“ nicht genügend klar geworden sein? Er verfolgte auch steckbrieflich den Vagabonden Matje Degen, mit dem Vermerk, derselbe sei aus Mayen gebürtig, obwohl derselbe dort nachweislich nicht zu Hause ist! Auch hat Herr Baumgardt es garnicht verstanden, die juristische Seite des Falles Buschoff zu erfassen. Wie wollte er nun später, falls er zur Verhandlung gekommen wäre, die Anklage vertreten, wo er sich den Zeugen gegenüber in ein fast feindliches Verhältnis verrannt hat? Und glaubte er die schwer beunruhigte öffentliche

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[29/0029] ihm irgendwie nahe treten zu wollen, darf behauptet werden, daß er offenbar seiner Stellung nicht mehr gewachsen ist. In den ihm nahestehenden gerichtlichen Kreisen zirkuliert über ihn sogar ein sathrisches Epitethon ornans, welches diese Thatsachen in etwas drastischer Form wiederspiegelt. Wie konnte man diesem alten Herrn überhaupt eine so schwierige Angelegenheit zur Abwickelung überlassen? Sollte das Verfahren wirklich wieder aufgenommen werden, so kann das Justiz-Ministerium gar nicht dringend genug ersucht werden, dasselbe diesmal einer ungleich bewährteren und mehr erfahrenen Kraft in die Hände zu legen. – Was andererseits den ersten Staatsanwalt Baumgardt angeht, so hat sich derselbe eben, wie bereits genügend nachgewiesen, von vornherein auf die gröblichste Weise verrannt. Ein öffentlicher Ankläger, welcher erst acht Tage (!) nach einem solchen grausigen Mord auf der Bildfläche erscheint, welcher unter Außerachtlassung der aller-elementarsten kriminalistischen Pflichten – von Anfang nur mit augenscheinlichem Widerstreben eingegriffen – welcher, anstatt, wie es doch seine Schuldigkeit war, die einwandfreien Belastungszeugen zu unterstützen, sein Bedenken trug, dieselben vielmehr durch ein barsches Wesen zu entmutigen, – ein solcher Ankläger ist sicherlich nicht die geeignete Persönlichkeit, um im vorliegenden Falle klaren Tisch zu schaffen. Herr Baumgardt hat es auch fertig gebracht, auf die Entdeckung des feigen Thäters in befremdlicher Einschränkung eine Belohnung bis (!) zwölfhundert Mark auszuschreiben, wodurch die öffentliche Meinung naturgemäß vor den Kopf gestoßen wurde. Oder sollte er sich dabei über den Unterschied von „von und bis“ nicht genügend klar geworden sein? Er verfolgte auch steckbrieflich den Vagabonden Matje Degen, mit dem Vermerk, derselbe sei aus Mayen gebürtig, obwohl derselbe dort nachweislich nicht zu Hause ist! Auch hat Herr Baumgardt es garnicht verstanden, die juristische Seite des Falles Buschoff zu erfassen. Wie wollte er nun später, falls er zur Verhandlung gekommen wäre, die Anklage vertreten, wo er sich den Zeugen gegenüber in ein fast feindliches Verhältnis verrannt hat? Und glaubte er die schwer beunruhigte öffentliche

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Zitationshilfe: Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oberwinder_buschoff_1892/29>, abgerufen am 20.04.2024.