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Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892.

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nach Cleve und Xanten zu entsenden. Seitdem sind aber fast vier Wochen ins Land gegangen - der Schächter Buschoff soll mittlerweile, einer Meldung der Kreuz-Zeitung zufolge, jenseits der schwarz-weißen Grenzpfähle eine Luftveränderung gesucht haben - aber noch immer ist im Reichsanzeiger auch nicht einmal der Versuch einer offiziellen Widerlegung gemacht worden. Selbst die sonst doch so vorlaute und redselige Synagogenpresse verhielt sich, einige schüchterne Einwendungen der National-Zeitung und des Berliner Tageblattes abgerechnet, auffallend schweigsam und zäh resigniert. Offenbar hatte sie von einer leicht zu erratenden Zentralstelle den Wink erhalten, durch übereifrige Ableugnungen nur ja kein Öl ins Feuer zu spritzen.

Mittlerweile war der so scharf unter Kreuzfeuer genommene Untersuchungsrichter Brixius wieder in Xanten aufgetaucht, um dort die früheren Verhöre aufzunehmen. Wie das geschah und welche Einzelheiten bei der Beurteilung dieses sensationellen Kriminalfalles überhaupt in Betracht kommen, alles das ergiebt sich aus den hier wiedergegebenen authentischen Enthüllungen der Neuen Deutschen Zeitung. - Dem Leser - gleichviel ob Katholik oder Protestant - bleibt es überlassen, sich auf dieser Grundlage selbstständig ein Urteil über das Verhalten der beteiligten amtlichen Kreise zu bilden.

Der Neuen Deutschen Zeitung wurde aus Frankfurt a. M. geschrieben:

Hier tagt jetzt eine Art jüdischen Synedrions wegen der Mordaffaire in Xanten, die auffallenderweise, nachdem die Untersuchung monatelang verschleppt worden war, mit der Freilassung der schwerbelasteten Schächterfamilie Buschoff geendet hat. Es wurden schon im November bei den hiesigen reichen Juden Summen gesammelt, um dieser Familie ein "neues Heim" zu schaffen und sie den "barbarischen Verfolgungen" am Niederrhein zu entrücken. Ueberhaupt hat die Xantener Mordaffaire die hiesige und die ganze Judenheit in hohem Grade beunruhigt und zu den höchsten Anstrengungen veranlaßt. Jedenfalls hatte der Berliner Kriminalkommissar Wolff ein vernichtendes, in allen Punkten durch einwandfreie Zeugen gestütztes Beweismaterial gesammelt. Die Wolff'sche Ueberführung war so durchgreifend

nach Cleve und Xanten zu entsenden. Seitdem sind aber fast vier Wochen ins Land gegangen – der Schächter Buschoff soll mittlerweile, einer Meldung der Kreuz-Zeitung zufolge, jenseits der schwarz-weißen Grenzpfähle eine Luftveränderung gesucht haben – aber noch immer ist im Reichsanzeiger auch nicht einmal der Versuch einer offiziellen Widerlegung gemacht worden. Selbst die sonst doch so vorlaute und redselige Synagogenpresse verhielt sich, einige schüchterne Einwendungen der National–Zeitung und des Berliner Tageblattes abgerechnet, auffallend schweigsam und zäh resigniert. Offenbar hatte sie von einer leicht zu erratenden Zentralstelle den Wink erhalten, durch übereifrige Ableugnungen nur ja kein Öl ins Feuer zu spritzen.

Mittlerweile war der so scharf unter Kreuzfeuer genommene Untersuchungsrichter Brixius wieder in Xanten aufgetaucht, um dort die früheren Verhöre aufzunehmen. Wie das geschah und welche Einzelheiten bei der Beurteilung dieses sensationellen Kriminalfalles überhaupt in Betracht kommen, alles das ergiebt sich aus den hier wiedergegebenen authentischen Enthüllungen der Neuen Deutschen Zeitung. – Dem Leser – gleichviel ob Katholik oder Protestant – bleibt es überlassen, sich auf dieser Grundlage selbstständig ein Urteil über das Verhalten der beteiligten amtlichen Kreise zu bilden.

Der Neuen Deutschen Zeitung wurde aus Frankfurt a. M. geschrieben:

Hier tagt jetzt eine Art jüdischen Synedrions wegen der Mordaffaire in Xanten, die auffallenderweise, nachdem die Untersuchung monatelang verschleppt worden war, mit der Freilassung der schwerbelasteten Schächterfamilie Buschoff geendet hat. Es wurden schon im November bei den hiesigen reichen Juden Summen gesammelt, um dieser Familie ein „neues Heim“ zu schaffen und sie den „barbarischen Verfolgungen“ am Niederrhein zu entrücken. Ueberhaupt hat die Xantener Mordaffaire die hiesige und die ganze Judenheit in hohem Grade beunruhigt und zu den höchsten Anstrengungen veranlaßt. Jedenfalls hatte der Berliner Kriminalkommissar Wolff ein vernichtendes, in allen Punkten durch einwandfreie Zeugen gestütztes Beweismaterial gesammelt. Die Wolff’sche Ueberführung war so durchgreifend

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[5/0005] nach Cleve und Xanten zu entsenden. Seitdem sind aber fast vier Wochen ins Land gegangen – der Schächter Buschoff soll mittlerweile, einer Meldung der Kreuz-Zeitung zufolge, jenseits der schwarz-weißen Grenzpfähle eine Luftveränderung gesucht haben – aber noch immer ist im Reichsanzeiger auch nicht einmal der Versuch einer offiziellen Widerlegung gemacht worden. Selbst die sonst doch so vorlaute und redselige Synagogenpresse verhielt sich, einige schüchterne Einwendungen der National–Zeitung und des Berliner Tageblattes abgerechnet, auffallend schweigsam und zäh resigniert. Offenbar hatte sie von einer leicht zu erratenden Zentralstelle den Wink erhalten, durch übereifrige Ableugnungen nur ja kein Öl ins Feuer zu spritzen. Mittlerweile war der so scharf unter Kreuzfeuer genommene Untersuchungsrichter Brixius wieder in Xanten aufgetaucht, um dort die früheren Verhöre aufzunehmen. Wie das geschah und welche Einzelheiten bei der Beurteilung dieses sensationellen Kriminalfalles überhaupt in Betracht kommen, alles das ergiebt sich aus den hier wiedergegebenen authentischen Enthüllungen der Neuen Deutschen Zeitung. – Dem Leser – gleichviel ob Katholik oder Protestant – bleibt es überlassen, sich auf dieser Grundlage selbstständig ein Urteil über das Verhalten der beteiligten amtlichen Kreise zu bilden. Der Neuen Deutschen Zeitung wurde aus Frankfurt a. M. geschrieben: Hier tagt jetzt eine Art jüdischen Synedrions wegen der Mordaffaire in Xanten, die auffallenderweise, nachdem die Untersuchung monatelang verschleppt worden war, mit der Freilassung der schwerbelasteten Schächterfamilie Buschoff geendet hat. Es wurden schon im November bei den hiesigen reichen Juden Summen gesammelt, um dieser Familie ein „neues Heim“ zu schaffen und sie den „barbarischen Verfolgungen“ am Niederrhein zu entrücken. Ueberhaupt hat die Xantener Mordaffaire die hiesige und die ganze Judenheit in hohem Grade beunruhigt und zu den höchsten Anstrengungen veranlaßt. Jedenfalls hatte der Berliner Kriminalkommissar Wolff ein vernichtendes, in allen Punkten durch einwandfreie Zeugen gestütztes Beweismaterial gesammelt. Die Wolff’sche Ueberführung war so durchgreifend

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Zitationshilfe: Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oberwinder_buschoff_1892/5>, abgerufen am 28.03.2024.