Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

Verse auffgelöset: biß die folgenden nach vnd nach etwas dar-
von enzogen/ vnd die rednerische weise/ gleichsam als von ei-
nem hohen Stande/ in die gemeine art vnd forme herab gefüh-
ret haben. Solches können wir auch aus dem abnehmen/ das
je älter ein Scribent ist/ je näher er den Poeten zue kommen
scheinet. Wie denn Casaubonus saget/ das so offte er des Hero-
dotus seine Historien lese/ es jhn bedüncke/ als wehre es Home-
rus selber.

Das III. Capitel.
Von etlichen sachen die den Poeten vorgeworffen
werden; vnd derselben entschuldigung.

AVß oberzehlten sachen ist zue sehen/ wie gar
vnverstendig die jenigen handeln/ welche aus der Poete-
rey nicht weiß ich was für ein geringes wesen machen/
vnd wo nicht gar verwerffen/ doch nicht sonderlich achten; auch
wol vorgeben/ man wisse einen Poeten in offentlichen ämptern
wenig oder nichts zue gebrauchen; weil er sich in dieser angene-
men thorheit vnd ruhigen wollust so verteuffe/ das er die andern
künste vnd wissenschafften/ von welchen man rechten nutz vnd
ehren schöpffen kan/ gemeiniglich hindan setze. Ja wenn sie ei-
nen gar verächtlich halten wollen/ so nennen sie ihn einen Poe-
ten: wie dann Erasmo Roterodamo von groben leuten ge-
schahe. Welcher aber zur antwort gab: Er schätzte sich dessen
lobes viel zue vnwürdig; denn auch nur ein mittelmässiger Poe-
te höher zue halten sey als zehen Philosophastri. Sie wissen
ferner viel von jhren lügen/ ärgerlichen schrifften vnd leben zue
sagen/ vnd vermeinen/ es sey keiner ein gutter Poete/ er musse
dann zu gleich ein böser Mensch sein. Welches allerseits vnge-
gründetes vrtheil ich kaum einer antwort würdig achte; vnnd
jhnen alleine für das erste zue bedeneken gebe/ wer Solon/ Py-
thagoras/ Socrates/ Cicero vnd andere gewesen/ die sich doch

des

Verſe auffgeloͤſet: biß die folgenden nach vnd nach etwas dar-
von enzogen/ vnd die redneriſche weiſe/ gleichſam als von ei-
nem hohen Stande/ in die gemeine art vnd forme herab gefuͤh-
ret haben. Solches koͤnnen wir auch aus dem abnehmen/ das
je aͤlter ein Scribent iſt/ je naͤher er den Poeten zue kommen
ſcheinet. Wie denn Caſaubonus ſaget/ das ſo offte er des Hero-
dotus ſeine Hiſtorien leſe/ es jhn beduͤncke/ als wehre es Home-
rus ſelber.

Das III. Capitel.
Von etlichen ſachen die den Poeten vorgeworffen
werden; vnd derſelben entſchuldigung.

AVß oberzehlten ſachen iſt zue ſehen/ wie gar
vnverſtendig die jenigen handeln/ welche aus der Poete-
rey nicht weiß ich was fuͤr ein geringes weſen machen/
vnd wo nicht gar verwerffen/ doch nicht ſonderlich achten; auch
wol vorgeben/ man wiſſe einen Poeten in offentlichen aͤmptern
wenig oder nichts zue gebrauchen; weil er ſich in dieſer angene-
men thorheit vnd ruhigen wolluſt ſo verteuffe/ das er die andern
kuͤnſte vnd wiſſenſchafften/ von welchen man rechten nutz vnd
ehren ſchoͤpffen kan/ gemeiniglich hindan ſetze. Ja wenn ſie ei-
nen gar veraͤchtlich halten wollen/ ſo nennen ſie ihn einen Poe-
ten: wie dann Eraſmo Roterodamo von groben leuten ge-
ſchahe. Welcher aber zur antwort gab: Er ſchaͤtzte ſich deſſen
lobes viel zue vnwuͤrdig; denn auch nur ein mittelmaͤſſiger Poe-
te hoͤher zue halten ſey als zehen Philoſophaſtri. Sie wiſſen
ferner viel von jhren luͤgen/ aͤrgerlichen ſchrifften vnd leben zue
ſagen/ vnd vermeinen/ es ſey keiner ein gutter Poete/ er muſſe
dann zu gleich ein boͤſer Menſch ſein. Welches allerſeits vnge-
gruͤndetes vrtheil ich kaum einer antwort wuͤrdig achte; vnnd
jhnen alleine fuͤr das erſte zue bedeneken gebe/ wer Solon/ Py-
thagoras/ Socrates/ Cicero vnd andere geweſen/ die ſich doch

des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018"/>
Ver&#x017F;e auffgelo&#x0364;&#x017F;et: biß die folgenden nach vnd nach etwas dar-<lb/>
von enzogen/ vnd die redneri&#x017F;che wei&#x017F;e/ gleich&#x017F;am als von ei-<lb/>
nem hohen Stande/ in die gemeine art vnd forme herab gefu&#x0364;h-<lb/>
ret haben. Solches ko&#x0364;nnen wir auch aus dem abnehmen/ das<lb/>
je a&#x0364;lter ein Scribent i&#x017F;t/ je na&#x0364;her er den Poeten zue kommen<lb/>
&#x017F;cheinet. Wie denn Ca&#x017F;aubonus &#x017F;aget/ das &#x017F;o offte er des Hero-<lb/>
dotus &#x017F;eine Hi&#x017F;torien le&#x017F;e/ es jhn bedu&#x0364;ncke/ als wehre es Home-<lb/>
rus &#x017F;elber.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitel.</hi><lb/>
Von etlichen &#x017F;achen die den Poeten vorgeworffen<lb/>
werden; vnd der&#x017F;elben ent&#x017F;chuldigung.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>Vß oberzehlten &#x017F;achen i&#x017F;t zue &#x017F;ehen/ wie gar<lb/>
vnver&#x017F;tendig die jenigen handeln/ welche aus der Poete-<lb/>
rey nicht weiß ich was fu&#x0364;r ein geringes we&#x017F;en machen/<lb/>
vnd wo nicht gar verwerffen/ doch nicht &#x017F;onderlich achten; auch<lb/>
wol vorgeben/ man wi&#x017F;&#x017F;e einen Poeten in offentlichen a&#x0364;mptern<lb/>
wenig oder nichts zue gebrauchen; weil er &#x017F;ich in die&#x017F;er angene-<lb/>
men thorheit vnd ruhigen wollu&#x017F;t &#x017F;o verteuffe/ das er die andern<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;te vnd wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften/ von welchen man rechten nutz vnd<lb/>
ehren &#x017F;cho&#x0364;pffen kan/ gemeiniglich hindan &#x017F;etze. Ja wenn &#x017F;ie ei-<lb/>
nen gar vera&#x0364;chtlich halten wollen/ &#x017F;o nennen &#x017F;ie ihn einen Poe-<lb/>
ten: wie dann <hi rendition="#aq">Era&#x017F;mo Roterodamo</hi> von groben leuten ge-<lb/>
&#x017F;chahe. Welcher aber zur antwort gab: Er &#x017F;cha&#x0364;tzte &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
lobes viel zue vnwu&#x0364;rdig; denn auch nur ein mittelma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger Poe-<lb/>
te ho&#x0364;her zue halten &#x017F;ey als zehen <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;opha&#x017F;tri.</hi> Sie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ferner viel von jhren lu&#x0364;gen/ a&#x0364;rgerlichen &#x017F;chrifften vnd leben zue<lb/>
&#x017F;agen/ vnd vermeinen/ es &#x017F;ey keiner ein gutter Poete/ er mu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
dann zu gleich ein bo&#x0364;&#x017F;er Men&#x017F;ch &#x017F;ein. Welches aller&#x017F;eits vnge-<lb/>
gru&#x0364;ndetes vrtheil ich kaum einer antwort wu&#x0364;rdig achte; vnnd<lb/>
jhnen alleine fu&#x0364;r das er&#x017F;te zue bedeneken gebe/ wer Solon/ Py-<lb/>
thagoras/ Socrates/ Cicero vnd andere gewe&#x017F;en/ die &#x017F;ich doch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] Verſe auffgeloͤſet: biß die folgenden nach vnd nach etwas dar- von enzogen/ vnd die redneriſche weiſe/ gleichſam als von ei- nem hohen Stande/ in die gemeine art vnd forme herab gefuͤh- ret haben. Solches koͤnnen wir auch aus dem abnehmen/ das je aͤlter ein Scribent iſt/ je naͤher er den Poeten zue kommen ſcheinet. Wie denn Caſaubonus ſaget/ das ſo offte er des Hero- dotus ſeine Hiſtorien leſe/ es jhn beduͤncke/ als wehre es Home- rus ſelber. Das III. Capitel. Von etlichen ſachen die den Poeten vorgeworffen werden; vnd derſelben entſchuldigung. AVß oberzehlten ſachen iſt zue ſehen/ wie gar vnverſtendig die jenigen handeln/ welche aus der Poete- rey nicht weiß ich was fuͤr ein geringes weſen machen/ vnd wo nicht gar verwerffen/ doch nicht ſonderlich achten; auch wol vorgeben/ man wiſſe einen Poeten in offentlichen aͤmptern wenig oder nichts zue gebrauchen; weil er ſich in dieſer angene- men thorheit vnd ruhigen wolluſt ſo verteuffe/ das er die andern kuͤnſte vnd wiſſenſchafften/ von welchen man rechten nutz vnd ehren ſchoͤpffen kan/ gemeiniglich hindan ſetze. Ja wenn ſie ei- nen gar veraͤchtlich halten wollen/ ſo nennen ſie ihn einen Poe- ten: wie dann Eraſmo Roterodamo von groben leuten ge- ſchahe. Welcher aber zur antwort gab: Er ſchaͤtzte ſich deſſen lobes viel zue vnwuͤrdig; denn auch nur ein mittelmaͤſſiger Poe- te hoͤher zue halten ſey als zehen Philoſophaſtri. Sie wiſſen ferner viel von jhren luͤgen/ aͤrgerlichen ſchrifften vnd leben zue ſagen/ vnd vermeinen/ es ſey keiner ein gutter Poete/ er muſſe dann zu gleich ein boͤſer Menſch ſein. Welches allerſeits vnge- gruͤndetes vrtheil ich kaum einer antwort wuͤrdig achte; vnnd jhnen alleine fuͤr das erſte zue bedeneken gebe/ wer Solon/ Py- thagoras/ Socrates/ Cicero vnd andere geweſen/ die ſich doch des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/18
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/18>, abgerufen am 19.03.2024.