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Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

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oder Sophoclis berhümbter nameist so weit erschol-
len als des Lysiae oder Hyperidis; vnd viel begehren
weniger den rhum des Ciceronis alß Virgilii. Es ist
auch kein buch des Asinii oder Messallae so beschrie-
en/ als des Ouidii Medea, oder Varii sein Thyestes.
Vnd/ redet er weiter/ ich schewe mich nicht den zuestand
der Poeten vnd jhr glückhafftes wesen mit dem vn-
ruhigen vnd sorglichen leben der Redner zue verglei-
chen. Ob zwar diese durch streitsachen vnnd gefahr
zue dem Bürgermeister ampte sind erhoben worden;
so wil ich doch lieber Virgilii sichere vnnd geheime
einsamkeit/ in welcher es jhm weder an gnade bey
dem Keyser Augusto/ noch an kundschafft bey dem
Römischen volcke gemangelt hat.

Nebenst dieser hoheit des gueten namens/ ist auch die vnver-
gleichliche ergetzung/ welche wir bey vns selbst empfinden/ wenn
wir der Poeterey halben so viel bücher vnnd schrifften durchsu-
chen: wenn wir die meinungen der weisen erfündigen/ vnser
gemüte wieder die zuefälle dieses lebens außhärten/ vnd alle
künste vnnd wissenschafften durchwandern? So war ich dieses
für meine grösseste frewde vnd lust auff der Welt halte/ so war
wündsche ich/ das die die in ansehung jhres reichthumbs vnnd
vermeineter vberflüssigkeit aller notdurfft jhren stand weit vber
den vnserigen erheben/ die genüge vnd rhue/ welche wir schöpf-
fen auß dem geheimen gespreche vnd gemeinschafft der grossen
hohen Seelen/ die von so viel hundert ja tausendt Jharen her
mit vns reden/ empfinden solten; ich weiß/ sie würden beken-
nen/ das es weit besser sey/ viel wissen vnd wenig besitzen/ als
alles besetzen vnd nichts wissen Vber dieser vnglaublichen er-
getzung haben jhrer viel hunger vnd durst erlitten/ jhr gantze

vermö-

oder Sophoclis berhuͤmbter nameiſt ſo weit erſchol-
len als des Lyſiæ oder Hyperidis; vnd viel begehren
weniger den rhum des Ciceronis alß Virgilii. Es iſt
auch kein buch des Aſinii oder Meſſallæ ſo beſchrie-
en/ als des Ouidii Medea, oder Varii ſein Thyeſtes.
Vnd/ redet er weiter/ ich ſchewe mich nicht den zueſtand
der Poeten vnd jhr gluͤckhafftes weſen mit dem vn-
ruhigen vnd ſorglichen leben der Redner zue verglei-
chen. Ob zwar dieſe durch ſtreitſachen vnnd gefahr
zue dem Buͤrgermeiſter ampte ſind erhoben worden;
ſo wil ich doch lieber Virgilii ſichere vnnd geheime
einſamkeit/ in welcher es jhm weder an gnade bey
dem Keyſer Auguſto/ noch an kundſchafft bey dem
Roͤmiſchen volcke gemangelt hat.

Nebenſt dieſer hoheit des gueten namens/ iſt auch die vnver-
gleichliche ergetzung/ welche wir bey vns ſelbſt empfinden/ wenn
wir der Poeterey halben ſo viel buͤcher vnnd ſchrifften durchſu-
chen: wenn wir die meinungen der weiſen erfuͤndigen/ vnſer
gemuͤte wieder die zuefaͤlle dieſes lebens außhaͤrten/ vnd alle
kuͤnſte vnnd wiſſenſchafften durchwandern? So war ich dieſes
fuͤr meine groͤſſeſte frewde vnd luſt auff der Welt halte/ ſo war
wuͤndſche ich/ das die die in anſehung jhres reichthumbs vnnd
vermeineter vberfluͤſſigkeit aller notdurfft jhren ſtand weit vber
den vnſerigen erheben/ die genuͤge vnd rhue/ welche wir ſchoͤpf-
fen auß dem geheimen geſpreche vnd gemeinſchafft der groſſen
hohen Seelen/ die von ſo viel hundert ja tauſendt Jharen her
mit vns reden/ empfinden ſolten; ich weiß/ ſie wuͤrden beken-
nen/ das es weit beſſer ſey/ viel wiſſen vnd wenig beſitzen/ als
alles beſetzen vnd nichts wiſſen Vber dieſer vnglaublichen er-
getzung haben jhrer viel hunger vnd durſt erlitten/ jhr gantze

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Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/81>, abgerufen am 25.04.2024.