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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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verstopften Fenster drang unaufhörlich ein eisiger Luststrom ein. -- Auf verfaultem Stroh lagen die halbnackten Kinder, und rieben mit den blauen erstarrten Händen in den blöden Augen, die gar nicht zubleiben wollten, weil Frostschauer, die über die kleinen Gestalten liefen, sie immer wieder aufrissen. Die Mutter lag daneben in einer großen, weiten Bettstelle -- das Weib lag weder auf Stroh, noch auf Federn, sondern auf den Latten des Gestelles, zum Kopf hatte sie die zerrissene Pelzjacke ihres Mannes, zur Decke einen alten wollnen Rock, den sie am Tage trug.

Es war kalt, ach schneidend kalt drinnen.

Dem Manne war es zu kalt, drum war er fortgegangen in die Schenke.

In der Schenke war es warm, da brauchte Niemand zu frieren, und Branntwein hatte der Wirth auch -- und der Branntwein wärmte dann noch fort zu Hause die wenigen Stunden der Nacht bis die Glocke zur Arbeit geläutet ward.

Es war eine große von Rauch geschwärzte Stube. Einige Talglichter, meist schon herabgebrannte Stümpfchen, erleuchteten sie spärlich. Branntweindunst, der Qualm aus vielen Tabakspfeifen und das Athmen vieler Männer verdichteten die Luft in dieser Stube so, daß es den darin Versammelten unmöglich war, einander in größerer Entfernung, als der von ein paar Schritten, zu erkennen.

verstopften Fenster drang unaufhörlich ein eisiger Luststrom ein. — Auf verfaultem Stroh lagen die halbnackten Kinder, und rieben mit den blauen erstarrten Händen in den blöden Augen, die gar nicht zubleiben wollten, weil Frostschauer, die über die kleinen Gestalten liefen, sie immer wieder aufrissen. Die Mutter lag daneben in einer großen, weiten Bettstelle — das Weib lag weder auf Stroh, noch auf Federn, sondern auf den Latten des Gestelles, zum Kopf hatte sie die zerrissene Pelzjacke ihres Mannes, zur Decke einen alten wollnen Rock, den sie am Tage trug.

Es war kalt, ach schneidend kalt drinnen.

Dem Manne war es zu kalt, drum war er fortgegangen in die Schenke.

In der Schenke war es warm, da brauchte Niemand zu frieren, und Branntwein hatte der Wirth auch — und der Branntwein wärmte dann noch fort zu Hause die wenigen Stunden der Nacht bis die Glocke zur Arbeit geläutet ward.

Es war eine große von Rauch geschwärzte Stube. Einige Talglichter, meist schon herabgebrannte Stümpfchen, erleuchteten sie spärlich. Branntweindunst, der Qualm aus vielen Tabakspfeifen und das Athmen vieler Männer verdichteten die Luft in dieser Stube so, daß es den darin Versammelten unmöglich war, einander in größerer Entfernung, als der von ein paar Schritten, zu erkennen.

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[148/0158] verstopften Fenster drang unaufhörlich ein eisiger Luststrom ein. — Auf verfaultem Stroh lagen die halbnackten Kinder, und rieben mit den blauen erstarrten Händen in den blöden Augen, die gar nicht zubleiben wollten, weil Frostschauer, die über die kleinen Gestalten liefen, sie immer wieder aufrissen. Die Mutter lag daneben in einer großen, weiten Bettstelle — das Weib lag weder auf Stroh, noch auf Federn, sondern auf den Latten des Gestelles, zum Kopf hatte sie die zerrissene Pelzjacke ihres Mannes, zur Decke einen alten wollnen Rock, den sie am Tage trug. Es war kalt, ach schneidend kalt drinnen. Dem Manne war es zu kalt, drum war er fortgegangen in die Schenke. In der Schenke war es warm, da brauchte Niemand zu frieren, und Branntwein hatte der Wirth auch — und der Branntwein wärmte dann noch fort zu Hause die wenigen Stunden der Nacht bis die Glocke zur Arbeit geläutet ward. Es war eine große von Rauch geschwärzte Stube. Einige Talglichter, meist schon herabgebrannte Stümpfchen, erleuchteten sie spärlich. Branntweindunst, der Qualm aus vielen Tabakspfeifen und das Athmen vieler Männer verdichteten die Luft in dieser Stube so, daß es den darin Versammelten unmöglich war, einander in größerer Entfernung, als der von ein paar Schritten, zu erkennen.

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/158>, abgerufen am 24.04.2024.