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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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Sein ganzer Körper zitterte in unaussprechlichem Verlangen, sein Herz schlug höher in brünstigem Sehnen.

Was litten denn die Andern, daß sie wider die gesellschaftliche Ordnung murrten? Hunger, Frost, niederbeugende Noth und lästige Arbeit -- aber er litt Tausend Mal mehr!

Ihm war jetzt, als habe an ihm allein sich die Gesellschaft versündigt, denn sie nahm ihm die Geliebte!

Dieses Gefühl, das er so rein und heilig in seinem Innern trug, ward es nicht zum Verbrechen, zur Tollheit gestempelt von der Gesellschaft? Und was gab es denn noch Großes und Schönes auf der Welt, wenn nicht dies Gefühl seines Herzens dazu gehörte?

Aber was half es, daß dieses Herz so in inniger Liebe, daß es so groß und begeistert schlug -- dies Herz schlug ja unter Lumpen, und die, für welche es schlug, hätte ihren zarten Leib mit blinkendem Gold bedecken können, wenn sie es nicht verschmäht hätte.

Welch' eine unvernünftige Gesellschaft, welch' eine frevelhafte Unordnung in den bestehenden Verhältnissen mußte das sein, die um solcher Erbärmlichkeit willen zwei gleichschlagende Herzen für immer auseinander riß?

Sein ganzer Körper zitterte in unaussprechlichem Verlangen, sein Herz schlug höher in brünstigem Sehnen.

Was litten denn die Andern, daß sie wider die gesellschaftliche Ordnung murrten? Hunger, Frost, niederbeugende Noth und lästige Arbeit — aber er litt Tausend Mal mehr!

Ihm war jetzt, als habe an ihm allein sich die Gesellschaft versündigt, denn sie nahm ihm die Geliebte!

Dieses Gefühl, das er so rein und heilig in seinem Innern trug, ward es nicht zum Verbrechen, zur Tollheit gestempelt von der Gesellschaft? Und was gab es denn noch Großes und Schönes auf der Welt, wenn nicht dies Gefühl seines Herzens dazu gehörte?

Aber was half es, daß dieses Herz so in inniger Liebe, daß es so groß und begeistert schlug — dies Herz schlug ja unter Lumpen, und die, für welche es schlug, hätte ihren zarten Leib mit blinkendem Gold bedecken können, wenn sie es nicht verschmäht hätte.

Welch’ eine unvernünftige Gesellschaft, welch’ eine frevelhafte Unordnung in den bestehenden Verhältnissen mußte das sein, die um solcher Erbärmlichkeit willen zwei gleichschlagende Herzen für immer auseinander riß?

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[194/0200] Sein ganzer Körper zitterte in unaussprechlichem Verlangen, sein Herz schlug höher in brünstigem Sehnen. Was litten denn die Andern, daß sie wider die gesellschaftliche Ordnung murrten? Hunger, Frost, niederbeugende Noth und lästige Arbeit — aber er litt Tausend Mal mehr! Ihm war jetzt, als habe an ihm allein sich die Gesellschaft versündigt, denn sie nahm ihm die Geliebte! Dieses Gefühl, das er so rein und heilig in seinem Innern trug, ward es nicht zum Verbrechen, zur Tollheit gestempelt von der Gesellschaft? Und was gab es denn noch Großes und Schönes auf der Welt, wenn nicht dies Gefühl seines Herzens dazu gehörte? Aber was half es, daß dieses Herz so in inniger Liebe, daß es so groß und begeistert schlug — dies Herz schlug ja unter Lumpen, und die, für welche es schlug, hätte ihren zarten Leib mit blinkendem Gold bedecken können, wenn sie es nicht verschmäht hätte. Welch’ eine unvernünftige Gesellschaft, welch’ eine frevelhafte Unordnung in den bestehenden Verhältnissen mußte das sein, die um solcher Erbärmlichkeit willen zwei gleichschlagende Herzen für immer auseinander riß?

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/200>, abgerufen am 28.03.2024.