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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

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wenn die erste Allmacht der Liebe sie plötzlich mit ungeahnten Offenbarungen geweiht hat, oft einen Seherblick, der das verwandte Edle, das sich ihm naht, auch ohne äußeres Zeichen erkennt und das Niedrige, Unreine, das sich in seinen Kreis drängt, eben so schnell, auch wenn es eine andere Maske borgen will, herausfindet und zurückweist -- so zog auch jetzt Elisabeth mehr ahnend als verstehend Jaromirs Hand an ihr Herz und sagte im allmächtigen Vertrauen der Liebe:

"Ich will Alles gut machen, was verbrochen ward."

Amalie konnte es nicht ertragen, länger dieser hohen Jungfrau gegenüber zu stehen -- um so mehr als sie fühlte, daß sie es schon durchschaute, wie ja sie, Amalie, selbst es war, welche an Jaromir ein Unrecht begangen, nicht er an ihr -- auch kam sie jetzt erst eigentlich zur Besinnung, wie sehr sie Ort und Personen vergessen und wo und zu wem sie sprach. Als nun Thalheim ihr den Arm bot, um sie hinweg zu führen, so folgte sie erst willig -- dann aber machte sie sich plötzlich los und sagte:

"Jetzt ist eine Erklärung zwischen uns nicht möglich, es bedarf auch weiter keiner -- wir wollten uns nicht wiedersehen -- denke, es sei so gewesen. Willst Du mir einen Dienst erweisen, so entschuldige mich bei Fräulein Aurelie."

wenn die erste Allmacht der Liebe sie plötzlich mit ungeahnten Offenbarungen geweiht hat, oft einen Seherblick, der das verwandte Edle, das sich ihm naht, auch ohne äußeres Zeichen erkennt und das Niedrige, Unreine, das sich in seinen Kreis drängt, eben so schnell, auch wenn es eine andere Maske borgen will, herausfindet und zurückweist — so zog auch jetzt Elisabeth mehr ahnend als verstehend Jaromirs Hand an ihr Herz und sagte im allmächtigen Vertrauen der Liebe:

„Ich will Alles gut machen, was verbrochen ward.“

Amalie konnte es nicht ertragen, länger dieser hohen Jungfrau gegenüber zu stehen — um so mehr als sie fühlte, daß sie es schon durchschaute, wie ja sie, Amalie, selbst es war, welche an Jaromir ein Unrecht begangen, nicht er an ihr — auch kam sie jetzt erst eigentlich zur Besinnung, wie sehr sie Ort und Personen vergessen und wo und zu wem sie sprach. Als nun Thalheim ihr den Arm bot, um sie hinweg zu führen, so folgte sie erst willig — dann aber machte sie sich plötzlich los und sagte:

„Jetzt ist eine Erklärung zwischen uns nicht möglich, es bedarf auch weiter keiner — wir wollten uns nicht wiedersehen — denke, es sei so gewesen. Willst Du mir einen Dienst erweisen, so entschuldige mich bei Fräulein Aurelie.“

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[111/0115] wenn die erste Allmacht der Liebe sie plötzlich mit ungeahnten Offenbarungen geweiht hat, oft einen Seherblick, der das verwandte Edle, das sich ihm naht, auch ohne äußeres Zeichen erkennt und das Niedrige, Unreine, das sich in seinen Kreis drängt, eben so schnell, auch wenn es eine andere Maske borgen will, herausfindet und zurückweist — so zog auch jetzt Elisabeth mehr ahnend als verstehend Jaromirs Hand an ihr Herz und sagte im allmächtigen Vertrauen der Liebe: „Ich will Alles gut machen, was verbrochen ward.“ Amalie konnte es nicht ertragen, länger dieser hohen Jungfrau gegenüber zu stehen — um so mehr als sie fühlte, daß sie es schon durchschaute, wie ja sie, Amalie, selbst es war, welche an Jaromir ein Unrecht begangen, nicht er an ihr — auch kam sie jetzt erst eigentlich zur Besinnung, wie sehr sie Ort und Personen vergessen und wo und zu wem sie sprach. Als nun Thalheim ihr den Arm bot, um sie hinweg zu führen, so folgte sie erst willig — dann aber machte sie sich plötzlich los und sagte: „Jetzt ist eine Erklärung zwischen uns nicht möglich, es bedarf auch weiter keiner — wir wollten uns nicht wiedersehen — denke, es sei so gewesen. Willst Du mir einen Dienst erweisen, so entschuldige mich bei Fräulein Aurelie.“

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/115>, abgerufen am 29.03.2024.