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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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II. Der Dämonismus.
§. 11.

In welcher Form stelt sich mir nun mein Denken und die Körperlichkeit dieser Welt von Seite des Dämon, des gedachten transzendentalen Prinzips, aus betrachtet dar? Nur als causa efficiens, als antreibende Ursache, darf ich mir den Dämon in transzendentalem Sinn denken; sein Wirken ist mir gänzlich unbekant; könte ich es, so müsste ich es entweder aus der Erscheinungswelt kennen; diese ist aber für mich, für meine Wahrnehmung, Halluzinazion, ist mein Produkt, und als illudorisches Machwerk gar nicht fähig, mir über den Dämon etwas mitzuteilen; - oder ich müsste es aus dem Denken kennen; aber gerade hier finde ich kausallose Ereignisse, wie meine Einfälle, meine Halluzinazionen. Also stelle ich den Dämon an die Grenze, wo ich keine causa mehr finde, aber eine causa verlange, also als transzendentale causa. Dann ist er aber rätselhaft und ich darf ihn rätselhaft nennen, da keine mit mir gleichgeschaffene Intelligenz im Stande ist, hier Besseres oder Deutlicheres zu liefern. Der Dämon ist also ein aus dem Transzendentalen mit Notwendigkeit gewonnener Faktor, um mein mit Kausalbedürfnis ausgestattetes diesseitiges Denken und die an ihm hängende Erscheinungswelt zu erklären. -

Anders steht die Sache in meinem diesseitigen Denken, in meinem Denken als Erscheinung, wie es mir aus unmittelbarem Beobachten bekant ist, und im Bereich der mit ihr verknüpften Aussenwelt. Hier habe ich kein Recht mehr, kausallose, d. i. meinem Denken zuwiderlaufende Ereignisse zuzulassen. Nachdem ich hinter mir den Ariadne-Faden geknüpft, kann ich und muss ich an ihm, beim Vordringen in das Labirint meines Denkens und der Erscheinungswelt,

II. Der Dämonismus.
§. 11.

In welcher Form stelt sich mir nun mein Denken und die Körperlichkeit dieser Welt von Seite des Dämon, des gedachten transzendentalen Prinzips, aus betrachtet dar? Nur als causa efficiens, als antreibende Ursache, darf ich mir den Dämon in transzendentalem Sinn denken; sein Wirken ist mir gänzlich unbekant; könte ich es, so müsste ich es entweder aus der Erscheinungswelt kennen; diese ist aber für mich, für meine Wahrnehmung, Halluzinazion, ist mein Produkt, und als illudorisches Machwerk gar nicht fähig, mir über den Dämon etwas mitzuteilen; – oder ich müsste es aus dem Denken kennen; aber gerade hier finde ich kausallose Ereignisse, wie meine Einfälle, meine Halluzinazionen. Also stelle ich den Dämon an die Grenze, wo ich keine causa mehr finde, aber eine causa verlange, also als transzendentale causa. Dann ist er aber rätselhaft und ich darf ihn rätselhaft nennen, da keine mit mir gleichgeschaffene Intelligenz im Stande ist, hier Besseres oder Deutlicheres zu liefern. Der Dämon ist also ein aus dem Transzendentalen mit Notwendigkeit gewonnener Faktor, um mein mit Kausalbedürfnis ausgestattetes diesseitiges Denken und die an ihm hängende Erscheinungswelt zu erklären. –

Anders steht die Sache in meinem diesseitigen Denken, in meinem Denken als Erscheinung, wie es mir aus unmittelbarem Beobachten bekant ist, und im Bereich der mit ihr verknüpften Aussenwelt. Hier habe ich kein Recht mehr, kausallose, d. i. meinem Denken zuwiderlaufende Ereignisse zuzulassen. Nachdem ich hinter mir den Ariadne-Faden geknüpft, kann ich und muss ich an ihm, beim Vordringen in das Labirint meines Denkens und der Erscheinungswelt,

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[0028] II. Der Dämonismus. §. 11. In welcher Form stelt sich mir nun mein Denken und die Körperlichkeit dieser Welt von Seite des Dämon, des gedachten transzendentalen Prinzips, aus betrachtet dar? Nur als causa efficiens, als antreibende Ursache, darf ich mir den Dämon in transzendentalem Sinn denken; sein Wirken ist mir gänzlich unbekant; könte ich es, so müsste ich es entweder aus der Erscheinungswelt kennen; diese ist aber für mich, für meine Wahrnehmung, Halluzinazion, ist mein Produkt, und als illudorisches Machwerk gar nicht fähig, mir über den Dämon etwas mitzuteilen; – oder ich müsste es aus dem Denken kennen; aber gerade hier finde ich kausallose Ereignisse, wie meine Einfälle, meine Halluzinazionen. Also stelle ich den Dämon an die Grenze, wo ich keine causa mehr finde, aber eine causa verlange, also als transzendentale causa. Dann ist er aber rätselhaft und ich darf ihn rätselhaft nennen, da keine mit mir gleichgeschaffene Intelligenz im Stande ist, hier Besseres oder Deutlicheres zu liefern. Der Dämon ist also ein aus dem Transzendentalen mit Notwendigkeit gewonnener Faktor, um mein mit Kausalbedürfnis ausgestattetes diesseitiges Denken und die an ihm hängende Erscheinungswelt zu erklären. – Anders steht die Sache in meinem diesseitigen Denken, in meinem Denken als Erscheinung, wie es mir aus unmittelbarem Beobachten bekant ist, und im Bereich der mit ihr verknüpften Aussenwelt. Hier habe ich kein Recht mehr, kausallose, d. i. meinem Denken zuwiderlaufende Ereignisse zuzulassen. Nachdem ich hinter mir den Ariadne-Faden geknüpft, kann ich und muss ich an ihm, beim Vordringen in das Labirint meines Denkens und der Erscheinungswelt,

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/28>, abgerufen am 29.03.2024.