Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

die sich anscheinend zwischen zwei Endpunkten abgespielt hat, falle überhaupt mit dem einzigen Klopfmoment zusammen, und erweise sich seiner irdischen Zeitmessung gegenüber geradezu anihilirt; so dass er empirisch gezwungen ist, an den Traum zu glauben, logisch gezwungen ist, die ihm gehörige Zeitstreke zurükzunehmen. - Mit der Zurüknahme der Aussenwelt in mein Denken nehme ich aber natürlich ebenfalls den Raum zurük, eine Bestimmung, die, wie sie unvermeidlich mit der Projekzion in etwas ausser mir gegeben war, nunmehr beim Zusammenfallen meiner räumlichen Halluzinazion mit meinem Denken in Nichts zerfällt. - Und da mein Körper, mein Kopf, mein Hirn, meine Ganglienzelle und der Gehirn-Reflex, den ich hier beachte, Teile der Aussenwelt sind und Illusions-Produkte, wie Alles andere ausser mir, so ziehe ich mich auf mein Denken, zurük; und Alles was ich tun kann, ist, mir zu sagen: vor mir ist Alles ausgelöscht; aber nach rükwärts zu greifen, und mir zu sagen: wenn etwas ist, so ist es hinter mir, so ist ein hier mich fassendes Prinzip, ein Dämon, der mich kreirt und mich zwingt, ohne meine Schuld, zu denken, räumlich und zeitlich mich zu drehen, und in diese nur indirekt durch mich geschaffene Welt zu schauen, für die ich vielleicht nur Mitleid und Verachtung habe, - dies rükwärtige Band aber immer sicherer und fester zu schmieden.

§. 13.

In der Tat ist es diese Richtung, die transzendentale, in der sich die Religion der Völker instinktiv entwikelt hat. Alle Religion hat das Gemeinsame, das sie vor sich, in der Welt, Nichts, hinter sich, im Transzendentalen, Alles zu suchen hat. Da aber die Masse sich ausserhalb der Farben und Formen dieser Welt nichts vorstellen konte, so individualisirte und antropomorfisirte sie ihr Prinzip, schuf Götter und zog ihnen goldgestikte Pantoffeln und kostbare Samt-Mäntel an, und versah sie mit übertriebenen, menschlichen Eigenschaften. Dort aber, wo es Filosofen gab, haben sie, wenn auch in, der Masse unverständlicher und unzugänglicher, Geheimlehre, die Götter, ihre Kleider und Leiber,

die sich anscheinend zwischen zwei Endpunkten abgespielt hat, falle überhaupt mit dem einzigen Klopfmoment zusammen, und erweise sich seiner irdischen Zeitmessung gegenüber geradezu anihilirt; so dass er empirisch gezwungen ist, an den Traum zu glauben, logisch gezwungen ist, die ihm gehörige Zeitstreke zurükzunehmen. – Mit der Zurüknahme der Aussenwelt in mein Denken nehme ich aber natürlich ebenfalls den Raum zurük, eine Bestimmung, die, wie sie unvermeidlich mit der Projekzion in etwas ausser mir gegeben war, nunmehr beim Zusammenfallen meiner räumlichen Halluzinazion mit meinem Denken in Nichts zerfällt. – Und da mein Körper, mein Kopf, mein Hirn, meine Ganglienzelle und der Gehirn-Reflex, den ich hier beachte, Teile der Aussenwelt sind und Illusions-Produkte, wie Alles andere ausser mir, so ziehe ich mich auf mein Denken, zurük; und Alles was ich tun kann, ist, mir zu sagen: vor mir ist Alles ausgelöscht; aber nach rükwärts zu greifen, und mir zu sagen: wenn etwas ist, so ist es hinter mir, so ist ein hier mich fassendes Prinzip, ein Dämon, der mich kreïrt und mich zwingt, ohne meine Schuld, zu denken, räumlich und zeitlich mich zu drehen, und in diese nur indirekt durch mich geschaffene Welt zu schauen, für die ich vielleicht nur Mitleid und Verachtung habe, – dies rükwärtige Band aber immer sicherer und fester zu schmieden.

§. 13.

In der Tat ist es diese Richtung, die transzendentale, in der sich die Religion der Völker instinktiv entwikelt hat. Alle Religion hat das Gemeinsame, das sie vor sich, in der Welt, Nichts, hinter sich, im Transzendentalen, Alles zu suchen hat. Da aber die Masse sich ausserhalb der Farben und Formen dieser Welt nichts vorstellen konte, so individualisirte und antropomorfisirte sie ihr Prinzip, schuf Götter und zog ihnen goldgestikte Pantoffeln und kostbare Samt-Mäntel an, und versah sie mit übertriebenen, menschlichen Eigenschaften. Dort aber, wo es Filosofen gab, haben sie, wenn auch in, der Masse unverständlicher und unzugänglicher, Geheimlehre, die Götter, ihre Kleider und Leiber,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="31"/>
die sich anscheinend zwischen zwei Endpunkten abgespielt hat, falle überhaupt mit dem einzigen Klopfmoment zusammen, und erweise sich seiner irdischen Zeitmessung gegenüber geradezu anihilirt; so dass er empirisch gezwungen ist, an den Traum zu glauben, logisch gezwungen ist, die ihm gehörige Zeitstreke zurükzunehmen. &#x2013; Mit der Zurüknahme der Aussenwelt in mein Denken nehme ich aber natürlich ebenfalls den <hi rendition="#g">Raum</hi> zurük, eine Bestimmung, die, wie sie unvermeidlich mit der Projekzion in etwas ausser mir gegeben war, nunmehr beim Zusammenfallen meiner räumlichen Halluzinazion mit meinem Denken in Nichts zerfällt. &#x2013; Und da mein Körper, mein Kopf, mein Hirn, meine Ganglienzelle und der Gehirn-Reflex, den ich hier beachte, Teile der Aussenwelt sind und Illusions-Produkte, wie Alles andere ausser mir, so ziehe ich mich auf mein Denken, zurük; und Alles was ich tun kann, ist, mir zu sagen: vor mir ist Alles ausgelöscht; aber nach rükwärts zu greifen, und mir zu sagen: wenn etwas ist, so ist es hinter mir, so ist ein hier mich fassendes Prinzip, ein Dämon, der mich kreïrt und mich zwingt, ohne meine Schuld, zu denken, räumlich und zeitlich mich zu drehen, und in diese nur indirekt durch mich geschaffene Welt zu schauen, für die ich vielleicht nur Mitleid und Verachtung habe, &#x2013; dies rükwärtige Band aber immer sicherer und fester zu schmieden.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>§. 13.</head><lb/>
          <p>In der Tat ist es diese Richtung, die transzendentale, in der sich die Religion der Völker instinktiv entwikelt hat. Alle Religion hat das Gemeinsame, das sie vor sich, in der Welt, Nichts, hinter sich, im Transzendentalen, Alles zu suchen hat. Da aber die Masse sich ausserhalb der Farben und Formen dieser Welt nichts vorstellen konte, so individualisirte und antropomorfisirte sie ihr Prinzip, schuf Götter und zog ihnen goldgestikte Pantoffeln und kostbare Samt-Mäntel an, und versah sie mit übertriebenen, menschlichen Eigenschaften. Dort aber, wo es Filosofen gab, haben sie, wenn auch in, der Masse unverständlicher und unzugänglicher, Geheimlehre, die Götter, ihre Kleider und Leiber,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0032] die sich anscheinend zwischen zwei Endpunkten abgespielt hat, falle überhaupt mit dem einzigen Klopfmoment zusammen, und erweise sich seiner irdischen Zeitmessung gegenüber geradezu anihilirt; so dass er empirisch gezwungen ist, an den Traum zu glauben, logisch gezwungen ist, die ihm gehörige Zeitstreke zurükzunehmen. – Mit der Zurüknahme der Aussenwelt in mein Denken nehme ich aber natürlich ebenfalls den Raum zurük, eine Bestimmung, die, wie sie unvermeidlich mit der Projekzion in etwas ausser mir gegeben war, nunmehr beim Zusammenfallen meiner räumlichen Halluzinazion mit meinem Denken in Nichts zerfällt. – Und da mein Körper, mein Kopf, mein Hirn, meine Ganglienzelle und der Gehirn-Reflex, den ich hier beachte, Teile der Aussenwelt sind und Illusions-Produkte, wie Alles andere ausser mir, so ziehe ich mich auf mein Denken, zurük; und Alles was ich tun kann, ist, mir zu sagen: vor mir ist Alles ausgelöscht; aber nach rükwärts zu greifen, und mir zu sagen: wenn etwas ist, so ist es hinter mir, so ist ein hier mich fassendes Prinzip, ein Dämon, der mich kreïrt und mich zwingt, ohne meine Schuld, zu denken, räumlich und zeitlich mich zu drehen, und in diese nur indirekt durch mich geschaffene Welt zu schauen, für die ich vielleicht nur Mitleid und Verachtung habe, – dies rükwärtige Band aber immer sicherer und fester zu schmieden. §. 13. In der Tat ist es diese Richtung, die transzendentale, in der sich die Religion der Völker instinktiv entwikelt hat. Alle Religion hat das Gemeinsame, das sie vor sich, in der Welt, Nichts, hinter sich, im Transzendentalen, Alles zu suchen hat. Da aber die Masse sich ausserhalb der Farben und Formen dieser Welt nichts vorstellen konte, so individualisirte und antropomorfisirte sie ihr Prinzip, schuf Götter und zog ihnen goldgestikte Pantoffeln und kostbare Samt-Mäntel an, und versah sie mit übertriebenen, menschlichen Eigenschaften. Dort aber, wo es Filosofen gab, haben sie, wenn auch in, der Masse unverständlicher und unzugänglicher, Geheimlehre, die Götter, ihre Kleider und Leiber,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-29T10:04:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-29T10:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-29T10:04:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/32
Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/32>, abgerufen am 19.04.2024.