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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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Überweg'schen Einwurfs, der ebenfalls noch immer dualistisch gehalten ist: eine Projekzion unserer Wahrnehmungen aus der Aussenwelt in die Aussenwelt zurük fände nicht statt, - bis zur erkentnisteoretischen Forderung vor: eine Konsequenz der Überweg'schen Anschauung sei: "dass der Raum, den wir wahrnehmen, nur der Raum unseres Bewusstseins sei;" also bis zu einer Leugnung der Aussenwelt; ohne jedoch diese Anschauung zu der seinigen zu machen. -

Für unsere Auffassung ist die Stellung der Frage nach dem Grund des Aufrechtsehens der Dinge fast unverständlich. Denn nachdem wir die Aussenwelt als einen im Denken selbst und mit ihm stattfindenden Prozess erkant haben, kann es uns einerlei sein, ob ein Ding der Aussenwelt im andern Ding der Aussenwelt sich "unten zu oberst" oder "rechter Hand linker Hand beides vertauscht" spiegelt. Und die Frage erscheint uns ebenso tiefsinnig, wie die: wesshalb ein Objekt, das in der Camera obscura des fotografischen Apparats umgekehrt erscheint, ausserhalb des Apparats aufrecht sei; oder: wesshalb ein in das Wasser gehaltener Stock dort gebrochen erscheine; oder: wesshalb die im Spiegelbild linke Hand einer Person in der Aussenwelt dessen rechte sei; u. drgl. -

§. 17.

Leugung der Aussenwelt! - In der Tat ist dies die selbverständliche und unvermeidliche Konsequenz unserer Anschauung. Wenigstens wenn man die materjalistische Aussenwelt darunter versteht, eine ausserhalb und unabhängig von unserem Denken gegebene räumliche Welt, deren Gegenstände unser Denken beeinflussen sollen. Wir leugnen diese Welt, wie wir die "Gestalten" des Halluzinanten leugnen. Unsere Welt ist für unser Denken eine Halluzinazion, mit der wir übrigens um so mehr rechnen müssen, als unser gleichzeitig mithalluzinirter Körper mit diesem Denken, unserer gegenwärtigen Betätigung, unzertrennlich verbunden ist. Wir leugnen also nicht die halluzinirte Welt. Sie ist eine unvermeidliche Illusion, deren

Überweg’schen Einwurfs, der ebenfalls noch immer dualistisch gehalten ist: eine Projekzion unserer Wahrnehmungen aus der Aussenwelt in die Aussenwelt zurük fände nicht statt, – bis zur erkentnisteoretischen Forderung vor: eine Konsequenz der Überweg’schen Anschauung sei: „dass der Raum, den wir wahrnehmen, nur der Raum unseres Bewusstseins sei;“ also bis zu einer Leugnung der Aussenwelt; ohne jedoch diese Anschauung zu der seinigen zu machen. –

Für unsere Auffassung ist die Stellung der Frage nach dem Grund des Aufrechtsehens der Dinge fast unverständlich. Denn nachdem wir die Aussenwelt als einen im Denken selbst und mit ihm stattfindenden Prozess erkant haben, kann es uns einerlei sein, ob ein Ding der Aussenwelt im andern Ding der Aussenwelt sich „unten zu oberst“ oder „rechter Hand linker Hand beides vertauscht“ spiegelt. Und die Frage erscheint uns ebenso tiefsinnig, wie die: wesshalb ein Objekt, das in der Camera obscura des fotografischen Apparats umgekehrt erscheint, ausserhalb des Apparats aufrecht sei; oder: wesshalb ein in das Wasser gehaltener Stock dort gebrochen erscheine; oder: wesshalb die im Spiegelbild linke Hand einer Person in der Aussenwelt dessen rechte sei; u. drgl. –

§. 17.

Leugung der Aussenwelt! – In der Tat ist dies die selbverständliche und unvermeidliche Konsequenz unserer Anschauung. Wenigstens wenn man die materjalistische Aussenwelt darunter versteht, eine ausserhalb und unabhängig von unserem Denken gegebene räumliche Welt, deren Gegenstände unser Denken beeinflussen sollen. Wir leugnen diese Welt, wie wir die „Gestalten“ des Halluzinanten leugnen. Unsere Welt ist für unser Denken eine Halluzinazion, mit der wir übrigens um so mehr rechnen müssen, als unser gleichzeitig mithalluzinirter Körper mit diesem Denken, unserer gegenwärtigen Betätigung, unzertrennlich verbunden ist. Wir leugnen also nicht die halluzinirte Welt. Sie ist eine unvermeidliche Illusion, deren

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[38/0039] Überweg’schen Einwurfs, der ebenfalls noch immer dualistisch gehalten ist: eine Projekzion unserer Wahrnehmungen aus der Aussenwelt in die Aussenwelt zurük fände nicht statt, – bis zur erkentnisteoretischen Forderung vor: eine Konsequenz der Überweg’schen Anschauung sei: „dass der Raum, den wir wahrnehmen, nur der Raum unseres Bewusstseins sei;“ also bis zu einer Leugnung der Aussenwelt; ohne jedoch diese Anschauung zu der seinigen zu machen. – Für unsere Auffassung ist die Stellung der Frage nach dem Grund des Aufrechtsehens der Dinge fast unverständlich. Denn nachdem wir die Aussenwelt als einen im Denken selbst und mit ihm stattfindenden Prozess erkant haben, kann es uns einerlei sein, ob ein Ding der Aussenwelt im andern Ding der Aussenwelt sich „unten zu oberst“ oder „rechter Hand linker Hand beides vertauscht“ spiegelt. Und die Frage erscheint uns ebenso tiefsinnig, wie die: wesshalb ein Objekt, das in der Camera obscura des fotografischen Apparats umgekehrt erscheint, ausserhalb des Apparats aufrecht sei; oder: wesshalb ein in das Wasser gehaltener Stock dort gebrochen erscheine; oder: wesshalb die im Spiegelbild linke Hand einer Person in der Aussenwelt dessen rechte sei; u. drgl. – §. 17. Leugung der Aussenwelt! – In der Tat ist dies die selbverständliche und unvermeidliche Konsequenz unserer Anschauung. Wenigstens wenn man die materjalistische Aussenwelt darunter versteht, eine ausserhalb und unabhängig von unserem Denken gegebene räumliche Welt, deren Gegenstände unser Denken beeinflussen sollen. Wir leugnen diese Welt, wie wir die „Gestalten“ des Halluzinanten leugnen. Unsere Welt ist für unser Denken eine Halluzinazion, mit der wir übrigens um so mehr rechnen müssen, als unser gleichzeitig mithalluzinirter Körper mit diesem Denken, unserer gegenwärtigen Betätigung, unzertrennlich verbunden ist. Wir leugnen also nicht die halluzinirte Welt. Sie ist eine unvermeidliche Illusion, deren

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/39>, abgerufen am 16.04.2024.