Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

die Welt, die ich als Halluzinazion, als kausallose Wahrnehmung erkant habe, in mein Denken? - Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, ist mir natürlich die eine Seite, die Welt-Seite, verschlossen; denn dort ist ja nur, wie wir gesehen haben, der Verbreitungs-Bezirk der Illusion, dort ist die Manifestazions-Fläche meiner Halluzinazion. Nach vorn also - um mich räumlich auszudrücken, und eine Richtung anzudeuten, die nur in der Erscheinungswelt Gültigkeit hat und in der Verlängerung meiner Augenachsen liegt - ist mir der Weg verschlossen; es bleibt mir nur - wiederum illusorisch gesprochen - der Weg rükwärts von meinem Denken, um meinem Kausalbedürfnis hinsichtlich der Herkunft meiner "Einfälle" Genüge zu leisten. Was kann nun dahinten liegen, welches für mich die Quelle so ausserordentlicher Ereignisse, mein ganzes Leben im Denken wie in der Erscheinungswelt bestimmender Tatsachen ist? Etwas Denkendes? Etwas Geistiges? Etwas Psichisches? - Unmöglich! Denn dann hätte ich ja den Assoziazionsfaden nach rükwärts gegeben, und könte durch das Bewusstsein vermittelst dessen mir einzig Geistiges mitgeteilt wird, die Herkunft nach Hinten verfolgen. Ich hätte dann keinen "Einfall", sondern eine Denkreihe. Gerade aber die fehlt mir, und der abrupte, plözliche Einbruch in meine Psiche ist es, die mich so frappirt, und die ich ergründen will. Also irgend etwas Psichisches oder Bewusstes kann ich nicht hinter meinem Denken annehmen. Etwas Nicht-Psichisches, Unbewusstes, Materielles, noch viel weniger, denn dann fiele ich ja in den Fehler der Hipnotisten, die aus einem unbewussten Reich Bewusstsein ziehen wollen. Was ist aber das, was weder etwas Psichisches, Gedachtes, noch etwas Körperliches, Materjelles ist? -

Wir benüzen zu unserer gegenseitigen Verständigung durch die Sprache immer Abbilder aus der Erscheinungswelt. Es ist dies eine unumgängliche Form unseres Denkens, eine - um mich in meinem Sistem auszudrüken - Art meines Halluzinirens, meines Manifestirens; und auch da, wo ich nicht mehr in meinem Denken weiter kann,

die Welt, die ich als Halluzinazion, als kausallose Wahrnehmung erkant habe, in mein Denken? – Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, ist mir natürlich die eine Seite, die Welt-Seite, verschlossen; denn dort ist ja nur, wie wir gesehen haben, der Verbreitungs-Bezirk der Illusion, dort ist die Manifestazions-Fläche meiner Halluzinazion. Nach vorn also – um mich räumlich auszudrücken, und eine Richtung anzudeuten, die nur in der Erscheinungswelt Gültigkeit hat und in der Verlängerung meiner Augenachsen liegt – ist mir der Weg verschlossen; es bleibt mir nur – wiederum illusorisch gesprochen – der Weg rükwärts von meinem Denken, um meinem Kausalbedürfnis hinsichtlich der Herkunft meiner „Einfälle“ Genüge zu leisten. Was kann nun dahinten liegen, welches für mich die Quelle so ausserordentlicher Ereignisse, mein ganzes Leben im Denken wie in der Erscheinungswelt bestimmender Tatsachen ist? Etwas Denkendes? Etwas Geistiges? Etwas Psichisches? – Unmöglich! Denn dann hätte ich ja den Assoziazionsfaden nach rükwärts gegeben, und könte durch das Bewusstsein vermittelst dessen mir einzig Geistiges mitgeteilt wird, die Herkunft nach Hinten verfolgen. Ich hätte dann keinen „Einfall“, sondern eine Denkreihe. Gerade aber die fehlt mir, und der abrupte, plözliche Einbruch in meine Psiche ist es, die mich so frappirt, und die ich ergründen will. Also irgend etwas Psichisches oder Bewusstes kann ich nicht hinter meinem Denken annehmen. Etwas Nicht-Psichisches, Unbewusstes, Materielles, noch viel weniger, denn dann fiele ich ja in den Fehler der Hipnotisten, die aus einem unbewussten Reich Bewusstsein ziehen wollen. Was ist aber das, was weder etwas Psichisches, Gedachtes, noch etwas Körperliches, Materjelles ist? –

Wir benüzen zu unserer gegenseitigen Verständigung durch die Sprache immer Abbilder aus der Erscheinungswelt. Es ist dies eine unumgängliche Form unseres Denkens, eine – um mich in meinem Sistem auszudrüken – Art meines Halluzinirens, meines Manifestirens; und auch da, wo ich nicht mehr in meinem Denken weiter kann,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0024" n="23"/>
die Welt, die ich als Halluzinazion, als kausallose Wahrnehmung erkant habe, in mein Denken? &#x2013; Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, ist mir natürlich die eine Seite, die Welt-Seite, verschlossen; denn dort ist ja nur, wie wir gesehen haben, der Verbreitungs-Bezirk der Illusion, dort ist die Manifestazions-Fläche meiner Halluzinazion. Nach <hi rendition="#g">vorn</hi> also &#x2013; um mich räumlich auszudrücken, und eine Richtung anzudeuten, die nur in der Erscheinungswelt Gültigkeit hat und in der Verlängerung meiner Augenachsen liegt &#x2013; ist mir der Weg verschlossen; es bleibt mir nur &#x2013; wiederum illusorisch gesprochen &#x2013; der Weg rükwärts von meinem Denken, um meinem Kausalbedürfnis hinsichtlich der Herkunft meiner &#x201E;Einfälle&#x201C; Genüge zu leisten. Was kann nun dahinten liegen, welches für mich die Quelle so ausserordentlicher Ereignisse, mein ganzes Leben im Denken wie in der Erscheinungswelt bestimmender Tatsachen ist? Etwas Denkendes? Etwas Geistiges? Etwas Psichisches? &#x2013; Unmöglich! Denn dann hätte ich ja den Assoziazionsfaden nach rükwärts gegeben, und könte durch das Bewusstsein vermittelst dessen mir einzig Geistiges mitgeteilt wird, die Herkunft nach Hinten verfolgen. Ich hätte dann keinen &#x201E;Einfall&#x201C;, sondern eine Denkreihe. Gerade aber die fehlt mir, und der abrupte, plözliche Einbruch in meine Psiche ist es, die mich so frappirt, und die ich ergründen will. Also irgend etwas Psichisches oder Bewusstes kann ich nicht hinter meinem Denken annehmen. Etwas Nicht-Psichisches, Unbewusstes, Materielles, noch viel weniger, denn dann fiele ich ja in den Fehler der Hipnotisten, die aus einem unbewussten Reich Bewusstsein ziehen wollen. Was ist aber das, was weder etwas Psichisches, Gedachtes, noch etwas Körperliches, Materjelles ist? &#x2013;</p>
          <p>Wir benüzen zu unserer gegenseitigen Verständigung durch die Sprache immer Abbilder aus der Erscheinungswelt. Es ist dies eine unumgängliche Form unseres Denkens, eine &#x2013; um mich in meinem Sistem auszudrüken &#x2013; Art meines Halluzinirens, meines Manifestirens; und auch da, wo ich nicht mehr in meinem Denken weiter kann,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0024] die Welt, die ich als Halluzinazion, als kausallose Wahrnehmung erkant habe, in mein Denken? – Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, ist mir natürlich die eine Seite, die Welt-Seite, verschlossen; denn dort ist ja nur, wie wir gesehen haben, der Verbreitungs-Bezirk der Illusion, dort ist die Manifestazions-Fläche meiner Halluzinazion. Nach vorn also – um mich räumlich auszudrücken, und eine Richtung anzudeuten, die nur in der Erscheinungswelt Gültigkeit hat und in der Verlängerung meiner Augenachsen liegt – ist mir der Weg verschlossen; es bleibt mir nur – wiederum illusorisch gesprochen – der Weg rükwärts von meinem Denken, um meinem Kausalbedürfnis hinsichtlich der Herkunft meiner „Einfälle“ Genüge zu leisten. Was kann nun dahinten liegen, welches für mich die Quelle so ausserordentlicher Ereignisse, mein ganzes Leben im Denken wie in der Erscheinungswelt bestimmender Tatsachen ist? Etwas Denkendes? Etwas Geistiges? Etwas Psichisches? – Unmöglich! Denn dann hätte ich ja den Assoziazionsfaden nach rükwärts gegeben, und könte durch das Bewusstsein vermittelst dessen mir einzig Geistiges mitgeteilt wird, die Herkunft nach Hinten verfolgen. Ich hätte dann keinen „Einfall“, sondern eine Denkreihe. Gerade aber die fehlt mir, und der abrupte, plözliche Einbruch in meine Psiche ist es, die mich so frappirt, und die ich ergründen will. Also irgend etwas Psichisches oder Bewusstes kann ich nicht hinter meinem Denken annehmen. Etwas Nicht-Psichisches, Unbewusstes, Materielles, noch viel weniger, denn dann fiele ich ja in den Fehler der Hipnotisten, die aus einem unbewussten Reich Bewusstsein ziehen wollen. Was ist aber das, was weder etwas Psichisches, Gedachtes, noch etwas Körperliches, Materjelles ist? – Wir benüzen zu unserer gegenseitigen Verständigung durch die Sprache immer Abbilder aus der Erscheinungswelt. Es ist dies eine unumgängliche Form unseres Denkens, eine – um mich in meinem Sistem auszudrüken – Art meines Halluzinirens, meines Manifestirens; und auch da, wo ich nicht mehr in meinem Denken weiter kann,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-29T10:04:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-29T10:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-29T10:04:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/24
Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/24>, abgerufen am 25.04.2024.