Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite
Nach dem Kriege.

Als wir im Frühlinge 1814 wieder nach dem großen Garten in der Blumenstraße hinauszogen, erinnerten wir uns mit Freuden, daß jetzt nicht mehr, wie im vorigen Jahre, der Feind vor den Thoren stehe, daß vielmehr unsere Truppen die feindliche Hauptstadt besetzt hielten. Die im Laufe des Sommers nach und nach zurückkehrenden Freunde waren bei meinen Aeltern gern gesehene Gäste, und es verging selten ein Abend, wo nicht die heisere Glocke der Hofthür einen Besuch gemeldet hätte. Unter den Besuchern waren aber auch manche, die der jüngeren Generation nicht zusagten; da fanden wir ein leichtes Mittel sie zu vermeiden. Von der Terrasse des Hauses konnte man bequem über die Gartenmauer die lange einsame Straße hinuntersehn, die damals fast nur mit Holzzäunen eingefaßt war. Sahen wir nun von der Mauer aus einen unangenehmen Besuch im Scheine der Abendsonne den Zaun entlang wandeln, so eilten wir flugs in den hinteren Theil des Gartens, bis wohin ein Ruf von der Terrasse nicht dringen konnte, kletterten auf den großen Kastanienbaum, der uns leicht in seinen weiten Aesten versteckte, oder verkrochen uns in das Ananashaus. Erst wenn zum

Nach dem Kriege.

Als wir im Frühlinge 1814 wieder nach dem großen Garten in der Blumenstraße hinauszogen, erinnerten wir uns mit Freuden, daß jetzt nicht mehr, wie im vorigen Jahre, der Feind vor den Thoren stehe, daß vielmehr unsere Truppen die feindliche Hauptstadt besetzt hielten. Die im Laufe des Sommers nach und nach zurückkehrenden Freunde waren bei meinen Aeltern gern gesehene Gäste, und es verging selten ein Abend, wo nicht die heisere Glocke der Hofthür einen Besuch gemeldet hätte. Unter den Besuchern waren aber auch manche, die der jüngeren Generation nicht zusagten; da fanden wir ein leichtes Mittel sie zu vermeiden. Von der Terrasse des Hauses konnte man bequem über die Gartenmauer die lange einsame Straße hinuntersehn, die damals fast nur mit Holzzäunen eingefaßt war. Sahen wir nun von der Mauer aus einen unangenehmen Besuch im Scheine der Abendsonne den Zaun entlang wandeln, so eilten wir flugs in den hinteren Theil des Gartens, bis wohin ein Ruf von der Terrasse nicht dringen konnte, kletterten auf den großen Kastanienbaum, der uns leicht in seinen weiten Aesten versteckte, oder verkrochen uns in das Ananashaus. Erst wenn zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0443" n="431"/>
        <div>
          <head rendition="#c">Nach dem Kriege.</head><lb/>
          <p>Als wir im Frühlinge 1814 wieder nach dem großen Garten in der Blumenstraße hinauszogen, erinnerten wir uns mit Freuden, daß jetzt nicht mehr, wie im vorigen Jahre, der Feind vor den Thoren stehe, daß vielmehr unsere Truppen die feindliche Hauptstadt besetzt hielten. Die im Laufe des Sommers nach und nach zurückkehrenden Freunde waren bei meinen Aeltern gern gesehene Gäste, und es verging selten ein Abend, wo nicht die heisere Glocke der Hofthür einen Besuch gemeldet hätte. Unter den Besuchern waren aber auch manche, die der jüngeren Generation nicht zusagten; da fanden wir ein leichtes Mittel sie zu vermeiden. Von der Terrasse des Hauses konnte man bequem über die Gartenmauer die lange einsame Straße hinuntersehn, die damals fast nur mit Holzzäunen eingefaßt war. Sahen wir nun von der Mauer aus einen unangenehmen Besuch im Scheine der Abendsonne den Zaun entlang wandeln, so eilten wir flugs in den hinteren Theil des Gartens, bis wohin ein Ruf von der Terrasse nicht dringen konnte, kletterten auf den großen Kastanienbaum, der uns leicht in seinen weiten Aesten versteckte, oder verkrochen uns in das Ananashaus. Erst wenn zum
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0443] Nach dem Kriege. Als wir im Frühlinge 1814 wieder nach dem großen Garten in der Blumenstraße hinauszogen, erinnerten wir uns mit Freuden, daß jetzt nicht mehr, wie im vorigen Jahre, der Feind vor den Thoren stehe, daß vielmehr unsere Truppen die feindliche Hauptstadt besetzt hielten. Die im Laufe des Sommers nach und nach zurückkehrenden Freunde waren bei meinen Aeltern gern gesehene Gäste, und es verging selten ein Abend, wo nicht die heisere Glocke der Hofthür einen Besuch gemeldet hätte. Unter den Besuchern waren aber auch manche, die der jüngeren Generation nicht zusagten; da fanden wir ein leichtes Mittel sie zu vermeiden. Von der Terrasse des Hauses konnte man bequem über die Gartenmauer die lange einsame Straße hinuntersehn, die damals fast nur mit Holzzäunen eingefaßt war. Sahen wir nun von der Mauer aus einen unangenehmen Besuch im Scheine der Abendsonne den Zaun entlang wandeln, so eilten wir flugs in den hinteren Theil des Gartens, bis wohin ein Ruf von der Terrasse nicht dringen konnte, kletterten auf den großen Kastanienbaum, der uns leicht in seinen weiten Aesten versteckte, oder verkrochen uns in das Ananashaus. Erst wenn zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/443
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/443>, abgerufen am 16.04.2024.