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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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damit, daß er eine römische Nase habe, und wußten nicht, daß dies ein Kompliment sei.

Durch August wurden wir auf den Turnplatz zu Jahn geführt, dem damals die ganze Berliner Jugend zuströmte. Was im Alterthum bei allen Völkern als selbstverständlich galt, daß man nicht allein den Geist, sondern auch den Körper ausbilden müsse, um eine harmonische Existenz zu führen, das wurde hier von einem einzelnen Manne als eine Neuigkeit auf das Tapet gebracht, und von manchen Seiten mit Naserümpfen aufgenommen. Diese systematische Ausbildung der Jugend, so sagten die Tadler, sei ganz unnütz: denn jeder Junge könne auf einen Apfelbaum klettern und über einen Graben springen; niemand werde so leicht in den Fall kommen, an einem Seile 30 Fuß in die Höhe zu klimmen; die Uebungen am Recke seien gefährlich, denn sie trieben das Blut nach dem Kopfe, und was die Vorbereitung zum Militärdienst betreffe, so werde es doch wohl niemandem einfallen, die Kinder anständiger und gebildeter Leute unter die Soldaten stecken zu wollen.

Dennoch wurde der Turnplatz von vielen verständigen Personen aus Antheil, von andern aus Neugierde besucht. Die erste Einrichtung in der Hasenheide war von großer Einfachheit. Ein Waldfleck von einigen Morgen Landes, mit Kiefern bestanden, wurde von einem mäßig-breiten Graben umzogen, der an einigen Stellen Uebergänge zeigte. In der Mitte sah man ein Bretterhäuschen zur Aufbewahrung der wenigen nothwendigen Geräthschaften. Die Barren, Recke, Kletterbäume standen in angemessenen Entfernungen, eine Rennbahn war am östlichen Ende gegen die Rollberge hin abgesteckt. August erhielt gleich den Grad eines Vorturners. Im Laufen, Springen und Ringen

damit, daß er eine römische Nase habe, und wußten nicht, daß dies ein Kompliment sei.

Durch August wurden wir auf den Turnplatz zu Jahn geführt, dem damals die ganze Berliner Jugend zuströmte. Was im Alterthum bei allen Völkern als selbstverständlich galt, daß man nicht allein den Geist, sondern auch den Körper ausbilden müsse, um eine harmonische Existenz zu führen, das wurde hier von einem einzelnen Manne als eine Neuigkeit auf das Tapet gebracht, und von manchen Seiten mit Naserümpfen aufgenommen. Diese systematische Ausbildung der Jugend, so sagten die Tadler, sei ganz unnütz: denn jeder Junge könne auf einen Apfelbaum klettern und über einen Graben springen; niemand werde so leicht in den Fall kommen, an einem Seile 30 Fuß in die Höhe zu klimmen; die Uebungen am Recke seien gefährlich, denn sie trieben das Blut nach dem Kopfe, und was die Vorbereitung zum Militärdienst betreffe, so werde es doch wohl niemandem einfallen, die Kinder anständiger und gebildeter Leute unter die Soldaten stecken zu wollen.

Dennoch wurde der Turnplatz von vielen verständigen Personen aus Antheil, von andern aus Neugierde besucht. Die erste Einrichtung in der Hasenheide war von großer Einfachheit. Ein Waldfleck von einigen Morgen Landes, mit Kiefern bestanden, wurde von einem mäßig-breiten Graben umzogen, der an einigen Stellen Uebergänge zeigte. In der Mitte sah man ein Bretterhäuschen zur Aufbewahrung der wenigen nothwendigen Geräthschaften. Die Barren, Recke, Kletterbäume standen in angemessenen Entfernungen, eine Rennbahn war am östlichen Ende gegen die Rollberge hin abgesteckt. August erhielt gleich den Grad eines Vorturners. Im Laufen, Springen und Ringen

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          <p>Dennoch wurde der Turnplatz von vielen verständigen Personen aus Antheil, von andern aus Neugierde besucht. Die erste Einrichtung in der Hasenheide war von großer Einfachheit. Ein Waldfleck von einigen Morgen Landes, mit Kiefern bestanden, wurde von einem mäßig-breiten Graben umzogen, der an einigen Stellen Uebergänge zeigte. In der Mitte sah man ein Bretterhäuschen zur Aufbewahrung der wenigen nothwendigen Geräthschaften. Die Barren, Recke, Kletterbäume standen in angemessenen Entfernungen, eine Rennbahn war am östlichen Ende gegen die Rollberge hin abgesteckt. August erhielt gleich den Grad eines Vorturners. Im Laufen, Springen und Ringen
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[192/0204] damit, daß er eine römische Nase habe, und wußten nicht, daß dies ein Kompliment sei. Durch August wurden wir auf den Turnplatz zu Jahn geführt, dem damals die ganze Berliner Jugend zuströmte. Was im Alterthum bei allen Völkern als selbstverständlich galt, daß man nicht allein den Geist, sondern auch den Körper ausbilden müsse, um eine harmonische Existenz zu führen, das wurde hier von einem einzelnen Manne als eine Neuigkeit auf das Tapet gebracht, und von manchen Seiten mit Naserümpfen aufgenommen. Diese systematische Ausbildung der Jugend, so sagten die Tadler, sei ganz unnütz: denn jeder Junge könne auf einen Apfelbaum klettern und über einen Graben springen; niemand werde so leicht in den Fall kommen, an einem Seile 30 Fuß in die Höhe zu klimmen; die Uebungen am Recke seien gefährlich, denn sie trieben das Blut nach dem Kopfe, und was die Vorbereitung zum Militärdienst betreffe, so werde es doch wohl niemandem einfallen, die Kinder anständiger und gebildeter Leute unter die Soldaten stecken zu wollen. Dennoch wurde der Turnplatz von vielen verständigen Personen aus Antheil, von andern aus Neugierde besucht. Die erste Einrichtung in der Hasenheide war von großer Einfachheit. Ein Waldfleck von einigen Morgen Landes, mit Kiefern bestanden, wurde von einem mäßig-breiten Graben umzogen, der an einigen Stellen Uebergänge zeigte. In der Mitte sah man ein Bretterhäuschen zur Aufbewahrung der wenigen nothwendigen Geräthschaften. Die Barren, Recke, Kletterbäume standen in angemessenen Entfernungen, eine Rennbahn war am östlichen Ende gegen die Rollberge hin abgesteckt. August erhielt gleich den Grad eines Vorturners. Im Laufen, Springen und Ringen

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/204>, abgerufen am 29.03.2024.