Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht die Nacht noch drücke. Der Bettler wurde
nicht wach, aber ein Schimmer flog über das
Stroh; da sah der Arme ihn an, und er war jezt
gestorben; denn Gott hatt' ihn aus einem längern
Traum aufgewekt.

Die alten Menschen.

Wohl sind sie lange Schatten, und ihre Abend¬
sonne liegt kalt auf der Erde; aber sie zeigen alle
nach Morgen.

Der Schlüssel zum Sarge.

"O schönstes, liebstes Kind, fest hinunter
gesperrt ins tiefe dunkle Haus, ewig halt' ich den
Schlüssel deiner Hütte, und niemals, niemals
thut er sie auf!" -- Da zog vor der jammern¬
den Mutter die Tochter blühend und glänzend die
Sterne hinan, und rief herunter: Mutter, wirf
den Schlüssel weg, ich bin droben und nicht
drunten.


Nro. 10. Stinkholz.

Das Kapaunengefecht der Prosaisten.

"O Himmel, wärs nur Morgen, Brüder¬
lein! Es ist verdammt, man sollte nie passen

nicht die Nacht noch druͤcke. Der Bettler wurde
nicht wach, aber ein Schimmer flog uͤber das
Stroh; da ſah der Arme ihn an, und er war jezt
geſtorben; denn Gott hatt' ihn aus einem laͤngern
Traum aufgewekt.

Die alten Menſchen.

Wohl ſind ſie lange Schatten, und ihre Abend¬
ſonne liegt kalt auf der Erde; aber ſie zeigen alle
nach Morgen.

Der Schluͤſſel zum Sarge.

„O ſchoͤnſtes, liebſtes Kind, feſt hinunter
geſperrt ins tiefe dunkle Haus, ewig halt' ich den
Schluͤſſel deiner Huͤtte, und niemals, niemals
thut er ſie auf!“ — Da zog vor der jammern¬
den Mutter die Tochter bluͤhend und glaͤnzend die
Sterne hinan, und rief herunter: Mutter, wirf
den Schluͤſſel weg, ich bin droben und nicht
drunten.


Nro. 10. Stinkholz.

Das Kapaunengefecht der Proſaiſten.

„O Himmel, waͤrs nur Morgen, Bruͤder¬
lein! Es iſt verdammt, man ſollte nie paſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="109"/>
nicht die Nacht noch dru&#x0364;cke. Der Bettler wurde<lb/>
nicht wach, aber ein Schimmer flog u&#x0364;ber das<lb/>
Stroh; da &#x017F;ah der Arme ihn an, und er war jezt<lb/>
ge&#x017F;torben; denn Gott hatt' ihn aus einem la&#x0364;ngern<lb/>
Traum aufgewekt.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die alten Men&#x017F;chen</hi>.</p><lb/>
        <p>Wohl &#x017F;ind &#x017F;ie lange Schatten, und ihre Abend¬<lb/>
&#x017F;onne liegt kalt auf der Erde; aber &#x017F;ie zeigen alle<lb/>
nach Morgen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zum Sarge</hi>.</p><lb/>
        <p>&#x201E;O &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;tes, lieb&#x017F;tes Kind, fe&#x017F;t hinunter<lb/>
ge&#x017F;perrt ins tiefe dunkle Haus, ewig halt' ich den<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el deiner Hu&#x0364;tte, und niemals, niemals<lb/>
thut er &#x017F;ie auf!&#x201C; &#x2014; Da zog vor der jammern¬<lb/>
den Mutter die Tochter blu&#x0364;hend und gla&#x0364;nzend die<lb/>
Sterne hinan, und rief herunter: Mutter, wirf<lb/>
den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el weg, ich bin droben und nicht<lb/>
drunten.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq #b">N</hi><hi rendition="#aq #sup">ro</hi>. 10. <hi rendition="#b #g">Stinkholz.</hi><lb/></head>
        <argument>
          <p rendition="#c">Das Kapaunengefecht der Pro&#x017F;ai&#x017F;ten.</p>
        </argument><lb/>
        <p>&#x201E;O Himmel, wa&#x0364;rs nur Morgen, Bru&#x0364;der¬<lb/>
lein! Es i&#x017F;t verdammt, man &#x017F;ollte nie pa&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0119] nicht die Nacht noch druͤcke. Der Bettler wurde nicht wach, aber ein Schimmer flog uͤber das Stroh; da ſah der Arme ihn an, und er war jezt geſtorben; denn Gott hatt' ihn aus einem laͤngern Traum aufgewekt. Die alten Menſchen. Wohl ſind ſie lange Schatten, und ihre Abend¬ ſonne liegt kalt auf der Erde; aber ſie zeigen alle nach Morgen. Der Schluͤſſel zum Sarge. „O ſchoͤnſtes, liebſtes Kind, feſt hinunter geſperrt ins tiefe dunkle Haus, ewig halt' ich den Schluͤſſel deiner Huͤtte, und niemals, niemals thut er ſie auf!“ — Da zog vor der jammern¬ den Mutter die Tochter bluͤhend und glaͤnzend die Sterne hinan, und rief herunter: Mutter, wirf den Schluͤſſel weg, ich bin droben und nicht drunten. Nro. 10. Stinkholz. Das Kapaunengefecht der Proſaiſten. „O Himmel, waͤrs nur Morgen, Bruͤder¬ lein! Es iſt verdammt, man ſollte nie paſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/119
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/119>, abgerufen am 28.03.2024.