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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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5. Hundsposttag.

Der dritte Mai -- Die Nachtigal -- Der auf der Musik sitzen
de Abbate.


Ich muß überhaupt voraus bemerken, daß ich sehr
dumm wäre, wenn ich die Menge von Unwahrschein¬
lichkeiten in dieser Historie nicht merkte; aber ich
merke sie sämmtlich gut; ja ich habe solche -- z. B.
die in Klotildens Betragen, oder die des medizini¬
schen Doktorats des Helden -- noch eher als der
Leser selber wahrgenommen, weil ich alles eher --
gelesen habe. Ich schob es daher nicht länger auf,
sondern gieng mit der heutigen Hofmanns-Post mei¬
nen Korrespondenten an, mir das nächstemal durch
den Hund in seiner Portraitsbüchse zu schreiben,
woran wir alle wären. -- Ich schriebs ihm gerade
zu, er wüste den Henker davon, von den Lesern und
ihrer Tyranney, aber ich -- ich müßt ihm sagen
(sagt' ich) sie wären Leute von Verstand, denen ein
Biograph und Roman-Bauherr nicht mit Illusionen
kommen dürfte, sondern die sagten, wie der Areopag,
"das nackte historische Faktum her, ohne alle wei¬
"tere poetische Einkleidung." -- Und es nähme mich
überhaupt wunder (fuhr ich fort), daß er noch nicht

5. Hundspoſttag.

Der dritte Mai — Die Nachtigal — Der auf der Muſik ſitzen
de Abbate.


Ich muß uͤberhaupt voraus bemerken, daß ich ſehr
dumm waͤre, wenn ich die Menge von Unwahrſchein¬
lichkeiten in dieſer Hiſtorie nicht merkte; aber ich
merke ſie ſaͤmmtlich gut; ja ich habe ſolche — z. B.
die in Klotildens Betragen, oder die des medizini¬
ſchen Doktorats des Helden — noch eher als der
Leſer ſelber wahrgenommen, weil ich alles eher —
geleſen habe. Ich ſchob es daher nicht laͤnger auf,
ſondern gieng mit der heutigen Hofmanns-Poſt mei¬
nen Korreſpondenten an, mir das naͤchſtemal durch
den Hund in ſeiner Portraitsbuͤchſe zu ſchreiben,
woran wir alle waͤren. — Ich ſchriebs ihm gerade
zu, er wuͤſte den Henker davon, von den Leſern und
ihrer Tyranney, aber ich — ich muͤßt ihm ſagen
(ſagt' ich) ſie waͤren Leute von Verſtand, denen ein
Biograph und Roman-Bauherr nicht mit Illuſionen
kommen duͤrfte, ſondern die ſagten, wie der Areopag,
»das nackte hiſtoriſche Faktum her, ohne alle wei¬
»tere poetiſche Einkleidung.» — Und es naͤhme mich
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[103/0114] 5. Hundspoſttag. Der dritte Mai — Die Nachtigal — Der auf der Muſik ſitzen de Abbate. Ich muß uͤberhaupt voraus bemerken, daß ich ſehr dumm waͤre, wenn ich die Menge von Unwahrſchein¬ lichkeiten in dieſer Hiſtorie nicht merkte; aber ich merke ſie ſaͤmmtlich gut; ja ich habe ſolche — z. B. die in Klotildens Betragen, oder die des medizini¬ ſchen Doktorats des Helden — noch eher als der Leſer ſelber wahrgenommen, weil ich alles eher — geleſen habe. Ich ſchob es daher nicht laͤnger auf, ſondern gieng mit der heutigen Hofmanns-Poſt mei¬ nen Korreſpondenten an, mir das naͤchſtemal durch den Hund in ſeiner Portraitsbuͤchſe zu ſchreiben, woran wir alle waͤren. — Ich ſchriebs ihm gerade zu, er wuͤſte den Henker davon, von den Leſern und ihrer Tyranney, aber ich — ich muͤßt ihm ſagen (ſagt' ich) ſie waͤren Leute von Verſtand, denen ein Biograph und Roman-Bauherr nicht mit Illuſionen kommen duͤrfte, ſondern die ſagten, wie der Areopag, »das nackte hiſtoriſche Faktum her, ohne alle wei¬ »tere poetiſche Einkleidung.» — Und es naͤhme mich uͤberhaupt wunder (fuhr ich fort), daß er noch nicht

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/114>, abgerufen am 24.04.2024.