Der Doktor hatte eine unruhigere Nacht, als irgend einer seiner Heilkunden, weniger weil ein Goldstück für das Natur-Kunstwerk zu zahlen war, als weil dasselbe sehr zu leicht war. End- lich fiel ihm gegen Mitternacht der Kunstgriff eines christlichen Kaufmanns bey, der zu leichten Goldstücken nicht jüdisch durch Beschneidung, sondern vielmehr mit etwas Ohrenschmalz, als Taufe und Oelung, das alte Gewicht zurückgab. Er stand auf, und nahm seine Gehörwerkzeuge und gab dem Louis XIV et XV d'or, ohne alle Rheims-Fläschchen, so viele Salbung bis er sein Gewicht hatte. Frühmorgens schickte er durch den Wirth die Nachricht in die Apo- theke: er gehe den Kauf ein, und werde bald vor ihr mit seinen Wagen hatten. Man ant- wortete darauf zurück: "gestern wär' es zwar
15. Summula. Haſenkrieg.
Der Doktor hatte eine unruhigere Nacht, als irgend einer ſeiner Heilkunden, weniger weil ein Goldſtuͤck fuͤr das Natur-Kunſtwerk zu zahlen war, als weil daſſelbe ſehr zu leicht war. End- lich fiel ihm gegen Mitternacht der Kunſtgriff eines chriſtlichen Kaufmanns bey, der zu leichten Goldſtuͤcken nicht juͤdiſch durch Beſchneidung, ſondern vielmehr mit etwas Ohrenſchmalz, als Taufe und Oelung, das alte Gewicht zuruͤckgab. Er ſtand auf, und nahm ſeine Gehoͤrwerkzeuge und gab dem Louis XIV et XV d’or, ohne alle Rheims-Flaͤſchchen, ſo viele Salbung bis er ſein Gewicht hatte. Fruͤhmorgens ſchickte er durch den Wirth die Nachricht in die Apo- theke: er gehe den Kauf ein, und werde bald vor ihr mit ſeinen Wagen hatten. Man ant- wortete darauf zuruͤck: „geſtern waͤr’ es zwar
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15. Summula.
Haſenkrieg.
Der Doktor hatte eine unruhigere Nacht, als
irgend einer ſeiner Heilkunden, weniger weil ein
Goldſtuͤck fuͤr das Natur-Kunſtwerk zu zahlen
war, als weil daſſelbe ſehr zu leicht war. End-
lich fiel ihm gegen Mitternacht der Kunſtgriff
eines chriſtlichen Kaufmanns bey, der zu leichten
Goldſtuͤcken nicht juͤdiſch durch Beſchneidung,
ſondern vielmehr mit etwas Ohrenſchmalz, als
Taufe und Oelung, das alte Gewicht zuruͤckgab.
Er ſtand auf, und nahm ſeine Gehoͤrwerkzeuge
und gab dem Louis XIV et XV d’or, ohne
alle Rheims-Flaͤſchchen, ſo viele Salbung bis
er ſein Gewicht hatte. Fruͤhmorgens ſchickte
er durch den Wirth die Nachricht in die Apo-
theke: er gehe den Kauf ein, und werde bald
vor ihr mit ſeinen Wagen hatten. Man ant-
wortete darauf zuruͤck: „geſtern waͤr’ es zwar
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/106>, abgerufen am 18.04.2024.
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