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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Allein dieses Leibnitzische Zählen wird an
schwachen Schläfern unsers Jahrhunderts nur
mittelmäßige Wunder thun, wenn man ent-
weder schnell, oder über 100 (wodurch es schwe-
rer wird) oder mit einiger Aufmerksamkeit zählt.
Eben so muß man, wie höhere Rechenkenner,
nichts darnach fragen, daß man sich verzählt.
Unglaublichen Verschub thut aber dem Schlafe
ein kleiner, meines Wissens noch unbekannter
Handgriff, nämlich der, daß man im Kopfe die
Zahlen, welche andere Schläfer schon fertig aus-
geschrieben anschauen, selber erst groß und lang-
sam hinschreibt, auf was man will. Verfasser
dieses, nahm dazu häufig eine lange Wetter-
oder auch Stöhrstange und zeichnete, indem er
sie am kurzen Hebelsarme hielt, mit dem lan-
gen oben an das Zifferblatt einer Thurmuhr
(indeß ist Schnee eben so gut) die gedachten
Zahlen an, so lang und so dick, daß er sie un-
ten lesen konnte. Diese so unendlich einförmige
Langsamkeit der Operazion ist eben ihr punc-
tum saliens
oder Hüpfpunkt und schläfert so ein;
und was das Lächerliche dabey anlangt, so geht

Erster Theil. 15

Allein dieſes Leibnitziſche Zaͤhlen wird an
ſchwachen Schlaͤfern unſers Jahrhunderts nur
mittelmaͤßige Wunder thun, wenn man ent-
weder ſchnell, oder uͤber 100 (wodurch es ſchwe-
rer wird) oder mit einiger Aufmerkſamkeit zaͤhlt.
Eben ſo muß man, wie hoͤhere Rechenkenner,
nichts darnach fragen, daß man ſich verzaͤhlt.
Unglaublichen Verſchub thut aber dem Schlafe
ein kleiner, meines Wiſſens noch unbekannter
Handgriff, naͤmlich der, daß man im Kopfe die
Zahlen, welche andere Schlaͤfer ſchon fertig aus-
geſchrieben anſchauen, ſelber erſt groß und lang-
ſam hinſchreibt, auf was man will. Verfaſſer
dieſes, nahm dazu haͤufig eine lange Wetter-
oder auch Stoͤhrſtange und zeichnete, indem er
ſie am kurzen Hebelsarme hielt, mit dem lan-
gen oben an das Zifferblatt einer Thurmuhr
(indeß iſt Schnee eben ſo gut) die gedachten
Zahlen an, ſo lang und ſo dick, daß er ſie un-
ten leſen konnte. Dieſe ſo unendlich einfoͤrmige
Langſamkeit der Operazion iſt eben ihr punc-
tum saliens
oder Huͤpfpunkt und ſchlaͤfert ſo ein;
und was das Laͤcherliche dabey anlangt, ſo geht

Erſter Theil. 15
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[225/0243] Allein dieſes Leibnitziſche Zaͤhlen wird an ſchwachen Schlaͤfern unſers Jahrhunderts nur mittelmaͤßige Wunder thun, wenn man ent- weder ſchnell, oder uͤber 100 (wodurch es ſchwe- rer wird) oder mit einiger Aufmerkſamkeit zaͤhlt. Eben ſo muß man, wie hoͤhere Rechenkenner, nichts darnach fragen, daß man ſich verzaͤhlt. Unglaublichen Verſchub thut aber dem Schlafe ein kleiner, meines Wiſſens noch unbekannter Handgriff, naͤmlich der, daß man im Kopfe die Zahlen, welche andere Schlaͤfer ſchon fertig aus- geſchrieben anſchauen, ſelber erſt groß und lang- ſam hinſchreibt, auf was man will. Verfaſſer dieſes, nahm dazu haͤufig eine lange Wetter- oder auch Stoͤhrſtange und zeichnete, indem er ſie am kurzen Hebelsarme hielt, mit dem lan- gen oben an das Zifferblatt einer Thurmuhr (indeß iſt Schnee eben ſo gut) die gedachten Zahlen an, ſo lang und ſo dick, daß er ſie un- ten leſen konnte. Dieſe ſo unendlich einfoͤrmige Langſamkeit der Operazion iſt eben ihr punc- tum saliens oder Huͤpfpunkt und ſchlaͤfert ſo ein; und was das Laͤcherliche dabey anlangt, ſo geht Erſter Theil. 15

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/243>, abgerufen am 28.03.2024.