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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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10. Summula.
Mittags Abentheuer.

Gewöhnlich fand der Doktor in allen Wirths-
häusern bessere Aufnahme als in denen, wo er
schon einmal gewesen war. Nirgends traf er
aber auf eine so verzogne Empfangs-Physiog-
nomie als bey der verwittibten, nett gekleideten
Wirthin in St. Wolfgang, bey der er jetzt zum
zwölftenmale ausstieg. Das zweytemal, wo sie
in der Halbtrauer um ihre eheliche Hälfte, und
in der halben Feiertags-Hoffnung auf eine neue
ihrem medizinischen Gaste mit Klagen über Hals-
schmerzen sich genähert, hatte dieser freundlich
sie in seiner Amtssprache gebeten: sie möge nur
erst den Unterkiefer niederlassen, er wolle ihr
in den Rachen sehen. Sie ging wüthig-erhitzt,
und mit vergrößerten Halsschmerzen davon, und
sagte: "Sein Rachen mag selber einer seyn; denn
kein Mensch im Hause frißt Ungeziefer, als Er."
Sie bezog sich auf sein erstes Dagewesenseyn.

10. Summula.
Mittags Abentheuer.

Gewoͤhnlich fand der Doktor in allen Wirths-
haͤuſern beſſere Aufnahme als in denen, wo er
ſchon einmal geweſen war. Nirgends traf er
aber auf eine ſo verzogne Empfangs-Phyſiog-
nomie als bey der verwittibten, nett gekleideten
Wirthin in St. Wolfgang, bey der er jetzt zum
zwoͤlftenmale ausſtieg. Das zweytemal, wo ſie
in der Halbtrauer um ihre eheliche Haͤlfte, und
in der halben Feiertags-Hoffnung auf eine neue
ihrem mediziniſchen Gaſte mit Klagen uͤber Hals-
ſchmerzen ſich genaͤhert, hatte dieſer freundlich
ſie in ſeiner Amtsſprache gebeten: ſie moͤge nur
erſt den Unterkiefer niederlaſſen, er wolle ihr
in den Rachen ſehen. Sie ging wuͤthig-erhitzt,
und mit vergroͤßerten Halsſchmerzen davon, und
ſagte: „Sein Rachen mag ſelber einer ſeyn; denn
kein Menſch im Hauſe frißt Ungeziefer, als Er.”
Sie bezog ſich auf ſein erſtes Dageweſenſeyn.

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[43/0061] 10. Summula. Mittags Abentheuer. Gewoͤhnlich fand der Doktor in allen Wirths- haͤuſern beſſere Aufnahme als in denen, wo er ſchon einmal geweſen war. Nirgends traf er aber auf eine ſo verzogne Empfangs-Phyſiog- nomie als bey der verwittibten, nett gekleideten Wirthin in St. Wolfgang, bey der er jetzt zum zwoͤlftenmale ausſtieg. Das zweytemal, wo ſie in der Halbtrauer um ihre eheliche Haͤlfte, und in der halben Feiertags-Hoffnung auf eine neue ihrem mediziniſchen Gaſte mit Klagen uͤber Hals- ſchmerzen ſich genaͤhert, hatte dieſer freundlich ſie in ſeiner Amtsſprache gebeten: ſie moͤge nur erſt den Unterkiefer niederlaſſen, er wolle ihr in den Rachen ſehen. Sie ging wuͤthig-erhitzt, und mit vergroͤßerten Halsſchmerzen davon, und ſagte: „Sein Rachen mag ſelber einer ſeyn; denn kein Menſch im Hauſe frißt Ungeziefer, als Er.” Sie bezog ſich auf ſein erſtes Dageweſenſeyn.

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/61>, abgerufen am 29.03.2024.