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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Theoda schrieb eiligst folgende Tagebuchs-
blätter, um sie den eiligen Mehlhorn noch mit
zu geben.

"Du theures Herz, wie lange bin ich schon
von Dir weg gewesen, wenn ich Zeit und Weg
nach Seufzern messe? Und wenn werd' ich in
Dein Haus springen oder schleichen? Gott ver-
hüte letzteres! Ein Zufall -- eigentlich ein
Fall in einen Graben -- hält uns alle diese
Nacht in Huhl fest; leider kommen wir dann
erst morgen spät in Maulbronn an; aber ich
habe doch die Freude, Deinem guten Manne
mein Geschreibsel aufzupacken. Der Gute! Ich
weiß wohl, warum Du mir nichts von seiner
gleichzeitigen Reise gesagt; aber Du hast nicht
Recht gehabt. Mein Vater setzte auf eine Stunde
den raffinirten Zuckerhut Würfel in den Wa-
gen; seine Weste litt sehr beym Umwerfen. In
so fern war mirs lieb, daß Dein Mann nicht
mitgefahren; wer steht für die Wendungen des
Zufalls? -- Ich habe, Herzige, Deinen Rath
-- denn in der Ferne gehorcht man leichter als
in der Nähe -- treu befolgt, und heute fast

Theoda ſchrieb eiligſt folgende Tagebuchs-
blaͤtter, um ſie den eiligen Mehlhorn noch mit
zu geben.

„Du theures Herz, wie lange bin ich ſchon
von Dir weg geweſen, wenn ich Zeit und Weg
nach Seufzern meſſe? Und wenn werd’ ich in
Dein Haus ſpringen oder ſchleichen? Gott ver-
huͤte letzteres! Ein Zufall — eigentlich ein
Fall in einen Graben — hält uns alle dieſe
Nacht in Huhl feſt; leider kommen wir dann
erſt morgen ſpaͤt in Maulbronn an; aber ich
habe doch die Freude, Deinem guten Manne
mein Geſchreibſel aufzupacken. Der Gute! Ich
weiß wohl, warum Du mir nichts von ſeiner
gleichzeitigen Reiſe geſagt; aber Du haſt nicht
Recht gehabt. Mein Vater ſetzte auf eine Stunde
den raffinirten Zuckerhut Wuͤrfel in den Wa-
gen; ſeine Weſte litt ſehr beym Umwerfen. In
ſo fern war mirs lieb, daß Dein Mann nicht
mitgefahren; wer ſteht fuͤr die Wendungen des
Zufalls? — Ich habe, Herzige, Deinen Rath
— denn in der Ferne gehorcht man leichter als
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[70/0088] Theoda ſchrieb eiligſt folgende Tagebuchs- blaͤtter, um ſie den eiligen Mehlhorn noch mit zu geben. „Du theures Herz, wie lange bin ich ſchon von Dir weg geweſen, wenn ich Zeit und Weg nach Seufzern meſſe? Und wenn werd’ ich in Dein Haus ſpringen oder ſchleichen? Gott ver- huͤte letzteres! Ein Zufall — eigentlich ein Fall in einen Graben — hält uns alle dieſe Nacht in Huhl feſt; leider kommen wir dann erſt morgen ſpaͤt in Maulbronn an; aber ich habe doch die Freude, Deinem guten Manne mein Geſchreibſel aufzupacken. Der Gute! Ich weiß wohl, warum Du mir nichts von ſeiner gleichzeitigen Reiſe geſagt; aber Du haſt nicht Recht gehabt. Mein Vater ſetzte auf eine Stunde den raffinirten Zuckerhut Wuͤrfel in den Wa- gen; ſeine Weſte litt ſehr beym Umwerfen. In ſo fern war mirs lieb, daß Dein Mann nicht mitgefahren; wer ſteht fuͤr die Wendungen des Zufalls? — Ich habe, Herzige, Deinen Rath — denn in der Ferne gehorcht man leichter als in der Naͤhe — treu befolgt, und heute faſt

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/88>, abgerufen am 28.03.2024.