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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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götter und bey einer mit Seufzern und Wonnen
überhäuften Brust anzustimmen wissen.

Der Brunnenarzt Strykius, der sich ihm
mit einem versteinerten Anlächeln gegenüberge-
setzt, befiel und befühlte ihn mit mehreren An-
spielungen und Anspülungen seiner Werke; aber
der Hauptmann gab -- bey seiner Unwissen-
heit über den Dichter, und darüber, daß man
ihn dafür hielt -- unglaubliche Queer-Antwor-
ten, ohne zu verstehen und ohne zu berichtigen.
So gewiß hören die meisten Gesellschafter nur
Einen, sich selber; -- so sehr bringt jeder statt
der Ohren bloß die Zunge mit, um recht alles
zu schmecken, was über dieselbe geht, Worte
oder Bissen. Hat sich ein Mann verhört, folg-
lich nachher versprochen, und endlich darauf sich
aufs Unrechte und Rechte besonnen: so blickt er
verwundert herum, und will wissen, wie man
seinen zufälligen Unsinn aufgenommen; er sieht
aber, daß gar nichts davon vermerkt worden und
er behält dann zornig und eitel den wahren Sinn
bey sich, ohne die fremden Köpfe wieder her zu
stellen in das Integrum des eigenen. Daher

goͤtter und bey einer mit Seufzern und Wonnen
uͤberhaͤuften Bruſt anzuſtimmen wiſſen.

Der Brunnenarzt Strykius, der ſich ihm
mit einem verſteinerten Anlaͤcheln gegenuͤberge-
ſetzt, befiel und befuͤhlte ihn mit mehreren An-
ſpielungen und Anſpuͤlungen ſeiner Werke; aber
der Hauptmann gab — bey ſeiner Unwiſſen-
heit uͤber den Dichter, und daruͤber, daß man
ihn dafuͤr hielt — unglaubliche Queer-Antwor-
ten, ohne zu verſtehen und ohne zu berichtigen.
So gewiß hoͤren die meiſten Geſellſchafter nur
Einen, ſich ſelber; — ſo ſehr bringt jeder ſtatt
der Ohren bloß die Zunge mit, um recht alles
zu ſchmecken, was uͤber dieſelbe geht, Worte
oder Biſſen. Hat ſich ein Mann verhoͤrt, folg-
lich nachher verſprochen, und endlich darauf ſich
aufs Unrechte und Rechte beſonnen: ſo blickt er
verwundert herum, und will wiſſen, wie man
ſeinen zufälligen Unſinn aufgenommen; er ſieht
aber, daß gar nichts davon vermerkt worden und
er behaͤlt dann zornig und eitel den wahren Sinn
bey ſich, ohne die fremden Koͤpfe wieder her zu
ſtellen in das Integrum des eigenen. Daher

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[19/0025] goͤtter und bey einer mit Seufzern und Wonnen uͤberhaͤuften Bruſt anzuſtimmen wiſſen. Der Brunnenarzt Strykius, der ſich ihm mit einem verſteinerten Anlaͤcheln gegenuͤberge- ſetzt, befiel und befuͤhlte ihn mit mehreren An- ſpielungen und Anſpuͤlungen ſeiner Werke; aber der Hauptmann gab — bey ſeiner Unwiſſen- heit uͤber den Dichter, und daruͤber, daß man ihn dafuͤr hielt — unglaubliche Queer-Antwor- ten, ohne zu verſtehen und ohne zu berichtigen. So gewiß hoͤren die meiſten Geſellſchafter nur Einen, ſich ſelber; — ſo ſehr bringt jeder ſtatt der Ohren bloß die Zunge mit, um recht alles zu ſchmecken, was uͤber dieſelbe geht, Worte oder Biſſen. Hat ſich ein Mann verhoͤrt, folg- lich nachher verſprochen, und endlich darauf ſich aufs Unrechte und Rechte beſonnen: ſo blickt er verwundert herum, und will wiſſen, wie man ſeinen zufälligen Unſinn aufgenommen; er ſieht aber, daß gar nichts davon vermerkt worden und er behaͤlt dann zornig und eitel den wahren Sinn bey ſich, ohne die fremden Koͤpfe wieder her zu ſtellen in das Integrum des eigenen. Daher

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/25>, abgerufen am 29.03.2024.