Da die Edelleute und Waldratten im Sommer das Land, im Winter die Stadt bewohnen: so thats der Rittmeister auch; denn die schöne Na¬ tur (meint' er und sein Gerichtshalter) läuft am Ende auf nichts als auf ein Inventarium von Bauern hinaus, deren Ellbogen und Schenkel in einer Scheide halb von Zwillich halb von aufge¬ flicktem Leder stecken, auf Sumpfwiesen, auf Brach¬ felder und auf Schweinvieh, und es giebt da nichts zu empfinden als Gestank -- in der Stadt hinge¬ gen ist doch ein Stück Fleisch zu haben, ein Spiel fränzösischer Karten, einiger wahrer Spas und ein Mensch. Es ist jugendliche Intoleranz, einem, der kein Gefühl für Musik und Gegenden hat, auch das für fremde Noth und Ehre abzusprechen, be¬ sonders dem Rittmeister.
Noch viel wichtigere Gründe trieben ihn nach Scheerau; er suchte da 13000 Rthlr. eine Menge Rekruten und einen Hofmeister. -- Den letzten zuerst: seine Frau sagte: "Gustav muß jemand
Achter Sektor.
Abreiſe — weibliche Launen — zerſchnittene Augen.
Da die Edelleute und Waldratten im Sommer das Land, im Winter die Stadt bewohnen: ſo thats der Rittmeiſter auch; denn die ſchoͤne Na¬ tur (meint' er und ſein Gerichtshalter) laͤuft am Ende auf nichts als auf ein Inventarium von Bauern hinaus, deren Ellbogen und Schenkel in einer Scheide halb von Zwillich halb von aufge¬ flicktem Leder ſtecken, auf Sumpfwieſen, auf Brach¬ felder und auf Schweinvieh, und es giebt da nichts zu empfinden als Geſtank — in der Stadt hinge¬ gen iſt doch ein Stuͤck Fleiſch zu haben, ein Spiel fraͤnzoͤſiſcher Karten, einiger wahrer Spas und ein Menſch. Es iſt jugendliche Intoleranz, einem, der kein Gefuͤhl fuͤr Muſik und Gegenden hat, auch das fuͤr fremde Noth und Ehre abzuſprechen, be¬ ſonders dem Rittmeiſter.
Noch viel wichtigere Gruͤnde trieben ihn nach Scheerau; er ſuchte da 13000 Rthlr. eine Menge Rekruten und einen Hofmeiſter. — Den letzten zuerſt: ſeine Frau ſagte: „Guſtav muß jemand
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Achter Sektor.
Abreiſe — weibliche Launen — zerſchnittene Augen.
Da die Edelleute und Waldratten im Sommer
das Land, im Winter die Stadt bewohnen: ſo
thats der Rittmeiſter auch; denn die ſchoͤne Na¬
tur (meint' er und ſein Gerichtshalter) laͤuft am
Ende auf nichts als auf ein Inventarium von
Bauern hinaus, deren Ellbogen und Schenkel in
einer Scheide halb von Zwillich halb von aufge¬
flicktem Leder ſtecken, auf Sumpfwieſen, auf Brach¬
felder und auf Schweinvieh, und es giebt da nichts
zu empfinden als Geſtank — in der Stadt hinge¬
gen iſt doch ein Stuͤck Fleiſch zu haben, ein Spiel
fraͤnzoͤſiſcher Karten, einiger wahrer Spas und
ein Menſch. Es iſt jugendliche Intoleranz, einem,
der kein Gefuͤhl fuͤr Muſik und Gegenden hat, auch
das fuͤr fremde Noth und Ehre abzuſprechen, be¬
ſonders dem Rittmeiſter.
Noch viel wichtigere Gruͤnde trieben ihn nach
Scheerau; er ſuchte da 13000 Rthlr. eine Menge
Rekruten und einen Hofmeiſter. — Den letzten
zuerſt: ſeine Frau ſagte: „Guſtav muß jemand
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/131>, abgerufen am 19.04.2024.
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