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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Drey und zwanzigster oder XX. Trinitatis Sekt.

Anderer Zank -- das stille Land -- Beatens Brief -- die Aus¬
söhnung -- das Portrait Guidos.


Noch am heutigen Sonntag hab' ichs nicht her¬
aus warum Gustav fünf Tage später in Scheerau
eintraf als er konnte: er wich sogar meinen Er¬
kundigungen ängstlicher als listig aus. Oefel ließ
sich alles rapportiren und machte ein Paar Sekto¬
res in seinem Roman daraus, den ich und der
Leser hoffentlich noch zu sehen bekommen: ich woll¬
te, seiner käme eher als meiner heraus, so könnt'
ich den Leser darauf verweisen oder vielleicht einige
Anekdoten daraus nehmen. Gustav schien ein gei¬
stiges Wundfieber zu haben. Er trug sein vom
bisherigen Bluten erkaltetes Herz zu Amandus, um
es an des Freundes heißer Brust wieder auszuwär¬
men und anzubrüten und um die Achtung gegen
sich selbst, die er nicht aus der ersten Hand be¬
kommen konnte, aus der zweiten zu erhalten.
Und dort erhielt er sie stets -- aus einem sonder¬
baren Grunde: in seinem Karakter war ein Zug,

Drey und zwanzigſter oder XX. Trinitatis Sekt.

Anderer Zank — das ſtille Land — Beatens Brief — die Aus¬
ſöhnung — das Portrait Guidos.


Noch am heutigen Sonntag hab' ichs nicht her¬
aus warum Guſtav fuͤnf Tage ſpaͤter in Scheerau
eintraf als er konnte: er wich ſogar meinen Er¬
kundigungen aͤngſtlicher als liſtig aus. Oefel ließ
ſich alles rapportiren und machte ein Paar Sekto¬
res in ſeinem Roman daraus, den ich und der
Leſer hoffentlich noch zu ſehen bekommen: ich woll¬
te, ſeiner kaͤme eher als meiner heraus, ſo koͤnnt'
ich den Leſer darauf verweiſen oder vielleicht einige
Anekdoten daraus nehmen. Guſtav ſchien ein gei¬
ſtiges Wundfieber zu haben. Er trug ſein vom
bisherigen Bluten erkaltetes Herz zu Amandus, um
es an des Freundes heißer Bruſt wieder auszuwaͤr¬
men und anzubruͤten und um die Achtung gegen
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baren Grunde: in ſeinem Karakter war ein Zug,

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[317/0353] Drey und zwanzigſter oder XX. Trinitatis Sekt. Anderer Zank — das ſtille Land — Beatens Brief — die Aus¬ ſöhnung — das Portrait Guidos. Noch am heutigen Sonntag hab' ichs nicht her¬ aus warum Guſtav fuͤnf Tage ſpaͤter in Scheerau eintraf als er konnte: er wich ſogar meinen Er¬ kundigungen aͤngſtlicher als liſtig aus. Oefel ließ ſich alles rapportiren und machte ein Paar Sekto¬ res in ſeinem Roman daraus, den ich und der Leſer hoffentlich noch zu ſehen bekommen: ich woll¬ te, ſeiner kaͤme eher als meiner heraus, ſo koͤnnt' ich den Leſer darauf verweiſen oder vielleicht einige Anekdoten daraus nehmen. Guſtav ſchien ein gei¬ ſtiges Wundfieber zu haben. Er trug ſein vom bisherigen Bluten erkaltetes Herz zu Amandus, um es an des Freundes heißer Bruſt wieder auszuwaͤr¬ men und anzubruͤten und um die Achtung gegen ſich ſelbſt, die er nicht aus der erſten Hand be¬ kommen konnte, aus der zweiten zu erhalten. Und dort erhielt er ſie ſtets — aus einem ſonder¬ baren Grunde: in ſeinem Karakter war ein Zug,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/353>, abgerufen am 23.04.2024.