bilt selber ärger als seine Kunden und ist sein ei¬ gner Kunde. . . .
In Unterscheerau ist das nämliche Unglück aber größer. Eine fremde Dame setze ihren netten Fuß in das Posthaus, in den Konzert- oder Tanzsaal, in irgend ein Visitenzimmer: sogleich sind alle Scheerauerinnen genöthigt zu husten und -- was allzeit vom bösen Hals herkömmt -- leiser zu re¬ den -- allen fliegt die Bräune an, d. h. die angui¬ navera. An den armen Damen erscheinten alle Zeichen der giftigsten Halsentzündung, Hitze (da¬ her das Fächern) Schauer, Fieber, schweres Athem¬ holen, Phantasien, aufgeblähte Nasenflügel, steigender Busen. Kühlende Mittel, Wasser, Entledigung der Luftröhren thun den Patien¬ tinnen noch die besten Dienste. Ist aber (welches der Himmel abkehre) die eintretende Fremde die schönste -- die bescheidenste -- die reichste -- die ge¬ ehrteste -- die am meisten fetierte -- die geschmack¬ volleste -- so wird keine einzige Patientin im Kran¬ kensaale kuriert; ein solcher Engel ist ein wahrer Todesengel und man sollte am Thor gar keine Fremde von Verdienst einpassiren lassen.
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bilt ſelber aͤrger als ſeine Kunden und iſt ſein ei¬ gner Kunde. . . .
In Unterſcheerau iſt das naͤmliche Ungluͤck aber groͤßer. Eine fremde Dame ſetze ihren netten Fuß in das Poſthaus, in den Konzert- oder Tanzſaal, in irgend ein Viſitenzimmer: ſogleich ſind alle Scheerauerinnen genoͤthigt zu huſten und — was allzeit vom boͤſen Hals herkoͤmmt — leiſer zu re¬ den — allen fliegt die Braͤune an, d. h. die angui¬ navera. An den armen Damen erſcheinten alle Zeichen der giftigſten Halsentzuͤndung, Hitze (da¬ her das Faͤchern) Schauer, Fieber, ſchweres Athem¬ holen, Phantaſien, aufgeblaͤhte Naſenfluͤgel, ſteigender Buſen. Kuͤhlende Mittel, Waſſer, Entledigung der Luftroͤhren thun den Patien¬ tinnen noch die beſten Dienſte. Iſt aber (welches der Himmel abkehre) die eintretende Fremde die ſchoͤnſte — die beſcheidenſte — die reichſte — die ge¬ ehrteſte — die am meiſten fetierte — die geſchmack¬ volleſte — ſo wird keine einzige Patientin im Kran¬ kenſaale kuriert; ein ſolcher Engel iſt ein wahrer Todesengel und man ſollte am Thor gar keine Fremde von Verdienſt einpaſſiren laſſen.
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bilt ſelber aͤrger als ſeine Kunden und iſt ſein ei¬
gner Kunde. . . .
In Unterſcheerau iſt das naͤmliche Ungluͤck aber
groͤßer. Eine fremde Dame ſetze ihren netten Fuß
in das Poſthaus, in den Konzert- oder Tanzſaal,
in irgend ein Viſitenzimmer: ſogleich ſind alle
Scheerauerinnen genoͤthigt zu huſten und — was
allzeit vom boͤſen Hals herkoͤmmt — leiſer zu re¬
den — allen fliegt die Braͤune an, d. h. die angui¬
na vera. An den armen Damen erſcheinten alle
Zeichen der giftigſten Halsentzuͤndung, Hitze (da¬
her das Faͤchern) Schauer, Fieber, ſchweres Athem¬
holen, Phantaſien, aufgeblaͤhte Naſenfluͤgel,
ſteigender Buſen. Kuͤhlende Mittel, Waſſer,
Entledigung der Luftroͤhren thun den Patien¬
tinnen noch die beſten Dienſte. Iſt aber (welches
der Himmel abkehre) die eintretende Fremde die
ſchoͤnſte — die beſcheidenſte — die reichſte — die ge¬
ehrteſte — die am meiſten fetierte — die geſchmack¬
volleſte — ſo wird keine einzige Patientin im Kran¬
kenſaale kuriert; ein ſolcher Engel iſt ein wahrer
Todesengel und man ſollte am Thor gar keine
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/165>, abgerufen am 24.04.2024.
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