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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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schaftsstück ins elende Fließpapier hineindrücken soll,
bis in den Mai des Wetters aufgehoben, um jetzt,
da alle Tage Schöpfungstage der Natur sind, auch
meine Tage dazu zu machen, um jetzt, da jeder
Athemzug eine Stahlkur, jeder Schritt vier Zolle
weiter und das Auge weniger vom Augenlied ver¬
hangen ist, mit fliegender Hand zu schreiben und
mit einer elastischen Brust voll Athem und Blut! --

Zum Glück bleibt es vollends vom 2ten bis zum
27sten Mai (länger beschreib' ich nicht daran) recht
hübsches Wetter: denn ich bin ein wenig ein me¬
teorologischer Clair voyant und mein kurzes Bein
und mein langes Gesicht sind die besten Wetterdarm¬
seiten in hiesiger Gegend.

Da Erziehung weit weniger am innern Men¬
schen (und weit mehr am äussern) ändern kann
als Hofmeister sich einbilden: so wird man sich
wundern, daß bei Gustav gerade das Gegentheil
war -- sein ganzes Leben klang nach dem Korton
seiner überirrdischen, d. h. unterirrdischen Erziehung.
Der Leser muß nemlich aus seinem ersten Sektor
noch im Kopfe haben, daß es in den Ehepakten
klar der Schwiegermutter versprochen wurde, das
erste Kind acht Jahre unter der Erde zu lassen,

ſchaftsſtuͤck ins elende Fließpapier hineindruͤcken ſoll,
bis in den Mai des Wetters aufgehoben, um jetzt,
da alle Tage Schoͤpfungstage der Natur ſind, auch
meine Tage dazu zu machen, um jetzt, da jeder
Athemzug eine Stahlkur, jeder Schritt vier Zolle
weiter und das Auge weniger vom Augenlied ver¬
hangen iſt, mit fliegender Hand zu ſchreiben und
mit einer elaſtiſchen Bruſt voll Athem und Blut! —

Zum Gluͤck bleibt es vollends vom 2ten bis zum
27ſten Mai (laͤnger beſchreib' ich nicht daran) recht
huͤbſches Wetter: denn ich bin ein wenig ein me¬
teorologiſcher Clair voyant und mein kurzes Bein
und mein langes Geſicht ſind die beſten Wetterdarm¬
ſeiten in hieſiger Gegend.

Da Erziehung weit weniger am innern Men¬
ſchen (und weit mehr am aͤuſſern) aͤndern kann
als Hofmeiſter ſich einbilden: ſo wird man ſich
wundern, daß bei Guſtav gerade das Gegentheil
war — ſein ganzes Leben klang nach dem Korton
ſeiner uͤberirrdiſchen, d. h. unterirrdiſchen Erziehung.
Der Leſer muß nemlich aus ſeinem erſten Sektor
noch im Kopfe haben, daß es in den Ehepakten
klar der Schwiegermutter verſprochen wurde, das
erſte Kind acht Jahre unter der Erde zu laſſen,

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[40/0076] ſchaftsſtuͤck ins elende Fließpapier hineindruͤcken ſoll, bis in den Mai des Wetters aufgehoben, um jetzt, da alle Tage Schoͤpfungstage der Natur ſind, auch meine Tage dazu zu machen, um jetzt, da jeder Athemzug eine Stahlkur, jeder Schritt vier Zolle weiter und das Auge weniger vom Augenlied ver¬ hangen iſt, mit fliegender Hand zu ſchreiben und mit einer elaſtiſchen Bruſt voll Athem und Blut! — Zum Gluͤck bleibt es vollends vom 2ten bis zum 27ſten Mai (laͤnger beſchreib' ich nicht daran) recht huͤbſches Wetter: denn ich bin ein wenig ein me¬ teorologiſcher Clair voyant und mein kurzes Bein und mein langes Geſicht ſind die beſten Wetterdarm¬ ſeiten in hieſiger Gegend. Da Erziehung weit weniger am innern Men¬ ſchen (und weit mehr am aͤuſſern) aͤndern kann als Hofmeiſter ſich einbilden: ſo wird man ſich wundern, daß bei Guſtav gerade das Gegentheil war — ſein ganzes Leben klang nach dem Korton ſeiner uͤberirrdiſchen, d. h. unterirrdiſchen Erziehung. Der Leſer muß nemlich aus ſeinem erſten Sektor noch im Kopfe haben, daß es in den Ehepakten klar der Schwiegermutter verſprochen wurde, das erſte Kind acht Jahre unter der Erde zu laſſen,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/76>, abgerufen am 28.03.2024.