Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

ich die höhern auch. -- Man wird einige Stellen
im folgenden Aufsatze Beaten verzeihen, wenn ich
voraussage, daß sie -- vielleicht durch ihr Herz so
gut wie durch ihren Vater überlistet, der nur ein
äusserlicher Renegat des Katholicismus war -- von
den Engeln und ihrer Anbetung mehr glaubte als
Nikolai und die Schmalkaldischen (Waaren-)
Artikel einer Lutheranerin verstatten können. Denn
das schwache und so oft hülflose Weib, das nicht
weit über diese Erde zu steigen wagt, legt in der
Stunde der Noth so gern ihre Bitten und ihre
Seufzer vor einer Marie, vor einer Seligen; vor
einem Engel nieder; aber der festere Mann wird
nachsichtig einen Wahn nicht rügen, der sie so
trösten kann. --

Wünsche für meinen Freund.

Es ist kein Wahn, daß Engel um den bedroh¬
ten Menschen mitten in ihren Freuden wachen,
wie die Mutter unter ihren Freuden und Geschäf¬
ten ihre Kinder hütet. Ach! ihr unbekannten Un¬
sterblichen! schliesset euch ein einziger Himmel ein? --
Dauert euch nie der wehrlose Erdensohn? -- Soll¬
tet ihr grössere Thränen abzutrocknen haben als un¬

ich die hoͤhern auch. — Man wird einige Stellen
im folgenden Aufſatze Beaten verzeihen, wenn ich
vorausſage, daß ſie — vielleicht durch ihr Herz ſo
gut wie durch ihren Vater uͤberliſtet, der nur ein
aͤuſſerlicher Renegat des Katholiciſmus war — von
den Engeln und ihrer Anbetung mehr glaubte als
Nikolai und die Schmalkaldiſchen (Waaren-)
Artikel einer Lutheranerin verſtatten koͤnnen. Denn
das ſchwache und ſo oft huͤlfloſe Weib, das nicht
weit uͤber dieſe Erde zu ſteigen wagt, legt in der
Stunde der Noth ſo gern ihre Bitten und ihre
Seufzer vor einer Marie, vor einer Seligen; vor
einem Engel nieder; aber der feſtere Mann wird
nachſichtig einen Wahn nicht ruͤgen, der ſie ſo
troͤſten kann. —

Wuͤnſche fuͤr meinen Freund.

Es iſt kein Wahn, daß Engel um den bedroh¬
ten Menſchen mitten in ihren Freuden wachen,
wie die Mutter unter ihren Freuden und Geſchaͤf¬
ten ihre Kinder huͤtet. Ach! ihr unbekannten Un¬
ſterblichen! ſchlieſſet euch ein einziger Himmel ein? —
Dauert euch nie der wehrloſe Erdenſohn? — Soll¬
tet ihr groͤſſere Thraͤnen abzutrocknen haben als un¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0366" n="356"/>
ich die ho&#x0364;hern auch. &#x2014; Man wird einige Stellen<lb/>
im folgenden Auf&#x017F;atze Beaten verzeihen, wenn ich<lb/>
voraus&#x017F;age, daß &#x017F;ie &#x2014; vielleicht durch ihr Herz &#x017F;o<lb/>
gut wie durch ihren Vater u&#x0364;berli&#x017F;tet, der nur ein<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlicher Renegat des Katholici&#x017F;mus war &#x2014; von<lb/>
den Engeln und ihrer Anbetung mehr glaubte als<lb/><hi rendition="#g">Nikolai</hi> und die <hi rendition="#g">Schmalkaldi&#x017F;chen</hi> (Waaren-)<lb/>
Artikel einer Lutheranerin ver&#x017F;tatten ko&#x0364;nnen. Denn<lb/>
das &#x017F;chwache und &#x017F;o oft hu&#x0364;lflo&#x017F;e Weib, das nicht<lb/>
weit u&#x0364;ber die&#x017F;e Erde zu &#x017F;teigen wagt, legt in der<lb/>
Stunde der Noth &#x017F;o gern ihre Bitten und ihre<lb/>
Seufzer vor einer Marie, vor einer Seligen; vor<lb/>
einem Engel nieder; aber der fe&#x017F;tere Mann wird<lb/>
nach&#x017F;ichtig einen Wahn nicht ru&#x0364;gen, der &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
tro&#x0364;&#x017F;ten kann. &#x2014;</p><lb/>
          <div n="3">
            <head>Wu&#x0364;n&#x017F;che fu&#x0364;r meinen Freund.<lb/></head>
            <p>Es i&#x017F;t kein Wahn, daß Engel um den bedroh¬<lb/>
ten Men&#x017F;chen <choice><sic>mittten</sic><corr>mitten</corr></choice> in ihren Freuden wachen,<lb/>
wie die Mutter unter ihren Freuden und Ge&#x017F;cha&#x0364;<lb/>
ten ihre Kinder hu&#x0364;tet. Ach! ihr unbekannten Un¬<lb/>
&#x017F;terblichen! &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et euch ein einziger Himmel ein? &#x2014;<lb/>
Dauert euch nie der wehrlo&#x017F;e Erden&#x017F;ohn? &#x2014; Soll¬<lb/>
tet ihr gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Thra&#x0364;nen abzutrocknen haben als un¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0366] ich die hoͤhern auch. — Man wird einige Stellen im folgenden Aufſatze Beaten verzeihen, wenn ich vorausſage, daß ſie — vielleicht durch ihr Herz ſo gut wie durch ihren Vater uͤberliſtet, der nur ein aͤuſſerlicher Renegat des Katholiciſmus war — von den Engeln und ihrer Anbetung mehr glaubte als Nikolai und die Schmalkaldiſchen (Waaren-) Artikel einer Lutheranerin verſtatten koͤnnen. Denn das ſchwache und ſo oft huͤlfloſe Weib, das nicht weit uͤber dieſe Erde zu ſteigen wagt, legt in der Stunde der Noth ſo gern ihre Bitten und ihre Seufzer vor einer Marie, vor einer Seligen; vor einem Engel nieder; aber der feſtere Mann wird nachſichtig einen Wahn nicht ruͤgen, der ſie ſo troͤſten kann. — Wuͤnſche fuͤr meinen Freund. Es iſt kein Wahn, daß Engel um den bedroh¬ ten Menſchen mitten in ihren Freuden wachen, wie die Mutter unter ihren Freuden und Geſchaͤf¬ ten ihre Kinder huͤtet. Ach! ihr unbekannten Un¬ ſterblichen! ſchlieſſet euch ein einziger Himmel ein? — Dauert euch nie der wehrloſe Erdenſohn? — Soll¬ tet ihr groͤſſere Thraͤnen abzutrocknen haben als un¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/366
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/366>, abgerufen am 28.03.2024.