Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

-- und das wäre von mir und dem Leser auch
zu befürchten -- wie der Grundsatz des Nicht¬
zuunterscheidenden an keine wahre Menäch¬
men
glaubt, sondern sich einbildet, in der Mo¬
ral wie in der Katoptrik zeige jeder Spiegel
und Nebenregenbogen alles verkehrt.

Dritte.

Es ist dem Menschen leichter und geläufi¬
ger, zu schmeicheln als zu loben.

Vierte.

In den Jahrhunderten vor uns scheint
uns die Menschheit heranzuwachsen, in denen
nach uns abzuwelken, in unserm herrlich-blü¬
hend aufzuplatzen: so scheinen uns nur die
Wolken unsers Scheitelpunktes gerade zu ge¬
hen, die einen vor uns steigen vom Hori¬
zonte herauf, die andern hinter uns ziehen ge¬
krümmt hinab.

Fünfte.

Das Alter ist nicht trübe, weil darin un¬
sre Freuden, sondern weil unsre Hoffnungen
aufhören.

— und das wäre von mir und dem Leſer auch
zu befürchten — wie der Grundſatz des Nicht¬
zuunterſcheidenden an keine wahre Menäch¬
men
glaubt, ſondern ſich einbildet, in der Mo¬
ral wie in der Katoptrik zeige jeder Spiegel
und Nebenregenbogen alles verkehrt.

Dritte.

Es iſt dem Menſchen leichter und geläufi¬
ger, zu ſchmeicheln als zu loben.

Vierte.

In den Jahrhunderten vor uns ſcheint
uns die Menſchheit heranzuwachſen, in denen
nach uns abzuwelken, in unſerm herrlich-blü¬
hend aufzuplatzen: ſo ſcheinen uns nur die
Wolken unſers Scheitelpunktes gerade zu ge¬
hen, die einen vor uns ſteigen vom Hori¬
zonte herauf, die andern hinter uns ziehen ge¬
krümmt hinab.

Fünfte.

Das Alter iſt nicht trübe, weil darin un¬
ſre Freuden, ſondern weil unſre Hoffnungen
aufhören.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0351" n="331"/>
&#x2014; und das wäre von mir und dem Le&#x017F;er auch<lb/>
zu befürchten &#x2014; wie der Grund&#x017F;atz des Nicht¬<lb/>
zuunter&#x017F;cheidenden an keine wahre <hi rendition="#g">Menäch¬<lb/>
men</hi> glaubt, &#x017F;ondern &#x017F;ich einbildet, in der Mo¬<lb/>
ral wie in der Katoptrik zeige jeder Spiegel<lb/>
und Nebenregenbogen alles <hi rendition="#g">verkehrt</hi>.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">Dritte.</hi><lb/>
            </head>
            <p>Es i&#x017F;t dem Men&#x017F;chen leichter und geläufi¬<lb/>
ger, zu &#x017F;chmeicheln als zu loben.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">Vierte.</hi><lb/>
            </head>
            <p>In den Jahrhunderten vor uns &#x017F;cheint<lb/>
uns die Men&#x017F;chheit heranzuwach&#x017F;en, in denen<lb/>
nach uns abzuwelken, in un&#x017F;erm herrlich-blü¬<lb/>
hend aufzuplatzen: &#x017F;o &#x017F;cheinen uns nur die<lb/>
Wolken un&#x017F;ers Scheitelpunktes gerade zu ge¬<lb/>
hen, die einen vor uns &#x017F;teigen vom Hori¬<lb/>
zonte herauf, die andern hinter uns ziehen ge¬<lb/>
krümmt hinab.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">Fünfte.</hi><lb/>
            </head>
            <p>Das Alter i&#x017F;t nicht trübe, weil darin un¬<lb/>
&#x017F;re Freuden, &#x017F;ondern weil un&#x017F;re Hoffnungen<lb/>
aufhören.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0351] — und das wäre von mir und dem Leſer auch zu befürchten — wie der Grundſatz des Nicht¬ zuunterſcheidenden an keine wahre Menäch¬ men glaubt, ſondern ſich einbildet, in der Mo¬ ral wie in der Katoptrik zeige jeder Spiegel und Nebenregenbogen alles verkehrt. Dritte. Es iſt dem Menſchen leichter und geläufi¬ ger, zu ſchmeicheln als zu loben. Vierte. In den Jahrhunderten vor uns ſcheint uns die Menſchheit heranzuwachſen, in denen nach uns abzuwelken, in unſerm herrlich-blü¬ hend aufzuplatzen: ſo ſcheinen uns nur die Wolken unſers Scheitelpunktes gerade zu ge¬ hen, die einen vor uns ſteigen vom Hori¬ zonte herauf, die andern hinter uns ziehen ge¬ krümmt hinab. Fünfte. Das Alter iſt nicht trübe, weil darin un¬ ſre Freuden, ſondern weil unſre Hoffnungen aufhören.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/351
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/351>, abgerufen am 20.04.2024.