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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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unbefangen, eben weil ich aus meinen Ver¬
folgungen
weiß, wie der andre denkt).
Wollte Gott, wir kehrtens bei moralischen
Stößen nicht um!

Letzte Verfolgung des Lesers.

Der Hintergangene bedeckte und vom
Trauerschleier zum Leichenschleier leben¬
de Mensch glaubt, es gebe kein Übel weiter
als das, was er zu besiegen hat; und vergis¬
set, daß nach dem Siege die neue Lage das
neue mitbringe. Daher geht -- wie vor
schnellen Schiffen ein Hügel aus Wasser vor¬
schwimmt und eine nachgleitende Wellengrube
hinter ihm zuschlägt -- immer vor uns her ein
Berg, den wir zu übersteigen hoffen und hinter
uns noch eine Tiefe, aus der wir zu kommen
glauben.

So verhofft der Leser, jetzt nach überstand¬
nen 10 Verfolgungen in den historischen Hafen
einzufahren und da ein ruhiges Leben zu füh¬
ren vom unruhigen meines Personale; aber
kann ihn der geist- und weltliche Arm denn
decken gegen einzelne Gleichnisse -- gegen halb¬

unbefangen, eben weil ich aus meinen Ver¬
folgungen
weiß, wie der andre denkt).
Wollte Gott, wir kehrtens bei moraliſchen
Stößen nicht um!

Letzte Verfolgung des Leſers.

Der Hintergangene bedeckte und vom
Trauerſchleier zum Leichenſchleier leben¬
de Menſch glaubt, es gebe kein Übel weiter
als das, was er zu beſiegen hat; und vergis¬
ſet, daß nach dem Siege die neue Lage das
neue mitbringe. Daher geht — wie vor
ſchnellen Schiffen ein Hügel aus Waſſer vor¬
ſchwimmt und eine nachgleitende Wellengrube
hinter ihm zuſchlägt — immer vor uns her ein
Berg, den wir zu überſteigen hoffen und hinter
uns noch eine Tiefe, aus der wir zu kommen
glauben.

So verhofft der Leſer, jetzt nach überſtand¬
nen 10 Verfolgungen in den hiſtoriſchen Hafen
einzufahren und da ein ruhiges Leben zu füh¬
ren vom unruhigen meines Perſonale; aber
kann ihn der geiſt- und weltliche Arm denn
decken gegen einzelne Gleichniſſe — gegen halb¬

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[333/0353] unbefangen, eben weil ich aus meinen Ver¬ folgungen weiß, wie der andre denkt). Wollte Gott, wir kehrtens bei moraliſchen Stößen nicht um! Letzte Verfolgung des Leſers. Der Hintergangene bedeckte und vom Trauerſchleier zum Leichenſchleier leben¬ de Menſch glaubt, es gebe kein Übel weiter als das, was er zu beſiegen hat; und vergis¬ ſet, daß nach dem Siege die neue Lage das neue mitbringe. Daher geht — wie vor ſchnellen Schiffen ein Hügel aus Waſſer vor¬ ſchwimmt und eine nachgleitende Wellengrube hinter ihm zuſchlägt — immer vor uns her ein Berg, den wir zu überſteigen hoffen und hinter uns noch eine Tiefe, aus der wir zu kommen glauben. So verhofft der Leſer, jetzt nach überſtand¬ nen 10 Verfolgungen in den hiſtoriſchen Hafen einzufahren und da ein ruhiges Leben zu füh¬ ren vom unruhigen meines Perſonale; aber kann ihn der geiſt- und weltliche Arm denn decken gegen einzelne Gleichniſſe — gegen halb¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/353>, abgerufen am 28.03.2024.