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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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8. Zykel.

Nicht von Vernünfteleien sondern von
Scherzen schmilzt leicht das Eis in unserem
stockenden Räderwerke. Nach einer gesprächi¬
gen Stunde war dem Jünglinge nicht viel
mehr davon übrig als eine ärgerliche Empfin¬
dung und eine frohe; jene darüber, daß er
den Mönch nicht bei der Kutte genommen
und dem Ritter vorgeführt; und die frohe über
die hohe weibliche Gestalt und selber über die
Aussicht in ein Leben voll Abentheuer, Gleich¬
wohl fuhren, wenn er die Augen schloß, Un¬
geheuer voll Flügel, Welten voll Flammen und
ein tiefes wogendes Chaos um seine Seele.

Endlich giengen in der Kühle der Nachmit¬
ternacht seine müden Sinnen näher fortgezo¬
gen und auseinanderfallend dem Magnet¬
berg
des Schlummers zu; -- aber welcher
Traum kam ihm auf diesem stillen Berge nach!
"Er lag (so träumte ihm) auf dem Krater des
"Hekla. Eine aufdringende Wassersäule hob
"ihn mit sich empor und hielt ihn auf heißen
"Wellen mitten im Himmel fest. Hoch in der
"Aethernacht über ihm streckte sich ein finste¬

Titan. l. F
8. Zykel.

Nicht von Vernünfteleien ſondern von
Scherzen ſchmilzt leicht das Eis in unſerem
ſtockenden Räderwerke. Nach einer geſprächi¬
gen Stunde war dem Jünglinge nicht viel
mehr davon übrig als eine ärgerliche Empfin¬
dung und eine frohe; jene darüber, daß er
den Mönch nicht bei der Kutte genommen
und dem Ritter vorgeführt; und die frohe über
die hohe weibliche Geſtalt und ſelber über die
Ausſicht in ein Leben voll Abentheuer, Gleich¬
wohl fuhren, wenn er die Augen ſchloß, Un¬
geheuer voll Flügel, Welten voll Flammen und
ein tiefes wogendes Chaos um ſeine Seele.

Endlich giengen in der Kühle der Nachmit¬
ternacht ſeine müden Sinnen näher fortgezo¬
gen und auseinanderfallend dem Magnet¬
berg
des Schlummers zu; — aber welcher
Traum kam ihm auf dieſem ſtillen Berge nach!
„Er lag (ſo träumte ihm) auf dem Krater des
„Hekla. Eine aufdringende Waſſersäule hob
„ihn mit ſich empor und hielt ihn auf heißen
„Wellen mitten im Himmel feſt. Hoch in der
„Aethernacht über ihm ſtreckte ſich ein finſte¬

Titan. l. F
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[81/0101] 8. Zykel. Nicht von Vernünfteleien ſondern von Scherzen ſchmilzt leicht das Eis in unſerem ſtockenden Räderwerke. Nach einer geſprächi¬ gen Stunde war dem Jünglinge nicht viel mehr davon übrig als eine ärgerliche Empfin¬ dung und eine frohe; jene darüber, daß er den Mönch nicht bei der Kutte genommen und dem Ritter vorgeführt; und die frohe über die hohe weibliche Geſtalt und ſelber über die Ausſicht in ein Leben voll Abentheuer, Gleich¬ wohl fuhren, wenn er die Augen ſchloß, Un¬ geheuer voll Flügel, Welten voll Flammen und ein tiefes wogendes Chaos um ſeine Seele. Endlich giengen in der Kühle der Nachmit¬ ternacht ſeine müden Sinnen näher fortgezo¬ gen und auseinanderfallend dem Magnet¬ berg des Schlummers zu; — aber welcher Traum kam ihm auf dieſem ſtillen Berge nach! „Er lag (ſo träumte ihm) auf dem Krater des „Hekla. Eine aufdringende Waſſersäule hob „ihn mit ſich empor und hielt ihn auf heißen „Wellen mitten im Himmel feſt. Hoch in der „Aethernacht über ihm ſtreckte ſich ein finſte¬ Titan. l. F

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/101>, abgerufen am 29.03.2024.