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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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die Insel, diesen geschmückten Thron des Früh¬
lings, und auf ihr einen Menschen sehen sollte,
der ihm zwanzig Jahre lang versprochen wor¬
den. Diese zweifache Gluth hob den maleri¬
schen Heros zur Gestalt eines zürnenden Mu¬
sengottes empor. In die welschen Augen zog
seine Schönheit mit einem größern Triumphe
ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬
kam; in Mailand hatten viele gewünscht, er
wäre von Marmor und stände mit ältern ver¬
steinerten Göttern entweder im farnesischen
Pallast oder im klementinischen Museum oder
in der Villa Albani; ja hatte nicht der Bischof
von Novara mit seinem Degen an der Seite
vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt
ritt, nachgefragt, wer es sei? Und hatte nicht
dieser mit einer närrischen Quadratur seines
Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen
versetzt, (um dem geistlichen Herrn Licht zu ge¬
ben): "mein Telemach ists und ich mache den
"Mentor dabei -- ich bin die Rändelmaschine
"und der Prägstok, der ihn münzt -- der Glätt¬
"zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt --
"der Mann, der ihn regelt?" --

die Inſel, dieſen geſchmückten Thron des Früh¬
lings, und auf ihr einen Menſchen ſehen ſollte,
der ihm zwanzig Jahre lang verſprochen wor¬
den. Dieſe zweifache Gluth hob den maleri¬
ſchen Heros zur Geſtalt eines zürnenden Mu¬
ſengottes empor. In die welſchen Augen zog
ſeine Schönheit mit einem größern Triumphe
ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬
kam; in Mailand hatten viele gewünſcht, er
wäre von Marmor und ſtände mit ältern ver¬
ſteinerten Göttern entweder im farneſiſchen
Pallaſt oder im klementiniſchen Muſeum oder
in der Villa Albani; ja hatte nicht der Biſchof
von Novara mit ſeinem Degen an der Seite
vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt
ritt, nachgefragt, wer es ſei? Und hatte nicht
dieſer mit einer närriſchen Quadratur ſeines
Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen
verſetzt, (um dem geiſtlichen Herrn Licht zu ge¬
ben): „mein Telemach iſts und ich mache den
„Mentor dabei — ich bin die Rändelmaſchine
„und der Prägſtok, der ihn münzt — der Glätt¬
„zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt —
„der Mann, der ihn regelt?“ —

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[2/0022] die Inſel, dieſen geſchmückten Thron des Früh¬ lings, und auf ihr einen Menſchen ſehen ſollte, der ihm zwanzig Jahre lang verſprochen wor¬ den. Dieſe zweifache Gluth hob den maleri¬ ſchen Heros zur Geſtalt eines zürnenden Mu¬ ſengottes empor. In die welſchen Augen zog ſeine Schönheit mit einem größern Triumphe ein als in die engen nördlichen, wovon er her¬ kam; in Mailand hatten viele gewünſcht, er wäre von Marmor und ſtände mit ältern ver¬ ſteinerten Göttern entweder im farneſiſchen Pallaſt oder im klementiniſchen Muſeum oder in der Villa Albani; ja hatte nicht der Biſchof von Novara mit ſeinem Degen an der Seite vor wenigen Stunden bei Schoppen, der zuletzt ritt, nachgefragt, wer es ſei? Und hatte nicht dieſer mit einer närriſchen Quadratur ſeines Runzeln-Zirkels um weitläuftig Lippen verſetzt, (um dem geiſtlichen Herrn Licht zu ge¬ ben): „mein Telemach iſts und ich mache den „Mentor dabei — ich bin die Rändelmaſchine „und der Prägſtok, der ihn münzt — der Glätt¬ „zahn und die Plattmühle, die ihn bohnt — „der Mann, der ihn regelt?“ —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/22>, abgerufen am 25.04.2024.