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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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und an den Unsichtbaren schrieb und es dem
Wiener zu bestellen gab. Falterle, der die Ge¬
fälligkeit selber war -- und dabei auch die
Unwahrheit selber --, nahm trotz seiner Abnei¬
gung gegen Roquairol die Briefe herzlich gern
mit, -- "ich bin beim Minister ja wie zu
"Hause" sagt' er --, bestellte aber, da er so¬
wohl im stolzen Froulayschen Pallaste als bei
dem Sohne wenig galt, keinen einzigen und
brachte bloß jedesmal eine neue gültige Ursache
mit, warum Roquairol nicht darauf antworten
können; er war entweder zu sehr in der Arbeit
oder auf dem Krankenstuhle -- oder in Gesell¬
schaft -- jedesmal aber entzückt darüber gewe¬
sen; -- und unser argloser Jüngling glaubte
alles fest und schrieb und hoffte fort. Vom
Legazionsrathe wär' es brav gewesen, wenn er
mich, falls er anders konnte, sich verbindlich
gemacht und mir Albanos Palm-Blätter eines
liebenden Herzens eingeliefert hätte; nicht für
das Archiv dieses Buchs, sondern bloß für
meine Manualakten, für den Blumenblätterka¬
talog, den ich mir zu eignem Gebrauche von
Albano's Nelkenflore hefte und leime. --

und an den Unſichtbaren ſchrieb und es dem
Wiener zu beſtellen gab. Falterle, der die Ge¬
fälligkeit ſelber war — und dabei auch die
Unwahrheit ſelber —, nahm trotz ſeiner Abnei¬
gung gegen Roquairol die Briefe herzlich gern
mit, — „ich bin beim Miniſter ja wie zu
„Hauſe“ ſagt' er —, beſtellte aber, da er ſo¬
wohl im ſtolzen Froulayſchen Pallaſte als bei
dem Sohne wenig galt, keinen einzigen und
brachte bloß jedesmal eine neue gültige Urſache
mit, warum Roquairol nicht darauf antworten
können; er war entweder zu ſehr in der Arbeit
oder auf dem Krankenſtuhle — oder in Geſell¬
ſchaft — jedesmal aber entzückt darüber gewe¬
ſen; — und unſer argloſer Jüngling glaubte
alles feſt und ſchrieb und hoffte fort. Vom
Legazionsrathe wär' es brav geweſen, wenn er
mich, falls er anders konnte, ſich verbindlich
gemacht und mir Albanos Palm-Blätter eines
liebenden Herzens eingeliefert hätte; nicht für
das Archiv dieſes Buchs, ſondern bloß für
meine Manualakten, für den Blumenblätterka¬
talog, den ich mir zu eignem Gebrauche von
Albano's Nelkenflore hefte und leime. —

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[203/0223] und an den Unſichtbaren ſchrieb und es dem Wiener zu beſtellen gab. Falterle, der die Ge¬ fälligkeit ſelber war — und dabei auch die Unwahrheit ſelber —, nahm trotz ſeiner Abnei¬ gung gegen Roquairol die Briefe herzlich gern mit, — „ich bin beim Miniſter ja wie zu „Hauſe“ ſagt' er —, beſtellte aber, da er ſo¬ wohl im ſtolzen Froulayſchen Pallaſte als bei dem Sohne wenig galt, keinen einzigen und brachte bloß jedesmal eine neue gültige Urſache mit, warum Roquairol nicht darauf antworten können; er war entweder zu ſehr in der Arbeit oder auf dem Krankenſtuhle — oder in Geſell¬ ſchaft — jedesmal aber entzückt darüber gewe¬ ſen; — und unſer argloſer Jüngling glaubte alles feſt und ſchrieb und hoffte fort. Vom Legazionsrathe wär' es brav geweſen, wenn er mich, falls er anders konnte, ſich verbindlich gemacht und mir Albanos Palm-Blätter eines liebenden Herzens eingeliefert hätte; nicht für das Archiv dieſes Buchs, ſondern bloß für meine Manualakten, für den Blumenblätterka¬ talog, den ich mir zu eignem Gebrauche von Albano's Nelkenflore hefte und leime. —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/223>, abgerufen am 28.03.2024.